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Böses Bärchen IV

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Böses Bärchen
Wer nimmt es mit dem Samuraikiller auf?





Für abends hatte ich die Jungs eingeladen. Einen Sechserträger Bier besorgt, die Karte vom Pizzabringdienst bereitgelegt und die Herr der Ringe-DVDs rausgelegt. Wir wollten einfach mal wieder gemütlich zusammensitzen und gemeinsam nichts tun, so wie wir es früher oft getan haben. Olli und Andi waren pünktlich und hatten statt Pizza gleich etwas vom Chinamann um die Ecke mitgebracht. Den Kampf der neun Gefährten gegen das Böse hatten wir schon länger nicht mehr gesehen, damals allerdings so oft, so dass wir uns jetzt nebenbei noch gut unterhalten konnten. Wisst ihr noch damals als wir in der Disco..., wisst ihr noch als deine Ex..., wisst ihr noch bei unserem Trip nach...
Meine Laune war gut, bis ich in die Küche ging, um ein neues Bier zu holen. Er saß vor dem Kühlschrank, drei leere Flaschen neben sich. „Warum darf ich nicht mitgucken?“, maulte er, während er mir eine der Flaschen vor die Füße rollte. „Weil du immer alle Gespräche an dich reißt, weil du ständig über den Film und das Essen meckerst und weil das hier nun mal ein Männerabend ist. Is' nix für dich.“
Statt einer Antwort schnappte er sich eine Flasche Schierker Feuerstein, die ich irgendwann einmal bei einem öffentlichen Anlass als Präsent bekommen hatte, und marschierte in Richtung Wohnzimmer. Bei uns bekam man bei öffentlichen Anlässen immer Schierker, obwohl ich noch nie jemanden kennengelernt hatte, der den Kräuterschnaps auch wirklich trank. So hatte auch ich inzwischen mehrere Flaschen in der hintersten Ecke stehen, da man Geschenke ja nicht wegwirft.
„Bier ist alle, aber es gibt noch Schierker“, hörte ich ihn verkünden und Andi und Olli darauf doch tatsächlich ein „Ist okay“ antworten. Ich schnappte mir Gläser, beschloss, trotzdem das Beste aus dem Abend zu machen und verdrängte das Gefühl, gerade zum Dienstboten Saurons degradiert worden zu sein.
Während die Flasche sich erstaunlich schnell leerte, weil er immer wieder nachschenkte, schwelgten wir weiter in Erinnerungen, wurden aber immer wieder von ihm unterbrochen. Er meckerte über die realitätsfremde Unterscheidung in Gut und Böse, die sich negativ auf das Weltbild auswirke, über die viel zu unblutige Geschichte und über schwule Elben in Strumpfhosen. Als er merkt, dass wir kaum auf ihn eingehen, änderte er seine Taktik und fragte: „Warum lebt ihr eigentlich nur noch in der Erinnerung?“
Drei Augenpaare wendeten sich vom Fernseher ab und sahen ihn an, was ihn umso spitzer fortfahren ließ: „Hört euch doch mal zu. Ihr redet über Partys, die ihr damals gefeiert habt, über Frauen, die ihr damals ge... na ihr wisst schon. Früher, früher, früher. Wie alt und wie spießig seid ihr eigentlich?“ Im ersten Moment war keiner von uns schlagfertig genug, um ihm darauf zu antworten. Dass das wie immer ein Fehler war, wurde mir klar als er fortfuhr: „Ihr hängt hier rum, statt wirklich etwas zu unternehmen und hört euch an wie Kriegsveteranen, die von ihren einst glorreichen Schlachten erzählen. Ist euer Leben wirklich so leer?“
„Unser Leben ist nicht leer“, protestierte ich, „es wird reich, gerade weil wir gemeinsame Erinnerungen haben.“ Er schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. „Hol mal 'ne neue Flasche, die ist genauso leer“, sagte er dann. Da Olli nickte, fügte ich mich in mein Schicksal.
Zurück im Wohnzimmer war der Herr der Ringe aus dem DVD-Player verschwunden und hatte einem Takashi Miike-Film Platz gemacht, in dem ein Killer mit Samuraischwert gerade seine Gegner blutig massakrierte. Das ist dann also ein Film, der das Weltbild wieder zurechtrückt? Er diskutierte gerade mit meinen (!) Freunden darüber, dass es das Gute in der Welt ja gar nicht gibt, dass letztlich jede Macht missbraucht und somit böse wird. Ich zuckte mit den Schultern und füllte unsere Gläser wieder auf.
Der Rest des Abends versank weitestgehend in einem Nebel. Ich erinnere mich noch, wie ich zwischendurch die Stimme von Claus Kleber wahrnahm, der berichtete: „In Mittelerde wurden heute vier Hobbits von einem Samuraikämpfer noch einen Kopf kürzer gemacht als sie es ohnehin schon waren. Die Bundeskanzlerin sprach Aragorn ihr Mitgefühl aus und Außenminister Frank-Walter Steinmeier reiste ins Auenland, um der von Gandalf dem Weißen geleiteten Trauerzeremonie beizuwohnen.“ Anschließend bekam ich noch irgendwie mit, dass Bruce Willis sich lädiert und blutverschmiert dem Killer mit dem Schwert entgegenstellte, es könnte allerdings auch sein, dass jemand eine neue DVD eingelegt hatte.
Am nächsten Tag fühlte sich mein Kopf jedenfalls an als hätte ich als John McClane alle drei Stirb langsam-Filme durchgemacht und mein Blick auf vier leere Schierker-Flaschen sagte mir, dass auch die beiden neueren Teile dabei gewesen sein mussten. Er saß auf dem Sofa zwischen Olli und Andi, die vor sich hin schnarchten, und sagte kühl: „Du wirst mir noch dankbar sein, wenn ihr euch in ein paar Jahren stolz erzählt: 'Weißte noch damals als wir uns beim DVD-Abend die Kante gegeben haben...'“
 
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