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3 Seiten

the Sweetest Way To Die

Trauriges · Kurzgeschichten
Sie schliessen die Türen. Dunkelheit, Stille. Was nun? Kommen sie wieder? Werden sie sie einfach hier liegen lassen, sie mutwillig vergessen und ihr schlechtes Gewissen, wenn sie eins hätten, mit Alkohol besänftigen, wie sie es sonst immer tun? Endlose Minuten und Stunden wird sie warten müssen um eine Antwort zu bekommen.

Sie richtet sich von ihrem Strohbett auf und greift nach dem Wasserkrug, der neben ihr steht. Die Dunkelheit ist ein Teil von ihr geworden und sie hat sich an das Leben eines Blinden gewöhnt. Wie lange wird das Wasser noch reichen, wenn sie sie zurücklassen? Sie trinkt trotz ihres starken Durstes nur wenige Schlücke. Aber heute ist es etwas anderes, kein normales Wasser.Es ist Wein, es schmeckt wie Wein! Wie herrlich ..., aber vielleicht wollen sie sie vergiften, vielleicht ist es nicht nur Wein, den sie trinkt? „Wieauchimmer“ denkt sie sich und nimmt noch einen Schluck. Jetzt ist es Saft, süßer Saft, wie sie ihn als kleines Kind immer getrunken hat.Jeden Tropfen geniesst sie, als wäre es ihr letzter, der ihren Rachen hinunterfliesst. Sie nimmt einen weiteren Schluck und trinkt warme Milch. „Ziegenmilch,“ denkt sie sich, „mit Honig.“ wie sie sie immer bei ihrer Großmutter bekommen hatte. Sie lächelt. „Hoffnung, ein magisches Wort, wenn alles andere auf der Welt einen verlassen hat oder man es verlassen musste. Hoffnung. Es gibt einem Kraft und Wärme, wie Ziegenmilch mit Honig.“ Ihr dünner Körper friert, ihre blonden Haare durchziehen rote Strähnen, doch sie lächelt. Sie kann hoffen.
Sie steht auf und beginnt blind zu tanzen, taumelt von einer kalten Wand zu anderen. Jeder Muskel an ihrem Körper schmerzt, sie nimmt noch einen Schluck von dem Wein, und schließlich merkt sie nichts mehr. Sie tanzt, hüpft, schreit, lacht und singt. Sie singt so laut ,wie ihre Stimme es zulässt, in den höchsten Tönen plärrt und trällert sie:

„Lend your voices only to sound of freedom….,
No longer lend your strength to that, which you wish to be free from!
Fill your lives with love and bravery, and we shall lead a life uncommon…!”

Erschöpft fällt ihr Körper zurück auf das Strohbett, zum ersten mal seit Tagen empfindet sie Frieden, Frieden und Hoffnung. Vielleicht wird man sie retten? Werden sie ihren Peinigern Reichtum und Ruhm geben und ihr das Leben schenken? Sie müssen es tun, was ist wenn nicht? Wird man sie erschießen, ihr die Kehle durchschneiden, vergiften, erhängen oder einfach hier in diesem Loch, in diesem gemauerten Käfig sterben lassen? Werden sie sie wieder schlagen, ihr Drogen geben? Sie nimmt einen Schluck von der Ziegenmilch, die ihren Körper erwärmt, Ängste verfliegen lässt, ihr gut tut. Sie schliesst die Augen und träumt, sie träumt von ihrer vergessenen Liebe und summt ein neues Lied:

“Inside my heart, there’s an empty room,
It’s waiting for lightning, it’s waiting for you…and
I’m wanting, I’m needing you here,
Inside the absence of fear.”

