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3 Seiten

Probearbeiten

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
© Luzie
Heute bekam ich den erwarteten Anruf von einer Bäckerei, in der ich zu Beginn des Monats zwei Tage auf Probe gearbeitet hatte. Ich bekomme die Stelle nicht, dem Himmel sei Dank.
Dabei wäre es doch eigentlich ganz schön gewesen. Die Bäckerei lag an der Straße, wo ich wohnte, und Bäckereiverkäuferin hatte ich früher, vor langer, langer Zeit, einmal gelernt. Warum sollte ich nicht wieder etwas arbeiten können, was mir früher so leicht von der Hand gegangen war. Weil, so sagte mir meine innere Stimme heute Nacht, in der ich schlaflos über meine jetzige Situation grübelte, eine Zeit dazwischen gab, eine Zeit, in der ich mich weiter entwickelt hatte, auf dem zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und studiert hatte. Jetzt war ich eine reife Frau mit einem erweiterten Horizont, der es mir schwer machte, wieder nahtlos an meine früheren Tätigkeiten anzuknüpfen.

Früher war ich problemlos in die Rolle der Bäckereiverkäuferin hineingeschlüpft, hatte meine Persönlichkeit die Schürze der Verkäuferin übergezogen und war hinter den Tresen gegangen, um routiniert und flink Brot, Brötchen und andere Köstlichkeiten zu verkaufen, immer freundlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.
Besaß ich heute überhaupt noch eine Persönlichkeit, die willig, je nach Tätigkeit, ein passendes Kostüm überstreifte? Oder hatte sie sich im Laufe der Jahre unter Mühen zwar, aber durchaus gewollt, dem Menschen angenähert, der ich war, so dass ich niemanden mehr fand, der eine Schürze bereitwillig anzog, um mir ihr eine Rolle zu spielen, die ich einmal beherrscht hatte.

Ich war hoch erfreut, als das Telefon klingelte und die Chefin der Bäckerei, bei der ich mich zwei Tage zuvor beworben hatte, mich zu einem persönlichen Gespräch bat. Nach kurzem Warten im Laden, während dessen ich schon einen kleinen Blick auf den vermutlichen Chef werden konnte, einem hässlichen, gedrungenen, ungepflegt wirkenden Mann, dessen Kopf mit schwarzen Haaren und einem Eintagebart zugewachsen zu sein schien, schob dieser sich schließlich um die Ecke.
Mein Vorstellungsgespräch blieb ein Gespräch zwischen Tür und Angel im Stehen. Wir kamen überein, dass ich in der nächsten Woche für zwei Tage probearbeiten würde. Auf dem Nachhauseweg ging mir durch den Kopf, dass der erste visuelle Eindruck, den ich von meinem Chef in spe bekommen hatte, zu seinen Umgangsformen passte. Man führte kein wichtiges Gespräch im Stehen. Auch von einem Arbeitgeber konnte man ja wohl ein Mindestmaß an Höflichkeit erwarten.

