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19 Seiten

Nur ein Fingerschnipp

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Dr. Ell
Peter war nicht glücklich.
Ganz und gar nicht. Schon lange nicht mehr.
Er war eingesperrt, im größtmöglichen Knast, und das ohne nennenswerte Chancen auf Freiheit oder Entlassung. Die Situation war schlimm: Arbeitsdienst, Unterdrückung und Ausbeutung waren in seiner Welt an der Tagesordnung.

Um ihn herum gab es nur weitere arme Knastologen. aber die anderen Knastis feierten fast ununterbrochen sich selbst und Ihre angebliche Freiheit. Ihnen war gar nicht klar, das Sie im Knast waren. Sie waren, im Gegensatz zu Peter, oft sogar fast glücklich.

Peter war früher auch fast glücklich gewesen, hatte er jedenfalls gedacht, aber inzwischen war alles ganz anders, für ihn galt jetzt eine andere Wahrheit.
Sagte Peter den Menschen seine Wahrheit, wurde nur milde gelächelt, abgewinkt und abgewiegelt, sogar im eigenen Freundeskreis. Hinterrücks erklärten viele Peter für bescheuert.
Alles war doch wunderbar?!
Peter solle sich mal beraten oder doch gleich einweisen lassen.

Nun gut, Peter war nicht im Gefängnis. Er war im Grunde ein Bürger wie Du und ich und rannte da draußen herum, aber Peter war Dank eines Deorollers eines Tages aus der Matrix gefallen und hatte das große Privileg gehabt, ein Leben leben zu dürfen, das er sich nie hätte vorstellen können, und das kam so:



Peter war mit einem Freund nach Schweden gefahren. Geplant war eine einen Monat dauernde Outback-Tour durch`s schwedische Hinterland, doch irgendwo im Nirgendwo auf Höhe des Polarkreises bekam Peter`s Wohnmobil einen Motorschaden, und obwohl Peter gleich zwei Telefone dabei hatte, ein Autotelefon und ein Handy, konnte er keine Hilfe holen, denn es gab dort im Wald keine Verbindung.
Und der Fernseher ging auch nicht!

Dazu all diese fremden Geräusche andauernd um sie herum!
Es war haarsträubend. Peter und sein Freund, er hieß Markus, bemühten sich, immer Musik an zu haben, und das auch in gehobener Lautstärke, damit man sich vor den Geräuschen da draußen nicht fürchten musste und hoffte, das sie vielleicht die wilden Tiere vertrieb.
Die erwachsenen Männer mussten sich eingestehen, das sie nicht annähernd so hart waren, wie sie in Deutschland geglaubt hatten zu sein.

Peter und Markus liefen viele Kilometer in verschiedene Richtungen, erklommen hohe Bäume und Berge, alles erfolglos, es gab hier weder Menschen noch Hilfe noch ne Verbindung.

Das war sehr dramatisch, denn Peter war selbständig und hatte ein Kurierunternehmen. Seine Mitarbeiter wussten zwar Bescheid, er wurde auch gut vertreten, es hätte ihm aber doch gut getan, das Geschäftliche wenigstens ein bischen im Blick zu haben. Oder mit der Freundin zu telefonieren. Oder generell mit irgendwem zu telefonieren, denn Peter telefonierte und simste gern und viel.

Wie dem auch sei, am dritten Tag wachte Peter auf und sein Freund war weg, und mit Ihm die Reisekasse. Peter war noch im Besitz von neun Kronen, das entsprach so etwa 50 Cent.
Damit war nichts anzufangen. Peter war mit einem Mal nicht nur mit Motorschaden gestrandet und am Arsch der Heide ganz allein, sondern obendrein auch noch total pleite.



Der tolle Markus war wohl schon sehr früh morgens in Richtung der Straße gegangen, von der Sie auf den Waldweg abgebogen waren, auf dem sie sich nun befanden, und diese war bestimmt gut 70 km weit weg.
Wütend rannte Peter seinem Freund viele Kilometer hinterher, aber er konnte ihn nicht mehr einholen und musste umkehren.

Als Peter wieder am Wohnmobil ankam, stand da plötzlich ein etwa 50-jähriger Mann in Gummistiefeln und schmutziger Kleidung, der ihn auf englisch ansprach. Was er hier mache, er hätte ihn und seinen Freund schon eine Weile beobachtet, und wo denn der Freund nun sei.

Völlig perplex erklärte Peter dem Mann seine Situation, und dieser lud ihn nun zu sich nach Hause zu Kaffee und Kuchen ein. "Don`t worry, man, we`ll fix the problems. Your`s and the world`s", sagte er. „Sooner or later.“

Er, der Mann in den Gummistiefeln, hieß Erik, war Trapper und lebte allein im Wald in einem nur sechzehn Quadratmeter kleinen Häuschen und führte ein Leben, wie es Peter nicht unbekannter hätte sein können.

Peter war es gewohnt, Essen zu gehen oder sich was liefern zu lassen, nach der Arbeit fern zu sehen oder Playstation zu spielen oder am PC zu chatten oder mit`m Handy zu fummeln - und natürlich war da noch der sonst alles ausfüllende Job, die Selbständigkeit als Kurierunternehmer, die auch sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit erforderte.
Peter ging täglich mindestens ein Mal duschen, war immer Top gekleidet, putzte regelmäßig Zähne, zahlte seine Steuern und Verpflichtungen und hatte immer ausreichend Geld für die Annehmlichkeiten des Lebens, die man in dem klitzekleinen Rest verbleibender Freizeit genießen konnte, wie zum Beispiel am Handy fummeln oder die Playstation. Für alles andere war man eh zu schlapp. Mattscheibe und gut.
Ein gutes Leben, dachte Peter, so soll es sein.



Dieser Erik allerdings hatte weder eine Dusche noch eine Badewanne. Er badete einfach in einem Fluss, der nicht unweit seiner Hütte vorbei floss. Waschmittel, Zahnpasta oder Deo benutzte er auch nicht und Geld hatte er auch keines!
Oder sagen wir, nur soviel er brauchte.

