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4 Seiten

Wirrwarr

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Was vermag schon die gute alte Philosophie auszurichten? Hat sie denn irgend einen Wert, der darüber hinaus geht, einen intellektuell begabten Menschen zu unterhalten bzw. zu fordern? Ist die Philosophie vielleicht nichts weiter als ein Gedankenspiel, das zwischen Gleichgesinnten gespielt wird; eine Art Wettkampf, der unter ihnen ausgefochten wird? Gibt es darüber hinaus irgendeinen Gehalt; irgendeine klar erkennbare Substanz?
“Diese Schlagmanen”, drang plötzlich die Stimme seines Freundes zu Dandys tiefen Gedankengängen durch. “Was?”, fragte er deshalb etwas unsicher noch einmal nach, nur um sich zu vergewissern, dass er sich auch nicht verhört hatte.
“Diese Schlagmanen. Sie sind überall. Vergiften mit ihren Ideen und ihrer Lebensweise unsere Welt und nichts und niemand scheint im Stande zu sein, sie daran zu hindern.” Teddy machte dabei ein geradezu angewidertes Gesicht.
“Was hast Du denn plötzlich gegen die Schlagmanen?”, wollte Dandy nun von seinem Freund wissen. Solch eine Äußerung hätte er von diesem nun wirklich nicht erwartet gehabt. Sie schien irgendwie aus dem Nichts gekommen zu sein.
“Ich mag sie nicht. Sie bilden sich ein, sie wären hier zu Hause. Sind sie aber nicht. Sie glauben, sie könnten uns ihre Lebensweise, ihre Religion und alles was dazu gehört aufzwingen. Können sie aber nicht. Zumindest nicht bei mir.” Dabei zeigte er selbstbewusst mit seinem Zeigefinger auf sich selber.
“Was redest Du denn da? Soll das etwa ein schlechter Scherz sein?” Zumindest WOLLTE Dandy, dass es sich bei diesen Äußerungen lediglich um einen Scherz handelte. Ganz sicher war er sich aber nicht, vor allem angesichts der Ernsthaftigkeit, mit der sein Freund dies gerade geäußert hatte.
“Ist dir denn noch nie aufgefallen, wie viele von denen hier unter uns leben? Schau dich doch nur mal um. Ich sage dir: wenn die sich weiter so vermehren, dann werden WIR bald diejenigen sein, die in der Minderheit sind; dann müssen WIR uns nach DEREN Regeln und Gesetzen richten. Und ich sehe weit und breit niemanden, der sie aufzuhalten vermag. Das ist geradezu eine Schande! Eine Schande unserer Kultur und unserer Traditionen gegenüber!”
Sein Freund schien es tatsächlich ernst damit zu meinen. Deshalb fragte er noch einmal etwas genauer nach: “Wie kommst Du denn jetzt plötzlich auf so etwas?”
“Sieh dich doch mal um. Nur hier im Park. Wir sind, seit wir hier angekommen sind, mindestens schon an zwei oder drei Schlagmanen vorbei gelaufen. Gibt dir das denn nicht zu denken?”
“Nun, ich muss gestehen, dass ich nicht allzu viel über diese Kultur weiß. Bin bis jetzt wohl noch nicht dazu gekommen, mich wirklich damit auseinanderzusetzen.” Das war Dandy in diesem Moment tatsächlich etwas peinlich, vor allem deshalb, weil ihm Bildung wirklich wichtig war.
“ICH hingegen HABE mich schon gründlich mit den Schlagmanen auseinandergesetzt”, sagte Teddy nun offensichtlich sehr stolz auf sich. “Hast Du gewusst, dass sie der Auffassung sind, dass ihre Religion der einzig wahre Glaube darstellt?”
“Nein. Aber unsere eigene Religion glaubt doch das Gleiche, oder etwa nicht?”, warf Dandy hastig ein.
“Das ist richtig. Aber wir sind keine Gäste in diesem Land, weshalb unsere Lebensweise auf eine tief verwurzelte Tradition zurückblicken kann. Dadurch wird sie legitimiert. Die Schlagmanen hingegen kommen von weit her, sind hier also auch nicht zu Hause und haben deshalb auch, zumindest bei uns, keine Tradition. Und DENNOCH erheben sie Anspruch darauf, dass ihre Religion die einzig wahre Religion darstellt, und alles andere nichts weiter als ein Irrglaube ist, ja, geradezu auf den Teufel zurückzuführen ist, der die Menschheit zu verführen versucht. Kann deine Philosophie diesen Tatsachen irgendetwas entgegensetzen? Aus welchem Grund sollten wir solche Menschen in unserem Land dulden; Menschen, die nicht im Stande sind, unsere traditionell legitimierte Kultur anzunehmen oder wenigstens auch nur zu respektieren?”