Am vereinbarten Tag erschien ich annähernd pünktlich, ich war fünf Minuten zu spät, aber dafür frisch um 5.35 Uhr im Laden, der schon geöffnet hatte. Nach kurzer Begrüßung suchte meine Chefin eine Schürze heraus, die mir viel zu groß und die an den Trägerkanten mit Rüschen besetzt war. Nun ja, ich versuchte darüber hinwegzusehen und öffnete mich ganz der neuen Arbeit, die auf mich wartete. Aber zunächst einmal schien es so, als würde mich meine neue Chefin ignorieren, und somit gab es keine Arbeit. Ich stand an der Ecke des Tresens und sah ihr zu, wie sie hektisch hin und her lief, Kunden bediente, Brötchen schmierte und Bestellungen erledigte. Nach einer ganzen Weile erinnerte sie sich an mich. Ich durfte aus dem Kühlhaus in der Bäckerei ein Blech mit Kuchen holen. Ich schlidderte in die kleine Bäckerei und kam darüber zu, wie mein Chef seinen Gesellen runterputzte und zurechtwies. Er schien ernsthaft verärgert zu sein. Das kann ja auch einmal vorkommen, dachte ich und ahnte nicht, dass diese Situation keine Ausnahme, sondern die Regel war.
Zunächst einmal verrichtete ich Handlangertätigkeiten, arbeitete mich dann zur Brötchenschmiererin empor, wobei mich ein heftiges Unwohlsein überfiel nach einem Blick in eine große Plastikschüssel, die ihrerseits wieder in einer Schublade untergebracht war, und in dem weiche, fast flüssige Butter schwamm zusammen mit später dazu geworfenen festeren Butterklumpen, und durfte schließlich nach einiger Zeit auch Brötchen verkaufen. Das ging allerdings nicht so reibungslos, wie ich mir das vorgestellt hatte. Früher hatte es höchstens vier Brötchensorten gegeben, heute war es eine fast unübersehbare Zahl, die noch dazu ziemlich durcheinander und ohne Kennzeichnung in einem großen Fach lag.
So wurde meine Spontanität durch Zögern, Fragen und Überlegen gebremst, der Umgang mit der Kasse wollte auch gelernt sein und Dinge, die für meine Chefin das Selbstverständlichste der Welt waren, waren für mich unbekannt. Ich fühlte mich unbeholfen und war weit davon entfernt, die Schnelligkeit zu entwickeln, die doch heutzutage überall verlangt wurde, wie man mir zu verstehen gab.
Am Ende des zweiten Tages kamen bei mir ernsthafte Zweifel auf, ob ich wirklich bereit war, in diesem Betrieb zu arbeiten, in dem der Chef ein notorischer Nörgler zu sein schien und in dem mich meine Chefin zwar selbstverständlich duzte, ich sie aber in der dritten Form ansprach, weil sie offensichtlich Wert darauf legte.

So scheint es doch noch eine Vorsehung zu geben. Ich eigne mich einfach nicht mehr als Bäckereiverkäuferin, das muss ich einsehen. Fähigkeiten, die man als Kind problemlos beherrschte, bereiten einem als Erwachsenen eben auch Schwierigkeiten.
 
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Kommentare  

Lieber .... ?
Und die Probearbeiterin möchte sich ansehen, in welchem Betrieb sie evtl. arbeiten wird. Es soll auch Arbeitnehmer geben, die nicht total verzweifelt nach jedem Job gieren, der irgendwie irgendwo angeboten wird, nur weil sie gerade keinen Job haben. Außerdem sollte mein Text auch nicht so bierernst genommen werden. Er sollte auch eigentlich nicht die nicht eingestellte Probearbeiterin zum Ausdruck bringen, sondern hatte eine andere Intention, die sich eben nicht jedem erschließt. Aber das ist ja das Schöne an einem Text, jeder sieht in ihm etwas anderes, genau wie die fünf blinden Männer, oder waren es sechs?, die einen Elefanten beschreiben sollten. Jeder kam zu einem völlig anderen Ergebnis.
L.G.
Luzie


anonym (24.04.2008)

Warum so angriffslustig? Das kann man auch netter formulieren.

Gruß Fritz Friedlich


anonym (24.04.2008)

Also ernsthaft, Luzie: So eine arrogante Person wie deine Protagonistin (dich?), hätte ich auch nicht eingestellt, niemals! Kommt zur Probearbeit zu spät und versucht darüber hinwegzusehen, dass die Chefin keine passende Schürze für jede Probearbeiterin hat! Und dann kennt sie nicht mal mehr als vier Brötchensorten!
Übrigens: Probearbeiten lassen hat nicht unbedingt etwas mit Einstellungsbereitschaft zu tun. Der Chef/die Chefin möchte sich ansehen, welcher der Bewerber kompetent ist. Deine Protagonistin (die den Job gelernt hat!) dürfte ohne Zweifel den letzten Platz der möglichen Kandidaten erreicht haben.


anonym (24.04.2008)

Hallo Luzie!
Ich glaube, dass es vielen Leuten, die auf Jobsuche sind, ähnlich ergeht. Es wird ihnen oft keine Chance gegeben sich erst einmal einzuarbeiten. Gut erzählte Geschichte. Ich konnte mir alles bildhaft vorstellen und darum grün für dich.


doska (23.04.2008)