Und doch, seine Hütte war sauber und aufgeräumt genug, es gab sogar fließendes Wasser, wenn auch nur kalt aus einem kleinen Hahn in dem Teil der Hütte, der die Küche darstellte, und Strom hatte er auch, wenn auch nur 12 Volt.
Diesen produzierte er mit zwei Windrädern und lud so acht alte Autobatterien. Peter staunte nicht schlecht. Einen Fernseher gab es nicht, weil Erik keinen wollte, aber es gab Musik, Licht, einen Kühlschrank und vielerlei mehr.
Dieser Mann hatte hier mitten im Wald grundsätzlich ebenfalls all das zur Verfügung, was er selbst auch zu Hause hatte, nur mit dem Unterschied, das Erik alles umsonst bekam, während Peter immer die fetten Rechnungen zahlen musste. Für was eigentlich, kam es ihm kurz in den Sinn.

Aber nun gut, der Not gehorchend musste Peter auf die Hilfe von Erik hoffen. Den ersten Abend hatten sie anstatt Kaffee und Kuchen eine Flasche Whisky gehabt und Peter war froh gewesen, das Erik in seiner Hütte ein Doppelbett eingebaut hatte, welches er benutzen konnte.

Am nächsten Morgen bargen sie das Wohnmobil mit Hilfe eines uralten Porsche-Treckers, bei dem jeder deutsche Tüv-Prüfer entweder an Herzanfall oder Lachkrampf verstorben wäre.
Aber egal, das Teil war nicht mal angemeldet. Warum auch, mitten im Wald ...

Erik lokalisierte den Fehler am Wohnmobilmotor, während Peter planlos daneben stand und verlegen an seinem nicht funktionierenden Handy nestelte. Er hatte keine Ahnung von dem, was Erik da tat. Und bisher hatte er noch nicht viel Ahnung von dem gehabt, was Erik so tat. Seine Fähigkeiten lagen da eher im am Handy fummeln, was ihm plötzlich ganz schön mager vorkam.

Erik sorgte auch dafür, das Peter zu Hause anrufen und mal Bescheid sagen konnte, indem er ihm ein klappriges Fahrrad gab und zu einer 36 km entfernten Kuppe schickte, von wo aus man aus irgend einem Grund ein bischen Empfang hatte.

Erik sorgte dann auch dafür, das Peter eine Arbeit bekam, damit er das Geld für die Reparatur und die Teile hätte, denn hier draußen gab es sonst keine andere Möglichkeit, da war nix mit Bankomat oder Überweisung. Die nächste Bank war knapp 200 km entfernt, und der Trapper hatte eh kein Konto.

Und so fügte sich Peter in sein Schicksal. Da die Batterien vom Wohnmobil schon recht leer waren, zog er notgedrungen bei Erik ein.
Schon gleich am nächsten Tag ging es los, sie fuhren mit diesem uralten Porsche-Traktor irgendwo mitten in den Forst. Dort wurde weißes Moos gepflückt, welches man an einen Ankäufer verkaufen konnte, der regelmäßig bei Erik vorbeikam und ihm bei der Gelegenheit auch Diesel, Kleidung, Gewürze oder Schnaps mitbrachte.
In Deutschland findet man dieses spezielle Moos z.B. auf Grabgestecken oder eingefärbt im Modellbau. Auch Zoos kaufen es als Nahrung für Rentiere.



Die erste Zeit bei Erik war für Peter der Horror gewesen. Allein im Wald, all die seltsamen Geräusche, wilde Tiere gab es hier auch, Schlangen, Bären, Elche und Wölfe, und wenn man sich was bräche wäre kein Arzt da und man ganz hilflos, und zum telefonieren musste man meilenweit fahren und duschen konnte man sich auch nicht, entweder musste man in den arschkalten Fluss springen oder sich die Mühe machen und Wasser in einem großen Topf auf der Feuerstelle erhitzen, um sich dann mit einem Waschlappen komplett zu waschen. Dazu musste dann natürlich auch erst mal Feuerholz rangeschafft werden.

Und so ging das immer so weiter. Die beiden standen auf und begannen, Ihr Tagwerk zu verrichten. Holz ranschaffen, zerkleinern, stapeln, Feuer schüren, Essen machen, Moos und Beeren pflücken, Zweige sammeln, Tiere einsammeln und abziehen und so weiter und so fort, denn Erik stellte zusätzlich noch Kleinfallen für Dachse, Hasen, Kaninchen, Rebhühner etc. auf, und abends saß man zusammen, hörte Musik, spielte Karten und unterhielt sich.
Aber nicht über neue Klingeltöne, Schumi oder Britney Spears. Im Gegensatz zu Gesprächen mit seinen Freunden waren diese Unterhaltungen mit Erik sehr gehaltvoll, das Geblabber der deutschen Leute war einfach nur belanglos, fiel Peter auf. Nachgeplapperte Unwichtigkeiten.



Peter hatte sich inzwischen schon fast an dieses ehrliche Leben gewöhnt, als ihm das Deo ausging. Als das passierte, war das schlimmer als alle schlimmen Geräusche aus dem Wald oder den Begegnungen mit Wölfen und Bären zusammen. Es war schlicht grausam.

Bisher hatte Peter sich der Situation anpassend nur alle 2 Tage gewaschen, aber jetzt, ohne Deo, stank Peter selbst dann, wenn er sich gerade frisch gewaschen hatte! Und zwar so richtig widerlich! Und es wurde von Tag zu Tag schlimmer! Peter war verzweifelt: Er brauchte unbedingt Deo, sonst würde er noch erstinken, sein eigener Schweißgeruch war ihm unerträglich geworden! Und seine Zahnpasta war auch bald alle! Was tun??

Die Antwort war: Nichts. Die nächste kleine Ortschaft war etwa 60 km entfernt, und Erik brauchte nichts und wollte nichts, und eine ganze Tagesreise per Rad nur für Deo und Zahnpasta war Peter selbst auch zu heftig. Vor allem, es gab ja immer was interessantes zu tun und zu sehen, dafür war gar keine Zeit.

In seiner Verzweiflung baute sich Peter eine Badewanne neben der Hütte auf und machte so Bekanntschaft mit dem Badetag.
Der Badetag.
Peters Vater hatte immer damit rumgenervt, das man sich nur Samstags baden solle, alle im selben Wasser, der Kleinste zuerst, der Größte zuletzt. Und das, obwohl selbst warmes Wasser ja aus der Leitung kam und es sogar eine Dusche gab. Peter hatte das nie verstanden – bis zu diesem Tag.

