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61 Seiten

Broken Fingers - Teil 1

Romane/Serien · Spannendes
© Tintentod
Broken Fingers

In der Scheune
Sturm und Regen hatten Rick überrascht, ihn dort gnadenlos festgenagelt, wo er Schutz gesucht hatte. Es machte keinen Unterschied, ob es Tag oder Nacht war, die Gewitterwolken verdeckten den weiten Himmel, Bäume und Berge waren nur im kurzen Licht der Blitze zu erkennen. Die Scheune hätte ihm Schutz geboten, wenn sie nicht alt und verfallen gewesen wäre. Er legte sich an die Rückwand, Wind und Regen wehten an ihm vorbei, ließen ihn bis auf die Knochen durchfrieren. Selbst die Regenjacke, die er sich über Kopf und Schultern zog, half nicht mehr, es war so kalt, dass sein Atem unter der Jacke als dünne Dunstfetzen vom Wind mitgerissen wurde.
Seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen, er war verprügelt und gehetzt worden, sie hatten ihm mit schweren Stiefeln auf die Hände getreten, so dass er nicht einmal mehr seinen Rucksack öffnen und schließen konnte. In den ersten zwei Nächten danach hatte er vor Schmerzen nicht schlafen können, jetzt war er am Ende. Er musste schlafen, selbst wenn er nur auf aufgeweichtem Lehmboden lag und sich gegen die Reste einer Scheune lehnte. Er legte seinen Kopf auf den Unterarm und schloss die Augen, blinzelte ab und zu über das Feld hinweg, was er durch die Reste der Scheune ahnen konnte. Vor dem Wald schienen noch Gebäude zu stehen, aber er ließ sich nicht noch einmal die Finger brechen. Er hatte die gebrochenen Glieder mit Klebeband fixiert und betete nur noch, dass sie wieder heilen würden.
Das Sommergewitter über ihm zog weiter, löste sich auf, aber der Regen und die Nacht blieben. Er streckte die Beine aus und schlief ein.

Was er träumte, konnte er nicht beschreiben, aber die Träume waren immer angenehmer als die Wirklichkeit und es tat weh, aus ihnen herausgerissen zu werden. Alarmiert zuckte er hoch, noch bevor er richtig wach war, sah vor sich eine Gestalt im Ölmantel und mit einem großen Hund bei Fuß. Einem verdammt großen Hund.
Das ist kein Schoßhündchen, buddy, der wird dir auf Befehl die paar Finger, die nicht gebrochen sind, abbeißen und ins Gras spucken.
Nach der Nacht war Rick steif und durchgefroren, er stemmte mühsam den Oberkörper hoch, zog die Regenjacke zur Seite und dabei entdeckte er, dass jemand direkt neben ihm stand. Schwarze Cowboystiefel versanken halb im Schlamm, eine kräftige Statur in Chaps und Mantel ragten neben ihm auf.
Kräftiger und größer als du, dachte Rick, wischte sich mit dem rechten Handballen über die Augen, stemmte sich auf die Knie und drückte sich hoch.
„Bin schon weg“, wollte er sagen, aber vermutlich war das Krächzen aus seinem Hals nicht zu verstehen. Die beiden Männer in den langen weiten Mänteln standen nur da und sagten kein Ton, nicht einmal der Hund bellte oder hechelte, schlug nur mit der Rute unruhig durch die Luft.
Bei seinem Rückzug behielt Rick die Männer im Auge, fand ein Loch in der Holzwand und drückte sich rücklings hindurch, tastete sich den Weg ins Freie. Auf der Wiese, kniehohes Gras und Unkraut, humpelte er aus dem Schatten der Scheune heraus. Die Sonne stand noch niedrig am Himmel, die Luft war noch immer kalt. Rick ging einige lahme Schritte, wandte den Kopf und sah, dass sie ihm folgten und dass sie schneller waren als er. Der Hund war von der Leine befreit, er trabte neben ihnen her und auf ein Zeichen des kleineren Mannes sprang er in hohen weiten Sätzen auf Rick zu.
Verdammte Scheiße.
Er war zu müde zum kämpfen, aber auch viel zu erschöpft zum davonlaufen. Sein Verstand klinkte sich aus, als er den Hund heran springen sah, die Welt wurde farb- und geräuschlos, es existierten nur noch der Hund und sein eigenes hämmerndes Herz. Er warf die Regenjacke von sich, ließ den Rucksack von seinen Schultern rutschen und hielt ihn sich vor die Brust, die bandagierten steifen Finger von sich gestreckt. Rick hatte erwartet, dass der Hund ihn anspringen würde, aber statt dessen rannte er ihn über den Haufen, brachte ihn der Länge nach zu Fall, biss in seine Hosenbeine, ohne in die Haut zu zwicken. Er landete auf dem Rücken, war sofort umgeben von dickem feuchtem Gras, packte den Hundekopf mit beiden Händen, als dieser über ihm auftauchte. Er fand etwas Halt im breiten Hundehalsband, der Hund drehte und wehrte sich, zwickte ihm in die Arme. Es dauerte, bis er begriff, dass der Hund ihm nicht an die Kehle sondern von ihm weg wollte. Zögernd ließ er das Halsband los und es erfolgte kein Angriff. Durch sein eigenes Japsen und Keuchen hindurch hörte er Fetzen eines Gesprächs, erhob sich langsam aus der Wiese.
„Kaum zu glauben, kämpft gegen einen Hütehund.“
„Sieh dir seine Finger an, Ida.“
„Sein Gesicht sieht auch nicht besser aus.“
Es überraschte Rick, dass die eine Gestalt eine Frau war, dass er es erst jetzt erkannte, als sie die Kapuze zurückzog und langes schwarzes Haar auf ihre Schultern fiel. Der Mann an ihrer Seite ähnelte ihr in Haltung, sie hatten gleich geschnittene Gesichter, die gleiche Mundpartie.
„Wir müssen uns entschuldigen“, begann die Frau, sie hatte eine tiefe volle Stimme, lächelte und machte eine Handbewegung, die Rick dazu veranlasste, langsam aufzustehen.
„Wir wollten sie nicht erschrecken oder davonjagen, Kangyo sollte sie nur aufhalten.“
„Hah?“ machte Rick misstrauisch und zog die Augenbrauen hoch.
„Wären sie stehen geblieben, wenn wir einfach nur ‚halt’ gerufen hätten?“
Rick sparte sich eine Antwort auf diese Frage, denn es war wohl allen dreien klar, dass er nicht stehen geblieben wäre, eher noch die Beine in die Hand genommen hätte.
Die ersten Worte, die der große dunkle Mann an ihn richtete, dabei die wehenden Schöße seines Mantels ordnete, waren freundlich gemeint und trotzdem kamen sie Rick falsch vor.
„Kommen sie mit ins Haus. Ich möchte nicht, dass sie noch eine Nacht draußen verbringen.“
Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hatte, lud ihn in sein Haus ein; nicht so, wie er aussah.
Rick war kein herumwandernder Tagelöhner oder altmodischer Hobo, man sah ihm deutlich die urbane Herkunft an. Er trug Markenjeans und teure Laufschuhe, unter der weiten großen Regenjacke war eine schwarze Lederjacke zum Vorschein gekommen – er war nicht richtig angezogen für eine Landpartie, aber man konnte sich gut vorstellen, dass er vom Weg abgekommen war und trotzdem überleben würde. Ein Überleben mit deutlichen Blessuren, aber immerhin.
„Ich nehm den nächsten Bus.“
„Seien sie nicht dumm. Hier fahren keine Busse. Selbst die nächste Straße ist zehn Meilen entfernt.“
Die Frau lächelte noch immer, aber mit einer Mischung aus Verärgerung über seinen Stursinn und Mitleid.
„Kommen sie mit ins Haus. Ich mache ihnen ein Frühstück, sie trocknen ihre Sachen und dann will ich sehen, was ich für ihre Hände tun kann.“
Das Angebot war so verlockend, dass sein Widerstand brach und er sich nur überlegte, wo der Haken an der Sache war.
Der Hund, ein großes schwarz-weißes Vieh mit langem Fell, trabte neben ihm her und schien zufrieden mit seinem Fang.
„Ich bin Ida Martinez und das ist mein Bruder Guiseppe. Gino für dich, du bist unser Gast. Wir bekommen nicht oft Besuch, seit wir dieses Stück Land übernommen haben, aber wir sind zufrieden. Reich kann man hier nicht werden, aber wer ist das schon.“
Ida, dachte Rick, und Gino.
Er saß in einer rustikalen Küche, Kohleofen und Herd, Steinfußboden, blanker Holztisch und fehlende Elektrizität. Zunächst war es einfach nur göttlich, das schmerzende Bein zu entlasten, am Tisch zu sitzen und wachsam zu bleiben, aber als nach und nach das Essen bereitgestellt wurde, kam schlagartig der verzehrende Hunger zurück.
Nach Idas Vorstellung nannte er seinen Namen und verstummte wieder. Gino nahm ihm gegenüber Platz, schob ihm Brot und Butter entgegen, während Ida noch mit Eiern und Speck beschäftigt war. In der Küche war es heiß, Rick ließ sich aus den Jacken rutschen, ohne dabei seine verletzten Finger zu benutzen.
„Gino“, rief Ida entrüstet, worauf Rick zusammenzuckte, „er holt sich den Tod in den nassen Sachen. Geh mit ihm nach oben, bis dahin sind Eier, Speck und Kartoffeln fertig.“
Ich werd mich vor diesem Kerl nicht ausziehen, dachte Rick sofort, aber in diese Verlegenheit brachte Gino ihn nicht. Er beäugte nur vorsichtig Ricks humpelnden Gang die grobe Holztreppe hinauf. Aus einem Schrank, der in seinem Schlafraum stand, holte er ein sauberes Hemd, Hose und Unterwäsche.
„Es sind alte Sachen, aber sie sind sauber und ordentlich“, erklärte er, „du kannst sie annehmen.“
Oh ja? Kann ich das?
Im Bad zog Rick sich so schnell um, wie er konnte, fluchte über seine Finger, grinste über die alte Zinnbadewanne und fand ein schauerliches Spiegelbild über dem Waschbecken. Hätte ihn spontan jemand gefragt, wie alt er wäre, er hätte es in diesem Moment selbst nicht beantworten können. Sein Haar brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig am Kopf zu kleben und in alle Richtungen abzustehen; es mit den gespreizten zehn Fingern in Ordnung bringen zu wollen war kein guter Gedanke. Das schmale Rick-Gesicht war unrasiert und noch ein wenig schmaler geworden, seit er unterwegs war, das blaue Auge und der schorfige cut an der Augenbraue ließen ihn verdammt unglücklich aussehen. Stumm deutete er mit einem der nicht gebrochenen Finger auf sein Spiegelbild.
Du kannst von Glück sagen. Niemand hätte dich so mitgenommen.
Erst jetzt kam er in den Genuss, sich den Riss und die Beule am Haaransatz anzusehen, das Regenwasser mochte den Dreck herausgespült haben, aber wer konnte schon sagen, was mit dem Regen alles hinein geflossen war. Es pochte und brannte, sah aber nicht entzündet aus.
Sei ein braver Junge und behalt das so bei.
Während er bei seiner Jeans scheinbar stundenlang herumfummeln musste, um den Knopf und Reißverschluss zu öffnen und sich aus dem nassen Stoff zu pellen, war es mit der alten weiten Cordhose das reinste Vergnügen. Bevor er das frische Hemd überzog, warf er einen kurzen Blick auf seinen nackten Oberkörper. Blaue Flecken und Schürfwunden waren weitere Erinnerungen an das freundliche Landvolk. Er zog sich an, fühlte sich gut in den fremden Sachen und sein eingefallener Bauch schien sich schon darauf zu freuen, wieder gefüllt zu werden.
Gino ging hinter ihm, als er sich vorsichtig die Treppe heruntertastete.
„Ich hoffe, das war nicht der Hund vorhin.“
„Fuck, nein, nur das Wetter und die alten Knochen.“
Gino wartete, bis Rick den Fuß der Treppe erreicht hatte, griff ihn mit beiden Händen bei den Armen knapp oberhalb der Ellebogen, hielt ihn fest und stieß ihn mit dem Rücken gegen die Wand. Er tat ihm nicht weh, aber er hielt ihn in der Zange, sah aus seiner Position ernst auf ihn herab, fast einen Kopf größer als Rick.
„Hör zu, mein Freund. Ich sag es nur einmal. Du kannst unter Deinesgleichen so reden, aber nicht in meinem Haus. Reiß dich am Riemen.“
„Okay“, erwiderte Rick kleinlaut. Er hielt dem Blick stand, bis sich der Griff an seinen Armen lockerte.
„Wir haben uns verstanden.“
Rick nickte und zuckte mit den Schultern, es hieß für ihn nur, verbal ein wenig kürzer zu treten.
Das Essen ließ ihn über diesen kleinen Vorfall hinwegsehen, der Kaffee brachte seine Betriebstemperatur wieder auf normal und er begann zu essen, als hätte er das in den letzten zwanzig Jahren nicht mehr gemacht. Die Gesprächsfetzen dazwischen nahm er kaum wahr und hinterher wusste er nicht mehr genau, was er auf ihre Fragen geantwortet hatte. Noch während er aß und sein Magen sich füllte, begann das leichte Unwohlsein, das als kalter Schweiß auf der Stirn begann und er schlagartig den Appetit verlor. Er zwang sich einen letzten Kaffee hinunter.
Ida lächelte versonnen, sie und ihr Bruder hatten nur einen Bruchteil von dem gegessen, was ihr Gast verdrückt hatte und wenn man so etwas als Aufnahmeprüfung sah, hatte er wohl bestanden.
Rick lehnte sich zurück, wartete, dass dieses seltsame Unwohlsein vorüberging und tatsächlich wurde es etwas besser. Er rülpste verhalten, warf einen vorsichtigen Blick zu Gino hinüber, der aber keine Anstalten machte, ihn wieder an die Wand zu nageln. Ida lachte auf und sagte: „Ein Lob an die Köchin, vielen Dank.“
„Wie bist du so weit von der Straße abgekommen?“
„Gute Frage, Gino.“
Rick ignorierte den pelzigen Geschmack in seinem Mund, den kalten Schweiß und das bedrohliche Spannen in seinem Oberbauch.
Treibe ein wenig Konversation, sei nett, es wird schon vorbeigehen.
„Ich wollte ’ne Abkürzung nehmen, und dann war es auch besser, von der Straße zu kommen. Ich geb es nicht gerne zu, aber dann hab ich mich nur einmal zum pinkeln ins Gebüsch gestellt und wusste nicht mehr, aus welcher Richtung ich gekommen war.“
Rick machte eine komische Handbewegung, winkte mit den intakten Fingern, was sofort die nächste Frage nach sich zog.
„Und wer hat dich so zugerichtet?“
„Ein paar Typen, denen mein Gesicht nicht gefallen hat. So was passiert eben.“
„Lass mal sehen.“
Ida hatte den Tisch abgeräumt, kam herum und setzte sich vor ihn. Sie trug keinen unförmigen Wachsmantel mehr, sie saß vor ihm in einer karierten Bluse und in einer figurbetonten grauen Hose, ihr Haar war zurückgesteckt und als sie sich vorbeugte, fielen einige lose Strähnen über ihre Schulter herunter, sie strich sie zurück, in einer nebensächlichen Geste, die Rick bis in den Schlaf verfolgte. Die schlanken Finger, die Drehung des Handgelenks, ihre rosa Fingernägel, die trotz des Landlebens makellos waren. Sie nahm seine rechte Hand und legte sie sich auf den Schoß, als wäre das gar nichts, begann das Klebeband von den Fingerknöcheln abzulösen.
„Wenn das schief zusammenwächst, kannst du deine Finger nie wieder benutzen.“
Es tat weh, trotzdem kicherte Rick bei dem Gedanken, sich nicht mehr auf seine Finger verlassen zu können. Einige, die er kannte, würden bei diesen Aussichten in Freudentänze ausbrechen.
„Das ist nicht komisch, Rick.“
„Nein“, sagte er, „ich weiß.“
Seine Finger sahen schlimm aus, wirklich schlimm. An der rechten Hand waren es die ersten drei Finger, die es erwischt hatte, die Knöchel waren angeschwollen und grün-blau verfärbt, an der linken Hand die letzten beiden, wo der Stiefelabsatz des Farmers abgerutscht war.
Nachdem das abgelöste Klebeband neben ihnen am Boden lag, hielt Ida seine Hände in den ihren, drehte sie vorsichtig hin und her, als gälte es, zwei kostbare Porzellanfiguren zu begutachten.
„Das muss sich ein Arzt ansehen“, war ihre Diagnose, „genauso wie diese Kopfwunde.“
„Kommt nicht in Frage“, begann Rick, verstummte und schloss für einen Moment die Augen. Sein Kreislauf kroch auf den Knien, kam langsam wieder hoch, aber die Übelkeit verwandelte sich in einen Brechreiz, den er kaum noch bändigen konnte.
„Scheiß die Wand an“, stöhnte er, erhob sich gebeugt und tastete sich mit weichen Knien nach draußen. Er kam taumelnd und hinkend über den Hof, über das Kiesstück zwischen Haus und Stall und bis an eine Ecke, wo Brennnesseln einen Teil des Zauns überwuchert hatten. Dort fiel er unsanft auf die Knie, beugte den Kopf vor und kotzte sich das Leben aus dem Leib. Beim ersten Würgen kam bereits ein dicker Schwall der anverdauten guten Sachen hoch, die er verschlungen hatte, sein Magen gönnte ihm zwischen den einzelnen Anfällen einige Sekunden Ruhe, um nach Luft schnappen und Reste ausspucken zu können. Es dauerte nicht lange, bis sein Magen sich wieder beruhigt hatte und es wurde schlagartig besser. Rick kam wieder auf die Füße und atmete durch. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich den Mund ab, trat einen Schritt zurück und zuckte bei dem Laut hinter sich so erschrocken zusammen, dass er sich fast auf den Hintern gesetzt hätte. Sein ernster Gedanke war, dass er auf etwas Lebendes getreten war, auf etwas, was groß genug zum schreien war; aber als er herumfuhr, dabei seinem Knie wehtat, stand vor ihm ein Knirps, eine halbe Portion, ein Junge von elf oder zwölf, der eine Schultasche auf dem Rücken trug und eine altmodische Fahrradhupe in der rechten Hand hielt. Er machte ein ernstes interessiertes Gesicht, drückte noch einmal auf die Hupe und ließ ein quäkendes HONK ertönen.
„Sag’s mir nicht, wer mich hier hinterrücks zu Tode erschreckt – Harpo Marx.“
„Ich bin Kenny Martinez. Und sie?“
„Wo zum Teufel bist du hergekommen verdammt noch mal?“
Kenny legte den Kopf schief, sah an Rick vorbei und erwiderte ungerührt: „Ich hab noch nie jemanden so kotzen sehen, Mann-o-Mann.“
„Kenny!“ Idas Stimme klang über den Hof und der Junge wandte sich von Rick ab, rannte los und sprang Ida in die geöffneten Arme. Sie packte ihn, schwang ihn hin und her, als wäre er ein Leichtgewicht, setzte ihn wieder ab und gab ihm einen dicken Kuss auf die Stirn. Hinter der Fliegentür begrüßte Gino den Jungen, ließ ihn in die Küche und die beiden verschwanden aus Ricks Gesichtsfeld. Ein heißer Schwall Eifersucht und Neid überflog ihn, noch schlimmer als der Brechreiz von vor fünf Minuten, und überwinden konnte er diesen miesen Zustand, der ihn nach unten zog, nur, indem er die gebrochenen Finger aneinander schlug. Der Schmerz sang bis in seine Ellebogen hinauf und brachte ihn wieder zur Besinnung, bevor er irgendeine Dummheit begehen konnte.
Ida kam aus dem Haus auf ihn zu und Rick wandte sich ab, setzte sich auf eine niedrige Stange im Zaun und wartete.
Muss ich mich entschuldigen? Nein. Für was denn.
Ida setzte sich zu ihm, blinzelte in die Morgensonne und begann sehr zögernd zu sprechen.
„Ich hoffe, du bist nicht krank, wenn irgendwas mit dem Essen nicht stimmte, tut mir das sehr leid.“
„Das Frühstück war das beste seit...“ Seit wann? Chicago, Illinois? Truth or Consequenes, New Mexico? Konnte er sich an das letzte Frühstück, das nicht aus einem Dosenbier und ein paar Pillen bestand, überhaupt erinnern? Nicht mit Datum und Uhrzeit, aber ja, Mann, er konnte sich daran erinnern. Sophie hatte Scones gebacken, Tomaten mit Käse überbacken, Melone mit Schinken, Rührei... „ich unterwegs bin, aber ich hab wohl vergessen, dass ich seit zwei Tagen im Leerlauf arbeite. Kurzes Vergnügen und ’n verdammt teurer Dünger.“
„Nicht, dass du denkst, wir wollten dich vergiften. Der Kleine, das ist Kenny, mein Sohn. Sein Vater hat ihn heute zurückgebracht, er war über das Wochenende bei ihm.“
Sie holte tief Luft, schlug die Hände zusammen und rief: „Okay! Ich habe Gino gesagt, er soll dich zu Doc LaSalle fahren, dass er die Finger richtet und eingipst. Ihr könnt sofort losfahren.“
„Ich werd die Behandlung nicht bezahlen können, Ida.“
Es hatte etwas magisches, ihren Namen auszusprechen.
„Und abarbeiten werde ich es auch nicht.“
„Darüber machen wir uns später Gedanken.“