Hallo Raoul,
ich muss zugeben, es hat mir ein bißchen die Sprache verschlagen, als ich deinen Kommentar gelesen habe. Dein letzter Satz ist kennzeichnend für alles, was und wie du es geschrieben hast: "Respekt hat etwas mit Leistung zu tun." In deinem Betrieb, du bist selbst Chef, mag das so sein, aber ich hoffe, dass es mittlerweile mehr Führungspersonen in der Wirtschaft gibt, bei denen Respekt gegenüber den Mitarbeitern eine Selbstverständlichkeit ist, die sich allein schon aus der Tatsache speist, dass hier Menschen miteinander umgehen.
Wenn deine Kinder, vorausgesetzt, du hast welche, Respekt nur in Verbindung mit Leistung erfahren, was soll dann aus ihnen werden?
In deinem Sinne mit Sicherheit gute Arbeitnehmer.
Ansonsten sollte meine Geschichte als Ganzes wahrgenommen werden. Ich wollte mich nicht beklagen, sondern nur ein Erlebnis unter vielen herausgreifen, wenn man auf Jobsuche ist.
Übrigens: Der Unterschied zwischen Probearbeiten und Praktikum ist der, dass beim Probearbeiten der Arbeitgeber auf eine Bewerbung positiv reagiert und eine mögliche Einstellung signalisiert, während beim Praktikum der Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber zugeht, oft ohne sich vorher beworben zu haben.


Luzie (18.04.2008)

Hallo Sabine
Danke, dass du meine Geschichte kommentiert hast. Wenn man auf Arbeitssuche ist, passieren einem die absonderlichsten Dinge. Manchmal schreib ich sie auf, weil ich Lust dazu habe und um es für mich einzuordnen.
Ansonsten stimme ich dir voll zu. Es gab für mich irgendwann eine Zeit, wo ich mich für oder gegen mein weiteres Studium entscheiden mußte. Ich entschied mich für die Bewältigung der Anforderungen des Lebens, das es an mich stellte und habe es nie bereut. Letztenendes ging es um die Entscheidung zwischen persönlicher Entwicklung und beruflicher Karriere.
Für mich ist die Entwicklung menschlicher Potentiale ungleich wichtiger wie Geld, Macht, etc.. Mit dieser Einstellung ist die Gefahr natürlich groß, dass man sich irgendwann in das große Heer der Arbeitslosen einreihen muß.


Luzie (18.04.2008)

@Luzi: Und dir viel Glück bei deinen weiteren Entscheidungen.

Sabine Müller (18.04.2008)

Ich hätte mir auch noch andere Studiengänge vorstellen können, aber schuld waren nicht die Lehrer, sondern ich selbst. Es waren zwar ein paar Arschlöcher dabei, aber im Prinzip hat man es selbst in der Hand, was man aus sich macht.
Davon abgesehen ist es eigentlich egal, wo man arbeitet. Wichtig ist, dass die Atmosphäre stimmt und man glücklich ist. Und Geld sollte auch stimmen. Auch wenn man sich nur so geraed über Wasser halten kann. Aber Geld ist nun mal auch nicht Alles. Zufriedenheit, Lachen und Freunde kann man sich davon auch nicht kaufen.


Sabine Müller (18.04.2008)

Schon recht: was in Betrieben so abgeht, hat mit Menschlichkeit natürlich nichts zu tun. Hier handelt es sich um Arbeit. Und bei solch einer Tätigkeit werden nun mal nicht Menschen verlangt, sondern Roboter, die reibungslos funktionieren bzw. Menschenmaterial, das man benutzen kann, wie einen Gegenstand. Nützt es nichts, wird es einfach rausgeworfen - passt eben nicht in die Maschine; ein Ersatzteil, das ausgewechselt werden muss.
Zwischenmenschlichkeit erfordert nun mal Zeit und Zeit ist Geld. Da muss man sich natürlich ganz genau überlegen, ob man sie für etwas investieren möchte, das lediglich einen guten Umgang als Resultat hat, also mit anderen Worten: Menschlichkeit oder für etwas, das gutes Geld bringt.
Ein Teil, das nicht funktioniert, muss sofort ausgewechselt werden. Jede Verzögerung dessen kostet Geld. Du erlaubst dir auch noch, studiert zu haben und bewirbst dich ausgerechnet in meinem Betrieb?! Schwer zu glauben. Denn wenn Du tatsächlich studiert hättest, dann wüsstest Du mit Sicherheit, dass man sich in meinem Betrieb einfach nicht bewirbt, da ich nun mal ein unmenschliches Arsc...lo... bin. Also erzähl mir keinen Mist! Und außerdem: eine Lügnerin stelle ich bei mir schon gar nicht ein, weil ich auf diesem Gebiet keine Konkurrenz für mich dulde. Also lass dir das eine Lehre sein. Das nächste Mal weißt Du es bestimmt besser. Wenn Du dich das nächste Mal in meinem Betrieb bewerben willst, dann musst Du in erster Linie die Fähigkeit mitbringen, dich wie Dreck behandeln zu lassen und dir vorwerfen zu lassen, Du seist begriffsstutzig. Sobald Du dazu fähig geworden bist und dir auch noch eine gute Ausrede dafür eingefallen ist, weshalb Du die Frechheit besitzen konntest, studiert zu haben, dann darfst Du dich eventuell wieder bei mir melden. Aber nur dann. Denn ich wollte auch mal studieren, aber konnte es nicht, weil meine ignoranten Lehrer, eine Sorte Roboter, die ich übrigens auch niemals in meinem Betrieb einstellen würde, mir dauernd schlechte Noten gegeben haben, weshalb ich den Betrieb von meinem Papi übernehmen musste und seit dem nur noch mit Menschen (würgs!) zu tun haben. Dabei will ich doch nur mit Geld zu tun haben. Manchmal verstehe ich diese Welt einfach nicht, weshalb mir nichts besseres dazu einfällt, als sie mit boshafter, niveauloser Satire zu überschütten. Ich harbe fertig!


