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4 Seiten

Als die Nacht über mich kam

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ich wache einmal mehr schweißgebadet auf und brauche eine Weile ehe ich weis wo ich bin. Es geschieht nicht mehr so oft in der letzten Zeit, aber es zehrt an meinen ohnehin sehr strapazierten Nerven.
Die Nacht scheint wieder über mich herein zu brechen. Aber ich meine nicht die Nacht, die unweigerlich den Tag verdrängt. Nein. Nicht diese. Es ist die innere Nacht, die mich wieder einzufangen und zu kontrollieren versucht.
Die Dunkelheit in mir. Das abgrundtief Böse, was in jedem Menschen wohnt, jedoch bei den meisten gut verschlossen ruht. Sie macht mir Angst diese Dunkelheit. Man kann sie auch den Schatten auf meiner Seele nennen. Immer vorausgesetzt man glaubt an solche Dinge wie die unsterbliche Seele. Ob ich daran glaube? Nun, ich weis nicht recht. Ich glaube aber, es gibt eine Instanz, die über uns wacht und alles beobachtet, was wir tun.
Dieses ungute Gefühl, das langsam aus dem Bauch heraus aufsteigt und alles zu beherschen sucht, es lähmt mich. Hindert mich daran der zu sein, der ich eigentlich bin. Der ich gerne sein würde.
Dieses Biest in mir drangt mich dazu Dinge zu tun, die ich nicht tun will.
Ich hoffe noch immer darauf, das sie mich bald entlassen werden. Aber du solltest besser nicht zu Hause sein, wenn ich wieder Heim komme. Ich sagte es dir schon bei deinem letzten Besuch. Aber ich denke, du wirst genauso wenig auf mich hören wie du es letztes mak getan hast, als die Dunkelheit über mich kam.
Sie hätten damals ganze Arbeit leisten sollen. Das wäre besser gewesen. Und glaube mir, ich wollte dem Therapeuten damals nichts böses. Es war ein Unfall. Der Richter sah es auch so. Aber er konnte genauso wenig in mich hinein sehen, wie der Psychiater es gekonnt hatte, ehe er starb. Aber er glaubte mir nicht, als ich ihm sagte es sei besser jetzt die Sitzung zu beenden, weil das Dunkle wieder zu kehren drohte. Er hatte es heraufbeschworen und ich konnte es nicht aufhalten.
Man hatte mich mit mehreren Polizisten aus meiner Wohnung geholt. Du hast es gesehen und nichts unternommen. Ich war mit einem Messer bewaffnet und wehrte mich gegen sie. Zwei habe ich erwischt. Einer ging leider drauf. Tut mir aber im Grunde nicht leid. Ich war es nicht, der ihn gemeuchelt hatte. Es war das dunkle Biest. Sie überwältigten mich schließlich, nachdem sie auf mich geschossen hatten. Dabei wurde ich schwer verletzt. Dummer Weise überlebte ich. Aber lieber wäre ich bei dieser Aktion gestorben. Das Biest,die Dunkelheit wäre mit mir gestorben und alles wäre gut gewesen. Doch sie schafften mich ins Krankenhaus.
Der Therapeut, der das erste von mehreren Gutachten erstellt hatte, schrieb in seiner Beurteilung ich sei eine schizoider Soziophat. Was auch immer das bedeuten mochte. Ich habe es damals nicht verstanden und es ist mir bis heute unklar was es heißen soll.
Aber ich weis was mir diese Beurteilung eingebracht hat. Und wenn sie mich wieder in die Welt entlassen, weis ich auch was ich mit diesem Professor Doktor anstellen werde.
Vielleicht wäre es besser , sie behielten mich für immer hier. Keine schöne Vorstellung für mich. Aber für die da draußen sicherlich.
Sie wissen nicht wie es in mir aussieht. Sie können mir nur vor den Kopf schauen, nicht aber hinein. Ob sie die vielen seltsam wirren Gedanken überhaupt verstehen könnten, wo es selbst mir manchmal schwer fällt?
Sie konnten es schon damals nicht, als sie mir all diese Abscheulichkeiten vorwarfen, die ich getan haben sollte. Doch ich war es doch nicht! Es war die Dunkelheit. Doch das war ihnen egal. Vollkommen gleich was ich auch immer sagte. Sie glaubten mir nicht.
Und ich sagte nichts zu ihren Vorwürfen. Wie sollte ich auch? Ich konnte mich an keine dieser Taten erinnern, die ich begangen haben sollte.
Sie haben mir achtzehn Jahre auf gebrummt. Nun sitze ich bereits mehr als fünfundzwanzig hier. Für alles was sie mir anlasteten mußten sie harte Ermittlungsarbeit leisten. Ich muß leider zugeben, sie waren gut. Verdammt gut.
In all dieser Zeit hatte ich viel nach gedacht über diese Ereignisse, diese schlimmen Dinge. Aber alle Erinnerung rührt nur von den Prozessakten her. Es hat mit mir nichts zu tun, weil ich es ja nicht selbst war. Aber das sagte ich ja schon.
Ein böser Mann bin ich. Das weis ich jetzt. Ich habe dreizehn Menschen bestialisch vom Leben zum Tode befördert. Sie zeigten mir kürzlich wieder die Bilder der übel zugerichteten Leichen. Ich wollte sie nicht sehen. Aber sie zwangen mich dazu. Ich sollte Details erzählen und sie wollten wissen, ob ich Reue zeigen würde. Doch alles was ich empfand war Ekel.
Ich tat das, was ich schon von beginn an getan hatte. Ich bestritt jede Beteiligung oder Verantwortung für diese Morde.
Es war vielleicht mein Körper, der das getan hatte. Aber nicht mein Geist, meine Persönlichkeit. Mein Körper mußte tun, was ein anderer Verstand verlangte.
Aber sie gaben mir wieder die Schuld und beschimpften mich auf das übelste. Egal was ich tat um meine Unschuld darzulegen, ihre Argumente waren nicht vom Tisch zu wischen. Aus der Zauber.
Mein Anwalt, der bei jeder dieser Veranstaltungen mit von der Partie war, steht auch auf meiner Liste. Er ist eine der Personen, die mich noch sehr genau kennen lernen werden. Eines Tages jedenfalls...
Er ist schließlich derjenige, der es nicht schaffte, mich aus diesem Schlamassel heraus zu holen. Und er hatte noch die Frechheit zu sagen, ich könnte froh sein mit nur achtzehn Jahren davon zu kommen! Was für ein Arschloch! Ich sitze immer noch und er spaziert fröhlich draußen herum und lebt vergnügt. Und das auch von dem Geld, was er für seine Dienste mir gegenüber erhielt. Drecksack, elender...
Nun, wie gesagt, er ist ein Punkt auf meiner Arbeitsliste.
Als ich damals im Krankenhaus lag und immer zwischen Leben und Tod schwebte, hatte ich seltsame Träume. In diesen Träumen stieg ich aus meinem Körper aus und beobachtete, was dieser ohne mich an Bord tat. Ich konnte sehen, wie er los zog, Leute beleidigte und schlug. Das Schlimmste aber war zusehen zu müssen, wie er die Morde beging. Den ersten und auch alle weiteren. Beinahe in jedem Traum wurde gemordet. Und ich mußte mir das alles immer und immer wieder ansehen.
Ich wollte weg schauen, es nicht zur Kenntnis nehmen. Doch der Traum führte mir alles immer wieder gnadenlos vor Augen. Es gab kein Entrinnen. Keinen Ausweg und keine Gnade.
Schließlich sehe ich diese Träume nun heute als das was sie waren und von Zeit zu Zeit noch sind. Einfach nur Träume. Schlechte Träume. Nichts weiter. Keine Anklage oder ein Schuldeingeständnis.
Ich muß mit dieser Situation in die ich unwillentlich geraten bin eben fertig werden. Es war am Anfang schwer. Und es wird nicht leichter mit der Zeit. Aber ich weis, ich komme bald hier raus. Es muß einfach so sein! Hoffnung, die darf man nie verlieren.
Ich habe einen langen und schweren Weg hinter mich bringen müssen, um hier anzukommen, wo ich heute bin. Ich habe gelernt, wie ich die Therapeuten manipulieren kann, ohne das siees merken. Ich kenne mich inzwischen beinahe so gut aus in Psychologie, wie diejenigen, die sie mir immer wieder zur Analyse meiner Person schicken.
Ich kann es schaffen. Ich weis es. Sie dürfen nur meine kleine Beichte nicht finden. Aber ich habe sie gut versteckt, all die Jahre. Und immer daran weiter gearbeitet.
So, geliebt gewesenes Weib, nun sollte ich zum Abschluß auch dir noch ein paar Worte widmen. Ich glaube ich bin dir das schuldig.
Auch du stehst auf meiner Liste, liebste. Du hast mich verraten, ich weis es genau. Und all die Jahre, in denen ich hier gefangen saß und in denen du mich besucht hast, tatest du das nur aus einem Grund. Du wolltest sehen, ob sie mich wieder heraus lassen. Nur deshalb bist du regelmäßig her gekommen. Ich weis, du hast mit den Ärzten und Psychologen geredet. Entweder vor oder nach deinem Besuch bei mir.
Du wirst auch – wie alle anderen in diesem Spiel – deine Rechnung erhalten. Und du wirst sie Bezahlen. Auf Heller und Pfennig, das verspreche ich dir.
In drei Wochen lassen sie mich endlich in Freiheit ziehen. Oh wird mir das ein Fest sein!