Sein Vater war zu einer Zeit geboren, da war es noch nicht üblich, das Strom am Haus anlag. Und falls, musste es nicht zwingend einen Boiler für Warmwasser geben. Obendrein hatten die Leute noch einen anderen Bezug zum Wasser: Gerade wegen der Anstrengungen war es ein wertvolles Gut und man war sparsam damit.
Heute sparen die Leute Wasser aus anderen Gründen und an falschen Stellen – der Wert des Wassers ging uns verloren und wurde stattdessen durch Geld ersetzt. Heute muss man Wasser kaufen, da dachte früher niemand dran. Sogar Regenwasser berechnet man uns – und niemand lehnt sich auf.

Peter erfuhr nun, was es bedeutete, wenn man mal im Wald ein warmes Bad nehmen wollte.
Nach dem Aufstehen so gegen 7 wurde Feuer angemacht und Holz rangeschafft. Dann wurde Wasser aus dem Brunnen geschöpft und auf der Feuerstelle zum Kochen gebracht. Mehr als zwei Töpfe passten nicht drauf. Also war Peter den gesamten Vormittag bis in den Nachmittag hinein damit beschäftigt, Wasser zu schöpfen, zum kochen zu bringen und in die Wanne zu kippen, Feuerholz nachzulegen und verbrauchtes aufzufüllen.
Gegen 16 Uhr dann war die Wanne endlich voll und Peter nahm ein Bad in schönem, warmem Wasser.
Das war wunderbar – jedoch der Aufwand völlig umsonst, Peter stank genauso wie vorher.

Wieder war es Erik, der Peter darauf aufmerksam machte, das überhaupt erst das Deo daran schuld sei, das er so stinke! Er solle sich bloß nie wieder Deo kaufen, denn das Deodorant töte die unterm Arm befindlichen Bakterien und erzeuge so, wenn man nicht erneut Deo aufträgt, einen widerlichen Gestank aus Millionen von toten Bakterien, der halt nur immer wieder vom Deo überdeckt würde. Da könne er sich waschen, so oft er wolle.
Das sei ja grad das Verkaufsgeheimnis von Deo.

Verdammt, dachte Peter. Der Waldmann hat Recht.
Es war ihm selbst schon zu Hause aufgefallen, das er immer noch ein wenig roch, selbst wenn er frisch gebadet hatte, aber Dank des Deos war dies dann immer wieder schnell vergessen, und man fühlte sich gut und gut duftend. Dem Deo die Schuld an irgendwas zu geben – darauf wäre Peter nicht gekommen. Er dachte wirklich, sein Schweiß würde so muffen, wie bei anderen halt auch, das wäre halt normal, darum würde man ja Deo kaufen.
Dabei hatten all die anderen auch nur tote Bakterien unterm Arm und waren demselben Trick auf den Leim gegangen.


Wie konnte der Waldmann das wissen und er nicht? Der lebte doch im Wald! War er darum nicht ungebildeter als Peter?
In der Tat verschwand nach etwa sechs Wochen der Geruch komplett. Peter roch sich nicht mal mehr selbst, wenn er wirklich stark geschwitzt hatte.

Erik hatte auch davon abgeraten, Zahnpasta zu kaufen, denn diese wäre gar nicht gut für die Zähne. Es sei doch Flourid drin, was wiederum ein Gift sei. Man solle lieber Natron nehmen.
Und wieder schien Erik Recht zu haben. Er war 20 Jahre älter als Peter und hatte noch seine Zähne, während Peter schon 12 Kronen und einen Haufen fehlender Zähne hatte.
Und das, obwohl er täglich putzte.
Und uralte Leute aus Dokus aus`m Regenwald, die keinen Industriezucker kannten und nicht mal Zahnbürsten, hatten ebenfalls erstaunlich gute Zähne – und keine Diabetiker.
Das ihm das nie aufgefallen war! Da stimmte doch was nicht?

Wochen und Monate vergingen, beide taten ihr Tagwerk im Wald und unterhielten sich abends über Müllberge, Ölkatastrophen, Atommüll, Aspartam, moderne Krankheiten wie Krebs oder Diabetes oder ADHS und viele andere, wichtige und unwichtige Dinge, aber immer wieder vor allem darüber, das immer wieder das Geld der Schuldige war. An allem.

Egal, welches Thema man nahm, der Auslöser für Probleme war immer Geld. Jemand verschmutzte die Umwelt, weil er so mehr Profit machen konnte, oder jemand ließ Leute immer länger für immer weniger arbeiten, damit er mehr Profit hatte. Jemand holzte Regenwald aus Profitgründen ab und noch wer anders züchtete Hühner, Schweine oder Kühe, immer schneller, immer fetter, mit Hormonen und anderen Chemikalien, belastet, die dann natürlich an uns, den Endverbraucher, verkauft wurden.

Im Gegenzug gab es massenhaft Überproduktionen in allen Bereichen, und diese wurden vernichtet, egal ob Fleisch, Gemüse oder Ei, um den Preis stabil, sprich, den Profit hoch zu halten.
Nichts wurde verschenkt, nichts durfte verschenkt werden, sogar Armenspeisungen mussten die Almosen kaufen. Es ging immer nur um Geld. Immer.
Die Liste der von beiden zusammengetragenen Gräueltaten, Widerlichkeiten, Geschmacklosigkeiten und Unvernünftigkeiten der Menschen nur für Geld war nahezu endlos.

Dies alles waren für Erik Gründe gewesen, als Trapper in den Wald zu gehen. Er sah in Geld ein Übel, das man ausmerzen müsse, und er wollte sich keines Verbrechens an Mensch, Tier, Pflanze, Umwelt und Planet mehr schuldig machen nur für Geld.
Er vermied Geld. Und brauchte er doch mal welches, sammelte er eben etwas Moos oder Beeren oder Zweige und verkaufte diese Naturprodukte.