Der Arztbesuch war eine Ochsentour. Doc LaSalle, ein junger schwarzer Kerl, bestand darauf, dass Rick sich auszog, nachdem er Kopf und Hände studiert hatte und ihm das Hinken nicht entgangen war. Rick hasste die anwesende Schwester für ihr genüssliches Grinsen.
„Wie lange ist die Schlägerei her?“
„Drei oder vier Tage.“
„Zu spät zum nähen.“
„Ich weiß“, sagte Rick.
„Runter mit dem Hemd. Wird’s gehen? Was sie brauchen, junger Mann, ist Fleisch auf den Rippen. Was ist das hier? Herrschaften, ich war dieses Jahr in Florida und hab mir Seekühe angesehen, die hatten Verletzungen von Schiffsschrauben überall und die sahen gut dagegen aus. Wie lange hat das zum heilen gebraucht?“
Verfickter Schwätzer.
„Drei Monate“, sagte Rick missmutig, starrte an die Decke.
Er hockte auf dem Behandlungstisch, legte auf Kommando den rechten Fuß hoch.
Jetzt kommt’s, dachte er, letztes Jahr war ich in Yosemite und da lag ein überfahrenes Eichhörnchen, das hat genauso ausgesehen.
„Das grenzt an ein Wunder, dass sie damit noch laufen können.“
Der rechte Knöchel war scharfknochig und entstellt, von breiten Narben überzogen, die bis in den Schenkel hinaufreichten.
„Wie viele Ärzte haben sich daran versucht?“
„Ich bin bloß wegen der Griffel hier.“
Das Richten und Einrenken war nicht komisch, aber es war schnell vorbei und statt dicker unförmiger Gipsverbände gab es insgesamt fünf schmale Schienen, die mit reichlich Leukoplast fixiert wurden. Doc LaSalle sagte noch, dass er bei Komplikationen noch einmal vorbeikommen solle, aber Ricks Blick genügte, um ihn wissen zu lassen, dass er ihn nicht wieder sehen würde. Die Schwester führte ihn aus dem Behandlungsraum, Gino übernahm ihn. Sie verabschiedeten sich, nur Rick blieb stumm und gereizt.
„Warum tut ihr das?“ wollte er wissen, als sie auf der Fahrt zurück waren und in der ersten Nacht in dem Haus, unter einem Dach mit den Martinez wurde ihm klar, warum es hier anders lief.
„Wir tun, was wir für richtig halten und wir fragen nicht danach, ob es sich rechnet, oder ob es sich für uns lohnt.“
„Ihr seid irre.“
Er schlief in einem kleinen Raum im Erdgeschoss, in dem eine alte Ausziehcouch für ihn bezogen worden war, ein quietschendes altes Ding, grober Stoff und abgewetzte Ecken, und die alten rostigen Federn quietschten und krachten bei jeder Bewegung.

Kenny war ein munterer frecher Zwerg, saß nur so lange ruhig am Tisch, wie er für sein Frühstück brauchte, dann sprang er auf und rannte nach draußen, um noch vor der Schule mit dem Hund zu spielen, die Kühe zu jagen und Koyoten an Scheunentore zu nageln, oder was Jungs in seinem Alter sonst so taten. Gino ließ sich Zeit mit dem Essen, sein Haar war noch nass von der Dusche und er tankte eine halbe Kanne Kaffee in sich hinein.
An diesem Morgen regnete es nicht, der Spätsommer war zurück, Rick trug wieder seine eigenen Klamotten, wartete schweigend auf den passenden Augenblick, um sein Durchstarten zu verkünden. Ida sah in die kleine Runde, schwenkte das Rührei in der Pfanne, mit einem lockeren Schwung aus dem Handgelenk.
„Kenny hat mir Löcher in den Bauch gefragt“, sagte sie, „wie lange du bleibst und wo du hergekommen bist. Viel konnte ich ihm nicht sagen.“
„Ich bin einfach nur unterwegs, das ist alles. Eigentlich kann ich Indiana nicht leiden, weiß der Teufel, wie ich hier gelandet bin und vielleicht ist das der passende Moment, um danke zu sagen und zu verschwinden.“
„Wo willst du denn hin?“ Ginos ernste väterliche Art ließ ihn sauer aufstoßen, er fiel in seinen alten Dialekt zurück, ohne es zu bemerken. Ida nahm die Pfanne vom Feuer und betrachtete dieses kurze Schauspiel. Da saß kein verschreckter kleiner Junge an ihrem Tisch, keine halb ertrunkene Katze, die sie aus ihrer alten Scheune gerettet hatten, da saß jemand mit lädiertem Schädel und gebrochenen Finger, der seit Monaten, vielleicht schon seit Jahren, durch das Land zog, irgendwelchen fremden Werten folgte, die sie nicht verstanden.
„Ich krieg Ärger, wenn ich irgendwo zu lange bleibe. Ich kann mir immer wieder einreden, es würde gut gehen, aber es endet immer in einer Katastrophe. Deshalb verschwinde ich, solange es noch friedlich ist.“
„Es kann dir doch nicht egal sein, wo du landest oder was du aus deinem Leben machst.“
„Predigten“, erklärte Rick mit einer harschen Handbewegung, stand rumpelnd vom Tisch auf, „brauch ich mir nicht anzuhören.“
Sein Rucksack war nebenan, wo er geschlafen hatte, ebenso seine Jacke und die Erinnerung an die Nacht, in der er gut geschlafen und wild geträumt hatte.
„Gino, tu bitte etwas.“
„Ich kann ihn nicht festhalten.“
„Gino, bitte.“
„Wie soll ich das denn anstellen?“
„Hey“, sagte Rick, als er wieder die Küche betrat und ihr hektisches Geflüster verstummte, „wie gesagt, mir klebt immer Scheiße am Schuh, deshalb verschwinde ich. Und ich werde auch nicht hereinschauen, wenn ich mal wieder in der Gegend bin, damit das auch klar ist.“
Hölle aber auch, verschwinde endlich, bevor du noch mehr Scheiße verzapfst.
Sein letzter Blick galt Ida. Sie sollte den nächsten Baum schütteln und hoffen, dass etwas Besseres zu Boden fiel. Rick überquerte den Hof, marschierte an dem abgestellten Pick-up vorbei auf die Zufahrt zu, die ihn direkt auf eine der vielen wenig benutzte Feldwege bringen würde. Den Weg nach Benton kannte er; er würde die andere Richtung nehmen.
Das hatte er vor und er würde sich durch nichts davon abbringen lassen, das sagte er sich jedenfalls bei jedem Schritt, den er tat. Sein Knöchel lief sich langsam ein, wurde beweglicher und gab die Schmerzen auf, so weit so gut, aber seine Gedanken hatten sich festgefahren und liefen im Kreis; er dachte an die hässliche Szene zwischen ihn und Dom, weshalb er New York verlassen hatte. Verdammt, Dom konnte einem wirklich auf den Sack gehen, wenn er nur zu helfen versuchte, wie er sagte. Mehr als einmal hatte er Rick Jobs vermittelt, hatte ihn förmlich mit Gewalt dazu gezwungen, sich den Laden von innen anzusehen und Rick hatte jedes Mal die Klamotten hingeschmissen, noch bevor es richtig losgehen konnte.
- Was brauch ich ’n Job? Ich brauch keinen verdammten Job, ich komm so zurecht.
- Sie werden dich wieder einsperren und dann wirst du dir wünschen, auf mich gehört zu haben, glaub mir endlich. Früher oder später buchten sie dich wieder ein und dann kann ich dir nicht mehr helfen.
- Ich hab dich nicht um Hilfe gebeten.
- Nein? Jedesmal, wenn die Typen dir drohen, dir die Beine zu brechen, kommst du zu mir und ich bezahle deine Schulden. Wie nennst du das?
- Geht’s ums Geld? Das kannst du zurück haben.
Aber natürlich hatte Dom sein Geld bis heute nicht zurück und es kam noch dazu, dass Rick ihm noch mehr abgeknöpft hatte, bevor er nach einem Streit abgehauen war. Er hatte Sophie etwas von der Schrottplatzsache erzählt, obwohl er ihn gebeten hatte, es ihm zu überlassen.
Dom ist ein solches Arschloch. Kümmert sich um Angelegenheiten, die ihn nichts angehen, aber er hat nie einen Rückzieher gemacht, wenn ich ihn brauchte. Hat mir das Geld anvertraut, dieser leichtgläubige Idiot.
Rick folgte dem Pfad, der durch ein Kornfeld auf ein paar Bäume zuführte – alte große Laubbäume auf einer kleinen Anhöhe, an denen der Blick sich festklammern konnte, wenn Lunge und Beine müde wurden. Er hörte die Stimmen der spielenden Kinder, noch bevor er die Bäume erreichte und er sich eine kleine Pause gönnte. Die stetige leichte Steigung, das schwülwarme Wetter und die schmerzenden Rippen forderten ihren Tribut – nahe beim ersten Baum blieb er stehen, hockte sich auf die Überreste des Zaunes, von dem man noch erkennen konnte, dass er gerade durch die Bäume hindurch lief, bis er auf der anderen Seite ins nichts verschwand, wo sich der Pfad den Hügel wieder hinunterschlängelte.
Es waren nicht wirklich spielende Kinder. Ihre Stimmen waren laut und herausfordernd, lachten triumphierend und höhnisch. Eine einzige Gegenstimme war zu hören, die sich wehrte und zu kämpfen versuchte, aber deutlich den Tränen nahe war. Die bunte Kleidung der Jungs war durch das Grün der Sträucher und Bäume hindurch zu sehen, sprangen umher, hatten einen in ihrer Mitte gefangen.
Geht mich nichts an. Die werden ihn schon nicht umbringen. Ist wichtiger, vor Anbruch der Dunkelheit die Gegend verlassen zu haben und dann muss ich mich auch wieder um einen Wagen kümmern.
Er war an der lärmenden Gruppe fast vorbei, drehte den Kopf und wollte sich noch einmal davon überzeugen, dass das Ganze ein harmloser Streich war und erkannte Kenny in der Mitte der Meute. Sein Gesicht war dreckverschmiert, er war entweder gefallen oder sie hatten ihn zu Boden gestoßen, in seinem Haar steckte Laub.
Er versuchte die Jungs von sich weg zu halten, aber er konnte nicht jeden Hieb und jeden Tritt parieren, immer wieder fiel er auf die Knie, kam wieder hoch und schrie, sie sollen ihn in Ruhe lassen. Es waren fünf oder sechs Jungs in seinem Alter.
Rick blieb stehen, pielte um einen Baum herum und besah sich das fröhliche Gemetzel. Was Gino in dieser Situation als Onkel getan hätte, war ganz klar. Wie ein Löwe hätte er sich in die Mitte der Jungs gestürzt, sich den einen oder anderen gepackt und das gesagt, was jeder in solchen Situationen wohl gesagt hätte.
- Ich kenne jeden einzelnen von euch kleinen Bastarden. Ich kenne eure Namen und ich weiß, wo ihr wohnt. Wenn ihr nach Hause kommt, wartet die Tracht Prügel schon auf euch.
Fuck, dachte Rick, das geht mich doch überhaupt nichts an, pfiff laut durch die Zähne und ging ein paar Schritte auf die Jungs zu. Sie blieben alle wie erstarrt stehen, drehten sich zu ihm herum, bevor sie zur Besinnung kommen konnten, sagte Rick: „Hey, Martinez, du hast mir versprochen, bei dem verdammten Zaun zu helfen, hast du das vergessen?“
Kenny brauchte einige Sekunden um zu begreifen, was los war, ebenso wie seine Peiniger, er klopfte sich die schmutzigen Hosen ab und erwiderte mit unsicherer Stimme: „Nein, ich hab es nicht vergessen.“
Einer der größeren Jungs machte einen Schritt zur Seite, noch immer abwägend, was das ganze sollte und wer der Kerl war. Mit einem Erwachsenen würde er sich nicht anlegen, aber er war zu neugierig, um dazustehen und den Mund zu halten.
„Arbeiten sie für die Martinez?“
Rick hielt die verletzten Hände in den Jackentaschen und sagte: „Geht dich das irgendwas an?“
Kenny kam langsam an Ricks Seite, gewann Selbstvertrauen und konnte den Jungs, die ihn gedemütigt hatten, mit erhobenem Kopf entgegenblicken. Mit einem bewundernswerten lockeren Grinsen sah er zu Rick auf, das Gesicht noch immer mit Dreck verschmiert und sagte: „Entschuldigung, ich hab nicht auf die Uhr gesehen.“
Die herumstehenden Jungs mussten sehen, dass sie nach allen Regeln der Kunst verarscht wurde, aber keiner von ihnen sagte etwas, sie sahen sich nur unschlüssig an, holten ihre Fahrräder und fuhren davon.
„Danke“, sagte Kenny und Rick erwiderte: „De nada“.
Er wollte seinen Weg fortsetzen, wie er es vorgehabt hatte, aber Kenny schien der Meinung zu sein, dass diese Episode noch nicht abgeschlossen war.
„Kommst du nicht mit zurück?“ rief er, als Rick davonging, rannte ihm nach, bis er auf gleicher Höhe war.
„Warum willst du schon weg?“
„Weil ich nicht anders kann.“
Ich brauch einen Wagen. Neue Nummernschilder. Fahrbaren Untersatz. Fahrbare Schlafhütte.
„Kannst du nicht noch bleiben? Ich habe hier niemanden, mit dem ich reden kann, niemand hat Zeit für mich.“
Rick blieb stehen. Die Bäume warfen einen gnädigen Schatten, weiter draußen zwischen den Feldern würde es wieder heiß werden.
„Was ist mit deiner Mutter?“
„Sie und Onkel Gino haben genug mit der Farm zu tun. Bei meinem Vater habe ich ein paar Freunde, aber hier...“ Kenny hob die Schultern. „Sie machen sich einen Spaß daraus, mich zu ärgern.“
„Das kann ich nicht ändern.“
Bleib hart, buddy, lass dich nicht in diese Sache reinziehen.
Aber Kennys traurige Gestalt erinnerte ihn an seine eigene Geschichte und dass ihm damals niemand geholfen hatte.
„Geh ihnen aus dem Weg. Sag mal, was hast du hier eigentlich gemacht?“
Er konnte sich nicht vorstellen, dass das Land hier noch immer den Martinez gehörte. Zu viel Land für zwei Personen.
„Da hinten“, erklärte Kenny, drehte sich um und deutete zu den Bäumen zurück, „hab ich eine Hütte. Ich bin oft dort, die gehört mir ganz allein. Willst du sie sehen?“
Er hätte nein gesagt, nein, du Zwerg, ich muss weiter, aber Kenny erinnerte ihn daran, wie er sich damals gefühlt hatte, hilflos und verzweifelt. Viel zu jung, um durchzubrennen und sich allein durchs Leben zu schlagen. Er hatte es trotzdem getan und hatte nie wieder richtig Fuß fassen können.
„Okay“, sagte er. Ein paar Minuten würde er opfern, vielleicht kannte Kenny noch Schleichwege, auf denen er Benton umgehen konnte. Es war nicht unbedingt nötig, dass er noch mal dieselbe Straße benutzte, auf der die Farmer ihm beim Autoknack erwischt hatten, solche unguten Erinnerungen ließ er gerne hinter sich.
Kenny führte ihn zurück auf den Hügel, sie folgten dem alten Zaun, der durch ein dichtes wucherndes Gehölz führte, durch das sie nur hindurch kamen, weil Kenny eine Schneise hinein geschnitten hatte, die von außen nicht sichtbar war. Sie ließen den Hügel hinter sich, kamen in einen dichten, fast lichtlosen Wald und Rick wurde ungeduldig, wollte nicht noch länger über Steine und Wurzeln stolpern, aber seine vage Erwartung der Hütte wurde übertroffen. Er hatte gedacht, es seien ein paar zusammengenagelte Bretter an einem Baum, eine alte Decke darüber und eine Sturmlampe für etwas Licht, um alte Kinderbücher lesen zu können. Aber das, was da unter den Fichten stand, auf einer kleinen Lichtung, war mehr. Dort stand eine solide Ein-Mann-Hütte mit Tür und Fenster und einem Dach, auf dem Waldboden verteilt war und jetzt Farne und blühende Gräser wuchsen.
„Wou-auh“, machte Rick, „da hat sich dein Onkel aber Mühe gegeben.“
Kenny hatte einen Schlüssel an einem Lederband um den Hals hängen, zog ihn aus dem Kragen seines T-Shirts hervor und schloss die Tür auf. Es war nur ein kleines Vorhängeschloss, aber die Tür sah solide aus, wirklich solide, schloss fugenlos und hing gerade in den Angeln.
„Wir haben sie zusammen gebaut, nach einer Anleitung aus einem Buch. Ist sie gut geworden?“
„Scheiße, Kleiner, die ist klasse.“
Für einen Moment dachte er nicht mehr daran, wo er mittlerweile sein könnte, hätte ihn der Bengel nicht aufgehalten, denn diese Hütte war wirklich ein Traum.
Kenny lächelte dankbar und etwas verlegen, ließ Rick eintreten und sah sich auf der kleinen Lichtung um, bevor er selbst die Hütte betrat. Er war immer vorsichtig, weil er befürchtete, die Jungs von den umliegenden Farmen könnten ihn heimlich beobachten und dann wieder über ihn herfallen. Sie wussten wohl von der Hütte, aber sie wussten nicht, dass sie ihm gehörte; sie waren gemein genug, alles zu erstören, was ihm gehörte. Das wollte er dem Fremden, der ihn aus der Patsche geholfen hatte, nicht verraten, aber er ahnte wohl, dass der es bereits wusste.
Rick sah sich grinsend in dieser kleinen Jungenbude um, war umgeben von zerlesene Comichefte, Actionfiguren, getragenen Klamotten und Bildern an den Wänden. Es war chaotisch und trotzdem ordentlich in diesen vier Wänden, man konnte sagen, dass die Unordnung System hatte.
„Du bist oft hier, was?“ fragte Rick.
„Nicht jeden Tag, aber fast. Ich lese Comics und so.“
„Schon mal hier übernachtet?“
„Nee“, antwortete Kenny, „das darf ich nicht. Mom will, dass ich zu Hause bin, wenn’s dunkel wird.“
„Das ist Okay.“
Okay für mich, dachte Rick.
„Ich würde bleiben, Kenny, aber es geht nicht. Ich kann erst wieder durchatmen, wenn ich aus der Gegend verschwunden bin.“
„Wieso?“
Rick schlug mit der flachen Hand nach Kennys rechtem Ohr, worauf der Junge nur breit grinste.
„Ich bin hier in der Nähe aufgewachsen und ich weiß immer noch nicht, was mich hier wieder hingezogen hat. In New Mexico treffe ich mich mit einem Freund.“
„Das ist ein weiter Weg.“
„Deshalb muss ich auch los.“
Kenny lächelte nicht mehr, schob die Unterlippe vor und versuchte etwas zu erwidern, aber Rick schnitt ihm mit einer schnellen Bewegung des bandagierten Zeigefingers das Wort ab.
„Ich muss los. Hast du diese Worte verstanden, Kleiner? Vielleicht schreib ich dir ’ne Karte aus Mexico, Okay?“
„Auf die kann ich doch warten, bis ich grau bin.“
Rick grinste, tupfte an sein verletztes Auge.
„Du bist zwar klein, aber nicht auf den Kopf gefallen. Mach’s gut.“
Die Straße mied er, obwohl sie bequemer gewesen wäre in seiner Situation, aber er wollte niemandem begegnen.
Scheiß Gegend. Ich wusste schon, warum ich hier weg wollte.
Es machte ihn rasend, dass die Arschlöcher ihm die Finger gebrochen hatten, dass er sich nicht einfach den nächsten Wagen nehmen und davonfahren konnte, aber er war realistisch genug, um zu wissen, dass er es hätte schlechter treffen können als bei den Martinez.
Heiße Frau, dachte er, als er wegen der Hitze auf dem offenen Feld die Jacke auszog, die Ärmel des T-Shirts hochkrempelte und seine Tatoos begrüßte.
Ihr seht ein bisschen blass aus, Freunde, wird Zeit, dass ihr wieder an die Luft kommt.
Die Feldwege waren endlos, Lerchen zwitscherten über seinem Kopf herum, er kam bis zu einer schattigen Stelle, wo jemand seinen Traktor abgestellt hatte.
Rick setzte sich in den Traktor, lehnte sich in dem rostigen Sitz zurück und schloss die Augen, träumte von den Dingen, die er hinter sich gelassen hatte und die ihm nur selten bewusst wurden, es waren zu viele Dinge, die in ihm warteten.
Der innere Magnet zog in ihm, aber gleichzeitig hielt ihn etwas. Er hätte es nicht zugegeben, dass es die freundliche Art der Martinez sein könnte, er hätte sich mit seinen scheiß Verletzungen rausgeredet.
Bis er wieder an Kennys Hütte war, war es Nachmittag und er hatte so viele Zigaretten geraucht, dass er keinen Hunger hatte. Es schien ewig zu dauern, bis es dunkel wurde, er das Schloss aufbrach und die Hütte betrat, darauf vertrauend, dass Kenny jetzt nicht mehr auftauchen würde. In der Hütte machte er die kleine Lampe an, durchstöberte ein paar Kartons und fand neben den Comics vom silver surfer, batman und den fantastic four auch einen bescheidenen Vorrat an Keksen und Mineralwasser. Seine Finger schmerzten noch immer von der Arbeit an dem Vorhängeschloss und er dachte sehnsüchtig an ein paar Tabletten.
Du Idiot musstest ja das Landleben wählen. Wärst du auf den großen Straßen geblieben, wärst du innerhalb von Minuten im nächsten Drug Store oder beim nächsten Dealer. Selbst Schuld, Mann. Kein Wolverine oder Hawkeye wird angeflogen kommen, um dir die Schmerzen zu nehmen. In den Comics hier kriegen Typen wie du immer eins aufs Maul und landen im Dreck.
Im Schein der herunter gedrehten Lampe sah Rick eine Landkarte an der Wand hängen, blieb davor stehen und dokumentierte mit dem tippenden Zeigefinger die Route, die er innerhalb von Indiana seit New York genommen hatte.
Die Farm der Martinez war ebenso wenig eingezeichnet wie Benton, aber er fand die Straße wieder, auf der er unterwegs gewesen war und die ihn weiter nach Westen hätte bringen sollen. Seine Augen eilten seinem Finger voraus, hatten den bekannten Namen entdeckt und den Namen des Flusses.
Mt. Vernon, eine Stadt, die so klein war, dass sie dieser Bezeichnung nicht gerecht wurde, the armpit of the universe, beherrschte seine Gedanken und ließ ihn nicht los. Es war unheimlich, dass er diesem Ort so nahe gekommen war, ohne es zu bemerken.
Es zieht mich etwas dorthin zurück, dachte er, setzte sich mit geschlossenen Augen auf die Luftmatratze, zwischen den Beinen die Packung trockener Kekse und eine Wasserflasche, es zieht, so wie’s uns nach New York gezogen hat.
New York war keine gute Idee gewesen – eine Menge Ärger, einige Monate im Knast und immer das Gefühl, zu irgendetwas zu spät zu kommen. Zu viele Drogen, zu viele Irre. Einen perfekten Platz hatte es für Rick noch nicht gegeben, vielleicht war er deshalb noch immer unterwegs, aber Mt. Vernon konnte es nun wirklich nicht sein. Vollkommen unmöglich.
Selbst, wenn sie nicht mehr dort leben, dachte er, werde ich keinen Fuß in diese verfluchte Stadt setzen. Das kann niemand von mir verlangen.
Nun, Tatsache war, dass es auch niemand von ihm verlangte, er war noch immer so frei wie ein Vogel (mit gewissen Einschränkungen) und er konnte gehen, wohin er wollte und obwohl er das wusste, obwohl er an etwas anderes zu denken versuchte, stellte er sich immer wieder vor, wie es wohl sein würde, nach zehn Jahren zurückzukehren. Die alten Läden und Straßen wieder zu sehen. Das Schulhaus. Das Gebäude der Feuerwehr. Die umliegenden Farmen. Die Farm seiner Eltern.
Rick wusste, was es hieß, in einem Malstrom zu stecken und nicht in der Lage zu sein, sich aus eigener Kraft zu befreien. In einem abstürzenden Flugzeug an den Sitz gefesselt zu sein und den Erdboden näher kommen zu sehen konnte nicht schlimmer sein.
Wieso bin ich noch hier, Captain? Sollte meine Sachen holen und verschwinden. New Mexico lockt. Trocken. Heiß. Tequila. Selbst Boston wäre besser als das hier. Warum verschwinde ich nicht einfach? Mt. Vernon ist viel zu nahe, viel zu nahe an der radioaktiven Quelle.
Er träumte davon, was Mascot und er im Jahr 73 angestellt hatten, eine irrsinnige Sache, die in die Zeitungen gekommen war und über die sie noch Monate später lachten wie im Vollrausch. Mascot hatte es getan, ohne dass Rick jemals wirklich dahinter gekommen war, wie er es gemacht hatte. Besoffen oder nicht, er hatte dem Zugführer eine Heidenangst eingejagt.
Der Teil seines wirren Kopfes, der ihn schließlich einschlafen ließ, wusste, wie Mascot die Sache in Mt. Vernon gedreht hatte – es war übernatürlich gewesen. Das war es – übernatürlich. Er hatte das Licht geschickt, es bewegt und wieder verschwinden lassen, nur so zu ihrem privaten Vergnügen.
Rick schlief wie ein Toter, träumte scheinbar stundenlang, aber es war ein Traum nach eigenen Gesetzen und dauerte in Wirklichkeit nur wenige Minuten. Unwichtige elektrische Entladungen im Gehirn. Er machte es gerade mit Sophie, um sie herum alles warm, weich und dunkel, so geschützt und sicher wie in einem großen Ei. Er fühlte sich tief in ihr, seine Hände waren irgendwo hinter ihrem Rücken verschränkt, um sie zu halten, ihre lagen auf seinem Rücken. Ihr Lächeln, die kleinen Schweißperlen auf ihrer Haut. Es war alles in Ordnung. Nur einige kurze Blitze zuckten durch diesen Traum, denn er fragte sich, wieso sie nicht mehr wütend auf ihn war. Sie schlief nicht mit ihm, wenn sie wütend war. Wütend? Sophies Haut war so weich, bleich wie Marmor, weil der Sommer und die Freiluftsaison erst noch bevorstand, sie hockte mit hinter ihm gekreuzten Beinen auf ihm, bewegte sich im Einklang und kamen dem gemeinsamen Höhepunkt langsam näher, ohne Mühe, ohne Vorsprung des einen.
Wieso ist sie nicht wütend? Sie hat mich rausgeworfen, sie hat Schluss gemacht, nachdem sie mit Dom telefoniert hat.
- Ich hab’s dir gesagt, Rick, noch so eine Aktion und es ist aus. Hast wohl geglaubt, ich würde das nicht durchziehen.
Er hörte seine eigene Stimme wie aus einem anderen Raum; halb betäubt von dem Zeug in seiner Blutbahn und von den sechsundvierzig Stunden ohne Schlaf.
- Ich bin hier, oder? Es ist alles gut gelaufen.
Sie hatte ihn nicht vor die Tür gesetzt, weil es gut gelaufen war, sondern weil überhaupt etwas gelaufen war, von dem sie nicht genau Umfang und Ausmaß kannte, aber was groß genug war, um Dom anrufen zu lassen.
Verdammter Verräter. Wenn er es versaut, dann richtig.
Sie hatte ihm also doch noch verziehen, wenn es auch viel zu einfach erschien und Rick sich im Traum wieder fragte, wieso er an die Versöhnung keine verdammte Erinnerung hatte, und als er sich zu sammeln begann für den Endspurt, das Ziel in Sichtweite, verschwand Sophie langsam. Er verlor ihr Lächeln, ihr Keuchen löste sich auf, es wurde kalt um ihn herum und einsam. Jemand brüllte ihn mit sehr harter Stimme an, das war Dom, der ihm die Meinung geigte, weil er herausgefunden hatte, was auf dem Schrottplatz in Newark wirklich gelaufen war und Erklärungen und Entschuldigungen wollte er nicht mehr hören.
Nichts von dem, was Rick zu diesem Thema zu sagen hatte, wollte er wirklich hören, trat eine seiner ermüdenden Grundsatzdiskussionen los und erreichte damit nur, dass Rick das Weite suchte.
Wütend und beleidigt, bereit die nächste Dummheit zu tun, fand Rick sich bei Sophie wieder, in ihrer Wohnung, vom Regen in die Traufe. Mascot schwebte vorbei und flüsterte auf spanisch: - Ich bin noch immer in New Mexico, Rick.
Und Rick träumte: - Ja? Ich hab versucht dich zu finden, buddy, aber dort kennt dich niemand.
Er blinzelte und stand in einer staubtrockenen Wüste, in der bei strahlend blauem Himmel die Sonne auf zwölf Uhr stand.
- Wie soll ich dich hier finden, wo ich deinen richtigen Namen vergessen habe, verdammt. Heilige Sache, so ein indianischer Name.
Die brennende Sonne auf seinem Gesicht ließ ihn plötzlich frieren, obwohl ihm das seltsam vorkam, er drehte sich in der endlosen trostlosen Wüste herum und versuchte herauszufinden, wo plötzlich der kalte Wind herkam. Feuchter kalter Wind. Jemand flüsterte seinen Namen.
Aufwachen und wach bleiben war wirklich schwer für ihn, besonders, als er begriff, wo er war. Es war dunkel, es war kalt. Er lag zitternd in der Hütte, die Knie angezogen, die Arme an den Körper gepresst und nachdem er wach war, dachte er darüber nach, wer ihn gerufen hatte, aber es war niemand hier.
Rick mied den Blick auf die verdammte Landkarte, die er im dunklen Raum nur erahnen konnte.
Das war ein toller Einfall, ein paar Gauner um ihr beschissenes Geld zu betrügen, alle wütend zu machen und dann zu verschwinden. Eine Sauftour mit Hollis hätte ungefähr den gleichen Effekt gehabt, aber nein, Mascot meinte, es sei Zeit für den Wüstenwind, Okay, Mascot, aber du hast nicht gesagt, wie ich dich wieder finden soll.
Wären wir zu zweit gewesen, wäre mir das mit den Fingern nicht passiert. Hätte ich die Finger um ein Pint Guinness im Albatros gelassen, wäre ihnen nichts passiert.