Dandy sah sich nun tatsächlich einer kniffligen Aufgabe gestellt. Dieses Wirrwarr, dass ihm sein Freund gerade aufgetischt hatte, zu entwirren, könnte durchaus nicht so einfach sein. “Lass mich mal kurz darüber nachdenken”, sagte er deshalb um ein wenig Zeit zu gewinnen. Dann, nachdem Teddy neugierig auf eine Antwort gewartet hatte, sagte er schließlich bestimmt: “Nun, ich glaube, dass das alles nichts weiter darstellt, als ein Kampf um Ressourcen. Und diese Verhaltensweise ist sehr fundamental, ja geradezu auf unser aller Motherboard eingebrannt.”
“Ressourcen? Wie um alles in der Welt meinst Du denn das schon wieder?” Teddy schien seinem Freund in keiner Weise folgen zu können. Hierfür schien ihm diese Antwort viel zu wenig mit seinen eigenen Gedanken zu tun zu haben.
“Es gibt sehr viele Ressourcen, die sich ein Individuum oder eine Gruppe oder auch ein ganzer Staat unter den Nagel reißen kann. Oftmals hängen auch ganz verschiedene Ressourcen so eng miteinander zusammen, dass, hat man eine von ihnen unter seine Kontrolle gebracht, sofort auch alle anderen unter Kontrolle gebracht wurden. Und hat man Ressourcen unter seine Kontrolle gebracht, so bedeutet dies nichts anderes, als dass man auch Macht erlangt hat. Alles was geschieht ist Wille zur Macht. Dieser Satz hat in diesen Ansichten seinen Ursprung. Denn Macht bedeutet auch, dass jemand oder eine Gruppe im Stande ist, die Regeln, an die sich alle anderen zu halten haben, zu formulieren, was dann selbstverständlich auch getan wird. Vielleicht könnte man auch sagen, dass es ein natürlicher Trieb des Menschen darstellt, sich selbst so weit es nur geht zu verwirklichen. Und die größte Möglichkeit für einen Menschen, sich selbst zu verwirklichen, stellt nun einmal die Erlangung von Macht dar. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Im Grunde ist ALLES ganz einfach. Meist sind WIR es, die alles unnötig verkomplizieren. Selbstverwirklichung und Macht stehen in einer so engen Beziehung zueinander, dass, wurde eines von beiden erreicht, auch das andere erreicht wurde. Und erst dann stellen beide eine Ressource dar, die, zumindest potentiell, eigentlich immer und überall vorhanden ist und stets nur darauf wartet, von jemandem oder von einer Gemeinschaft erkannt und erlangt zu werden.”
“Hahahaha. Das ist aber mal wieder typisch!”, höhnte nun Teddy. “Was hat das alles denn mit dem Problem zu tun, dass es bei uns viel zu viele Schlagmanen gibt?”
“Damit wollte ich lediglich sagen, dass das Problem, wie Du es nennst, absolut nichts neues ist, sondern wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst, oder viel wahrscheinlicher noch weit darüber hinaus. Vielleicht könnte man sogar diesen Vorgang selbst als das bezeichnen, was wir unter LEBEN verstehen.”
“Soll das etwa heißen, dass Du mit allem einverstanden bist, was die Schlagmanen bei uns so treiben?”
“Mit allem sicherlich nicht. Aber ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was unsere eigene Kultur so treibt oder getrieben hat und höchst wahrscheinlich noch treiben wird. Das muss man nämlich auch gar nicht. Denn ich bin der Ansicht, dass man stets dazu geneigt sein sollte, die Dinge aus einem viel größeren Zusammenhang heraus zu betrachten. Dann ergeben sich nämlich die meisten Fragestellungen, wie z.B. auch diese, die Du mir gestellt hast, von selbst.”
Teddy sah seinen Freund nun ziemlich misstrauisch an. Dann sagte er ihm mit deutlich hörbarer Bitternis in der Stimme: “Du hast mal wieder sehr viel geredet, aber nur sehr wenig gesagt.”
“Ich habe sehr wohl sehr vieles gesagt.”
“Dann versuch doch deine Ansichten einfach mal in einem einzigen Satz zu formulieren. Vielleicht kann ich sie ja DANN nachvollziehen.”
“Versuchst Du zu verhindern, dass sich Menschen selbst verwirklichen können, versuchst Du gleichzeitig auch, das Leben zu verhindern.”
Teddy sah seinen Freund nun etwas fassungslos an. Es dauerte eine Weile, bis er endlich wieder etwas sagen konnte: “Was, bitteschön, hat das denn schon wieder mit meiner Fragestellung zu tun?”
Und Dandy schwieg. Aber nicht, weil er darauf keine Antwort parat gehabt hätte, sondern lediglich, weil er ganz genau wusste, dass es sein Freund eh nicht verstanden hätte, oder besser gesagt: nicht hätte verstehen WOLLEN.
 