Peter war nun schon fast 5 Monate bei Erik und hatte sich in dieser Zeit an ein sinnvolles Leben in freier Natur gewöhnt. Im Gegensatz zu früher beachtete er sein Handy gar nicht mehr, auch Fernsehsendungen, die vor kurzem noch wichtig gewesen waren, waren nun egal, auch irgendwelche PC-Spiele oder Chats waren aus seinem Kopf verschwunden, genauso wie der gesellschaftliche Zwang, die neueste Klamotte zu tragen oder Gel im Haar zu haben.
Aus dem Deo-Lover war ein Deo-Hater geworden und auch sonst hatte sich bei Peter im Kopf so einiges getan.
Man stand morgens ohne Wecker auf und tat, was man tun musste.
Ansonsten tat man einfach, was man tun wollte.
Ein wirklich gutes Leben, dachte Peter, so soll es sein!


Dann war das Wohnmobil irgendwann repariert und für Peter war es Zeit, Abschied zu nehmen. Die Geschäfte in Deutschland gingen immer schlechter, das Personal war überfordert, und zur Freundin gab es seit einem Monat auch keinen Kontakt mehr.

"This experience will have changed your life forever", sagte Erik ihm zum Abschied, und da wusste Peter immer noch nicht, wie Recht Erik auch dieses mal behalten sollte.


Peter setzte mit der Fähre über und kam in Kiel an.
Doch kaum hatte er die Fähre verlassen, wäre er am liebsten sofort wieder umgedreht!
Was war hier nur für eine Luft?? Igitt! Der derbste Smog!
Jedenfalls kam es Peter so vor, als er zum ersten Mal seit gut 7 Monaten wieder gute, alte deutsche Stadtluft einatmen musste.
Obwohl er die Fenster schloss und die Lüftung ausmachte, konnte Peter noch minutenlang die widerlichen Gerüche wahrnehmen, die in Kiel herrschten: Hier roch es nach altem Frittenfett, da nach süßem irgendwas, es roch nach Zigarettenqualm und Abgas, Gummiabrieb und Müll.

Und laut war es hier! Ein Gehupe und Geplärre, laute Musik und quietschende Reifen, und überall Motorenlärm, der die wenigen Vögel, die in den paar verbliebenen Bäumen gesessen und gesungen haben mögen, komplett übertönte.
Und schon nahm ihm wer die Vorfahrt, zeigte den Stinkefinger und gab Gas.
Peter fielen zudem die Fußgänger auf, wie sie fast alle auf ihre Handys glotzten und sonst gar nichts. Dabei rannten alle im Stechschritt. Keine Zeit, keine Zeit, schnell schnell!
Er wahr froh, als er auf der Autobahn auf dem Weg nach Hause war.

Doch auch da war es nicht besser. Allgemein war der Gestank, der Lärm, der Müll und so geringer, aber es war da!
Und es war ihm nie vorher aufgefallen! Wirklich, überall lag irgendwelcher Abfall.
Wie konnten die Menschen das zulassen, wie konnten sie so leben? Warum warfen sie einfach alles weg, wo sie gingen und standen? Warum sahen sie nicht, was sie da eigentlich taten? Nicht nur in der Stadt war das so, auch im Wald oder am Strand, vor allem am Strand! Da gingen also Familien zum Entspannen hin und ließen dann einfach ihren Müll da liegen, anscheinend nur um das nächste Mal wiederzukommen, sich über den Müll aufzuregen – und selbst wieder welchen hinzuschmeissen, weil da ja schon welcher lag! Ja, welche Art Philosophie ist das denn?

Peter verstand die Welt nicht mehr. All das hatte er vorher nie bemerkt, nie gesehen! Warum??

Die Welt war urplötzlich rastlos und vermüllt, alle waren hektisch, egoistisch, abgelenkt und überhaupt nicht auf das fixiert, was einen Menschen ausmacht: Menschlichkeit.
Die Leute hier hatten nie Zeit, waren oft genervt und unfreundlich, nicht wirklich hilfsbereit, außer, es gab was dafür, und daher nur auf eigenen Vorteil und Profit aus.

Viele verbrachten Ihre Freizeit mit Dingen, die sie noch genervter und unfreundlicher machten, wie zum Beispiel schlaff vor der Konsole sitzen, Knöpfchen drücken - und das Spiel dann mehrfach verlieren oder irgendwelche sogenannten Soaps, wo sich die Leute nur anblaffen und dann Lachen eingespielt wird. So wird Aggressivität witzig und normal gemacht.

Und sowiso TV! Was für ein Schrott da plötzlich lief!
Auch das war Peter vorher so gar nicht aufgefallen. Massenhaft Werbung, die er früher einfach nicht beachtet hatte, aber doch unterschwellig aufgenommen wurde, und diese ganzen Sendungen – das alles war weder lehrreich noch informativ. Ein Beispiel war die Sendung Welt der Wunder. Anstatt Wunder sah man nur Preisvergleiche von Weinen, Badeanstalten und Restaurants. Kein Wunder weit und breit – ausgenommen das Wunder des ewiglichen Konsums, zu dem man verführt werden sollte.
Das war einfach nur noch Hirnfick! Vertane Lebenszeit, sich das anzusehen!
Und doch, es gab ja genug Leute, die die nächste Folge Irgendwas auf keinen Fall verpassen durften. Und noch mehr Leute behaupteten immer wieder, ohne Fernseher nicht mehr leben zu können.


Peter kam nicht mehr klar. Seine Freundin hatte sich schon in seiner Abwesenheit von ihm getrennt. Sie hatte einen Mann kennengelernt, der noch mehr Geld und ein größeres Haus als er hatte.
Peter dachte: Liebe? Verkauft zum Ersten, Zweiten uuund zum Dritten!
War man geliebter Mensch oder nur noch austauschbare Ware, ein menschliches Produkt?

Auch mit seiner Arbeit kam Peter nicht mehr auf einen Nenner. Es war alles so hektisch, immer schnell schnell schnell, den Lappen auf`s Spiel setzten, vielleicht mal wen totfahren, sich permanent anmaulen und scheuchen lassen und sich dabei auch noch schuldig und mies fühlen, wenn man nicht zu schnell fahren wollte – all das nur für Geld ?

Peter gab sein Gewerbe auf, und andere Unternehmer rutschten sofort nach, übernahmen seine Autos und Kunden und stellten seine Leute für weniger Geld an, aber Arbeit war genug da.