Keine Abkürzung
„Kenny? Was hast du da draußen gemacht?“
Es war schon seit Stunden dunkel und es war wieder kalt und nass geworden. Kenny blieb vor seiner Zimmertür stehen, betrachtete die kleinen Pfützen, die sich auf dem blanken Holzfußboden bildeten.
„Ich war unterwegs, Mom. Tut mir leid, dass ich nass geworden bin.“
Ida hätte gerne gewusst, was er letztes Wochenende mit seinem Vater unternommen hatte, aber das war ein schwieriges Kapitel, denn zu Franklyn hatte sie keinen Kontakt mehr, seit er die Farm verlassen hatte. Manchmal wünschte sie, er würde zurück kommen, ganz unverhofft vor der Tür stehen und darum bitten, bleiben zu dürfen, aber das würde wohl nie geschehen.
„Schon gut“, sagte sie, machte eine Kopfbewegung Richtung Bad, „geh dich waschen und dann machst du dich fürs Bett fertig.“
Kenny hatte sich zu sehr zurückgezogen seit der Trennung, er verbrachte so viel Zeit in seiner Hütte und irgendwo auf der Farm und meist wussten sie den ganzen Tag nicht, wo er sich gerade herumtrieb. Er hatte keine Freunde, in der Schule in Evansville galt er als sehr zurückhaltend. Die Kinder dort seien in Ordnung, wie er sagte, aber sie hatten keine Zeit, ihn auf der Farm zu besuchen.
Ida wartete, bis sich die Badezimmertür hinter ihm geschlossen hatte, dann drehte sie sich um und folgte der Treppe nach unten. Gino saß noch im Wohnzimmer, hatte den Fernseher laufen, obwohl er über den Rechnungen saß und keinen Blick hineinwarf. Die Bilder flackerten unbeobachtet und warfen Blitze und Schatten an die Wände. Ohne aufzusehen sagte Gino: „Warum wolltest du unbedingt, dass er bleibt?“
Idas Platz in diesem Raum war der Schaukelstuhl, der vor dem offenen Kamin stand. Sie setzte sich hinein und begann ganz langsam zu schaukeln. Ihr Gesicht war eine ruhelose Maske, angestrahlt vom blauen Licht des Fernsehers.
„Du weißt, wie es in dieser Gegend zugeht. Sei sperren schnell jemanden ein, der kein Heim und keine Arbeit hat.“
„Du kannst dich nicht für jeden Tagelöhner, der bei uns auftaucht, verantwortlich fühlen.“
Es gehörte zu Idas Aufgaben, sich bei Bedarf um Hilfskräfte für die Farm zu kümmern und meist heuerte sie herumziehende Mexikaner an, die illegal über die Grenze gekommen waren. Auch deshalb wurde in Benton über die Martinez schlecht gesprochen, denn es gab einige arbeitslose Männer, die den kargen Lohn auch nötig hatten. Ida diskutierte über ihre Entscheidungen nicht. Die Männer aus Benton arbeiteten ein paar Stunden, dann wurde es ihnen zu heiß und die Arbeit zu anstrengend, sie legten Pausen ein, die immer länger wurden und ein Großteil meldete sich schon nach wenigen Tagen krank oder tauchten gar nicht mehr auf. Sie schätzten die harte Arbeit auf dem Feld nicht. Die mexikanischen Tagelöhner waren aus einem anderen Holz geschnitzt.
„Rick ist kein Tagelöhner.“
Ida erklärte das mit beiläufiger Stimme, trotzdem sah ihr Bruder fast alarmiert auf, legte die Unterlagen beiseite und stützte das Gesicht in die Hände. Als er wieder aufsah, musste er seine Frage nicht laut stellen, er kannte Ida gut genug, um das stumme Geständnis zu registrieren. Sie hätte ihn eingeladen, länger zu bleiben und das nicht nur, um ihm einen Gefallen zu tun, sondern mehr sich selbst.
Als Kenny herunterkam, um gute Nacht zu sagen, glaubte er, dass sie sich über etwas gestritten hatten und danach verstummt waren, um ihn nicht zu einem Zeugen werden zu lassen. Vor dem Haus schlug Kangyo an, sie hörten ihn einmal das Haus umkreisen, dann quietschte die Hundeklappe, als er zum schlafen hereinkam. Wären sie nicht so abweisend stumm und in sich gekehrt gewesen, hätte Kenny ihnen von seiner Begegnung mit Rick erzählt; aber so trabte er nach oben und ging schlafen. Sein kurzes Nachtgebet schloss außer Mutter, Onkel und Vater nun auch Rick ein, von dem er nicht wusste, wo er gerade war, aber der liebe Gott würde damit sicher keine Schwierigkeiten haben.

