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Die Frau im Zug

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© marmonemi
Eine einfache Träne, die Welten bewegte. Bände sprach, ohne auch nur ein einziges Wort zu verraten.

Sie stieg in den Zug. Sehr ruhig fragte sie mich, ob der Platz mir gegenüber noch frei sei. Ich nickte ihr zu und sie setzte sich zu mir in den Speisewagen. Sie nahm eine Zeitung aus ihrer Tasche und schlug sie auf. Ihre Augen flogen über die Zeilen und doch wusste ich, dass sie nicht liest. Hätte ich sie gefragt was dort geschrieben stand, wäre es wohl nur ein zweifelnder Blick gewesen, den ich als Antwort bekommen hätte.

Was hatte sie an diesem Tag erlebt? Ihr Blick war offen, ihre Hände ruhig und gepflegt. Als sie dem Kellner ihre Getränkebestellung aufgab, tat sie das mit klarer Stimme und einem kleinen Lächeln. Und doch wirkte sie gedankenverloren... traurig...

Hatte sie einen Freund besucht; einen kranken Freund? Und dessen Zustand beunruhigte sie. Beunruhigte, weil sie nun nach Hause fuhr... weg von ihm... ihn alleine lassend...

Musste sie in eine andere Stadt, um während der Woche zu arbeiten, und sich dafür von ihrer Familie trennen? Vermisste sie ihre Kinder? Ihren Mann?

Sie ließ die Zeitung auf ihren Schoss sinken. Ihre Kaffeetasse hielt sie in beiden Händen und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Draußen war es längst dunkel geworden. Die vorbeifliegenden Lichter konnten es nicht sein, die ihre Aufmerksamkeit forderten. Sie dachte nach. Worüber?

Ihre Gedanken waren von Schmerz begleitet. Sehnsucht. Verlangen. Der Ausdruck ihrer Gesichtszüge veränderte sich. Sie dachte an etwas das sie sehr liebte. Etwas das sie gerade noch hatte und nun - Minuten später - bereits sehr vermisste. Mal bildeten sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn mal überflog ein Lächeln ihren Blick. Ihre Sehnsucht flog in die Nacht...

Gern hätte ich sie angesprochen und doch wusste ich, dass nichts und niemand in diesem Augenblick in der Lage gewesen wäre, ihr zu helfen. Sie war in einer Situation, mit der sie ganz alleine klar kommen musste. Die sie alleine durchstehen musste. Allein, obgleich es in ihren Gedanken ganz sicher nicht um Einsamkeit ging.

Und ohne auch nur die geringste Regung auszulösen, verließ plötzlich eine Träne ihren Blick. Sie lief an ihrer Wange hinunter bis zum Kinn. Fiel sanft auf ihren Schoss. Nur eine Träne. Eine Träne die genauso schnell trocknete, wie sie entstanden war...

Eine einfache Träne, die Welten bewegte. Bände sprach, ohne auch nur ein einziges Wort zu verraten.
 
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Kommentare  

Hallo NewWolz, Deine Mail habe ich inzwischen erhalten. Ich finde die Fortsetzung gut. Nur das Smily (Du weißt schon ...) würde ich gegen etwas Stilvolleres austauschen, da die Frau m. E. sonst zum "Schulmädchen" degradiert wird. Ansonsten fände ich es toll, wenn Du Deine Fortsetzung hier postest!

Danke und Gruß, marmonemi.


marmonemi (16.09.2004)

Hallo M.
Ich habe eine Fortsetzung geschrieben und dir gemailt. Bis jetzt hast du mir noch nicht mitgeteilt ob dir meine Schreibe zusagt und das Geschriebene an die Storie angehangen wird, oder ob du doch lieber auf den Teil von mir verzichten möchtest. Gruß NewWolz


NewWolz (16.09.2004)

Hi NewWolz,

danke für Deine Worte! Der Text sollte wirklich nur eine Momentaufnahme wiedergeben. Überlegt hatte ich, ihn hier zum Weiterschreiben anzubieten; habe mich dann aber doch dagegen entschieden.

Du siehst: So weit sind wir mit unseren Überlegungen gar nicht auseinander.

Was hieltest Du davon, wenn DU die Geschichte weiter schreibst? Gern kannst Du Dich auf diesen Artikel von mir beziehen. Ich wäre nicht nur gespannt, sondern würde mich darüber freuen!

Danke und Gruß, marmonemi.


marmonemi (09.09.2004)

Du hast eine kurze Szene im Leben eines Menschen mit schönen Worten beschrieben.
Doch plötzlich ohne Vorwarnung endet die Geschichte. So sanft und weich die Storie rüberkommt, hat sie nicht dieses abwürgende Ende verdient.


NewWolz (09.09.2004)

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