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Aus bösem Traum (09.03.2014)

Kurzgeschichten · Experimentelles · Erinnerungen
© Ben Pen
Ich sah auf. Auf meinem Desktop hatte sich ein Fensterchen geöffnet. Den größten Teil beherrschte Werbung. Nur oben prangte eine weiße, etwa zwei Finger breite Zeile. In der linken Ecke, grau hinterlegt: eine regenbogenfarbene Gerbera.
Es handelte sich um eine Flirt-App. Klickte man, erschienen Zahlen. Jeder Nutzer hatte eine ganz bestimmte Nummer. Mithilfe virtueller Fragebögen wurden Übereinstimmungen er-, potentielle Pärchen vermittelt.
Eigentlich war ich ja schon vergeben, verheiratet sogar, und dennoch …
Es machte Klick. Ich weiß nicht, ob ich maßgeblich daran beteiligt war, wer letztendlich geklickt hatte, sie oder ich, ob es Absicht oder Schicksal war, dass passierte, was passierte.
Aufgrund eines Praktikums hatte ich mein altes Kinderzimmer bezogen und war alleine. Es war dunkel. Das einzige Licht kam von einem Rechteck, bedrängt durch eine Dachschräge.
Es klingelte. Ich zögerte einen Moment. Schließlich nahm ich ab. „Hallo?“, fragte ich, darum bemüht, nicht allzu aufgeregt zu klingen. Meine Stimme war nur ein kleinbisschen belegt, zu geringfügig, als dass es hätte auffallen können.
Wir unterhielten uns. Sie hatte eine weiche, selbstsichere Stimme. Und kam mir irgendwie bekannt vor. Als hätten wir schon einmal das Vergnügen miteinander gehabt. Auch die Situation: wie aus einem anderen Traum …
Wir verabredeten und trafen uns, am nächsten Tag schon. Um uns her: Gedränge. Noch zehn Minuten, dann würde der Unterricht beginnen. Sie war schwarz, mit Dreadlocks in den Haaren. Diese endeten in Zöpfchen, Blumenkohl, von Haargummis gebändigt. Ihr Lachen entblößte ein regelrechtes Pferdegebiss.
In der Pause sahen wir uns wieder. Ich wusste, dass sie etwas von mir wollte. Ihre Schulbücher umklammernd stand sie da und lächelte mich an. Sie hatte einen guten Körper. Wir küssten uns.
Am Nachmittag kam sie zu mir. Dort machten wir weiter. Wir saßen auf der Couch, im Wohnzimmer, und entkleideten einander. Sie hatte sich verändert. Aus ihrem afroamerikanischen war ein spanischer Typ geworden. Ihre Haut war jetzt karamellfarben und ihr Haar floss lang und schwarz über die Kissen. Auch hatte sie an Pfunden zugelegt. Einprägsam: eine leicht abgeflachte Nase.
Befreit begutachtete ich ihren Arsch, fixierte ihre Schamlippen, pralle Wülste, zwischen die ich meinen Schwanz zu schieben gedachte. Mit der Hand fühlte ich vor. Sie war noch trocken, leider …
Da hörte ich Schritte, beziehungsweise: Auf einmal hatte ich so eine Ahnung. Klatschten da Hausschuhe im Treppenhaus? Ich glaubte, es zu riechen, das Gemisch von Öl und Desinfektionsspray, sie wahrzunehmen, meine Mutter. Bereits hatte ich ihr Bild im Kopf: Sie stapfte die Stufen hoch.
Alarmiert langte ich nach meiner Hose. „Los!“, zischte ich, und dann ging es die Treppen rauf. Holz klapperte bei jedem Schritt.
„Metaler?“, kündigte sich mein Bruder an, auch meine Mutter betrat die Wohnung.
Mit hämmerndem Herzen schlug ich die Tür hinter mir zu. Mein Bruder hatte irgendetwas gesehen. Mir war, als hämmerte es gegen die Tür, als käme er, um zu erfahren, wen ich da bei mir hätte, naiv und ungestüm in seiner Art. Allein meine Mutter schien etwas gerochen zu haben. Sie war ein gebranntes Kind und überbeschattete bedrohlich alles; einzig die zweimal abgesperrte Tür hinderte sie daran, meinen Betrug aufzuklären.
Das Mädchen stand indessen fassungslos in der Mitte meiner kleinen Dachkammer und offenmundig da. Ich wollte sagen: „Du, pass auf, ich bin verheiratet, wenn meine Mutter was spitzkriegt, ist es aus!“ Doch aus meinem Mund kam bloß: „Sorry, irgendwie kriege ich das gerade nicht gebacken...“
Schon war ich auf den Tisch geklettert, einen Blick durchs Fenster wagend, feststellend, dass es in Strömen regnete. Allerdings: Ein paar Schritte würde man tun können. Ich öffnete es. Halbverdeckt von Kirschbaumzweigen unterhielten sich Nachbarn. Hinter mir hämmerte es gefühlt. Meine Mutter bleckte mir im Nacken.
„Komm“, rief ich, „nimm meine Hand!“ Und das Mädchen ergriff sie, zögerlich.
Im nächsten Moment standen wir beide auf dem Fensterbrett. Ich, sie vor mir her schiebend, drückte sie über die Ziegel. Sie zitterte am ganzen Leib. Draußen stemmte ich mich gegen den Dachfirst. Allmählich ließ ich sie zu Boden sinken. Wie an einem Seil glitt sie hinab. All das dauerte kaum eine Sekunde.
Kurz vor Schluss drosselte ich mein Tempo dann aber doch noch:
„Was…?“
„Geh!“, rief ich.
„Aber…“
Seufzend kam ich hinterdrein. Zu zweit verschwanden wir im Schatten. Zwischen zwei Fenstern packte ich ihre Oberarme. „Hör zu!“, zischte ich, dazu ansetzend, ihr alles, jede Kleinigkeit haarklein zu erklären, zu beichten, dass ich …
„He“, meldete sich mein Bruder (erneut) zu Wort, „ist das nicht Amy Adams!?“
 
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