Peter fiel nun auf, das die Menschen so sehr auf Geld und Arbeit fixiert waren, das sie sich nichts anderes mehr vorstellen konnten, weil ihnen das immer und immer wieder eingebläut wurde, von den Eltern, vom Lehrer, von Freunden, von der ganzen Gesellschaft.
Sei schneller, besser, härter, billiger und rücksichtsloser. Und mach dein Geld! Egal wie!

Obwohl immer mehr Maschinen erfunden werden, die den Menschen das Arbeiten oder die Arbeit insgesamt abnehmen, und obwohl die Menschen immer älter werden und die Jungen aufgrund von Maschinen und Alten keine Arbeit finden, wurde nach wie vor auf die Arbeit als unverzichtbar gepocht! Leute wurden in dämliche Maßnahmen gesteckt, um Arbeit zu simulieren, aber der Trend war klar: Man brauchte immer weniger Menschen für immer wachsenden Produktausstoß, und wir werden immer mehr und immer älter. Das kann doch gar nicht klappen!Alles Blödsinn.

Peter versuchte nun viele Jahre lang, seinen Freunden und Bekannten von dem zu berichten, was er in Schweden und danach erlebt hatte, wie er sich entwickelt hatte und warum er nicht mehr in dieser Gesellschaft leben konnte, aber die Freunde begriffen das nicht.
Seine Erkenntnisse waren nicht ihre Erkenntnisse. Sie hatten nicht erlebt, was er erlebt hatte : Das wahre Leben.
Und das man dafür gar kein Geld brauchte. Das es zumindest für die Seele ein Paradies war.

Die Menschen suchten doch unaufhörlich nach einem Paradies. Vielleicht nach ihrem persönlichen Paradies. Gläubige hofften, nach dem Tod ins Paradies zu kommen. Andere suchten im Weltraum nach dem Paradies, andere nach einem Paradies in der inneren Erde.
Peter fing an sich zu fragen, was die Leute dann im Paradies so täten.
Ihren Müll unter den Baum der Erkenntnis werfen? Atommüll unter den Wolken vergraben? Kleine Engel noch länger für noch weniger Engelsstaub schuften lassen, damit der Himmels-KIK billiger an Jesus verkaufen kann?

Die Leute leben doch schon im Paradies, was wollten sie denn noch? Die Erde versorgt alle mit allem, aber dann kamen einige wenige, teilten unter sich auf, was da war, weil sie meinten, das sei nun ihrs und verkauften das an uns in ihrem eigenen Interesse, und den Überschuss ließ man vergammeln. Und wer sich nix leisten konnte, musste eben darben – oder sterben.
Und alle machten diesen Blödsinn mit, fanden das sogar noch gut und richtig und wichtig!
Nur wer arbeitet, soll auch essen und so weiter … Was war nur aus der Nächstenliebe und Christenheit geworden? Ein Bund verbrecherischer Profit-Egoisten! Und die wollten ins Paradies??


Peter hätte gern in die Matrix zurück gewollt, in der sich alle anderen aufhielten. Am liebsten hätte er vergessen, was er sich angeeignet hatte über das Geldsystem und die damit verbundenen Unbillen unserer Gesellschaft.
Wie gern hätte er DSDS oder Berlin, Berlin oder Bauer sucht Frau oder Die Tortenschlacht oder eine der anderen, bescheuerten Sendungen wieder toll und sehenswert gefunden, die im TV so liefen. Wie gern hätte er wieder übersehen, das das Fernsehen gar nicht bildet sondern wirklich verblödet und wie gern hätte er nicht mehr gewusst, das Krieg, Folter, Mord, Ausbeutung, Vermüllung und so viele weitere schrecklich negative Sachen nur wegen der Geldgier der Leute stattfindet und so gern hätte er wie all die anderen verdrängt, das das, was wir heute aus Profitgier und Interessenlosigkeit zerstören und vernichten unsere Kinder und Kindeskinder schwer belastet – aber es ging nicht.

Er wusste, die Leute mussten weiter Geld verdienen, weil es unsere Gesellschaft so wollte.
Um Ihre Mieten, Handyrechnungen, Autokredite und was nicht noch alles bedienen zu können machten die Leute dann alles: Bäume fällen, Brennstäbe herstellen, Chemikalien verwenden, jemand Hungerndem nix zu essen geben, wenn er halt das Geld nicht hatte und so weiter.


Die Situation erschien ausweglos. Es gab schon lange die Idee des Freigeldes, die in einem Feldversuch auch perfekt funktioniert hatte, dann aber von der Regierung niedergedrückt wurde, grad, weil sie so hervorragend zum Vorteil aller funktioniert hatte. Das Problem: Der Staat hätte seine Handhabe am Bürger durch Schuld verloren. Doch ein geknechteter Bürger ist williger und fügsamer als ein freier Bürger. Ein moderner Sklave halt.

Da waren noch andere Ideen, zum Beispiel das Regiogeld, ebenfalls wie das Freigeld mit Negativzins.
Es gab ein Arbeitspunkte-System ganz ohne Zins und viele mehr, ebenfalls ohne Zins, denn der Zins war Geld, das niemals real existierte. Wie also konnte man etwas beibringen, was nicht existierte? Indem man jemandem was wegnahm, was existierte! Derjenige muss dann sehen, wo er bleibt und seinen Teil herbekommt.
Letztendlich blieb irgendwo immer irgend jemand auf der Strecke, der nichts mehr beibringen konnte, weil es eben nichts mehr beizubringen gab.

Alle diese Ideen wurden nur nicht umgesetzt, da damit die oberen 10.000 Ihre Macht an den Pöbel abgegeben hätten.
Und der von TV und Medien rückgebildete Pöbel wollte nicht mal ein bedingungsloses Grundeinkommen, was zwar auch nur so lange geklappt hätte, wie es das bestehende System mit Zins noch gab, aber immerhin!
Nein, schrie der geknechtete, ungebildete Pöbel! Nur wer arbeitet, soll auch essen! Sozialschmarotzer überall! Wer soll das nur bezahlen??

