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Untergang, 14.09.2014

Kurzgeschichten · Experimentelles · Erinnerungen
© Ben Pen
Ich stand in einem Raum. Es war ein kleines, recht beengtes Zimmer. Hinter mir: eine Glasfront. Dahinter, in weiter Ferne: Berge. Vor mir saß eine Hexe, vor sich, auf einem Tischchen: eine Art Holzteller. Darauf, in allen Farben: Spielsteine, aus Holz. Einen davon hatte ich ihr gerade gegeben. Er war yadegrün, im Schwimmbad ich hatte ihn ertaucht. – Dunkel erinnerte ich mich an die Halle: ein weites Becken, klares Wasser, Fenster, eine betone Überführung, weiter hinten: ein Labyrinth von Spinten.
Die Hexe erklärte mir, was ich da gefunden hatte. Sie wollte, dass ich ihr alle brachte. Nur so ließe sich der Weltuntergang noch aufhalten. Ihre Finger waren fleischig, faltig, ihre Fingernägel lang und spitzzulaufend. Ich wandte mich ab, sah aus dem Fenster. Und gewahrte einen Regenbogen, der irgendwo zwischen den Bergen endete. In Gedanken griff ich nach ihm, versuchte, mich an ihm entlang zu hangeln.
Im nächsten Moment war ich umgeben von Bergen, knöcheltief im Schnee stehend. Schneeflocken tanzten um mich rum. Unter mir: die schwarzen Fransen kahler Bäume. Es war kalt. Um mir ein bisschen einzuheizen, nahm ich mich selber in die Arme. Hier fand ich den nächsten Spielstein: eine weiße Margerite. Und kehrte, auf demselben Weg, auf dem ich gekommen war, wieder zurück.
Diesmal erzählte mir die Alte von einem Asteroiden, der im Orbit unseres Mondes kreiste. Dort fände ich den nächsten Stein, einen leuchtend violetten. Und das tat ich, tatsächlich: Als Superman flog ich ins All. Mir nichts, dir nichts landete ich auf einem Felsbrocken, braun und ungefähr mittelgroß. Um mich herum: Schwärze, die endlosen Weiten des Weltalls. Ich bückte mich, barg das Objekt meiner Begierde und kehrte, genauso schnurstracks, wie ich hierhergekommen war, zu meiner Auftraggeberin zurück.
Diese wirkte gequält. Mit zitternden Fingern spielte sie mit den Figuren. Eine musste ich noch finden. Diese befände sich, so sie, irgendwo in Israel. Dorthin machte ich mich als nächstes auf. Ich kam in eine Stadt, halb ertränkt in Aschehaufen. Die Häuser waren niedrig, mehr Gerippe als fertige Bauten. Der Himmel war wolkenverhangen.
Ich kehrte bei einer Familie ein, deren Haus kaum größer war als ein Zugabteil bei uns, an einer Wand: ein Schrank, eine Kommode. In einem unbeobachteten Augenblick durchwühlte ich ihre Schubladen nach einem Hinweis, fand jedoch lediglich eine Hand voll Dornen, türkiser, sowie einen Krümel, der an eine Rosine erinnerte.
Schließlich sprach ich meine Gastgeberin direkt auf den Gegenstand meiner Suche an. Allerdings ohne Erfolg: Entweder konnte oder wollte sie mich nicht verstehen. Jedenfalls winkte sie ab und kehrte mir den Rücken zu. Ihr Mann hingegen drückte mir einen Stapel Schulbücher in die Hand, kleine, schreibmaschinenbedruckte Kladden, rot.
Darin blätterte ich eine Weile: Ich sah Bilder, einen Mann mit blauer Haut, einer schwarzen Weste und einem Ohrring, einen Jin. Auf der nächsten Seite: eine pelzige, gebückt gehende Gestalt mit glühenden Augen, zu Klauen gekrümmten Fingern und scharfen Zähnen, wahrscheinlich ein Werwolf. Mit Reisighänden sei er zu beschwören. Ich versuchte es, nahm all meine geistige Kraft zusammen, schaffte es jedoch nicht. Nur ein bisschen schwindelig war mir geworden.
Da hauchte der Mann: „Wendigo! Wendigo!“ Und schickte mich an, sein Haus, meinen Unterschlupf zu verlassen. Er hatte Angst. Etwas Großes stand bevor.
Ich ging raus, ein paar Schritte. Noch immer war es weder hell noch dunkel. Ich war alleine. Ein Windhauch wirbelte Asche auf. Ich stieg in mein Batmobil, fuhr los, in einen Tunnel, floh.
Dann geschah es: Die Welt ging unter. Mit einem Mal wimmelte es überall nur so von Panzern. Geschosse pflügten durch die Luft, Autos überschlugen sich. Alles stürzte ein; es hagelte Trümmer. Ich wich ihnen aus, wieder und wieder, so gut es ging, bis … ich einfach keinen Ausweg mehr sah. Und mich ergeben musste …
 
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