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Kommentare  

Da muss ich Dir wirklich Recht geben. Es ist keine leichte Aufgabe. Nur oberflächliches Lesen reicht da wirklich nicht. Die Geschichte führt automatisch zu tiefgründigerem Denken. Das ist Dir damit gut gelungen. Dann bin ich echt mal gespannt, ob noch jemand einen weiteren Teil, Gedanke oder Weg entwirren kann. Ich hoffe doch sehr, denn ich will alle Möglichkeiten erfahren ;-) Darüber kann man ja gut und lange philosophieren.

Fan-Tasia (26.04.2009)

hallo Fan-Tasia,

freut mich, dass du dich dieser geschichte angenommen hast. keine leichte aufgabe.
der titel ist programmatisch. thematisch gesehen ist diese geschichte ein riesig großes wirrwarr; ein kabelsalat, der zu entwirren durchaus nicht ganz einfach sein könnte. ich glaube, dass es hierzu viele wege gibt. der weg, den du gegangen bist, könnte hierzu aber durchaus eine möglichkeit darstellen. allerdings empfinde ich selbst diese geschichte als noch etwas vielschichtiger.

gruß, siebenstein.


Siebensteins Traum (26.04.2009)

Ich habe mich auch mal durch das Wirrwarr gelesen. Für mich hat die Geschichte zwei Aussagen, die Du damit darstellen willst.

Die erste Aussage: Mit dem letzten Satz wird das am Anfang über die Philosophie von Dir Dargestellte verdeutlicht, durch das kleine Gespräch als Beispiel sehr gut demonstriert. Er ist kein Gleichgesinnter.

Die zweite Aussage: Es geht hauptsächlich um den Inhalt des Gesprächs, und Du hast es nur in der Philosophie verpackt, um uns irrezuführen, da so manch einer das Gesprächsthema auch falsch verstehen könnte, dachte ich anfangs. Du hast ja aber weitere Gegenargumente aufgewiesen und das Gespräch in eine diplomatische Bahn gelenkt.

Mich würde jetzt mal interessieren, auf welcher Aussage soll den jetzt das Hauptaugenmerk liegen. Oder erstmal so gefragt, inwieweit liege ich denn falsch oder richtig mit meinen Vermutungen?

Mensch, hast du mich mit dieser Geschichte ganz schön verwirrt :-)


Fan-Tasia (26.04.2009)

och, das scheint nur so, ich würde nur wirklich gerne mal die folgenden absätze lesen können, und das geht besser, wenn der erste stimmt. lol

gute nacht


tratus von Klueck (25.04.2009)

Hallo tratus,
du gibst dir ja wirklich sehr viel Mühe mit diesem Text. Nochmals vielen Dank dafür.
Bei der Zeitform habe ich mich auch für die Gegenwart entschieden. Ebenfalls wegen der dadurch entstehenden Allgemeingültigkeit.

Hallo Tintenkleckschen,
erstmal freut es mich sehr, dass Dir dieser Text gefällt.
Die Abkürzung z.B. schreibe ich normalerweise niemals aus, auch nicht in einem literarischen Text. Ich sehe keine Veranlassung hierzu.
Mir persönlich gefällt das Wort "Bitternis" viel besser als Bitterkeit, weshalb ich auch das so lassen werde. Denn habe ich die Auswahl zwischen zwei Wörtern, entscheide ich mich stets für jenes, welches meiner Meinung nach weniger häufig umgangssprachlich und / oder innerhalb der Literatur verwendet wird, weil es dann noch nicht ganz so abgenutzt wirkt.