Die Menschen machten sich so viele Sorgen um das liebe Geld , das sie gar nicht im Sinn hatten, das Rentner, Kinder, Schüler, Studenten, Reha-Leute, Hausfrauen, Behinderte, Ümschüler, Arbeitslose und Hartz 4 sowie Sozialhilfe-Empfänger schon Leute mit einem Grundeinkommen waren, ohne „was dafür zu tun“, wenngleich es auch nicht bedingungslos war. Und so viele Leute hatten einen Job unter 1000 Euro Einkommen und waren gezwungen, noch beim Amt „aufzustocken“. Was also sollte das denn noch sein mit dem Geldsystem wenn nicht eine ausweglose, irrationale und total dumme Sache, die bereits sterbend am Boden lag? Aber immerhin, die oberen 10000 verdienten immer noch prächtig an allen verbliebenen Arbeitssklaven, warum etwas ändern?

Also berichteten die Medien halt nichts über solche alternativen Modelle, sondern riefen immer wieder zur Rettung des Euro auf und sülzten was von sinkenden Arbeitslosenzahlen, wenn man wieder 1000 Arbeitslose zum Rundgang um die Alster schickte, um sie ins Arbeitsleben zu integrieren oder wenn 2000 über 60-jährige noch ein Bewerbungstraining absolvieren mussten …


Nein wirklich, Peter war nicht gut drauf. Er saß hier inmitten der Matrix fest, die sich Gesellschaft nannte, umgeben von tumben, eingelullten Arbeitssklaven-Mitmenschen, aber diese waren sich nur selbst am nächsten und beachteten ihn gar nicht, weil Whats App schon wieder eine Nachricht meldete und jeder immer dringend was zu erledigen hatte. Die Leute hätten nicht mal mehr bemerkt, wenn sie sich selbst im Supermarkt begegnet wären, und das sogar mehrmals, so sehr waren alle in Hast, Eile und abgelenkt.

Dinge waren wichtig, die unwichtiger nicht hätten sein können und die Medien taten Ihren Teil dazu, ja nichts über wichtige Dinge zu melden, sondern die Unwichtigen noch als besonders wichtig hervorzuheben.
Peter zum Beispiel hätte sich gewünscht, das im TV der im Ozean schwimmende Müll, so groß wie ein Kontinent, gesendet wird, immer mal wieder, wie eine Folge GZSZ, und dann aktiv die Leute bildet und Ihren Sinn schärft, und nicht passiv Unsinn konsumieren lässt und damit abstumpfen lässt. Aber genau das passierte. Anstatt die Leute in Sachen Umweltschutz zu bilden wurde etliche Male am Stück über den Skiunfall eines Prominenten berichtet. Als hätten wir nie andere Sorgen gehabt.

Peter ging durch die Gegend und beobachtete die Leute, wie sie voller Gier Angebote annahmen wie „3 halbe Hähnchen zum Preis von einem“ oder „Triple Beef Burger für ganz billig und nur kurze Zeit“, ohne sich Gedanken darüber zu machen, warum das Zeug jetzt so billig angeboten wurde. Grundsätzlich war Fleisch, vor allem Rindfleisch, keine so günstige Sache.

Für die Leute war es schlicht ein gutes Angebot, denn niemanden hätte es interessiert, wenn die Hühner im Vorgarten von Fukushima gezüchtet worden wären und atomar höchst verstrahlt wären und somit wohl tödlich für den Konsumenten. Egal. Drei zum Preis von einem! Zugreifen!

Resigniert schlenderte Peter in Richtung seiner Wohnung. Wie so oft dachte er darüber nach, wie der Menschheit nur zu helfen wäre. Aber es fiel ihm nichts ein, und das war alles verdammt deprimierend.
Es deprimierte ihn zu sehen, wie Kinder gedankenlos Bonbonpapier wegwarfen oder die Eltern ihre Kippenstummel, oder Leute ihre alten Matratzen und sonstigen Müll in den Wald fuhren, um Entsorgungsgebühren zu sparen oder einfach ihren Kindern Lügen vom Weihnachtsmann oder Osterhasen erzählten, um den Konsum-Geschenkewahn noch extra anzuschüren anstatt zu vermeiden.
Es deprimierte ihn zu hören, das selbst die Kleinsten schon so oft von Geld laberten und das sie für dies und das Geld bräuchten und lieber in der Wohnung Mario Bros. spielten als sich für ihre Umgebung zu interessieren.
Die Menschen kannten die neuesten Klingeltöne und das neueste Handy- oder Browserame und die neue Pants von Star XXX, aber wie dieser Strauch heißt oder was das für ein Käfer ist, oder wie lange Kartoffeln brauchen, bis man sie ernten kann, so etwas wusste kaum noch wer. Interessierte auch keinen.

Zu Hause angekommen setzte er sich und schmiss den PC an, um online Radio zu hören und mal wieder mehr vom Wahnsinn in der Welt zu lesen, den er allein eh nicht ändern konnte.
Aber da klingelte das Telefon.

„Ja, hallo?“
„Pieter? Is it you, Pieter? It`s .. it`s me, Erik from Sweden, man. How are you?“

Peter freute sich, mal wieder von Erik zu hören. Seit seinem Besuch bei ihm waren inzwischen 10 Jahre vergangen, und Erik rief so etwa ein Mal im Jahr an.

„I´m fine. Still struggling in the system, you know. And yourself?“
„Yeah. Yeah … „ sagte Erik. „Allright. Listen, man, why i call you is … last night i got a visit in my dreams from … you remember that old witch, man, we met in the woods and smoked these odd flowers? She told me to call you to grant you a wish., because you`re a nice person.“

Peter musste schmunzeln. Offenbar hatte Erik wieder irgendwo am Whisky genippt. Aber an die Dame konnte er sich gut erinnern. In der Tat hatten sie bei einem ihrer Gänge eine Frau im Wald getroffen, die eine Pfeife dabei hatte und irgendwelche Blumen rauchte. Das war schon sehr seltsam gewesen. Er hatte auch an der angebotenen Pfeife gezogen, weil er nicht unhöflich sein wollte, und war danach ganze drei Tage seltsam beduselt.

