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Vom Vogel, der ein Mensch sein wollte - Teil 3

Romane/Serien · Nachdenkliches
Er konnte nicht verstehen, warum die Männer das gemacht hatten. Sie hätten ihn doch einfach fragen können, ob sie etwas Geld bekommen können. Aber er wollte sich die Laune nicht verderben lassen und ging weiter spazieren. Schließlich erreichte er den Park. Dort hatte er sich schon sehr oft aufgehalten und Menschen beobachtet. Nun betrat er ihn zum ersten Mal als Mensch.
Auf einer Bank saß eine hübsche junge Frau, die gerade ein Buch las. Diese Frau hatte er dort schon sehr oft gesehen, von ihr war er immer besonders angetan gewesen. Wie sehr hatte er immer bedauert, nie mit ihr sprechen zu können. Doch nun konnte er es endlich. Er spürte, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen breit machte und ging auf die Bank zu. Ohne jegliche Hemmung setzte er sich zielsicher neben sie.
„Bonjour“, sprach er fröhlich zu ihr. Etwas irritiert sah sie von ihrem Buch auf und wandte sich ihm zu.
„Vous êtes français?“, fragte sie ihn darauf.
„Wie bitte?“, fragte er, da er nichts verstand.
„Sind Sie Franzose?“, fragte sie ihn.
„Eh…nein. Ich glaube nicht.“
„Sie glauben?“, fragte sie nach. „Ein kleiner Scherzbold?“
„Das kann sein“, antwortete er lächelnd.
„Ich verstehe“, sagte sie und lachte auch ein wenig. „Also sind Sie von hier und sprechen andere Menschen gerne auf Französisch an?“
„Es war das erste Mal. Ich habe schon einmal mitbekommen, dass sich andere Menschen so begrüßen. Und mir war gerade irgendwie danach, es auch mal zu sagen.“
Nun musste sie richtig lachen. „Also echt, so einen Scherzkeks wie Ihnen bin ich echt noch nicht begegnet.“
„Das freut mich. Übrigens ich heiße…“ Er stockte, ihm fiel ein, dass er noch gar keinen Namen hatte.
„Ja?“, fragte sie und sah ihn abwartend an.
„Ich heiße Mark“, sagte er dann ganz spontan.
„Ich heiße Kerstin. Deinen Namen scheinst du aber nicht oft zu nennen, wenn du gerade so lange überlegen musstest, bis er dir einfiel.“
„Nun, ich bin etwas schüchtern und habe manchmal einen kleinen Blackout“, entschuldigte er sich.
„Du und schüchtern? Da hatte ich aber einen ganz anderen Eindruck“, antwortete sie amüsiert.
Ein Eiswagen kam heran gefahren.
„Oh, das ist Eis“, stellte er fest.
„Ach, sag nicht. Lass mich raten, du hast schon einmal mitbekommen, dass andere Menschen so etwas essen und nun ist dir gerade irgendwie danach, es auch mal zu essen“, lachte sie.
„Ja, du hast recht. Aber das geht wahrscheinlich gerade nicht, denn ich glaube, dazu braucht man Geld. Und mir haben vorhin zwei Männer mein Portemonnaie weggenommen.“
„Du bist überfallen worden? Du scherzt doch garantiert gerade wieder?“
„Nein, das ist wirklich passiert. Ich weiß auch nicht warum.“
„Ich hoffe, du hattest nicht so viel Geld dabei.“
„Ich weiß nicht, ob es viel war. 100 EUR haben die beiden Männer darin gefunden.“ Bisher wusste er nur, dass Menschen Geld zum Leben brauchten, aber er kannte sich noch nicht damit aus, wie viel Geld wie viel wert war.
„HUNDERT EURO??? Also für mich ist es viel Geld. Du musst ja echt viel Geld haben, wenn du so viel bei dir hast.“
„Nun ja, ich habe zu Hause einen ganzen Tresor damit gefüllt.“
„Sag mal, bist du reich? Was machst du denn beruflich, wenn ich fragen darf?“
Er musste einen Moment nachdenken und wusste nicht, was er sagen soll.
„Sagen wir es so“, fing er dann an. „Ich fliege. Zumindest bin ich es noch bis vor kurzem.“
„Du fliegst? Du bist Pilot???“, fragte sie beeindruckt. „Wow, das erklärt einiges. Aber jetzt fliegst du nicht mehr? Hast du dir eine Auszeit genommen?
„Genauso ist es.“
„Na ja, bei dem Gehalt wirst du es dir ja leisten können. Du hast im Monat wahrscheinlich fast genauso viel verdient wie ich im Jahr.“
Er zuckte nur geheimnisvoll mit den Schultern.
„Ich mache dir einen Vorschlag“, sagte sie darauf. „Ich lade dich jetzt, weil dir dein Portemonnaie geklaut wurde, auf ein Eis ein und du lädst mich später zum Essen ein.“
„Es wäre mir ein Vergnügen“, zeigte er sich einverstanden.
 
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Kommentare  

Man sieht, Geld bewirkt manchmal Wunder, wenn
auch nur für kurze Zeit...


Homo Faber (09.08.2013)

Der Vogel in Menschengestalt ist sehr naiv, spricht nur eine Sprache, braucht keinen Namen, kein Geld aber balzt. Ich glaube deine Geschichte sagt etwas aus, wie es sich für ein Märchen gehört. Gerne gelesen.

Drabblemaker (31.07.2013)

der vogel, der ein mensch sein wollte, hat durch seine seltsamen Äußerungen doch tatsächlich die aufmerksamkeit einer frau erweckt. interessant... ;-)
lieben gruß von mir


Ingrid Alias I (29.07.2013)

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