Gruß, Siebenstein


Siebensteins Traum (25.04.2009)

Gefällt mir gut. Vorallem, dass du die Gedanken in einen Dialog gepackt hast. So ist es möglich die beiden Standpunkte gegeneinander spielen zu lassen, was dem ganzen Pepp verleiht.
Noch zwei Sachen, die ich ändern würde: "z.B." ausschreiben! Die Abkürzung passt meiner Meinung nach nicht in einen literarischen Text.
"Bitternis" würde ich durch "Bitterkeit" ersetzen.


Tintenkleckschen (25.04.2009)

gerne doch.
allerdings springen die zeitformen noch, was leider immer noch aus dem lesefluß rausholt:
beispiel erster absatz: (ich greif mal ein, ja?)
Was v e r m a g schon die gute alte Philosophie auszurichten? Hat sie denn irgend einen Wert, der darüber hinaus geht, einen intellektuell begabten Menschen zu unterhalten bzw. zu fordern? I s t die Philosophie vielleicht nichts weiter als ein Gedankenspiel, das zwischen Gleichgesinnten gespielt wird; eine Art Wettkampf, der unter ihnen ausgefochten wird? G i b t es darüber hinaus irgendeinen Gehalt; irgendeine klar erkennbare Substanz?

oder, wahlweise, in der vergangenheit:

Was vermochte schon die gute alte Philosophie auszurichten? H a t t e sie denn irgend einen Wert, der darüber hinaus g i n g, einen intellektuell begabten Menschen zu unterhalten bzw. zu fordern? War die Philosophie vielleicht nichts weiter als ein Gedankenspiel, das zwischen Gleichgesinnten gespielt w u r d e; eine Art Wettkampf, der unter ihnen ausgefochten w u r d e? Gab es darüber hinaus irgendeinen Gehalt; irgendeine klar erkennbare Substanz?

wobei ich eher - da allgemeingültiger ansatz - zur gegenwart tendieren würde.

lg
von klueck


tratus von Klueck (25.04.2009)

Hallo tratus von Klueck,
vielen Dank, dass Du mich auf ein paar der in diesem Text enthaltenen Fehler aufmerksam gemacht hast. Ich habe den Text noch einmal überarbeitet.
Gruß, Siebenstein.


Siebensteins Traum (25.04.2009)

an sich gar nicht so schlecht. besonders die einstiegspassage. aber einige fehler verleiden mir dennoch den text. dazu gehört - das schlimmste, was einem autoren passieren kann - der fehler schon im ersten satz! (komma weg!).
dann folgen verwechslungen von zeitformen:

Was vermochte schon, die gute alte Philosophie auszurichten? Hatte sie denn irgend einen Wert, der darüber hinaus geht, einen intellektuell begabten Menschen zu unterhalten bzw. zu fordern? War die Philosophie vielleicht nichts weiter als ein Gedankenspiel, das zwischen Gleichgesinnten gespielt wird; eine Art Wettkampf, der unter ihnen ausgefochten wird? Gab es darüber hinaus irgendeinen Gehalt; irgendeine klar erkennbare Substanz?

wie gesagt: die gedanken darin sind gar net ma so schlecht. regen an. treffen - bei mir zumindest - einen nerv.

dann aber auch noch eine seiner hauptfiguren, und dabei sind es nur zwei, mal terry und mal teddy zu nennen, spricht für mich von verletzung der sorgfaltspflicht für sein textbaby. vielleicht überarbeist du den text noch mal. ich finde, er ist es wert!


tratus von Klueck (25.04.2009)

Es ist so typisch und das ist es, was den Leser zum Schmunzeln, gleichzeitig aber auch zum Nachdenken verführt.

Jochen (25.04.2009)

Sehr gute Gedanken. Ja, so sind wir Menschen eben. Ob wir es wohl schaffen uns eines Tages zu ändern?

Petra (25.04.2009)

Ein intelligenter Text. Gefällt mir sehr.

doska (25.04.2009)

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