„Aha? Yeah, i remember her … man, did she tell you why she doesn`t appear in my own dreams?“

„Um oh .. so … no. Dunno. She didn`t. Maybe i just dreamed that.“

„Maybe, I`d just say so,“ sagte Peter, und dann wendeten sie sich allgemeinen Themen zu, was sie seit dem letzten Telefonat erlebt hatten und so weiter.
Währenddessen dachte Peter aber über den Wunsch nach. Was würde er sich wünschen?
Es gab so einiges, was man sich hätte wünschen können: Ein langes, gesundes Leben, Wohlstand oder Reichtum, ein fettes Auto oder zehn davon, Gesundheit für alle Menschen auf der Welt und so weiter. Aber ein Wunsch manifestierte sich, und als Erik das Gespräch langsam beenden wollte, sagte Peter ihm „ and if this witch appears tonight again in your dreams say some greetings from me, thank you, and my wish would be, that no one after went to sleep would remember anything about money when he woke up. Simple like to cklick one`s fingers.“

„Nice wish, man. I`ll tell her if she comes up. See you, bye!“

Peter legte auf und sah sich bei Youtube noch ein paar Videos über resourcenbasierte Wirtschaft, Wertschöpfung aus dem Nichts, Alternativwährungen und noch ein paar Schatzsuchervideos an, stellte dann noch eine Tüte mit Pfandflaschen bereit, von der er sich morgen neues Brot kaufen wollte und ging zu Bett.



Am nächsten Morgen stand Peter auf, machte sich frisch und schnappte sich die Tüte mit den Pfandflaschen, um zum Supermarkt um die Ecke zu gehen, denn er brauchte ja noch Brot. Ohne Brot kein Frühstück.

Er betrat den Supermarkt, steckte seine Pfandflaschen in den Automaten, nahm sich ein Brot und etwas Aufschnitt und ging zur Kasse. Dort saß die Kassiererin, wünschte ihm einen guten Morgen, zog die Waren über den Scanner und wünschte noch einen schönen Tag. Peter erwiderte den Gruß und ging nach Hause.

Auf dem Weg kam er an einem Gebäude vorbei, an dem in großen Lettern das Wort Bank stand. Peter war verstört, denn er konnte sich gar nicht erinnern, wofür dieser Riesenklotz eigentlich gut war, obwohl er schon tausend Mal daran vorbei gegangen war.
Interessiert beschloss er, da jetzt mal reinzugehen und nachzufragen.

Aber die Leute in der Bank konnten ihm auch keine Auskunft geben. Sie waren heute morgen alle zur Arbeit gekommen, aber sie alle hatten vergessen, was denn eigentlich ihre Arbeit gewesen war.
Einige saßen mit leerem Blick auf ihren Stühlen und versuchten sich zu erinnern, während andere schon sinnierten, das Büro hier eh schon immer grau und stumpf gefunden zu haben und wieder wer anders wollte bald nach Hause gehen und seinen Garten machen, bis ihm oder jemandem anders eingefallen sei, was denn der Job war.

Ein Mitarbeiter rief dann in der Zentrale an, aber auch die hatten keine Ahnung mehr, was sie bis dato getan hatten. Der Rat war, erst mal nach Hause zu gehen und auf einen Anruf zu warten oder sich einen anderen Job zu suchen.

Peter verließ das Gebäude und war echt verwirrt. Hatte er sich nicht gestern erst was gewünscht? Was war das noch gleich? Hatte doch damit zu tun – oder nicht? Es wollte ihm nicht mehr einfallen!

Dann kam er an einem Fernsehfachgeschäft vorbei. Im Fernsehen liefen die Nachrichten.
Weltweit hatten Angestellte von sogenannten Banken vergessen, was ihre Tätigkeit war, auch Gerichtsvollzieher, Steuereintreiber, Finanzbeamte, Versicherungsleute, die Leute an der Börse und viele andere hatten plötzlich vergessen, was Ihre Tätigkeit war. Aber anscheinend war es nichts wichtiges, denn niemand vermisste nichts und alles war ja wie zuvor.

Peter beschloss, mal in den Laden reinzugehen und sich vielleicht einen neuen Fernseher auszusuchen, denn er hatte schon seit 10 Jahren keinen mehr gehabt.
Der Mann im Laden war sehr freundlich und beriet Peter ganz gut. Er entschied sich für ein Gerät, das man auch als Bildschirm für`n PC nutzen konnte und verließ den Laden just in dem Moment, als eine neue Lieferung Geräte eintraf.

Zu Hause schloss er das Gerät an und sah, das man bereits in einer Sondersitzung zusammengekommen war, um herauszufinden, warum so viele Leute plötzlich global vergessen hatten, was denn eigentlich Ihre Tätigkeit gewesen war, während Zahnärzte, Klempner, Polizisten, Bäcker, Bauern, Maurer, Lehrer, Zimmermänner, Altenpfleger, Sanitäter und viele andere sehr genau wussten, was ihre Tätigkeit war.
Und niemand vermisste diese Menschen und ihre offenbar seltsame Tätigkeit.

Peter nahm sein Rad und fuhr raus aus der Stadt. Aber schon beim durchfahren der Stadt war ihm aufgefallen, das alles irgendwie ruhiger zuging. Heute war es nicht so hektisch wie sonst. Das gefiel ihm ganz gut.

Vor der Stadt traf er dann auf mehrere Menschen, die vergessen hatten, was ihr Job war, und die nun etwas spazieren gehen wollten, so wie Peter. Er kam mit einigen ins Gespräch, unter anderem auch mit einem Bäcker, der grad Feierabend hatte. Dieser verstand den ganzen Trubel auch nicht. Er jedenfalls wisse noch sehr genau, was sein Job sei : die Menschen nicht verhungern lassen. Das sehe der Backmittellieferant und der Hersteller genauso, alles liefe bestens. Vielleicht hätte ja einer derjenigen, die nicht mehr wissen, was ihr Job war, nicht Lust, auch Bäcker zu werden, der Betrieb könne Unterstützung gebrauchen. Murmelnd fügte er hinzu, das es schon sehr seltsam sei, das das Personal bisher nicht geordert wurde, man hätte schon lange ein paar helfende Hände gebrauchen können.