Stille kehrt in die Festung zurück, bis auf ihren schweren gleichmäßigen Atem. Sie schläft jetzt, Stunde um Stunde. Wacht sie jemals wieder auf ? Wird sie ihren Peinigern die grauenvolle Tat ersparen? Schwebt sie jetzt in einer besseren Welt, in ihrer Welt, wo niemand ihr Unheil und Schrecken zukommen läßt? In einer Welt, wo man nicht hoffen braucht, in einer Welt, wo es das Wort Verzweifelung nicht gibt? Nein, das leise Geräusch ist noch zu hören. Sie ist erschöpft, ihr Körper so schwach, sie schläft und träumt. Sie sieht sich einen dunklen Tunnel entlang laufen. Sie rennt auf ein Licht zu, ein kleiner Funken in der Dunkelheit. Immer wieder stürzt sie, fällt hin, so dass ihre Hände und Arme bluten. Doch sie muss es erreichen, sie darf jetzt nicht aufgeben, nein, nicht mehr stürzen, weiterlaufen, einfach weiterlaufen, lass den Funken zu einem Stern erstrahlen, lass ihn einen Mond werden und dann die Sonne!

Sie erwacht, doch hält die Augen geschlossen. „Vielleicht, wenn ich jetzt die Augen öffne, dann sehe ich Licht, sehe Blumen, den Himmel, die Sonne. Bin ich dann tot?“ flüstert sie. Sie kann nichts sehen, nichts. Sie fühlt das Stroh, das in ihren Rücken prickt, die Kälte, die sie zu lähmen scheint. Sie riecht den feuchten Geruch der Steine, glaubt Käfer und Spinnen zu hören, die unbemerkt über den Boden krabbeln. Sie fühlt nichts. Diese Leere, diese grässliche Leere, dieses Warten, dieses grässliche Warten. Aber auf was warten? Auf das Ende? Wann kommen sie bloß wieder? Der Wein ist fast alle, die Ziegenmilch kalt und der Saft, der schmeckt ihr nicht mehr. Sie kann bloß warten, warten und hoffen, hoffen auf das Ende. Da, was war das? Schritte, Stimmen, Licht scheint unter der Tür hindurch. Der Tunnel, er nimmt sein Ende, da sind sie, der Stern, der Mond, die Sonne! Wird sich die Tür jetzt öffnen? Wer wird dahinter stehen? Ihre Eltern, ein Polizist, ein Arzt oder werden sie es sein, werden sie sie töten oder nur wieder schlagen und demütigen?Oder sie vielleicht frei lassen, eintauschen gegen einen Koffer voller Papier?
Sie steht auf, umklammert den Krug, nimmt einen letzten Schluck Wein, trinkt den letzten Tropfen der Milch. Sie stellt sich in die Mitte des Raumes, mit Blick auf die Tür. Die Schritte und Stimmen werden lauter, immer deutlicher. Die Tür öffnet sich und die Silhouette eines großen Mannes erscheint. Der Krug fällt zu Boden und zerspringt in tausend Scherben, sie blinzelt ihn an und lacht. Dann wirft sie den Kopf in den Nacken, streckt ihre dünnen Arme empor und singt:

„This is where your sanity gives in and love begins
Never lose your grip, don’t trip, don’t fall
You lose it all.
The sweetest way to die!”







 
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Kommentare  

Finde ich super geschrieben - man kann "ihre" Verzweiflung richtig mitfühlen - Kompliment!

Sibylle (04.06.2003)

Einfach nur krass!! Respekt!

esmias (03.09.2001)

Also ich kann mir nicht helfen, aber das Einzige was ich mir gedacht habe, als ich dies las war: So kanns gehen, wenn du entführt wirst, eingesperrt wirst und vor Angst und Grauen langsam durchdrehst.. puh.. möchte ich mir erst gar nicht vorstellen.. ist ja grauenvoll.
Und deswegen finde ich diese Story einsame Spitze! Genau das soll diese Story bewirken, dieses Gefühl zu vermitteln. Gelungen.


SabineB (16.05.2001)

The cardigans.
Und es heisst "Verzweiflung", nicht "Verzweifelung".
Jaja. Schwebt der wunsch nach erlösung nicht hie und da über all unseren häuptern?


 (25.03.2001)

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