Wo er sonst bei jedem Geräusch wach wurde, schlief er diesmal so lange, dass er von Kenny überrascht wurde. Zwar erwischte ihn der Junge nicht gerade nackt schlafend in der aufgebrochenen Hütte, aber es war unangenehm genug, ihm erklären zu müssen, wieso er noch hier war. Kenny trug eine über den Knien abgeschnittene Jeans und ein Baseballshirt mit der Nummer neun, kam auf seinem Rad auf die Hütte zugefahren und Rick hätte es ihm nicht übel genommen, wenn er sauer geworden wäre. Kenny sprang vom Rad, gerade als Rick das Schloss wieder einhängte und es so aussehen lassen wollte, als wenn alles in Ordnung sei.
„Hi“, rief er, „ich dachte, du wärst längst weg.“
„Müsstest du nicht in der Schule sein?“
„Wir hatten früher Schluss.“
Ricks desolater Zustand hatte sich über Nacht nicht gebessert, er brauchte ein Bad und eine Rasur, er brauchte einen Kaffee und Zigaretten und was er nicht brauchte war ein neugieriger Zwerg, der ihm auf die Nerven ging.
„Gibt’s ’ne Abkürzung zur nächsten Bundesstraße?“
„Abkürzung?“
„Ich will nicht durch Benton.“
Kenny überlegte, kam langsam näher, untersuchte das offene Schloss und murmelte: „Nein, es gibt keine. Warum hast du nicht gefragt, ob du in der Hütte bleiben darfst? Du hättest auch bei uns übernachten können.“
Wir beißen nicht. Okay, aber vielleicht beiße ich, vielleicht bin ich lieber allein.
„Ich muss los.“
Er hatte keine Zeit, dumme Fragen zu beantworten, im Moment standen andere Dinge ganz oben auf der Liste.
Kratz die Kurve. Bring möglichst viel Asphalt zwischen Mt. Vernon und deinen Füßen.
„Wieso haben sie dir die Finger gebrochen?“ rief Kenny ihm nach, als er sich schon durch das Gebüsch gedrückt hatte und dem Zaun folgte. Die Geräusche der Vögel und des Waldes verstummten einen Herzschlag lang, setzten wieder ein und Rick wollte es ihm erklären, es als kleines Missverständnis abtun, aber er drehte sich um und rief zurück: „Zum Teufel mit dir, du halbe Portion.“
Kein netter Zug. Oh, denk nicht mehr dran, geh darüber hinweg und mach, dass du weg kommst.
Sein Gesichtsausdruck war verbissen und abwesend zugleich, alles was er sah, war auf das wichtigste reduziert; der Feldweg, der irgendwann in eine schmale wenig befahrene Straße überging, das verwitterte Ortsschild und dem „Herzlich Willkommen“, aber diese Worte waren zu recht verwittert und nahezu unleserlich. Direkt hinter dem Schild kamen die ersten Wohnhäuser und die Hauptstraße in Sicht, Rick hielt sich an der Fahrbahnseite und nahm den direkten Weg zur Bundesstraße, die die Hauptstraße am Ende von Benton kreuzte und in zwei Teile schnitt. Genug Verkehr, um dort mitgenommen zu werden, selbst ein übermüdeter und stinkender Trucker wäre recht. Aber was es auch war, ob Gott oder Teufel, es ließ ihn nicht gehen. Er schien eine Alarmanlage ausgelöst zu haben, denn kaum hatte Rick den Ortskern passiert, heftete sich ein Wagen an seine Fersen, tuckerte hinter ihm her und dachte nicht daran, an ihm vorbeizufahren. Rick ignorierte ihn, widerstand dem Verlangen stehenzubleiben und sich umzudrehen. Seine kribbelnden Sinne sagten ihm, dass es die Bullen waren oder die Kerle, die ihm die Finger gebrochen hatten.
Er flüchtete in den kleinen Supermarkt auf der anderen Straßenseite, sah sich hinter der automatischen Glastür das erste Mal um. Zwei der Männer erkannte er sofort wieder, sie waren ausgestiegen und warteten neben den offenen Wagentüren des rostigen Pick-ups. Diesen Wagen zu klauen und zu Schrott zu fahren wäre eine wahre Freude gewesen.
Die Männer trugen nur weiße Unterhemden und schlecht sitzende Arbeitshosen, aber wer um diese Uhrzeit unterwegs war, hatte keine Arbeit und davon zeugten auch die leeren Bierdosen, die einer der Kerle aus dem Auto schaufelte und im Straßengraben liegen ließ.
Im Supermarkt fühlte Rick sich nur bedingt sicher, denn keine der Hausfrauen würde ihm zur Hilfe kommen, wenn die Kerl ihm folgten, aber er nutzte die Regale und Warenpyramiden als Sichtschutz. Als er hinter den Cornflakes und dem abgepackten Weißbrot verschwand, begann sein Magen zu knurren und er griff sich eine der Schachteln. Flakes mit Zuckerüberzug, genau das richtige. Er riss das Zellophanpapier in der Schachtel auf und stopfte sich den Mund voll. An der nächsten Reihe hielt er an, sah in dem Deckenspiegel, dass einer der Fingerbrecher in der Lichtschranke der automatischen Tür stand, noch mit sich rang, ob er es wagen sollte, hereinzukommen. Geduckt machte Rick kehrt, lief zurück zu der Tür, an der er vorbeigekommen war und auf der ‚Zutritt nur für Personal’ stand. Wenn so was draufstand, war’s immer richtig. Die halbe Packung Flakes ließ er bei den Tiefkühlfischen liegen.
Einer der Angestellten in Ausbildung beobachtete ihn dabei, erst aus sicherer Entfernung und dann mit einem Ruf an den Filialleiter, als er sah, dass Rick durch die Tür zu den Lagerräumen verschwand. Er hatte eine großartige Vorstellung von einem Diebstahl oder einem Raubüberfall, wenn er auch wusste, dass es die Einnahmen an einem frühen Dienstagmittag kaum rechtfertigen konnten. Sein Boss, der Mann seiner älteren Schwester, hörte sich seinen Bericht an, sah die Tüte Flakes bei den Fischen und sagte ihm, er solle die Tür im Auge behalten. Er telefoniert von seinem Büro aus.
Rick suchte einen Lieferanteneingang, kaute noch an den Resten der Flakes herum und entdeckte ihn schließlich, vorbei an Personaltoiletten und Lagerräumen. Über der Stahltür stand ‚Exit’, ein triumphierendes Wort und genau das, wonach er gesucht hatte. Hinter ihm waren Schritte und Stimmen von Männern, die sich keine Mühe gaben, leise und unauffällig zu sein; die Hunde teilten dem Hasen mit, dass die Hatz begonnen hatte.
Rick konnte laufen, wenn er den Knöchel nicht zu stark anwinkelte und lange Strecken vermied, bis zu der Tür waren es nur einige Schritte, er löste die Verriegelung und schob die Tür auf. Aus der Seitenstraße heraus konnte er sich nur nach rechts wenden und wäre von dort unbemerkt über kleine Umwege zur Bundesstraße gelangt, hätte sich die Uniform nicht in den Weg gestellt. Im Gegenlicht konnte Rick nur die Umrisse des Cops sehen, der ihm an Anfang der Gasse den Weg versperrte, aber es reichte, um seinen Widerstand zu brechen. Er ging langsam voran und hob die Hände in den Nacken, noch bevor die Polizistin sagte: „Mach bloß keinen Blödsinn, Junge.“ Die anderen tauchten hinter ihm auf, ließen die Tür wuchtig gegen die Backsteinmauer schlagen, aber der Kerl aus dem Pick-up war nicht bei ihnen. Rick ließ sich abführen, die Handschellen anlegen und die beiden Deputys betonten, sie würden ihn nur aufs Revier bringen, um diese Sache in Ruhe klären zu können.
Rick landete auf der Rückbank der alten Polizeikarre, deren Motor bis in den Innenraum stank und erst beim dritten Versuch ansprang.
„Du solltest ihn doch laufen lassen“, sagte der Deputy auf dem Beifahrersitz.
„Er ist wieder ausgegangen“, erwiderte die Fahrerin.
Endlich tuckerten sie los, kurven an dem abgestellten Pick-up vorbei, wo die beiden Kerle standen und lebhaft diskutierten, auf den Boden spuckten und in den vorbeifahrenden Polizeiwagen starrten. Rick hob beide Fäuste und zeigte ihnen die Mittelfinger, einen in der geschienten Fassung.

Heimvorteil
Die Befragung auf dem Polizeirevier verlief nach dem üblichen Schema. Woher? Wohin? Warum? Was? Wer? Wie?
Officer Neill McNallen und Deputy Baker behandelten ihn freundlich, sie waren zwar nicht begeistert, ihn in ihrem Flachbau sitzen zu haben, aber er durchbrach die tägliche Routine. Officer McNallen, der das Verhör führte, war nicht mehr jung, trug Koteletten wie in den flauschigen 70ern und sah aus wie der verlorene Sohn der Brady’s. Auf seinem Schreibtisch stand das Foto seiner Frau und Kinder in einem Holzrahmen, während des Verhörs warf er immer wieder einen kurzen Blick darauf. Deputy Baker hatte sich mit schaukelnden Füßen auf die Fensterbank gesetzt, machte die Zeugin und trank genüsslich ihren Eistee.
„Was ich nicht verstehe, Scanlon, warum legst du es darauf an, Ärger zu bekommen? Rennst durch Matthews’ Market, klaust eine halbe Tüte Flakes und versuchst durchs Lager zu verschwinden. Man könnte meinen, irgendwas stimmt nicht mit dir.“
„Es war’n Notfall.“
„Waren die beiden Trottel aus dem Pick-up hinter dir her?“
Rick zuckte mit den Schultern.
„Was hat dich nach Benton verschlagen?“
„Ich hab ’ne alte Freundin besucht.“
„Hat diese alte Freundin auch einen Namen?“ Officer McNallen fixierte wieder das Foto seiner Familie, eine Sekunde lang abgelenkt. Rick sah, dass er mit privatem Kram beschäftigt war – zu beschäftigt, um sich um einen unwichtigen Herumtreiber zu kümmern. Das hoffte Rick jedenfalls.
„Sie lebt hier etwas außerhalb. Ich war in der Nähe und da hab ich sie besucht. Ida Martinez.“
„Ida? Du weißt, dass ich das überprüfen werde.“
Rick beugte sich etwas vor, hielt nach wie vor die Hände locker zwischen den Knien. Der Officer musste die geschienten Hände bemerkt haben, aber er hatte noch kein Wort darüber verloren.
„Klar, warum sollte ich lügen. Gino hat mir mit dem verfluchten großen Köter einen Heidenschreck eingejagt. Ich wäre schon längst wieder unterwegs nach Portland, wenn...“
„Wo ist dein Wagen?“
„Ich hab den Bus genommen.“
Der Inhalt seiner Jackentaschen und des Rucksacks lagen ausgebreitet auf dem Schreibtisch, es fehlte natürlich die Busfahrkarte oder genügend Geld für ein neues Ticket.
„Ich muss nur zur nächsten Poststelle“, erklärte Rick, „um mir das Geld überweisen zu lassen.“
„Wie verdienst du dein Geld?“
„Ich bin Automechaniker.“
„Nur im Moment nicht, was?“ sagte Deputy Baker.
McNallen grinste freudlos, wollte dann wissen, wie das mit den Fingern passiert sei.
„Mir ist ein Motorblock drauf gefallen. Aber es sieht schlimmer aus als es ist.“
„Seltsam. Doc LaSalle hat mir erzählt, dass er einem Fremden die gebrochenen Finger gerichtet hat, der seiner Schilderung nach eine auffallende Ähnlichkeit mit dir haben muss. Der hat mir etwas von einer Prügelei erzählt.“
„Wahrscheinlich hat er sich verhört.“
„Sowas soll’s schon gegeben haben“, erwiderte McNallen frostig, worauf Rick nichts mehr sagte und seinerseits die drei dick lächelnden Kinder und die blondierte Frau betrachtete. Das Bild versetzte ihm einen Stich, als würde in seinen Schläfen eine Ader platzen.
„Zurück in die Zelle“, orderte McNallen, „Deputy, du nimmst die Fingerabdrücke und ich überprüfe die Angaben. Wenn nichts gegen dich vorliegt, kannst du verschwinden.“
Shit. Doppelt shit.
Wenn’s danach ging, würde er bis zur Jahrtausendwende keine Sonne mehr sehen; die alles entscheidende Frage war nur, ob Indianapolis auf dem aktuellen Stand war.
Beim Abnehmen der Fingerabdrücke bemerkte Deputy Baker: „Na, zum ersten Mal machen sie das aber auch nicht.“
„Man kriegt Übung mit der Zeit.“
„Haben sie geglaubt, ich würde auf sie schießen?“
„Hnh?“ Rick sah von seinen farbverschmierten Fingern auf, die Deputy Baker noch immer sorgfältig auf den vorgedruckten Feldern der Karte abrollte, dabei auf die gebrochenen Knochen keine Rücksicht nahm.
„Als ich sie hinter Matthew’s Markt aufgehalten habe. Ist selten, dass jemand schon vor der Aufforderung die Hände im Nacken verschränkt.“
„Ich bin nur auf Nummer sicher gegangen.“
Mit einem Tuch wischte er sich die Finger ab, aber die Stempelfarbe war hartnäckig und bereits angetrocknet, keine Chance, die in nächster Zeit loszuwerden.
Deputy Baker war nicht gerade eine klassische Schönheit, sie hatte ein rundes Gesicht, zu breite Hüften und war stämmig gebaut, ihr Haar war dunkelbraun und zu einem straffen kurzen Pferdeschwanz gebunden, zweckmäßig aber nicht eben schön. Neben der graublauen Uniform der Indiana State Police zeigte sie Anflüge von Individualität, sie trug einen kleinen Smiley-botton am Kragen und die Silberringe an ihrer rechten Hand hatte sie vermutlich in einem Navajo-Geschenkladen gekauft. Trotzdem hatte sie etwas, was man auf dem ersten Blick bereits bemerkte; sie hatte ein Lächeln in den Augen, wie das Glimmen eines kleinen Lichtes, das jederzeit großer und strahlender werden konnte. Solche Menschen schienen sich immer in Berufen zu finden, die sie viel mit Menschen umgehen ließen, Krankendienst, Einzelhandel, Restaurants. Cops hatte Rick bisher noch nicht dazu gezählt, aber in der Provinz war er auch noch nicht vielen weiblichen Cops begegnet.
„Wird McNallen was gegen sie finden?“
„Kommt drauf an.“
„Worauf? Wie aktuell die Daten sind?“
Rick erwiderte: „Stammen sie aus der Gegend hier?“
Baker machte einen Schritt zurück und legte den Kopf schief, noch immer mit einem freundlichen Gesicht, hakte in übertriebener Männerpose den Daumen der linken Hand in den Gürtel.
„Was hat das damit zu tun?“
„Wenn man aus so einer Gegend kommt, bleibt man nicht sauber.“
„Oh, manche schaffen es.“
Sophie und Dom waren davon überzeugt, ich würde es schaffen, dachten, sie könnten mich in irgendeinen Job stecken und darauf warten, dass ich ehrlich verdientes Geld mit nach Hause bringe. Ich hab’s jedes Mal versaut, weil ich’s versauen wollte.
Wenn Officer McNallen seine Angaben überprüfte, würde er herausfinden, dass er aus Mt. Vernon war, was von Benton nur einen Katzensprung entfernt lag, und er würde dumme Fragen stellen. Da war es vielleicht besser, er käme mit den Informationen aus New York und würde ihn vom Marshall abholen lassen.
„Scanlon“, sagte McNallen, als er vor die Zelle trat, in der Rick wieder hockte und darauf wartete, was als nächstes geschehen würde, „ein guter irischer Name. Du hättest uns sagen sollen, dass du aus Mt. Vernon bist.“
„Der Ire legt keinen Wert darauf.“
„Du kannst gehen.“
Rick packte seine Sachen zusammen, nahm seine Jacke unter den Arm, hängte sich den Rucksack über eine Schulter. Er wollte draußen sein, bevor McNallen noch etwas über die Scanlons aus Mt. Vernon wissen wollte und ihm dann vielleicht einfiel, dass man sich mal auf irgendeinem Fest oder bei Thanksgiving 79 getroffen habe. Darauf konnte er dankend verzichten.
Deputy Baker folgte ihm bis zur Tür und auf den Gehsteig, betrachtete ihre glänzenden Schuhspitzen und hielt Rick allein durch ihre Anwesendheit fest.
„Geht die Reise weiter nach Portland?“
„Mal sehen“, sagte Rick.
„Ich bin in Mt. Vernon zur Schule gegangen. Corry Baker.“
Sie drehte sich kurz um, legte wieder den Kopf schief.
„Heimvorteil.“
Go raibh maith agat.
Diese irische Redewendung, die er gelernt und behalten hatte, war das einzige, was ihm im Moment einfiel, es aber nicht sagen konnte- dieses ganz normale danke.
„Ich verschwinde jetzt“, murmelte er.


Warten auf das richtige Nummernschild
Corry Baker hatte seit ihrer Ausbildung den Spitznamen „Bluthund“ weg, wegen ihrer Angewohnheit, Spuren zu folgen und herumzuschnüffeln, wo es scheinbar nichts zu schnüffeln gab. In jeder Großstadt hätte sie Karriere machen können, aber in Benton gab es keine Aufsehen erregenden Mordfälle oder Entführungen. Mal ging ein Hund verloren, mal wurden Autos beschädigt oder ein Kind blieb mit dem Arm im Abfluss hängen. Sie wäre nach Indianapolis oder zumindest nach Evansville gegangen, wäre ihr kranker Vater nicht gewesen, den sie lange Jahre gepflegt hatte und der sie noch immer brauchte. Zu Hause hatte sie sich nicht mehr um ihn kümmern können und besuchte ihn, so oft sie konnte, in dem staatlichen Pflegeheim. Dass sie ihn dort hatte hinbringen müssen, machte ihr Schuldgefühle, aber etwas anderes hätte sie sich niemals leisten können. Der schnüffelnde und vor Eifer sabbernde Bluthund in ihr war aufgewacht und tat seinen Dienst, wollte etwas Beschäftigung als Ausgleich für die langweiligen Zeiten in Benton.
Zurück im Revier setzte Corry Baker sich au die Fensterbank, wartete, bis ihr Boss seinen Schreibtisch wieder in Ordnung gebracht hatte und fragte dann: „Lag wirklich nichts gegen ihn vor?“
Officer McNallen machte eine wegwerfende Geste über seine Schulter und deutete auf das Faxgerät, was in der Ecke des Raumes an der Fensterfront stand. Es war ein uraltes Ding, das mit Thermopapier arbeitete und der Platz am Fenster war nicht der beste, denn an heißen Tragen wurde manchmal das Papier schwarz und die Schrift unleserlich. Niemand kümmerte sich ernsthaft darum, das Gerät einfach in eine andere Ecke zu schieben.
In dem Empfangsfach lag ein Stapel frisch ausgedruckter Seiten, Deputy Baker blätterte sie durch und sah ihren Boss fragend an.
„Hätte ich ihn einbuchten sollen? Es gibt Dinge, da sollten sich die Kollegen drum kümmern, da hat Benton nichts mit zu tun. Solange er in meinem Bezirk keinen Ärger macht, sehe ich über so etwas hinweg.“

Rick wollte verschwinden, er wollte Benton hinter sich lassen, aber als er auf der Straße stand und sich nach rechts und links umsah, entscheid er sich dafür, etwas zu warten. Er konnte sich keinen lokalen Wagen nehmen, sie würden ihn vierteilen, er wartete ganz einfach auf einen Wagen, der von außerhalb kam, irgendwo parkte und ihn zu sich einlud. Die Fingerbrecher konnten noch irgendwo in der Nähe sein, deshalb verzichtete er aufs herumwandern und hockte sich hinter den kleinen Parkplatz des Matthew Markts. Er hatte eine gute Übersicht, sah jedes Auto, das heranrollte.
Wenn er es versucht hätte, hätte er sich möglicherweise Geld schicken lassen können, denn Sophie wäre nach so langer Zeit froh gewesen, ein Lebenszeichen von ihm zu erhalten und was machten da ein paar Dollar für ein Busticket. Aber Tatsache war, dass er noch nie gerne im Überlandbus gefahren war, das erinnerte ihn an Gefangenentransporte – Con Air auf der Straße. Busfahren war unter seiner Würde.
Es dauerte nicht lange und er hatte sich einen passenden Wagen für sich ausgesucht. Dem Nummernschild nach kam er aus Ohio, ein grauer Chevy Van, so unauffällig, dass man zweimal hinsehen musste, um ihn überhaupt zu bemerken. Die Frau mit dem dicken Hintern in einer kanariengelben engen Hose parkte ihn rechts unter den Bäumen, wo er zwar Schatten hatte, aber auch die Vögel auf den Lack kacken würden, sie packte ein kleines Mädchen bei der Hand und zerrte sie in den Supermarkt.
Rick hatte ein gutes Gefühl fürs Timing. Er stellte sich nie die Frage, ob er sofort anfangen oder noch warten sollte; die Frau konnte zurückkommen, weil sie ihr Geld vergessen hatte, aber er hatte gesehen, wie sie mit kurzen Bewegungen die Taschen ihrer Jacke abgecheckt hatte. Im Geiste war sie es durchgegangen – Taschentücher, Schlüssel, Geld, Einkaufszettel. So eine Frau vergaß ihr Geld nicht. Sie würde schnell und geplant ihren Einkauf erledigen und innerhalb von fünfzehn Minuten wieder auf dem Parkplatz sein. Genug Zeit für Rick, zwar gebrochene Finger, aber keine Alarmanlage.
Im Futter seines Rucksacks hatte er sein Werkzeug versteckt, es unter den verstärkten Boden geschoben, wo es weder gefunden werden noch herausfallen konnte. Sie konnten ihm alles abnehmen, aber auf seinen Draht und seine Nachschlüssel war er angewiesen. Anfänger und Nichtskönner würden die Scheibe einschlagen und die Türsperre lösen, aber auch das war nicht sein Ding. Rick brauchte etwa zwei Minuten, um das Schloss zu knacken und den Motor kurzzuschließen, was keine Glanzleistung war und wäre Mascot dabei gewesen, hätte Rick von diesen zwei Minuten noch lange etwas gehabt.
Rick hat’s geschafft, den Van aufzumachen, ja, aber ich wollte schon in den Supermarkt gehen und eine Taschenlampe holen, für den Fall, dass es dunkel wird und er noch immer vor der Tür kniet.
In dem Van roch es nach Zigarettenqualm und geschmolzenen Bonbons, die Bezüge waren mit Brandlöchern übersät, aber der Motor klang sauber und lief ruhig, als Rick ihn zündete.
Guter Junge. Ich brauch dich nur, um aus der Gegend zu verschwinden, dann kommst du zurück zu deiner fettärschigen Mommy.
Den Rucksack legte er neben sich auf den Beifahrersitz, kontrollierte ganz kurz den Inhalt des Handschuhfachs und ließ den Van aus der Parklücke rollen.

