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3 Seiten

Sommerregen

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
© Laura
Es war einer dieser sommerlichen Schauer. Plötzliche Regengüsse, die selten länger als eine Viertelstunde dauerten und während denen meistens noch immer die Sonne schien.
Ich mochte es, wie die Tropfen zwischen den Sonnenstrahlen hindurch fielen und auf die Treppen vor der Veranda klatschten. Schweigend saßen wir da, Felix und ich. Starrten in den Regen und hingen unseren Gedanken nach. Es waren Sommerferien. Wir hatten lange darauf gewartet. Nun waren sie da und wir wussten nichts Besseres zu tun, als auf der Veranda vor dem Haus meiner Eltern zu sitzen, zu rauchen und Apfelsaft zu trinken. Wir hätten schwimmen gehen können oder an den Strand oder ins Schwimmbad. Nein, eigentlich lief alles aufs Schwimmen hinaus. Die meisten unserer Freunde waren irgendwohin in die Ferien gefahren. An die Nordsee, nach Italien, da war ja auch ein Strand, oder einfach nur mit dem Fahrrad an irgendeinen See. Aber Felix und ich waren hier geblieben.
Ich beobachtete einen Regentropfen, der das letzte verbliebene Blatt des vertrockneten Ziergummibaums hinunter rann und an der Blattspitze hängen blieb. Gespannt wartete ich darauf, dass er den Kampf gegen die Schwerkraft verlieren würde. Platsch! Die Anziehungskraft der Erde hatte mal wieder gesiegt.
Ich erinnerte mich entfernt daran, dass meine Mutter mir aufgetragen hatte, den Gummibaum zu gießen, während sie und Papa im Urlaub waren. Uups. Na, war ja jetzt auch egal!
Felix fischte nach der Zigarettenschachtel, die zwischen uns auf dem Tisch lag, und nahm sich einen der zerknickten Glimmstengel heraus. Umständlich strich er ein Streichholz an und entzündete die Zigarette. Feine blaugraue Wolken stiegen aus seinem Mund auf und verteilten sich in der schwülen Sommerluft.
„Was machst du morgen?“ , fragte Felix, nachdem er vergeblich versucht hatte, Rauchkringel zu blasen.
„Weiß noch nicht...“
„Warum macht sich eigentlich noch irgend jemand darüber Gedanken, was er da und da machen will? Meist kommt doch eh was dazwischen!“
„Mmh...“, antwortete ich, „und was ist, wenn du dir nichts vornimmst? Dann sitzte da wie wir jetzt und machst gar nichts.“
„Ja, aber ist das nicht besser?“
„Besser als was?“
„Besser als da zu sitzen und sich zu ärgern, weil das, was man sich vorgenommen hatte, nicht geklappt hat.“
Ich sah einem Fahrradfahrer nach, der versuchte gleichzeitig Fahrrad zu fahren und einen Regenschirm zu halten. Es sah irgendwie komisch aus.
„Weißt du, was ich meine?“
„Ich,... ja ich denke schon.“ Was hatte er gesagt?
„Ich meine, man wird doch immer enttäuscht, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie irgend etwas sein wird.“
„Aber nur, wenn du dir zu viele Gedanken machst“, erwiderte ich und nahm Felix die Zigarette aus der Hand.
Nachdem ich daran gezogen hatte, gab ich sie wieder zurück.
„Aber man macht sich doch immer Gedanken über alles. Warum irgendwas irgendwie ist. Immer fragt jemand. Warum...? Wieso...? Es geht nicht anders.“
„Warum nicht?“
„Siehste?“ Er lachte glucksend.
„Aber man kann sich doch gar nicht nichts vornehmen. Immer wenn du dir vornimmst dir nichts vorzunehmen, hast du dir ja schon wieder etwas vorgenommen, nämlich dir nichts vorzunehmen!“
Ich musste einen Augenblick über den Sinn meiner Worte nachdenken.
Felix schaute mich währenddessen mit seinem mir wohlbekannten Grinsen an. Dieses Grinsen verhieß Triumph. Triumph darüber, dass er mich mal wieder dazu gebracht hatte, über etwas nachzugrübeln, über das ich eigentlich gar nicht nachdenken wollte. Nun würde er aber auch darunter zu leiden haben...
„Aber es heißt doch nicht automatisch, daß man enttäuscht sein muss, wenn mal was nicht klappt“, griff ich an.
„Nein?“
„Nein! Meistens entstehen doch aus verpatzten Vorhaben neue Gelegenheiten“
Nun war er es, der schweigend in den Regen starrte und über meine Worte nachdachte. Doch ich unterbrach seine Grübeleien und setzte nach:
„Menschen, die immer nur geradeaus schauen, nie hinter ihren Scheuklappen herauslugen, die können diese neuen Möglichkeiten nicht sehen und sind enttäuscht. Andere wiederum nutzen ihre Chancen und kommen weiter.“
„Und was ist mit denen, die sich nichts vorgenommen haben?“
„Die sitzen wie wir auf irgendeiner Veranda, trinken Apfelsaft und denken über alle anderen nach.“
„Und wer ist jetzt besser dran?“

Es hatte aufgehört zu regnen, nur noch einzelne Tropfen fielen auf den Gartenweg und vereinigten sich dort mit den Pfützen.
„Vielleicht sind das die, die wissen, warum sie sich nichts vorgenommen haben“, fuhr ich fort.
„Warum haben wir uns nichts vorgenommen?“
Ich lachte.
„Damit wir jetzt Zeit haben an den See zu fahren und nichts anderes sonst vor haben.“ Ich zog ihn auf die Füße und sprang die Treppe hinunter in eine Pfütze. Wasser spritzte und überschüttete uns beide mit kleinen glitzernden Tropfen.
Jeder von ihnen eine kleine diamantene Gelegenheit, die wir nicht versäumen wollten.
 
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Kommentare  

Naja, eine einfalsreiche Scene aber da fehlt noch was!

Schwarzer Reiter (31.07.2002)

Gut ausgearbeitetes Fragment. Wo ist der Rest der Kurzgeschichte oder des Romans?

Stefan Steinmetz (07.01.2002)

Deine Schreibweise gefällt mir echt gut! Du schreibst ohne Schnörkel, einfach wie es ist! Weiter so... ich hoffe auf mehr!

esmias (30.04.2001)

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