anonym (18.04.2008)

Hallo Luzie,
ich hab lang überlegt, ob ich einen Kommentar schreiben soll. Du hast Abitur gemacht und studiert. Vermutlich hast du eine Menge Zeit und Energie in dein Studium investiert. – nehm ich mal an – um dann ein Praktikum zu machen, um eventuell als Bäckereifachverkäuferin eine Anstellung zu finden. Hier stellt sich mir die Frage: Welchen Zweck hatte dein Studium, wenn du dann deutlich unterqualifiziert eine Stelle suchst. Nichts gegen eine Bäckereiverkäuferin. Das ist ein ehrenwerter Beruf und ich habe die größte Hochachtung davor. Aber eine Bäckereiverkäuferin mit einem Studium als …? Dann die Frage? Wer hat das Studium bezahlt, und hast du aus Spaß an der Freude studiert, ohne jemals daraus Werte (dein Einkommen) schöpfen zu können, oder warum arbeitest du dann nicht in einem passenden Beruf?
Zur Beschreibung des Chefs der Bäckerei: Das ist natürlich übel und sollte so nicht sein. Aber das ist die Angelegenheit des Inhabers des Betriebs der sich mit den entsprechenden Stellen und seiner Kundschaft auseinander setzen muss.
Zu deiner Bewerbung: Sympathie und Antipathie entscheidet sich nun mal in den ersten Sekunden. Wenn sich bei mir jemand bewirbt, der absolut nicht passt, oder bei dem der visuelle Eindruck nicht stimmt, den fertige ich auch im Stehen ab. Ich hab einfach nicht die Zeit, mich mit Angelegenheiten zu beschäftigen, die von Vorneherein nicht passen, also zum Beispiel eine Bäckereiverkäuferin mit einen was auch immer-Studium. Wenn ich nicht ganz unhöflich erscheinen will, und nicht in den Verdacht des Voreingenommenseins kommen will, biete ich noch ein Probearbeiten an. Das ist aber auch alles. Denn die Wahrheit zu sagen, verbietet oft das soziale Miteinander.
Zur Schürze: Berufskleidung ist nun mal obligatorisch, und eine Bäckereiverkäuferin im ollen Schlapperlook hinterm Tresen geht nicht.
Zur Pünktlichkeit: Fünf Minuten zu spät ist zu spät. Am ersten Arbeitstag beginnt die Arbeit mindestens 10 Minuten früher. Wer am ersten Arbeitstag zu spät kommt, hat verspielt und braucht eine ziemlich gute Ausrede. Daraus ergibt sich auch der nächste Absatz: Wer zu spät startet ist der erste Verlierer, der hat den Anschluss verpasst. Wenn du dann noch langsam und vielleicht auch etwas begriffsstutzig bist, und man dir es vielleicht sogar ansieht. Dann hast du eigentlich keine Chance.
Zur Kasse: Das du sofort an die Kasse solltest, erscheint mir doch sehr unwahrscheinlich, aber ich gebe zu, solche Betriebe soll es geben.
Zur Ansprache: Respekt hat etwas mit Leistung zu tun. Mehr ist eigentlich dazu nicht zu sagen.


Raoul A. RaoulYannik (18.04.2008)

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