Deputy Baker überflog die Seiten der gefaxten Strafakte.
Rick Scanlon, geboren 55 in Mt. Vernon, Indiana.
Der Gedanke, dass sie nur einige Jahre (kaum nennenswert) älter war als er, dass sie ihm möglicherweise damals auf der High School ständig über den Weg gelaufen war, machte sie neugierig und der Bluthund zerrte an der Leine. Sie wollte wissen, was ihn in diese Gegend zurückgetrieben hatte und was sonst noch in New York passiert war. Was hier stand, regte höchstens den Appetit an.
Einige Verurteilungen wegen Autodiebstahls, Körperverletzung, Drogenbesitzes; alles Delikte der letzten zehn Jahre und im Umkreis von New York, New Jersey bis runter nach Florida.
Einmal auf der schiefen Bahn, hätte ihr alter Vater gesagt, und es ist, als würdest du auf einem Schlitten den Berg runter sitzen. Du kannst die Richtung nicht mehr bestimmen und du kannst auch nicht mehr anhalten.
In Mt. Vernon hatte man Rick 1970 als vermisst gemeldet. Möglicherweise war das der Zeitpunkt gewesen, an dem er den Schlitten bergab bestiegen hatte.
Ich könnte einen kurzen Besuch in Mt. Vernon machen. Nach Feierabend. Am Wochenende. McNallen wird nichts dagegen haben, ich brauch’s ihm ja auch nicht sagen. Und wenn Scanlon dann doch noch etwas ausgefressen hat, was den alten Officer die Augen öffnen lässt, finde ich es heraus.

Rick fand heraus, dass es einfacher war, New York und Freunde zu verlassen, als aus Benton und den Hexenkreis um Mt. Vernon raus zu kommen; er ließ den Chevy Van langsam und unauffällig vom Parkplatz rollen, kam bis auf die Zufahrt zwischen Matthews Markt und dem Parkplatz, wo er auf die Straße abbiegen und verschwinden wollte, als ein Kind mit einem Fahrrad vor seine Motorhaube fuhr. Er war nicht schnell gefahren, musste nicht einmal scharf bremsen, um das Kind samt Rad nicht zu überrollen, aber trotzdem konnte er nicht weiterfahren. Kenny stand mit seinem Rad, an dessen Lenker die Hupe befestigt war, mit der er ihn so erschreckt hatte, wie angewurzelt vor dem Van, starrte in den Fahrerraum.
Hupt ihn aus dem Weg.
Scheiße, was soll das? Dass die Alte raus gerannt kommt und ihren Chauffeur sieht?
Mach irgendwas.
Rick tippte auf das Gaspedal, dass der Motor einmal warnend aufheulte und wieder im Leerlauf verstummte, sah zum Eingang des Supermarktes hinüber, ob sich der fette Hintern schon blicken ließ.
Manche liefen ihren frisch geklauten Wagen hinterher, bis ihnen die Puste ausging, bis ihnen einfiel, dass sie den Schaden einfach nur ihrer Versicherung zu melden hatten. Die Hausfrau mit Kind an der Hand würde in höchsten Tönen schreien, aber nicht laufen.
Kenny stieg von seinem Rad, schob es zur Seite und ließ es gegen den Maschendrahtzaun sinken, der den Supermarktparkplatz umgab, brauchte nur einen Schritt zu machen, um neben der Beifahrertür zu stehen und sie zu öffnen.
„Meine Mom hat mir gesagt, dass ich mir meine Freunde gut aussuchen soll, wenn ich nicht enttäuscht werden will. Sie hatte recht, he?“
„Komm auf den Punkt, Kleiner.“
Deine Mom hat mir ganz recht, Kleiner, aber das wirst du nicht von mir hören.
Kenny blieb ihm eine genaue Erklärung schuldig, er stieg auf den Beifahrersitz, schlug die Tür hinter sich zu und sah sich um.
„Was soll das werden, verdammt noch mal? Mach, dass du raus kommst.“
Kenny sah sich nur weiter um, tippte die Babyschuhe am Rückspiegel an, hatte den Rucksack auf dem Beifahrersitz etwas zur Seite geschoben, um dort sitzen zu können.
„Wo willst du denn hin?“ fragte er schließlich, mit einer Stimme wie ein Erwachsener, die Rick noch wütender werden ließ.
„Das werde ich dir doch nicht erzählen, du halbe Portion. Steig endlich aus.“
„Du kannst mich ein Stück mitnehmen.“
Kenny lehnte sich in das Polster zurück, reichte mit den Füßen gerade noch auf den Boden und schien es sich gemütlich machen zu wollen, das gab den Ausschlag für Rick. Dieser Bengel würde nicht freiwillig aussteigen – das war seine Rache für die aufgebrochene Hütte. Rick griff sich seinen Rucksack, vergewisserte sich, dass sein Besteck sicher in der Jackentasche war und stieg ohne ein weiteres Wort aus. Er ließ Kenny einfach sitzen. Er hatte es geschafft, seine Abreise zu verzögern, aber nicht zu verhindern; trotzdem schlimm genug.
Niemand hat dich aufgehalten, als du aus New York verschwunden bist. Sie haben dich rausgeschmissen, erst Dom und dann Sophie – Hollis war nicht in der Stadt und wer weiß, wo Mascot sich im Moment rumtreibt. Was soll das jetzt hier? Warum kann ich nicht einfach verschwinden?
Rick war bereits bis an der nächsten Straßenecke Richtung Bundesstraße, als er das durchdringende Organ einer Frau hörte.
Er wünschte sich wirklich, Kenny würde den Ärger seines Lebens bekommen, in einem aufgebrochenen und kurzgeschlossenen Van zu sitzen und einer dicken Matrone erklären zu wollen, dass er es nicht gewesen sei.
Rick drehte sich nicht um, marschierte weiter so gut er konnte, ignorierte alles um sich herum. Sein Knöchel zeigte sich freundlich, freundlich genug zum laufen, aber nicht zum rennen.
An der Kreuzung der Bundesstraße setzte er sich auf einen Markierungsstein, wünschte sich eine Zigarette und einen Kaffee, aber er bekam beides nicht.
Im nächsten Truck Stop. Geduld. Nimm dir, was zu kriegen kannst, aber hab Geduld. Hauptsache ist, dass du aus dieser elenden Gegend rauskommst.
Auf dem Fahrrad war Kenny ihm gefolgt, langsam in die Pedale tretend, um ihm nicht zu nahe auf die Pelle zu rücken und ihn vielleicht noch wütender zu machen, er blieb hinter einem Werbeschild für den ortsansässigen Schönheitssalon stehen und beobachtete, wie Rick sich an der Bundesstraße auf den kantigen Stein setzte, den Rucksack auf dem Rücken, mit gebeugten Schultern und ausgestrecktem kranken Fuß.
Kenny war zwölf, er war noch ein Kind, aber er hatte ein Ziel vor Augen und das machte ihn fast schon zu einem Erwachsenen. So, wie Rick mit fünfzehn die Kurve gekratzt hatte, weil er es nicht mehr hatte ertragen können, wusste Kenny, dass sich in seinem Leben in Benton etwas verändern würde, wenn er Rick weiter folgte. Er konnte die eingefahrene Routine durchbrechen, er hatte verhindert, dass die Jungs ihn verprügelten, er hatte (aus welchen Gründen auch immer) eine Nacht bei seiner Mutter und seinem Onkel verbracht.
Ich muss verhindern, dass er in den nächsten Truck steigt, dachte er.
Sicher war er sich noch nicht, wie er das anstellen sollte, er musste sich eine List ausdenken und das so schnell wie möglich.
Auf der Bundesstraße kamen viele Trucks und kleine Laster vorbei, es herrschte Durchgangsverkehr nach Evansville und Rick konnte in der nächsten halben Stunde verschwunden sein.


Wenn es nur einen einzigen Grund zu bleiben gibt, nenn ihn mir. Ich höre. Sag mir, warum ich es wagen sollte, nach Mt. Vernon zu gehen, nachdem ich mich seit Jahren davor drücke. Sie leben ja nicht mal mehr da. Wer weiß, ob das Haus noch steht.
Du könntest einfach mal herumlaufen und sehen, was sich verändert hat.
In solchen Gegenden verändert sich nichts.
Niemand wird dich erkennen.
Selbst das Risiko will ich nicht eingehen. Irgendjemand könnte mich erkennen und wissen wollen, wo ich die ganze Zeit gesteckt habe. Bei meinem Glück läuft mir Curtis über den Weg und fragt, was ich hier mache.
Selbstgespräche waren kein Ersatz für einen guten Freund, aber sie liefen in Ricks Kopf so selbständig ab, dass er gar nichts dagegen tun konnte. Die zweite Stimme, die ihn zu einem Ausflug nach Hause überreden wollte, schien Mascot zu gehören, obwohl der mit Sicherheit irgendwo in New Mexico war und möglicherweise irgendwelches Zeug über die Grenze schmuggelte. Dort war er untergetaucht, nicht zu finden, wenn er nicht gefunden werden wollte, ein Mescalero-Apache in Ricks Alter und mit einer hartnäckigen Verweigerung des amerikanischen Englischs gegenüber. Er sprach spanisch, hatte es Rick nahezu eingehämmert bei ihren gemeinsamen Wanderungen, dass Rick bei vielen Gelegenheiten ins Spanische fiel, ohne es zu bemerken.
Mascot, der Glücksbringer, hatte bei Verhaftungen die Angewohnheit, nur noch chiricahua zu sprechen und so zu tun, als würde er nichts anderes verstehen; nie waren die Cops in der Lage gewesen, einen Übersetzer zu finden oder auch nur den richtigen Namen aus ihm herauszubekommen. Wenn sie es über die Fingerabdrücke versuchten, standen sie vor dem gleichen Problem. Es gab eine Akte über ihn, aber so lückenhaft wie Fliegengitter.


Rick saß wie leblos auf dem alten Begrenzungsstein, hielt trotzdem ein waches Auge auf den vorbeiziehenden Verkehr und merkte erst nach einer ganzen Weile, dass Kenny ihm direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite stand, sein Fahrrad neben sich schief auf dem Klappständer.
„Verdammt“, murmelte Rick, hatte das Gefühl, sich einen Splitter eingerissen zu haben, da, wo’s besonders weh tat.
An der Kreuzung der Bundesstraße hielt man den Daumen raus und hatte gute Chancen, innerhalb von Minuten mitgenommen zu werden, aber nach Kennys Erscheinen stellte Rick das ohne zu überlegen noch einmal zurück. Hatte der Junge geweint? Sein Gesicht sah nicht aus wie sonst, die Augen waren rot unterlaufen und er zog in einem die Nase hoch.
Er ist nur’n Kind, Kinder heulen ständig. Das weißt du doch nur zu gut.
Rick erhob sich, ließ einen Winnebago an sich vorbeifahren, der auf die rettende Bundesstraße abbog. Was hätte er darum gegeben, in diesem Gefährt mitfahren zu dürfen, aber nein, Sir, erst musste er sich um die kleine heulende Rotznase kümmern. Er überquerte die Straße, blieb vor Kenny stehen, sah ihn lange prüfend an, als suche er irgendetwas in dem Gesicht des Jungen.
„Was ist los?“ fragte er schließlich, „warum lässt du mich nicht einfach weiterziehen?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht brauche ich einen großen Bruder, einen Freund.“
„Dabei kann ich dir überhaupt nicht helfen, ich war immer nur der kleine Bruder, der alles ganz fürchterlich verbockt hat.“
Kenny lächelte durch seine verheulten Augen. Das dunkle Haar, wilde Locken, braungebrannte Haut unter dem grauen T-Shirt; er war ein hübscher Junge, kam nach seiner Mutter.
„Du könntest es schlimmer treffen mit deinen Leuten“, sagte Rick, „so jemanden wie mich brauchst du bestimmt nicht.“
„Du kannst bei uns wohnen und arbeiten, wir brauchen immer jemanden.“
„Ich arbeite selbst mit gesunden Händen nicht, Kenny.“
Sie gingen ein Stück stadteinwärts, weil das Herumstehen seltsam aussehen musste.
„Schwing dich auf’s Rad“, sagte Rick.
Er hatte das ungute Gefühl zwischen den Augen und er hatte gelernt, darauf zu hören. Manche hielten ihn für verrückt deswegen, selbst wenn er ihnen zu erklären versuchte, dass es das Gegenteil von unbegründeten Glücksgefühlen sei, die doch auch jeder irgendwann mal hatte. Nur diejenigen, die jemals mit ihm zusammengearbeitet hatten, wussten dieses Radar in seinem Kopf wirklich zu schätzen. Rick konnte den Wagen mit dem Nummernschild aus New Jersey nicht sehen, aber er fühlte ihn und machte, dass er wegkam.
„Was ist denn?“ fragte Kenny, setzte sich auf sein Rad und fuhr langsam neben Rick her. Es war keines von diesen modernen Mountainbikes, es war ein stinknormales Jungenfahrrad mit Gepäckträger, Querstange und einer Hupe am geraden Lenker. Rick schob ihn an, hoppelte neben ihm her und als sie genug Schwung hatten, ließ er sich auf den Gepäckträger fallen. Kenny kam aus dem Gleichgewicht, trudelte über die Straße, wild gegenlenkend, und konnte sich im letzten Moment wieder fangen, bevor sie an den Bordstein schleuderten. Kenny beugte sich weit über den Lenker, trat angestrengt in die Pedale und rief über seine Schulter hinweg: „Ist was passiert?“
Nichts, was ich dir im Moment erklären könnte.
Rick hielt sich mit den gesunden Fingern einer Hand unter dem Sattel fest, seine Füße schleiften auf beiden Seiten über den Boden, weil er sie nicht die ganze Zeit hochhalten konnte. Der Gepäckträger war nicht für seinen Hintern gemacht, er stieß sich die Sitzknochen und Weichteile und Kenny fuhr so schnell er konnte, obwohl er nicht wusste, was los war. Vor ihnen wurde die Straße abschüssig und Kenny stellte sich in die Pedalen.
„Fahr nicht nach Benton, bieg hier ab.“
Er bog in die Seitenstraße ab, die an der Rückseite des Ladens für Futtermittel vorbeiführte und dann auf einer wilden Wiese in einer Sackgasse endete. In dem sandigen Boden wurde das Rad zu langsam, sie drohten umzukippen, Rick sprang ab, kam mit dem gesunden Bein auf, drehte sich um und horchte.
Kenny hielt sein Rad am Lenker, keuchte angestrengt nach Luft und wischte sich mit dem Rand seines T-Shirts den Schweiß vom Gesicht.
„Sind wir in Sicherheit?“
„Du fährst nach Hause und bist raus aus der Sache.“
„Sache?“
„Hör auf mich, Kenny, du fährst nach Hause, ich seh zu, dass ich hier rauskomme.“
Ohren anlegen, unsichtbar machen und die Kurve kratzen. Leise treten, bis ich über die Grenze bin.
Rick machte es nervös, dass Kenny an ihm hing wie eine Klette, als hinge sein Leben davon ab, wo er doch genau wusste, dass Rick nicht gut für ihn sein konnte.

Alte Bekannte
Pyper nur als Geldeintreiber zu bezeichnen hätte ihn wütend gemacht und wäre ihm nicht gerecht geworden; er war mehr als das. Er tarnte sich nicht, wenn er unterwegs war, er trug diese schwarze halblange Lederjacke wie sein unantastbares Vorbild deNiro und arbeitete am liebsten an der Ostküste. Dort war das Wetter besser. Die Menschen waren freundlicher. Er hatte dort weniger Schwierigkeiten, wenn er sich das Geld seiner Klienten zurückholte, Mahnungen verteilte oder in eigener Sache unterwegs war. Er war zu Hause in Newark. Wegen Rick war er auch in eigener Sache unterwegs und nachdem er monatelang auf seinem Hintern gesessen und geduldig gewartet hatte, hatte ihn die erste heiße Spur nach Indiana geführt und noch mochte er an eine Finte glauben.
Rick wäre niemals freiwillig in diese Gegend zurückgegangen. Ich glaube, da will uns jemand ganz heftig verarschen.
In Benton angekommen, mischte er sich erstmal unter das gemeine Volk, hörte sich um und tat so, als sei er der freundlichste Mensch der Welt.
Er hatte Rick für sich eingespannt. Wenn Not am Mann war, besorgte Rick ihm innerhalb von zwölf Stunden jeden gewünschten Wagen, nach Fabrikat, Alter, Farbe und Zustand. So jemanden wie Pyper konnte man nicht hängen lassen, ohne mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen zu müssen, aber Rick hatte es getan. Er hatte Geld im Voraus kassiert, weil er blank bis auf die Knochen gewesen sei und war verschwunden, ohne den geforderten Wagen abzuliefern. Sowas war nicht gut. Pyper fand schnell heraus, wo sein Geld gelandet war, auf der Straße bei Ricks Freunden, bei Händlern, in Bars. Unglaublich, aber wahr, Rick hatte ihn hingehängt, um bei seinen lausigen kleinen Freunden Schulden zu begleichen. Und das nahm Pyper persönlich. Carl Dominique, der alte Ex-Cop, der einen Narren an Rick gefressen hatte, wollte nicht über ihn sprechen, behauptete, Rick hätte diesmal den Bogen überspannt und er habe nicht vor, ihm jemals wieder aus der Patsche zu helfen.
Rick ist in Indiana. Kaum zu glauben.
Pyper wollte sein Geld und er wollte eine Entschuldigung, wohl wissend, dass er vermutlich beides nicht bekommen würde von Rick Scanlon, der würde sich lieber die Zunge abbeißen und hinunterschlucken, als zu Kreuze zu kriechen.
Erstmal müssen wir ihn haben, dann sehen wir weiter, was wir mit ihm anstellen.
Pyper saß in seinem Chevy, kaute Kaugummi (weil er sich den Tabak abgewöhnte) und beobachtete einen langsam vorbeikriechenden Polizeiwagen mit einem netten weiblichen Cop hinter dem Steuer. Er schenkte ihr seine Aufmerksamkeit, bis sie stadtauswärts verschwunden war, sicher nicht auf der Suche nach Dr. Kimble. Sie tuckerte auf der Bundesstraße nach Mt. Vernon davon.
Wenn der Sheriff Dodge City verlassen hat, kann das nur von Vorteil sein, dachte Pyper.
Corry Baker hatte sich den Nachmittag freigenommen, um einige Dinge zu besorgen, wie sie ihrem Boss gegenüber erklärt hatte, natürlich war das kein Problem, dass sie den Dienstwagen benutzte. So genau nahm McNallen das nicht.
Sie war schnell in Mt. Vernon, versuchte sich einzureden, dass die Fahrt locker und fröhlich verlaufen würde, aber immer wieder musste sie ihre verkrampften Finger vom Lenkrad lösen, die Hände ausschütteln und sich darauf konzentrieren, locker zu bleiben.
Sie hätte auch telefonieren können, aber niemand gab solche Auskünfte gern am Telefon. Eine Hintergrundgeschichte hatte sie sich nicht angelegt, aber im Notfall, wenn jemand wissen wollte, warum sie so neugierig war, würde ihr schon was einfallen.
Er hat vor, meine kleine Cousine zu heiraten und ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.
In Mt. Vernon stellte Corry den Wagen vor dem kleinen Diner ab, das schon seit Jahrzehnten an der Hauptstraße stand und von dem sich jeder fragte, wie sich die Inhaber über Wasser halten konnten. Der Kaffee und der Kuchen waren gut, aber das warme Essen war so furchtbar, dass es auch durch die Freundlichkeit der Bedienung nicht wettgemacht werden konnte. Corry bestellte sich eine Pepsi, setzte sich an die Theke, die Wagenschlüssel mit dem versilberten Baseballanhänger neben sich auf der Ablage.
„Kann ich ihnen sonst noch was bringen, Deputy?“ Die Bedienung Pauline hatte den Polizeiwagen vor der Tür genau beobachtet und im Auge behalten, lächelte Corry freundlich falsch entgegen.
„Nein, danke“, sagte Corry.
„Was treibt sie in unser Städtchen?“
„Ich bin privat unterwegs“, erklärte Corry Baker, nahm einen Schluck Pepsi, von der sie wünschte, es wäre noch ein wenig mehr Kohlensäure enthalten und nicht daran zu denken wagte, wie lange die Flasche offen unter der Theke gestanden haben mochte.
„Ja, sicher.“
Gäbe es einen Preis für eine unvorteilhafte Figur in einer schlecht sitzenden Uniform, Pauline hätte den ersten Preis bekommen und dankend angenommen. Sie zeigte ein abschätziges Lächeln und deutete mit dem Kinn nach draußen auf den abgestellten Streifenwagen. Die Uniform, die über dem Busen spannte und an den Hüften schlabberte, ließ Corry an die herzlosen Pflegerinnen in dem Heim ihres Vaters denken und dass es Zeit wurde, ihn mal wieder zu besuchen.
Später, dachte sie, wenn ich das hier erledigt habe.
„Ich kann mir im Moment keinen eigenen Wagen leisten, das ist alles. Was bekommen sie für die Pepsi?“
Pauline war nicht vertrauenswürdig, unmöglich, sie auch nur andeutungsweise zu fragen, ob sie etwas über die Scanlons wusste. Solche Frauen, scharfzüngig und aus der Form geraten, stürzten sich auf jede Neuigkeit in der Stadt, um nichts davon übrig zu lassen. Corry verließ das Diner und ging zu Fuß weiter. Es war angenehm überraschend, die alte Schule wieder zu sehen. Seit ihrem Schulabschluss war sie nicht mehr dort gewesen, man hatte eine neue Tribüne gebaut und Corry verbrachte fast eine Stunde damit, dem Footballteam beim Training zuzusehen. Die gut gepolsterten Jungs legten sich ins Zeug, schwitzten, rannten, stießen sich um, machten Punkte und verfluchten ihren Trainer. Ein paar Mädchen in Cheerleaderkostümen saßen am Rand im Gras, beobachteten das Training und unterhielten sich kichernd. Am Telefon hatte sie sich nur kurz mit dem Schulleiter unterhalten, aber bereits den Namen Rick Scanlon erwähnt, damit der Mann vorbereitet war. Er war fast dreißig Jahre im Amt und konnte sich gut an ihn erinnern, wie er sagte und er erwartete Deputy Corry Baker in seinem Büro.