Ähnliches hörte Peter in den nächsten Tagen öfter. Das Fernsehen berichtete von weiteren Umstrukturierungen. Einige der leerstehenden Bankgebäude seien von ehemaligen Angestellten übernommen worden und man sei dabei, dort Kindergärten, Bars, Discos, Heimwerkermärkte und vieles mehr zu errichten.
Dinge, die manchmal schon lange notwendig waren, aber aus irgend einem Grund nie umgesetzt wurden.

Manche Leute, die vergessen hatten, was ihre Tätigkeit war, fingen nun an, den Müll von Straßen und Plätzen, aus Wald, Feld und Flur zu klauben, da es ihnen eine sinnvolle Tätigkeit erschien. Andere stellten Dinge her und boten diese an, von Kitschfigürchen über Bilder bis hin zur handgemachten Plattschaufel war alles dabei. Wieder andere interessierten sich für Altertümer und hingen vermehrt in Museen herum, was die dortigen Angestellten sehr freute. Sonst war immer eher wenig los gewesen. Man fragte sich, woran das wohl gelegen habe, kam aber auf keine Lösung.

Auch im Laufe der folgenden Wochen wurde das Rätsel nicht gelöst. Im Gegenteil, es kamen noch neue hinzu. Das Fernsehen sendete kaum noch Werbung, denn Werbeaufträge blieben aus. Dies bescherte den Werbeleuten viel Freizeit, und manch einer orientierte sich auch hier um.
Die Rüstungsindustrie stagnierte ebenfalls, da plötzlich kaum noch wer Waffen oder Bomben haben wollte. Allgemein war dies positiv zu werten.

Die großen Bosse der Firmen, wo man vergessen hatte, was die Tätigkeit war, strukturierten sich ebenfalls um, sie machten einfach was anderes. So simpel.


Nach etwa einem Jahr der Umstrukturierung beschloss die Menschheit, allen radioaktiven Abfall in großen Raketen auf Nimmerwiedersehen in den Weltraum zu schießen. Atomkraftwerke gehörten der Vergangenheit an, ebenso irgendwelche Endlager, stattdessen hatten die Menschen nun vollends auf saubere, erneuerbare Energien wie Wind, Wasser und Luftkraft gesetzt. Einige erzeugten ihren Strom selbst, andere bezogen nach wie vor von Anbietern.

Bis auf wenige sexuelle Übergriffe und Schlägereien, meist im Suff, hin und wieder ein Mord aus Rachsucht, war die Kriminalitätsrate drastisch gefallen, es fanden keine Einbrüche oder Überfälle mehr statt und man fragte sich, warum es diese Verbrechen überhaupt je gegeben hatte.
Man brauchte doch einfach in einen Laden gehen und sich nehmen, was man wollte?
Ein Überfall machte einfach keinen Sinn.
Man arbeitete doch Hand in Hand - und nicht gegeneinander .

In der Politik saßen nun Volksvertreter, die wirklich das Volk vertraten. Man hatte begonnen, die Probleme, die sich die Menschheit aus irgend einem seltsamen Grund selbst eingebrockt hatte, abzubauen.
Der Tierbestand wurde weltweit sanft reduziert, da man herausgefunden hatte, das aus irgend einem Grund viel mehr Tiere gezüchtet und geschlachtet worden waren, als man je benötigt hätte.
Dadurch wurde wieder mehr Land frei, auf dem die Menschen Nahrungsmittel anbauen konnten.
Auch zog man sich aus den Regenwäldern zurück. Biosprit wurde eingestampft, stattdessen Projekte in Angriff genommen, die sehr sehr gut waren, aber aus einem unerfindlichen Grund von irgendwem jahrelang unter Verschluss gehalten wurden.

Den aus irgend einem seltsamen Grund hungernden und unterentwickelten Ländern sandte man Maschinen und Hilfe, um auf die Beine zu kommen und die dortigen Menschen zu stärken. Land, das man sich irgendwann irgendwie sinnlos besorgt hatte, wurde zurückgegeben.

Alles in allem hatte die Welt durchweg positive Veränderungen erfahren.
Na schön, gegen Tschernobyl, Fukushima, Hiroshima und die vielen bereits durchgeführten Atomtests konnte man nichts unternehmen, diese Gelände waren hoffnungslos verstrahlt, aber immerhin hatte dieser Wahnsinn nun ein Ende.
Die Welt ging offenbar den schon lange prophezeiten goldenen Zeiten entgegen.
Und das war gut so.


Epilog:
Peter saß bei sich, er war grad von seiner Arbeit heim gekommen. Er hatte sich einem Metalldetektor besorgt und war nun fast täglich unterwegs, auf der Suche nach Altertümern im Boden, die vielleicht das Museum interessieren konnten.
Meistens jedoch fand er nur Müll, den er mitnahm und dem Recycling zuführte. Einige Stücke behielt er als Trophäe. Ansonsten schrieb er Kurzgeschichten zur Belustigung der Leute oder las hier und da Dinge, die ihn interessierten und bildeten.
Da klingelte das Telefon.

„Ja, hallo?“

„Pieter? It`s me, Erik from Sweden, how are you?“

„Hi Erik, my man. I´m fine, really fine. Everything`s well over here. How are you?“

„Also perfect. Listen, i`d like to come up to you for holidays, what do you think?

„Great idea, man! You`re more than welcome! I wonder, why we haven`t done it already some years ago.“

„Also i wonder. But anyway, I´ll make my way, starting right now.“

„Right now? O man, when will you be here?“

„Short time, tomorrow, like with a click of one`s finger.“


Peter überlegte. Click one`s finger? Mit einem Fingerschnipp?

Na egal. Er stand auf, um zum Laden zu gehen und schon mal eine gute Flasche Whisky zu besorgen. Und kleine Geschenke erhalten ja die Freundschaft, sagt man, und gute Freunde kann man nie genug haben, ganz im Gegensatz zu diesem … diesem … wie hieß das Zeug noch gleich, welches man nicht trinken, essen und atmen konnte und doch so wichtig schien?

Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, aber irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, als wäre das auch ganz gut so.
Offenbar hatte Trapper Erik in seinen Gummistiefeln tatsächlich Wort gehalten als er damals sagte:
„Don`t worry, man, we`ll fix the problems. Your`s and the world`s. Sooner or later.“
Und das musste doch gefeiert werden. Peter lehnte sich zurück und war glücklich.

ENDE
 
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