„Herr Direktor, das haben wir in der Zelle von Herrn Weymert gefunden. Sie sollten sich das ansehen.“ Der Wärter gab Direktor Homaier die bröckeligen Papierstücke, die er sorgsam in Klarsichthüllen gepackt hatte.
Hohmaier überflog die krackeligen Zeilen und erschrak zu tiefst. Er wurde kreidebleich.
„Wir müssen Frau Weymert und Herrn Doktor Seekman warnen! Los doch los gehen sie und rufen sie an. Ich unterrichte derweilen die Polizei!“
Der Wachmann beeilte sich in die Verwaltung zu kommen, wo die entsprechenden Telefonnummern hinterlegt waren. Er konnte aber weder die Frau des entlassenen Weymert erreichen noch gelang es ihm Doktor Seekmann an den Apparat zu bekommen. Er konnte nicht wissen, das der Doktor tot an der Lampe in seinem Wohnzimmer hing.

Auch Frau Weymert würde niemand mehr lebend zu Gesicht bekommen. Er hatte sie in seiner Gewalt. Aber sie ahnte die Gefahr nicht einmal. Sie wollten ein schönes Wochenende in ihrem kleinen Häuschen am See verbringen...
Als der Wärter den Brief gefunden hatte, war Weymert schon vier Tage auf freiem Fuße. Und nun kam das Wochenende. Das letzte Wochenende.
Das Biest, die Dunkelheit, das abgrundtief Böse war zu ihm zurück gekehrt. Und es würde ihn nie wieder verlassen. Doch das wußte Weymert nicht. Er hatte keine Erinnerung an den Besuch bei Doktor Seekmann. Und er würde auch keine Erinnerung daran haben, wie er eben seine Frau im See bei ihrer Hütte ertränkt hatte...
 
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