„Gehen wir doch zu uns nach Hause“, schlug Kenny eifrig vor, „bei uns findet dich niemand. Du könntest dich auch in meiner Hütte verstecken, ich habe nichts dagegen, wirklich nicht.“
„Es ist niemand hinter mir her.“ Rick konnte nicht nachdenken, wenn der Bengel vor sich hin plapperte, er drehte sich weg und versuchte seine Gedanken zu sammeln.
Das Warnsignal stand nicht mehr auf rot, aber er machte sich trotzdem Gedanken, was es ausgelöst haben konnte. Er hatte inzwischen so vielen Leuten auf die Zehen getreten, dass er mit jeder einzelnen Vermutung richtig liegen konnte. Er hatte dem Mann aus Kolumbien nicht gesagt, was er vorhatte, er hatte Pyper den Wagen nicht gebracht. Er hatte viele kleine Schulden bezahlt, Sophie einen letzten Gefallen getan, sich aber so benommen, als wolle er Selbstmord begehen. Er hasste es, für Pyper zu arbeiten, es gab für ihn nichts schlimmeres, als das tun zu müssen, was andere ihm auftrugen. Obwohl sein New Yorker Tagesablauf im Grunde immer gleich aussah, hatte er Schwierigkeiten damit, am Morgen zu planen, was er am Nachmittag erledigen wollte, wobei es aber etwas anderes war, am Morgen schon zu wissen, dass er in der nächsten Nacht mit Mascot unterwegs sein würde.
Das hatte Dom ihm jedes Mal vorgehalten, darüber wetternd, wieso er das eine konnte und das andere nicht.
Pyper war anders als Dom; er lief in seinen schwarzen Anzügen herum, trug teure Lederschuhe und legte soviel Wert auf ein perfektes Aussehen, dass er einmal pro Woche bei seinem Friseur vorbeischaute. Er konnte Sonnenbrillen tragen, ohne dass er dabei seltsam aussah, er hatte ein Händchen für Mädchen, er überredete jeden, ihm einen Gefallen zu tun.
Rick wagte nicht daran zu denken, was passierte, sollte der Kolumbianer seiner Spur gefolgt sein. Das war etwas, wovor er wirklich Angst hatte.
„Gib mir das Rad“, sagte Rick, Kenny gehorchte und glaubte einen Moment lang, Rick würde mit seinem Rad abhauen und ihn allein zurücklassen, stand da und wartete, bis Rick aufgestiegen war und sich zu ihm herumdrehte.
„Worauf wartest du? Auf ’ne Einladung?“
Seine Knie wurden sauer beim Tritt in die Pedale, aber sie würden genug Zeit haben, sich von den Strapazen zu erholen, wenn sie erstmal wieder auf der Farm der Martinez waren. Kennys Vorschlag war nicht von der schlechtesten Sorte. Immerhin konnte er Gino bitten, ihn mit dem Wagen aus der Stadt zu fahren.
Kenny hatte kürzere Beine als Rick, kam hinten auf dem Gepäckträger besser zurecht und hielt sich tapfer im Gleichgewicht, wenn seine Füße auch einige Male gegen die Speichen schlugen und er befürchtete, sie könnten stürzen.
Er musste Rick über die Feldwege dirigieren, sah rechts und links an seinem Rücken vorbei, bemerkte das zischende Einatmen bei jedem Pedaltritt mit dem rechten Fuß.
„Das hat nichts zu bedeuten.“
Sie standen vor der Einfahrt zum Hof, Kenny schob sein Rad und Rick bemühte sich um einen unauffälligen Gang, obwohl das Bein fast unter ihm wegknickte.
„Wenn sie dich fragen, hast du keine Ahnung, warum ich noch hier bin, das erklär ich schon.“
Ida wollte keine Erklärung, sie kam über den Hof, als Kenny sein Rad an den Zaun stellte und Rick sich auf die alte verwitterte Holzbank unter dem Fenster setzte, die Muskeln in seinem Bein zitterten unkontrolliert, dass er sich einfach ausruhen musste, aber mehr als alles andere vermisste er einen Kaffee und eine filterlose Zigarette.
„Sieh mal an, was die Katze da angeschleppt hat“, murmelte Ida.
Gino war irgendwo auf den Weiden unterwegs, hatte Kangyo mitgenommen, um das Vieh zu kontrollieren und er würde erst spät am Abend zurück sein.
Sie hatten nicht mehr über Rick gesprochen, wie sie nie über diese Dinge sprachen, die in ihr beider Leben traten und wieder verschwanden. Sie sprachen nicht darüber, ob es nicht besser wäre, das Land zu verkaufen und irgendwo neu anzufangen, ob es nicht besser wäre, Benton zu verlassen.
„Du steigst als erstes unter die Dusche, Kenny.“
Sie wollte offensichtlich nicht wissen, warum er wieder da war, sie setzte sich einfach neben ihn und wartete, bis Kenny im Haus verschwunden war. Ihm war anzumerken, dass er sehr wohl wusste, weshalb sie ihn unter die Dusche geschickt hatte und dass es ihm überhaupt nicht passte, wie ein kleines Kind behandelt zu werden.
„Was machen die Finger?“
„Wenn sie in Ordnung wären, wär ich jetzt schon in wer-weiß-wo, verdammt. Es ist, als wollte man mit Backhandschuhen Geige spielen.“
„Wenn du möchtest, mache ich dir was zu essen, du kannst auch duschen, sobald Kenny fertig ist. Gino wird nichts dagegen haben, dass du wieder hier bist.“
Was sind schon ein paar Tage mehr oder weniger in einer Gegend, in der die Zeit stehengeblieben ist.
„Ich bin nicht gerne hier in der Gegend, um genau zu sein: ich hasse es, dass ich wahnsinnig werden könnte. Es ist nicht wegen der Finger oder was hier in den letzten Tagen passiert ist, das hat nichts damit zu tun. Kann ich hierbleiben?“
„Das weißt du doch.“
Diesmal behielt er das Essen bei sich, saß mit Kenny auf der Veranda, er bei einem Kaffee, Kenny mit einem Eistee. Er hielt den Fuß hochgelegt, sah mit müden Augen auf das Land hinaus und genoss diesen kurzen Augenblick, wo er Stille und Ruhe hatte. Es würde nicht lange anhalten. Kenny saß auf heißen Kohlen, ihm dumme Fragen stellen zu können.
Seinen schwarzen süßen Kaffee hatte er fast ausgetrunken, als Ida mit der Kanne um die Ecke kam und ihm nachgoss.
„Hast du nichts anderes zu tun?“
„Den nächsten Kaffee holst du dir selber, wenn du so anfängst.“
Kenny sah misstrauisch blinzelnd von einem zum anderen, versuchte diese Spannung zwischen den beiden zu verstehen, aber selbst, als Ida ihm komisch zulächelte und die Kanne mit dem Kaffee schwenkte, beruhigte er sich nicht. Er konnte spüren, dass etwas vorging, etwas seltsames, außerhalb seines Verständnisses. Rick sah wieder auf die fernen grünen Hügel hinaus, schlürfte den heißen Kaffee, dachte an die kurze Zeit in Boston, wo das Wetter schlecht war und die Straßen zum Haareraufen unübersichtlich. Grün war es in New England auch, aber es war ein anderes grün, das Licht war anders. Es musste dem alten Irland ähnlicher sein als alles andere, denn nirgends hatten sich die emigrierten Iren so zahlreich niedergelassen wie in Boston. Vielleicht waren sie der Grund für die verwinkelten Straßenzüge mit dem alten Stadtkern, die ständig besoffenen Iren, heimwehkrank und überwältigt von der neue Welt.
Kenny reagierte als erster auf das Motorengeräusch des Pick-ups, das durch die Stille des Abends brach, schon lange zu hören war, noch ehe Gino auf den Hof fuhr.
„Das ist Onkel Gino.“
„Ja?“ machte Rick.
Kenny stellte sein Glas ab, stand auf und verharrte dann wieder, als wolle er Rick ohne Worte dazu auffordern, ebenfalls aufzustehen.
„Was willst du denn von mir?“ fragte Rick, in Gedanken noch immer in Boston und die Möglichkeit abwägend, einfach bei Sophie anzurufen, nur um zu sehen, ob sie zu Hause war. Allein zu Hause war. Möglicherweise war es doch sinnvoller, erst bei Hollis anzurufen und die Lage zu sondieren.
„Onkel Gino kommt nach Hause.“
„Das weiß ich, weil ich’s hören kann und außerdem hast du’s eben schon mal gesagt.“ Rick legte den Kopf schief und sah Kenny prüfend an, schüttelte die Gedanken an Boston und Sophie ab.
„Ich weiß, dass dein Onkel keine Freudentänze aufführen wird, mich hier zu sehen. Ich kann damit umgehen, Okay?“
Kenny nickte, aber er wollte noch etwas fragen, was er jedoch nicht zu fragen wagte; was zwischen ihm und seiner Mutter seltsames vorging, warum es eine Verbindung gab, wo keine Verbindung sein konnte.
„Okay“, sagte er, weil er keine Unruhe stiften wollte und weil er glaubte, er könne an irgendwas Schuld sein.
Während Rick auf der Veranda sitzenblieb, in sich hinein horchte und gleichzeitig abschweifte, lief Kenny nach oben in sein Zimmer, wo er hinter sich die Tür nur anlehnte und vorgab, in einem Buch zu lesen, falls jemand hereinkommen sollte.
Ida war in der Waschküche, wo sie frisch gewaschene Wäsche aus der Trommel zog und in den Korb legte, um sie draußen aufzuhängen. Der Wetterdienst hatte trockenes Wetter vorhergesagt.
Gino stellte den Wagen vor der Scheune ab, ließ den Hund rausspringen, der sofort zum Haus trabte und durch die Hundeklappe ins innere verschwand. Nach einem langen Tag draußen bei der Arbeit hatte Kangyo Kohldampf und dachte nur noch an seinen gefüllten Futternapf. Er achtete nicht auf den Geruch des Fremden im Haus, weil die Familie ihm gezeigt hatte, dass dieser Fremde im Rudel willkommen war.
Gino brauchte noch etwas länger, bis er im Haus war, vor der Küchentür zog er die dreckverkrusteten Stiefel aus, stellte sie beiseite und betrat auf dicken Socken die Küche.
„Ida?“ rief er.
Normalerweise empfing ihn der Geruch von Essen, von gebratenem Steak und süßen Kartoffeln, aber in der Küche war alles kalt, selbst Kangyo schob enttäuscht seinen radkappengroßen Futternapf hin und her, den er leer in seiner Ecke gefunden hatte.
„Ida!“
Ihre schwache Antwort kam aus der Waschküche, nicht der Ort, an dem sie sein sollte, sie hätte sich um sein Abendessen kümmern sollen, es sei denn, es war irgendetwas passiert.
Schon ärgerte er sich darüber, dass er die Stiefel vor der Tür ausgezogen hatte, um seiner Schwester den Dreck im Haus zu ersparen. Grummelnd und mit schlechter werdender Laune gab er Kangyo sein Futter und ging hinüber in die Waschküche, wo er durch das Fenster auf die Wiese sah. Ida hängte die Wasche auf, winkte, als sie ihn am Fenster sah.
„Was ist mit dem Essen? Ist dir alles angebrannt und du hast es weggeworfen?“
„Gino, ich muss dir was sagen.“
Rick saß auf der anderen Seite des Hauses und bekam von dem Gespräch nichts mit, wusste aber, dass es stattfand und was mit Onkel Gino auf ihn zukam.
Taktik? dachte er, ganz einfach, buddy, je eher du mich aus Benton rausbringst, desto früher lasse ich deine Schwester in Ruhe.
Konnte nach hinten losgehen, war aber einen Versuch wert.

In Mt. Vernon
Corry Baker saß sehr gemütlich mit dem alten George Ungerbridge zusammen, dessen Nachname in vielen Variationen seit Jahren die Runde unter den Schülern machte und der das noch immer als Anerkennung seiner Leistungen als Schulleiter wertete. Er war kein vertrottelter alter Mann, zwar etwas weltfremd und zeitlich nicht auf dem neuesten Stand, aber er hatte seine Sinne zusammen und konnte sich noch sehr genau an alles erinnern.
Sein Büro schien sein stoffgewordenes Seelenleben; die gerahmten Fotos und Urkunden an den Wänden mit der vergilbten Tapete, die alte Rollkartei auf seinem Schreibtisch, vor dem sich schon Generationen ihre Standpauke abgeholt hatten, die stets gut gespitzten Bleistifte in dem Köcher, das Notizpapier mit dem Logo der Schule.
„Ich kenne ihr Gesicht, Deputy Baker“, sagte Ungerbridge, nachdem sie Platz genommen hatte, „ich könnte zehn zu eins wetten, dass ich es in einem der Jahrbücher finde.“
„Sie haben recht, Sir, ich habe hier den Abschluss gemacht. Und ich war in der Theatergruppe.“ Sie deutete auf eines der Fotos, was viele Jugendliche in Kostümen auf einer Bühne zeigte.
„Schauspielerin sind sie nicht geworden.“
„Im Staatsdienst verhungert man nicht. Darf ich sie fragen, ob sie irgendwelche Unterlagen über Rick Scanlon gefunden haben?“
„Es war verblüffend. Nach ihrem Anruf habe ich die Jahrbücher und die Fotoalben herausgeholt und dabei ist mir eingefallen, dass wir vor zwei Jahren bei dem Klassentreffen der seniors auch einen Scanlon dabei hatten. Curtis. Wir haben uns an diesem Abend über vieles unterhalten, über die alte und die neue Zeit, über den Krieg damals und die Studentenunruhen. Wir kamen auch auf seinen Bruder zu sprechen, der verschwunden ist, während er in Nahost stationiert war und dass er nichts so sehr bedaure wie die Tatsache, dass er damals nicht hier gewesen ist, um ihm zu helfen. Curtis hat seinen Weg gemacht, hat eine eigene Firma in Lousiana, wenn ich mich recht entsinne.“
„Was hat er über seinen Bruder erzählt?“
„Nun, jeder in Mt. Vernon kannte die Verhältnisse bei den Scanlons, das war wirklich kein Geheimnis. Das Land hier ist grün und fruchtbar, aber auf dem Besitz der Scanlons schien der Herrgott einen seiner Pestkübel ausgeschüttet zu haben. Sie kamen auf keinen grünen Zweig, was sie auch versuchten. Sheila und Frank Scanlon hatten die beiden Söhne, aber nur der ältere schien es ihnen recht machen zu können. Sheila nannte ihren jüngsten selbst Fremden gegenüber nur ‚den kleinen Bastard’. Wen wundert es, dass aus dem Jungen nichts wurde. Wie man sich erzählte, behauptete sie, sie habe vergebens alles getan, um dieses zweite Kind nicht zu bekommen und dass auf Rick der Fluch ihrer Familie laste. Ihr Vater sei ein Schwarzbrenner und Gangster gewesen, der als kleines Kind mit seiner Familie Irland verlassen hatte. Er sei reine rastlose Seele gewesen bis zu dem Tag, an dem die Polizei ihn erschossen hat. Rick habe all dieses schlechte Blut geerbt. Wenn man einem Kind so etwas vorhält, glaubt es solchen Unsinn irgendwann. Es war ein Segen, dass Rick irgendwann davongelaufen ist, denn sonst hätte es ein noch viel größeres Unglück gegeben, davon bin ich überzeugt.“
„Leben die Scanlons noch hier?“
„Nein, die haben das Land schon vor Jahren aufgegeben und sind weggezogen. Ich kann mich nicht erinnern, wohin. Aber ich habe in meinen Unterlagen die Adresse von Curtis Scanlon gefunden, an die wir damals die Einladung zum zehnjährigen geschickt haben. Und diese Fotos hier.“
Die schwarz-weißen Klassenfotos aus dieser Zeit sahen alle gleich aus, die Gesichter in den Reihen, aufgestapelt wie Äpfel in einer Obstkiste, waren austauschbar, aber Corry Baker erkannte Rick Scanlon sofort wieder.
Kein fröhlicher kleiner Junge.
Bereits damals schien er außerhalb der Gemeinschaft zu stehen, das Gesicht verschlossen und die Arme vor der Brust verschränkt. Es existierten nur zwei Jahresfotos von ihm, auf allen anderen Jahrgängen war er nicht dabei, nur sein Name war aufgelistet. Dann fehlte auch sein Name im Jahre 70, das Jahr, in dem er verschwunden war.
„Man hat nie wieder etwas von ihm gehört?“
„Curtis hat mir erzählt, dass man ihn Monate später irgendwo aufgegriffen habe, aber er wollte wohl nicht nach Hause zurück und das mag wohl das letzte Lebenszeichen von ihm gewesen sein.“
George Ungerbridge klappte das Jahrbuch zu und seufzte: „Bei allem Verständnis für seine Lage muss ich leider zugeben, dass er als Schüler eine Plage gewesen ist. Kein Tag verging, an dem er nicht in Prügeleien verwickelt war. Manchmal nahm er wochenlang nicht am Unterreicht teil. Die meisten waren froh, wenn er nicht da war. Deputy, darf ich nach dem Grund ihrer Recherchen fragen? Gestatten sie einem alten Mann diese Frage?“
„Es scheint sich nichts daran geändert zu haben, dass er in Schwierigkeiten steckt“, sagte Corry, „aber diesmal scheint ihn irgendwas nach Hause gezogen zu haben.“


