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Souterrain der Seele, dritte Folge, Johanna Ringena

Romane/Serien · Nachdenkliches
Es war am späten Nachmittag des 10.Juli, als Amanda am Ziel war. Sie drehte den Autoschlüssel um und der Dieselmotor ließ ächzend seine letzten Umdrehungen hören und gab noch einige freiwillige Ausstöße von sich.
Sie reckte und streckte sich hinter dem Steuer, 1300 km, das war nun genug.
Die Hausnummer 7 stand deutlich auf einem blauen Emailleschild, welches an einer niedrigen hölzernen Tür befestigt war, die in eine hohe helle Kalksteinmauer eingelassen war.
Die schmale Straße schlief in der Sonne, einige weiße, rote und violette Stockrosen schwankten leicht im warmen Nachmittagswind. Amanda sog den Blumenduft in langen Atemzügen ein. Das war nun also Orfeuille, Mauern und Blumen. Eine Klingel gab es nicht, wohl aber einen Glockenstrang, den Amanda ausgiebig zog und erschreckt durch den lauten Ton, der durch den ganzen Ort zu hallen schien, zuück prallte.
Nichts geschah.
Amanda zog noch noch einmal und dann hörte sie eine kräftige weibliche Stimme, die durchaus mit der Glocke mithalten konnte:" Je viens, je viens (ich komme, ich komme)!" Die Tür öffnete sich fast geräuschlos und Amanda sah eine Frau unbestimmbaren Alters vor sich, eine von den Frauen, die zwischen 50 und 70 stehen bleiben. Sie war groß,vollschlank, das braun-graue Haar zu einem kleinen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. In ihrem offenen Gesicht strahlten sie zwei sehr blaue Augen freundlich an. Amanda hätte sie am liebsten gleich umarmt. So war Amanda, sie wusste das, wenn jemand freundlich zu ihr war, gab sie leicht alles, zuviel.
Damals, als sie diese große Liebe zu Fabius spürte,gab sie zuviel, was Fabius dann zum Verhängnis wurde.
Die Frau stellte sich als Mme. Samira de Beaufort vor und gab Amanda die Hand. Sie möge ihr bitte folgen, ihr Gepäck könne sie später holen und den Wagen dann auf einem herbergseigenen Parkplatz abstellen. Amanda verstand alles, mit Fabius hatte sie nur Französisch gesprochen und sie folgte ihrer Herbergswirtin neugierig durch schmale dunkle Flure und über eine gewundene Treppe, die in einem Turmzimmer mündete. "Unsere Herberge ist sehr alt, sie stammt aus dem 16ten Jahrhundert und war seitdem immer Herberge, ein seltener Fall nicht wahr?", sagte sie und zog den Kopf ein, um in das winzige Turmzimmer einzusteigen, in dem Amanda nun die nächsten drei Wochen verbringen sollte.
"Le secret en d'or", ( Das goldene Geheimnis)so hieß diese Herberge, Amanda hatte diesen Namen, der doch im Internet angegeben war,fast vergessen und wo sie jetzt ihr Turmzimmer sah, fiel er ihr wieder ein.
Um 20.00 gebe es das tägliche Diner, es seien noch sieben andere Gäste da, sie werde schon sehen. Und sie möge sie doch bitte Samira nennen, alle ihre Gäste täten das.

Als Amanda den Volvo gut untergebracht und ihren Koffer ausgepackt hatte, setzte sie sich auf das breite Doppelbett und sah aus dem kleinen Fenster in einen weitläufigen Park, dessen gewaltige Zedern die wuchtigen Mauern dieser Herberge zu schützen schienen. Frieden sollte sich bei diesem Anblick in ihr ausbreiten, das hatte sie gehofft, darum war sie hier.
Aber sie erschrak. Sie hatte es nicht unter Kontrolle, es war wieder da, sie hatte es für überwunden geglaubt, dieses dumpfe Gefühl, das wie ein dunkles Hintergrundgemälde all ihre Gedanken aufsog und mit bleierner Schwere bedeckte.

Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Lüge, schrie es in ihr, Lüge! Du hast diesen Ort bewusst ausgesucht, das war kein Zufall, wie du dir einreden willst. Du suchst Fabius, dessen Spuren sich in dieser verlassenen Gegend verlieren. Du hoffst, ihn zu finden und weißt, dass das eine Illusion ist.

Eine wohltönende Glocke rief zum Abendessen. Amanda wischte ihre Tränen ab, ärgerte sich, dass sie weder geduscht, geschweige denn sich umgezogen hatte. Sie sah in den Spiegel über der alten Kommode und lächelte ihrem verschmierten Gesicht vorsichtig zu, nahm ein Tempotaschentuch und wischte sich die Augen sauber.
 
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