Rick saß noch lange auf der Veranda, wurde richtig schläfrig in der kühlen Luft und wartete darauf, dass Gino ihm einen Besuch abstattete. Er wollte dieses Gespräch zwischen Männern nicht im Hause führen, wo Kenny es mitbekommen konnte, das war etwas, was der Junge nicht zu erfahren brauchte. Gino setzte sich zu ihm, nachdem Ida ihm versprochen hatte, ein Steak in die Pfanne zu hauen, blutig wie er es mochte, bot Rick eine Zigarette an. Sie teilten sich die Flamme eines Streichholzes und Gino starrte Rick entgeistert an, als dieser gedankenverloren die Flamme zwischen den Fingern ausdrückte.
„Ist das irgendein Ritual?“
„Was?“
„Das Ding mit dem Streichholz.“
„Ich hab nur gelernt keine Waldbrände zu verursachen.“
„Wie lange hast du vor zu bleiben?“
„Ich wär schon längst weg, wenn alles glatt gelaufen wäre, aber irgendwas scheint mich hier festzuhalten. Ich versuche euch keinen Ärger zu machen, Okay? Dafür bist du mir zwanzig Pfund zu schwer.“
Darauf ging Gino nicht ein, grinste nicht einmal, wedelte statt dessen nur eine Mücke von sich weg, die immer wieder seinen Kopf umflog.
„Soll ich dir sagen, was mit mir los ist?“ begann Rick, „seit mein Onkel nicht mehr da ist, bin ich unterwegs. Ich hatte noch nie’n festes zu Hause und es wird schon verdammt viel passieren müssen, um das zu ändern. Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, als ich klein war und mein Onkel hat mich aufgenommen, aber er hatte eigentlich gar keine Zeit für mich. Er wühlte ständig im Boden rum auf der Suche nach irgendwelchen alten Indianergräbern und Kultstätten. Wir haben jahrelang in New Mexico gelebt, in einem Reservat. Er fand das nicht gefährlich, ich bin dort den ganzen Tag mit den Indianerkindern zusammen gewesen. Wir sind in New Mexico, hat er immer gesagt, nicht am Amazonas. Eines Abends ist er von einem Tagesausflug nicht zurückgekommen und ich hab gedacht, er hätte irgendwas gefunden und die Zeit vergessen. Ich hab erst tagelang und dann wochenlang gewartet. Niemand wusste, wo wir waren, es vermisste uns niemand. Bis die Mescaleros begriffen hatten, dass er vielleicht nicht mehr wiederkommt, weil irgendetwas passiert ist mit ihm, war ich ein halbes Jahr bei ihnen. Vielleicht findet man irgendwann seine Knochen in einer eingestürzten Höhle, wer weiß. Er war’n bisschen schräg, aber er war in Ordnung. Nachdem die Behörden informiert waren, wollten sie mich in ein Waisenhaus stecken, aber da bin ich schon nach einer Woche verschwunden. Man könnte meinen, seit dem ginge es mit mir bergab, aber ich kann nichts schlechtes daran sehen, unterwegs zu sein.“
„Du weißt nicht, was mit deinem Onkel passiert ist?“
„Er hat mir nie gesagt, wo er hinging.“
„Muss hart gewesen sein.“
„Ich hatte eine gute Ersatzfamilie, aber nachdem die Behörden einmal informiert waren, konnte ich dort nicht bleiben. Tut mir leid, dass Ida mich bevorzugt hat.“
„Wovon redest du?“
„Sie wollte mir unbedingt was zu essen machen.“
Ginos Gesicht verwandelte sich ganz langsam in eine misstrauische Maske, als er überlegte, ob Rick noch etwas anderes als das Essen gemeint haben könnte, dabei fiel ihm ein, dass er nicht wusste, wie lange Rick schon wieder im Haus war.
Stunden? Den ganzen Tag?
Es war nicht seine Art, Kenny auszufragen. Er wartete einen Moment und sagte mit giftiger Stimme: „Ich vermute, dass etwas zwischen dir und Ida vorgefallen ist, aber ich werde mich raushalten aus dieser Sache. Es ist ihr Leben. Aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wenn du ihre Situation ausnutzt und ihr weh tust. Hast du das verstanden?“
„Wenn Ida will, dass ich verschwinde, bin ich sofort weg. Ich hab sie gefragt, ob es Okay ist, dass ich hier bin und dreimal darfst du raten, was sie gesagt hat. Aber keine Sorge, ich bleibe nicht länger als ein paar Tage. Kenny ist ein netter Bengel, er war es, der mich überredet hat herzukommen. Wäre er nicht gewesen, könnte ich schon fast in Oregon sein.“
„Bedank dich bei dem Kleinen.“
Er beruhigte sich wieder, seine komischen Mundwinkel entspannten sich.
Gut so, buddy. Lass es ruhig angehen und locker weiterlaufen, dann passiert hier nichts. Nichts, nada.
„Kenny macht uns nicht nur Freude, musst du wissen, er streunt herum und hat keine Freunde unter den Jungs hier. Ich verstehe nicht, warum.“
Oh doch, das verstehst du verdammt genau. Dich schneiden sie wohlmöglich nicht ganz so offen wie deine Schwester, weil du ein großer kräftiger Kerl bist, der jedem eins aufs Maul geben kann, aber – so sicher wie das Amen in der Kirche – du weißt, weshalb.
Rick hielt seine Gedanken perfekt hinter dem Berg, machte dem Thema mit einem Brummen ein Ende und bevor sie über das Wetter in Indiana plaudern konnten, rief Ida aus der Küche, dass sein Essen fertig sei.
„Du kannst morgen früh mit mir raus fahren, wenn du Lust dazu hast, ich kontrolliere die Weiden. Würde mich freuen, wenn ich mal in Begleitung unterwegs wäre.“
„Warum nicht“, antwortete Rick.

Er schlief ruhig und allein in dieser Nacht, wieder auf der alten Verrätercouch, lag auf dem Rücken und hielt die geschienten Finger über dem Bauch verschränkt, während Kenny oben in seinem Bett an die Decke starrte und nicht wusste, ob er froh darüber sein sollte, dass er seinen so sehr gewünschten Bruder und Freund im Haus wusste. Es war spät und er musste unbedingt schlafen, aber sein Puls raste vor sich hin und war nicht zu beruhigen, an Schlaf war nicht zu denken. Obwohl er wusste, dass so was meist ins Auge ging, malte er sich aus, wie es sein würde, wenn Rick bei ihnen bliebe und ihm kam der Gedanke, dass er an die freie Stelle seines Vaters treten könnte. Das gefiel ihm nicht, weil er sich eigentlich niemanden mit seiner Mutter vorstellen mochte. Die Jungs in seiner Klasse hatten nur üble Sprüche darauf zu diesem Thema, es verging kein Tag, an dem Kenny nicht im vertraulichen Ton gefragt wurde, ob irgend jemand auf seiner Mutter rumgejückelt sei in letzter Zeit und dann brachen sie alle in Gelächter aus.
Irgendwann wurde Kenny schläfrig, drehte sich auf die andere Seite und machte es sich so gemütlich wie möglich; dachte noch immer an Rick, aber es gelang ihm, in den Schlaf hinüber zu gleiten.

Es machte Pyper nichts aus, unter seinem Niveau in einem billigen Hotel zu übernachten, wenn es nur nicht zur Gewohnheit wurde. Wenn er die finanziellen Mittel hatte, warum sollte er dann in einem dunklen Zimmer ohne Fernseher und mit durchgelegener stinkender Matratze übernachten, außer es gab nichts anderes vor Ort. Benton war nur auf Durchreisende eingerichtet, die es preiswert haben wollten und denen der Rest egal war, Vertreter, Trucker, Menschen auf Arbeitssuche.
In dem kleinen Hotel an der Hauptstraße hatte er zwar ein Fernsehgerät, aber es gab keinen Kabelanschluss und der Empfang der restlichen Sender war so schlecht, dass Pyper es nach einigem Herumschalten wieder aufgab. Er hängte sehr sorgfältig sein schwarzes Jackett in den Schrank, stellte die Schuhe neben das Bett und begann mit einer Reihe von Telefonaten.
Es drehte sich alles darum, seine Geschäfte am laufen zu halten, seinen Leuten das Gefühl zu geben, er habe ein Auge auf sie, auch wenn er Meilen entfernt war. Pyper wusste, was passieren konnte, wenn der Boss nicht in der Nähe war.
Über Umwege erfuhr er, dass sich der Kolumbianer nach Rick erkundigt hatte, dass er auf der Straße herumfragte und Rick suchte; was nicht Pypers Problem war, er hatte mit diesem Typen nichts zu tun, aber er befürchtete, dass José Quintero die selben Quellen anzapfen könne wie er und dass auch er früher oder später auf Ricks Fährte kommen würde.
Wenn Rick selbst ihm Geld schuldet, sollte er sich schnell etwas einfallen lassen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Was hat er sich dabei gedacht, einfach so zu verschwinden und möglichst jedem, der ihm im Ernstfall den Hals umdreht, ans Bein zu pinkeln?
„Wenn der Kolumbianer was rausbekommt, informierst du mich, klar? Ich will hier keine böse Überraschung erleben. Was machen die Japaner? Denk dran, was ich dir gesagt habe, ich will nicht wieder so einen Reinfall erleben wie beim letzten Mal. Das ist deine letzte Chance, es wieder gut zu machen“, sagte Pyper, „ja, hoffentlich.“
Mit dem ans Ohr geklemmten Hörer und dem Telefon in der Hand ging er zum Fenster, zog die Gardine ein Stück zur Seite und sah hinunter auf die Straße. Sein Zimmer lag im ersten Stock, über ihm nur noch der Dachboden, der Blick aus dem Fenster führte direkt auf Bentons sagenhaftes Kommunikationszentrum – der Tankstelle. Seine Gedanken schweiften bereits weiter, noch während er seinem Mann in New Jersey klarmachte, wie der Hase zu laufen hatte.
Tankstellen hatten den ungemeinen Vorteil, dass dort jeder irgendwann einmal auftauchte, entweder zum tanken, um sich eine Coke zu kaufen oder einfach nur auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit.
Die Männer, die selbst am Abend noch an der Tankstelle herumlungerten, ein- und ausgingen und nichts zu tun zu haben schienen, waren für Pyper uninteressant.
Sieh sie dir an, dachte er, nicht in der Lage, über ihren kleinen Horizont hinauszusehen, gefangen in der eigenen Existenz. Diese Typen machen sich nur Gedanken darüber, wo sie ihr nächstes laues Dosenbier herkriegen, die kümmert es nicht, wer hier in Benton herumläuft und Rick Scanlon heißt.
Der Pächter der Tankstelle könnte aus einem anderen Holz geschnitzt sein. Wer von Durchreisenden lebte, sah sie sich genau an und somit auch die Typen, die wie Ladendiebe herumliefen.
Pyper drückte auf die Gabel, tippte die nächste Nummer ein und meldete sich mit einer leisen zurückhaltenden Stimme, diesmal sprach er nicht mit einem seiner Männer oder begriffsstutzigen Partnern, er rief kurz zu Hause an, um zu sagen, dass alles in Ordnung sei, alles in Ordnung mit dem alten Pyper, Baby muss sich keine Sorgen machen. Daddy ist bald wieder zu Hause.

Rick fuhr nicht mit Gino rauf aufs Land, er verbrachte den ganzen Vormittag bei den Pferden, die gelangweilt auf dem Paddock herumstanden, im Sand scharrten, sich wälzten und sich gegenseitig die Mähnen abknabberten. Ida erlaubte Rick ihnen eine Lage Heu zu bringen und auch einen Eimer mit Möhren und alten schrumpeligen Äpfeln, dabei entdeckte er, dass es auch unter Pferden kleine Spaßvögel gab.
Als er mit dem Eimer um die Ecke kam, den er mit seinen Fingern kaum tragen konnte, sahen die beiden Pferde erwartungsvoll auf, bewegten sich aber nicht auf den Zaun zu. Der dunkle Wallach versuchte es zumindest, wurde aber von dem kleinen Dicken daran gehindert; erstellte sich vor ihn und schob ihn mit seiner Breitseite zurück. Rick dachte sich nichts dabei, kroch durch den Zaun durch und betrat das Paddock, als der helle fleckige Kerl mit der breiten Brust wie eine Dampframme auf ihn zugeschossen kam. Er wusste schon, weshalb er Pferde nicht leiden konnte – 600kg gepaart mit Stursinn.
Er ahnte, was der Gaul von ihm wollte, dass er sich umdrehte und wegrannte, Rick stellte den Eimer ab und machte einen schnellen Schritt auf das Pferd zu, das sofort abbremste und glotzend stehen blieb. Dann ließ Rick ihm den Triumph, sich den Eimer erobert zu haben, machte einen Rückzieher, nachdem das Pferd zu fressen begonnen hatte.
„Scheißkerl.“
„Er blufft nur, wenn man ihm energisch gegenüber tritt.“
Ida stand neben ihm, die Hände in die Seiten gestemmt, sie war herausgekommen, nachdem sie Rick durch das Fenster heraus beobachtet hatte.
„Der alte Kerl hat ein hartes Leben hinter sich“, sagte sie, „er war erst ein Ranchpferd, ist dann in einem Touristenreitstall gelandet. Er war vollkommen abgemagert, als ihn eine Familie für ihre Tochter kaufte, was ein Glücksfall für ihn hätte sein können, aber leider hatte diese Familie keine Ahnung von Pferden. Sie nahmen ihn mit nach Hause und ließen ihn auf ihre fette Weide. Zwölf Stunden später wollte ihn der Tierarzt schon töten. Er hatte sich überfressen. Hatte eine fürchterliche Kolik und wälzte sich nur noch vor Schmerzen. Gino hat geholfen, ihn wieder auf die Beine zu bekommen und als sei glaubten, er habe es geschafft, bekam er Hufrehe.“
„Das hört sich nicht gut an, Scheiße.“
„Das ist es auch nicht. Sie können nicht mehr stehen, haben unglaubliche Schmerzen und wenn es ganz schlimm wird, schiebt sich dann das Hufbein durch den Huf nach außen. Wir haben zwei Tage lang seine Hufe mit Wasser und Lehm gekühlt, er hat einen Aderlass bekommen. Neun Liter haben sie aus ihm raus laufen lassen, bis der Druck auf seine Hufe nachgelassen hat. Die Familie hatte ihn längst aufgegeben, nach dieser Sache wollten sie ihn nicht mehr haben, sie hatten wohl gedacht, sie könnten ihrer Tochter ein Pferd kaufen, es auf die Wiese hinter dem Haus stellen und es würde sich wie ein Mustang selbst versorgen. Wir haben ihn gekauft, obwohl man ihn nur noch bedingt reiten kann. Seine Hufe sind durch die Rehe deformiert, dadurch stolpert er oft. Aber er ist ein lieber Kerl.“
„Das hab ich gemerkt. Der hat den ganzen Eimer allein leer gemacht.“
„Er frisst, was er kriegen kann. Kenny kommt gleich aus der Schule, dann mach ich uns auch was zu essen.“
Kenny wollte unbedingt den Nachmittag mit Rick verbringen, bettelte und nervte die ganze Zeit, bis Rick mit ihm zur Hütte fuhr uns sie sich dort vor die Tür ins Gras setzten und die mitgebrachten Sandwichs aßen.
„Hast du Geschwister?“ fragte Kenny.
Er aß sein Sandwich ohne es zu schmecken, normalerweise mochte er die Mischung Salami-Gurken nicht, aber dieses Mal vergaß er das einfach.
„Ich hab einen älteren Bruder“, antwortete Rick, „aber den hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Wer weiß, wo der steckt und was er macht.“
„Er sucht dich bestimmt.“
„Ja, bestimmt“, sagte Rick säuerlich.
„Ich war auch böse auf meinen Dad, als er weggegangen ist, aber er hat mir erklärt, dass es manchmal passiert, dass sich zwei Menschen nicht mehr vertragen und dann wäre es nicht gut, wenn sie trotzdem weiter zusammenleben. Das hab ich ihm geglaubt, aber ich hab längst kapiert, dass er sich in eine andere Frau verliebt hatte und mit ihr leben wollte. Das wollte er mir nie erklären. Ich wünschte, es würde ein Gesetz geben, dass bei Scheidungen die Eltern auf die Kinder hören müssen. Ich würde meinen Dad zwingen, wieder zu uns zu ziehen.“
„Hast du das deiner Mom schon mal gesagt?“
„Nein“, erwiderte Kenny mit einem verlegenen Grinsen, „bei dem Thema schaltet sie sofort ab. Ich soll sie damit in Ruhe lassen. Manchmal wird sie wütend.“
„Gib mir noch ’n Sandwich.“
„Erzählst du mir irgendwann, was mit deinen Fingern passiert ist?“
„Da gibt’s nicht viel zu erzählen, ich bin einfach nur an ein paar Vollidioten geraten. Betriebsunfall.“
„Das hört sich an wie diese Geschichte von Fingern in Häckslermaschinen, die mit Stumpf und Stängel verhackstückt werden.“
„Wo hast du das denn her?“
„Aus dem Fernsehen“, antwortete Kenny munter.

Bei ihrer Arbeit ließ Corry Baker sich nichts anmerken und sprach sie jemand darauf an, dass sie ruhiger und in sich gekehrter war als sonst, behauptete sie, sie habe ihren alten Herrn besucht und es ginge ihm nicht besonders. Sie hatte ihn wirklich für einige Stunden besucht, ihm seinen Vitaminsaft mitgebracht und hatte sich seine wirren Geschichten angehört, aber was ihr im Kopf herumging, war etwas vollkommen anderes. Sie dachte die ganze Zeit darüber nach, wie sie es ihrem Boss schmackhaft machen sollte, noch mal über Rick Scanlon nachzudenken. Was sie herausgefunden hatte in Mt. Vernon konnte ihn eigentlich nur überzeugen. In dem Zeitungsarchiv des Sentinentels, in das sie hatte hereinschauen dürfen, hatte sie zwar über Rick selbst nicht viel erfahren, wohl aber über das Grundstück, auf dem seine Familie gelebt hatte.
Nachdem die Scanlons es heruntergewirtschaftet hatten, waren sie weggezogen und die Bank, der neue Eigentümer, hatte keinen Käufer gefunden. In der Stadt sagte man, dass dort niemals wieder etwas wachsen würde außer Unkraut und Nesseln, aber nur die alten Weiber behaupteten, der Grund dafür sei, dass Frank und Sheila Scanlon ihren jüngeren Sohn dort umgebracht und verscharrt hätten. Das war zwar ausgemachter Blödsinn, aber dieses Gerücht hielt sich hartnäckig und noch heute lag das Land brach.
Über den Sentinentel kam Corry an eine Behörde in Indianapolis, die für die Unterbringung jugendlicher Herumtreiber und Straftäter zuständig war und sie sprach lange mit einem ehemaligen Mitarbeiter, der ihr seine alten persönlichen Notizen und Tagebucheintragungen am Telefon vorlas, versunken in seinen Erinnerungen. Er erinnerte sich sehr genau an zwei Jungs, die eines Tages von der Polizei gebracht wurden, ein mürrisch aussehender Indianer, der so tat, als verstünde er kein Wort und sein Freund, ein kleiner magerer Kerl mit dunkelblondem wirren Haar und nervösen Augen, die stets nach Gefahr Ausschau hielten. Seinen Namen hatte er als Rick Scanlon angegeben, was die Wahrheit war, aber bei seinem Alter, achtzehn, hatte er doch stark übertrieben. Nach einigen Nachforschungen hatte der Leiter des Heimes seine Leute am Telefon gehabt, dort erfahren, dass Rick fünfzehn und seit vier Monaten verschwunden sei. Schon an der Stimme der Mutter hatte er hören können, dass sie sich nicht gerade vor Sorgen zerfleischt hatte. Sie fragte nicht einmal, wie es Rick ginge. Auf seine Frage, ob sie oder ihr Mann nach Indianapolis kommen würden, um ihren aufgegriffenen Sohn abzuholen, sagte sie nur mit knappen Worten, dass er in einem Heim besser aufgehoben sei und sie seien ohnehin nie mit ihm klargekommen.
Obwohl er wusste, dass auch der Junge nicht mehr nach Hause wollte, hatte er Schwierigkeiten, ihm die Wahrheit zu sagen und behauptete, er hätte auf der Farm niemanden erreicht. Zu einem späteren Zeitpunkt wollte er Rick die Wahrheit sagen, er bemühte sich eine Woche lang um den Jungen, aber dann waren Mascot und er über Nacht verschwunden. Das Heim war kein Gefängnis, die Türen wurden zwar abgeschlossen, aber nicht streng bewacht, und irgendwie hatten die beiden eine Lücke gefunden und hatten sich wieder auf den Weg gemacht. Zehn Tage später stand ein großer schlanker Mann in einem abgetragenen Sonntagsanzug und in Arbeitsstiefeln vor dem Heim, fragte nach seinem Jungen. Seine Frau habe ihm erst jetzt verraten, dass man ihn in Indianapolis aufgegriffen und in diese Heim gebracht habe und er sei die ganze Nacht durchgefahren, um ihn abzuholen. Als er hörte, dass sein Sohn Rick schon längst wieder verschwunden war, seufzte er, setzte sich in seine alten Ford und fuhr allein davon.
Fehlstart ins Leben, dachte Corry, wenn ich McNallen doch nur anheizen könnte mit dieser Geschichte, könnte ich noch mehr über ihn raus finden. Ich hätte einen Grund, ihn mir persönlich vorzunehmen.
Der Bluthund in ihr brauchte keinen Grund, um seiner Fährte bis zum Ziel zu folgen, wohl aber Corry, wenn sie nicht wollte, dass ihr Instinkt die Kontrolle über ihr Handeln übernahm. Officer McNallen kam jeden Tag etwas später zum Dienst, war unausgeschlafen und leicht reizbar, alles Zeichen dafür, dass es in seiner Ehe weiter kriselte.
Kein guter Zeitpunkt, dachte Corry, also weiter nach Feierabend.
Einige der Zeitungsartikel hatte Corry fotokopiert und mitgenommen, besonders einer, der nichts mit Rick zu tun hatte, gefiel ihr so gut, dass sie ihn sich an ihr Pinnbrett heftete. UFO STOPPT ZUG, hieß der kurze Bericht.
Am 20. Oktober 1973 um 06:50 morgens hatte die Mannschaft eines Güterzuges auf der Strecke nach Howell Schwierigkeiten mit der Maschine. Sie schienen den Zug überladen zu haben, eine der Anzeigen stand auf rot. Wenig später sahen sie die Lichter eines anderen Zuges hinter sich, sie schleppten sich bis nach Belknap Hill, hielten dort den Zug an und sahen, dass nichts hinter ihnen war. Auch über Funk hörten sie, dass die Strecke frei sei, aber sie konnten immer wieder ein grelles Licht hinter sich sehen, das ihnen folgte. Sie fuhren wieder an, das Licht folgte. Der Zugführer startete das ausgefallene System neu und erstaunlicherweise lief es wieder, das Licht hinter ihnen bewegte sich fort und verschwand. Der Zug, der zuvor mit einer defekten Anlage und überladen gefahren war, war nun in der Lage, den lang gezogenen Hügel nach Howell zu erklimmen und machte keine Probleme mehr.
Natürlich wurde ein UFO hinter dieser Sache vermutet, es war nicht die einzige UFO-Meldung in dem Jahr, aber die einzige aus Mt. Vernon.
Ulkige Sache, dachte Corry.
Im Diner holte sie sich mittags etwas zu essen, wurde von einem Farmer wegen eines wildernden Hundes angesprochen und versprach sich darum zu kümmern. Als sie wieder zurück im Revier war, stellte McNallen sie zur Rede, ob sie wieder in irgendwas herum grabe.
„Was meinst du damit, Boss?“
„Erinnerst du dich an die Geschichte mit den drei beschädigten Autos in der Columbus Avenue?“
Das musste sie sich jedes Mal anhören, wenn ihr Boss der Meinung war, sie bremsen zu müssen.
„Ich hab doch nur rausbekommen wollen, was wirklich passiert war.“
Deputy Baker war vor vier Monaten zu einem Unfall gerufen worden. Ein jugendlicher Fahrer hatte drei parkende Autos beschädigt und sein Daddy hatte Officer McNallen gebeten, den Fall aufzunehmen und dann ruhen zu lassen. Der Schaden wurde reguliert und damit hätte es gut sein können, aber der Bluthund von Benton schlug zu. Es hatte sie stutzig gemacht, wie ein so umsichtiger und vorsichtiger Fahrer so kopflos werden konnte, dass er parkende Wagen rammte. Und gleich drei parkende Wagen. Sie fand heraus, dass der junge Mann unglücklich verliebt war und schließlich einen irrsinnigen Plan ausheckte, um sich seinen Herzenswunsch zu erfüllen – einmal neben seiner Geliebten aufzuwachen. Die Geliebte allerdings wusste nichts von ihrem Glück und da er zu schüchtern war, ihr seine Liebe zu gestehen, stieg er in das Haus ihrer Eltern ein, bewaffnet mit Chloroform, was er irgendwann mal gekauft hatte, um seine Kaninchen zu betäuben und die Krallen schneiden zu können. Tatsächlich kam er bis in das Schlafzimmer seiner großen Liebe, stellte sich aber mit dem Chloroform so ungeschickt an, dass das Mädchen nach ihrem Vater schrie, der auch sofort auftauchte und Romeo ohne zu zögern aus dem Haus prügelte. Der verschmähte Held raste blindlings, selbst vom Chloroform umnebelt, mit seinem Wagen davon und demolierte eine Straße weiter die PKW. Sein Daddy hatte natürlich versucht, auf dieser peinlichen Geschichte den Deckel draufzulassen, aber Corry Bakers neugierige Nase hatte alles hoch gewühlt und es landete erst als Bericht auf dem Schreibtisch ihres Bosses und danach fand sich die Sache schnell in der Zeitung wieder. Sie hatte Romeos gesellschaftliches Leben zerstört.
„Ich grabe nicht herum“, verteidigte sie sich, „es ist vollkommen privat.“


Die Sache mit der Tankstelle
Waren Rick und Ida allein, sprach meist sie über ihre gescheiterte Ehe und er hörte zu, er ließ sie nicht näher an sich heran, obwohl schon allein ihr offenes Haar die Versuchung wert gewesen wäre. Häufig wurden sie von Kenny gestört, der polternd hereinkam und schon deshalb ging Rick das Risiko nicht ein.
„Gab es nie jemanden, für den du das Herumziehen aufgegeben hättest?“ wollte Ida wissen.
„Es lag nicht an mir, dass es mit Sophie und mir nicht geklappt hat“, erklärte Rick in einem Ton, als würde er das tatsächlich glauben, „sie hat mich vor die Tür gesetzt. Sie hat gesagt, es wäre aus und scheiße was hätte ich da noch tun sollen? Mit zwölf verfickten roten Rosen bei ihr auftauchen?“
„Wir wissen beide, wie weh so was tut.“
Zuerst kam Kangyo, dann Gino in die Küche, beide vom Regen durchnässt und trotzdem gut gelaunt.
„Ich muss noch mal los, ein paar Besorgungen machen“, sagte er, „kommst du mit?“
„Immer“, sagte Rick.
„Was macht dein Fuß?“ wollte Gino während der Fahrt wissen, „und die Finger? Hast du das Gefühl, es wird langsam besser?“
„Ich gewöhne mich an die Handicaps.“
Die Finger taten noch immer weh, wenn er sie benutzte, aber es war abzusehen, dass er die Schienen bald abmachen würde, weil sie ihn so stark behinderten. Alles andere war gut verheilt und die Schrammen waren nur noch Schönheitsfehler, die er mit sich herumtrug.
Es ging nach Benton und Rick trug eine Baseballkappe, um den Regen abzuhalten und nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden; seinen Rucksack hatte er dabei und wenn er Gino jetzt fragen würde, ob er ihn nach Evansville zur Busstation brächte, hätte dieser wahrscheinlich nicht nein gesagt.
„Kenny ist wie ausgewechselt seit du da bist. Selbst in der Schule scheint es besser zu laufen.“
„Freut mich“, sagte Rick.
Sie fuhren an den ersten Wohnhäusern von Benton vorbei, deren Anblick Rick nervös werden ließ, weil er nicht wusste, wer sich dahinter verbarg. Es waren keine Luxushäuser, die an dieser Straße standen, sie waren aus Holz zusammengezimmert, mit zugigen Fenstern und löcherigen Veranden, zwischen den Reihen fand sich immer wie der ein Haus, das nicht mehr bewohnt war, der Garten ein Unkrautfeld und die Fenster eingeworfen.
Wenn Häuser flüchten könnten, wären die hier schon längst abgehauen, dachte Rick.
„Ich muss noch tanken“, bemerkte Gino mit dem Blick auf die Tankanzeige. Sie fuhren an eine der Zapfsäulen und stiegen beide aus, Rick wollte sich etwas umsehen und außerdem mochte er es nicht, im Wagen auf der Beifahrerseite sitzen zu bleiben, während aufgetankt wurde.
Gino war zum plaudern aufgelegt.
„Du bist doch bestimmt rumgekommen, ich wette, du hast mehr Meilen runter als ein Leihwagen. Erzähl doch mal, wo du schon überall warst.“
„Ich hab keine Ahnung.“
In Irland soll’s Geisterwesen geben, die einen entführen. Man verschwindet und taucht nach Jahren wieder auf und kann sich an nichts erinnern. Die Sihde. Vielleicht haben die Einwanderer ein paar dieser Dinge mitgebracht und mir ist auch irgend so was passiert.
„Ich war so lange unterwegs, dass es mir irgendwann egal war, ob es Ohio oder Washington war, die Straßen sehen überall gleich aus. Wahrscheinlich war ich überall ein wenig und nirgends wirklich.“ Er machte eine kurze Pause, als müsse er nachdenken, aber er versuchte nur, sein schlechtes Gefühl, dieses kurze Warnsignal, abzuschütteln. „In New Mexico war’s saugut.“
„Weil du dort zu hause warst.“
War ich da zu Hause?
„Das Klima kam meinen Knochen entgegen.“
Er erinnerte sich, er hatte Gino irgendeinen großen Schwachsinn von einem Onkel erzählt, wusste der Teufel, was ihn da geritten hatte. Manchmal war es doch besser, einfach den Mund zu halten.
Das ungute Gefühl zwischen den Augen wurde schwächer und verschwand, als Gino von seiner Schwester zu erzählen begann, wie sie ihren Mann kennen gelernt hatte und wie dann ihre Ehe in die Brüche gegangen war, tat immer wieder gut zu hören, dass es bei anderen ähnlich Scheiße lief. Selbst, wenn man es ein zweites Mal erzählt bekam.
Während Gino tankte, schlenderte Rick in das Häuschen der Tankstelle, sah sich zwischen den Zeitungen und Zeitschriften um, blätterte in einem Pin-up Magazin, legte dabei den Kopf schief und hob anerkennend die Augenbrauen. Solche fotographierten und zur Schau gestellten Titten, offensichtlich wider Mutter Natur und Tante Schwerkraft, waren nett anzusehen, aber kein Ersatz für echte Haut und echtes Fleisch, obgleich die ladies in den Magazinen keinen Stress machten. Die warteten auf dich, bis du nach Hause kommst und setzen dich nicht vor die Tür, nur weil du ein läppisches Versprechen nicht gehalten hast.
Rick legte das Magazin zurück, schlenderte weiter und spielte dabei mit dem Gedanken, sich Marsriegel zu gönnen, wo er einmal hier war. Hinter der Kasse stand ein großer unfreundlicher Kerl mit blühender Schuppenflechte an beiden Ellebogen, die er aus seinem T-Shirt herausschauen ließ. Für Schokolade reichte Ricks Geld noch, außerdem hätte er sich lieber die Zunge abgebissen und hinunter geschluckt, als Gino zu bitten, sie ihm zu spendieren.
„Was soll’s sein?“
„Ne Handvoll Marsriegel.“
„Wie viel sind eine handvoll?“
Heiße Scheiße, einer, der ’s genau wissen will, ein Erbsenzähler.
Rick erwiderte: „Wie viel kriegen sie in eine Hand, Mann? Sie sollen keinen neuen Weltrekord aufstellen, geben sie mir einfach ein paar von den Dingern.“
Die Theke, auf der die Kasse stand, war so schmal, dass Rick fast hinüber greifen und in das Regal mit den süßen Sachen greifen konnte; er legte sich mit den Leisten über die Kante und beugte sich weit nach vorn, was dem Herr und Meister der Tankstelle nicht in den Kram passte. Sehr unwirsch packte er in die Pappschachtel, drehte sich herum und hielt sie Rick demonstrativ unter die Nase, bevor er sie neben der Kasse ablegte und auf sein Geld wartete. Rick ließ sich wieder auf seine Füße sinken, kramte in der linken Hosentasche herum, in der er das Kleingeld wusste, das cambio. Geld links, Schlüssel rechts. Seine Finger fühlten die Ränder der Münzen – kein Grund, ungeduldig zu werden, Freund – und Pyper betrag den Raum durch die Tür.
Sie sahen sich ausdruckslos entgegen, für einen Moment schien die Zeit still zu stehen und nur ihre Gedanken rasten weiter, ohne dem Körper die Chance zu geben, schneller reagieren zu können.
Was macht dieses Arschloch hier? Wie hat der mich gefunden?
Lass sehen, wie du reagierst, Junge. Komm schon. Mach keinen falschen Zug. Du dachtest doch nicht, dass ich dich davonkommen lasse?
Die Anfrage wegen meiner Akte. Er hat in New York irgendeinen Bullen bestochen.
Es verband sie eine Zweckgemeinschaft, eine reine Partnerschaft, die nicht auf Freundschaft basierte, nicht einmal auf Respekt, deshalb ahnte Pyper zu spät, was passieren würde. Hollis, selbst Dom, hätte sofort gewusst, wie Rick reagieren würde auf so einen geballten bedrohlichen Aufmarsch in einer räumlich beengten Szenerie.
Rick wandte sich an den Verkäufer und sagte mit lauter Stimme, die bis vor die Tür, durch die Gino gerade hereinkam, um das Benzin zu bezahlen, zu hören war: „Heilige Maria Mutter Gottes, der ist bewaffnet.“
Zeitgleich, als Jules, der Verkäufer und Pyper begriffen, was er geschrieen hatte, sprang die Kassenlade auf und zwei Revolver wurden gezogen, Rick hechtete aus dem Stand über die Theke, blieb mit den Füßen an einer Bonbonniere und an einem Straßenkartenkarussell hängen und landete kopfüber auf dem Fußboden. Einige Schüsse lösten sich, verstärkten die Panik und das Durcheinander, in der Pyper und Jules sich anbrüllten. Jules schrie mit überschnappender Stimme, er würde sich nicht überfallen lassen, da wäre er bei der falschen Adresse und sowieso sei die Polizeiwache direkt um die Ecke, also der richtige Zeitpunkt, um noch heil aus der Sache raus zu kommen und die Kurve zu kratzen. Halb hinter, halb unter der Theke robbte Rick sich auf dem Bauch in Sicherheit, über ihm wurde gebrüllt und geflucht, aber es löste sich kein Schuss mehr. Glassplitter waren zu Boden geregnet, Rick verharrte einen Moment und horchte, wagte nicht den Kopf zu heben. Pyper behauptete großspurig, er hätte die Situation unter Kontrolle und der Tankstellenpächter wiederum meinte, er würde seine Waffe nicht eher weglegen, bevor er abgezogen sei.
Während des ganzen Theaters stand Gino in der Tür, zur Bewegungslosigkeit erstarrt, noch mit seinem Geld in der einen und dem Autoschlüssel in der anderen Hand. Der Pulverdampf hing noch in der Luft, Putz rieselte von der Decke, wo eine der Kugeln eingeschlagen war und einen Krater gerissen hatte.
Jules sah aus, als würde er auf der Stelle einen Herzinfarkt bekommen und Gino atmete erleichtert durch, als er endlich seine Waffe senkte und weglegte.
Noch bevor die Polizei eintraf, hatte Pyper seine Waffe eingesteckt und tat so, als wäre überhaupt nichts geschehen und auch Rick kam langsam und vorsichtig hinter der Theke hervor. Officer McNallen und einer seiner Deputys kamen herein, versuchten ein klares Wort aus dem Tankstellenmann herauszubekommen, aber Jules war noch so aufgeregt, dass er keinen zusammenhängenden Satz herausbekam und nicht sagen konnte, wer und warum geschossen hatte.
Rick wagte überhaupt nichts zu sagen, achtete nur darauf, Pyper nicht zu nahe zu kommen und zuckte auf Ginos fragenden Blick hin nur mit den Schultern.

Deputy Baker hatte einem auf der Landstraße liegen gebliebenen Autofahrer Starthilfe gegeben, sich noch mit ihm über das schlechte Fernsehprogramm und Kindererziehung anderer Leute unterhalten und war dann zurück nach Benton gefahren. Über Funk hörte sie von der Schießerei in der Tankstelle und war schon wütend darüber, dass so etwas in Benton passierte, wenn sie nicht in der Nähe war.
In der Station war alles still und ruhig, ganz so, als sei überhaupt nichts vorgefallen, aber Jules saß bei McNallen am Schreibtisch, vorn übergebeugt und noch immer zitternd. Den Schreck sah man ihm noch immer an.
„Hab ich was verpasst?“ rief Corry.
McNallen hatte in seiner unübersichtlichen Art den Notizblock kreuz und quer beschrieben, fand Absätze nicht wieder, wusste nicht mehr, wo er angefangen hatte. Er malte die Reihenfolge mit Zahlen und Pfeilen nach, aber das brachte noch mehr Unordnung, während Jules einfach nur müde und getreten aussah.
„Jules?“
„Ich dachte, ich könnte mich genau an alles erinnern, obwohl es so schnell ging, aber nachdem McNallen meint, Scanlon müsste damit was zu tun haben, bin ich mir nicht mehr sicher, ob er mich gewarnt hat vor dem Überfall oder ob er mitgemacht hat. Ich weiß es irgendwie nicht mehr.“
„Ein Überfall sieht Scanlon überhaupt nicht ähnlich.“
McNallen legte den Kopf schief und setzte ein saures Gesicht auf, um Corry zu deuten, dass sie sich auf fremdes Terrain wagte.
„Weißt du irgendwas, was ich nicht weiß, Deputy?“
„Ich bin in Mt. Vernon gewesen und hab mit ein paar seiner Leute gesprochen. ich hab herumtelefoniert. Er steht auf Autos, er würde jedem den Wagen unter dem Hintern wegstehlen, aber er überfällt keine Provinztankstelle, bei der er noch nicht einmal mit einhundert Mäusen rechnen kann.“
„Der Mann behauptet, es sei ein Missverständnis gewesen.“
„Ich weiß schon längst nicht mehr, was ich glauben soll und was nicht“, murmelte Jules.
Corry hatte Schreibkram zu erledigen, musste noch mal los, um eine Schar streuender Ziegen einzufangen, die aus einem Vorgarten entwichen waren, und kam erst spät am Abend dazu, Rick in der Zelle zu besuchen. Ein wenig fühlte sie sich unwohl, aber nicht so unwohl wie Rick in der Zelle. Sie hasste sich für ihre festen stämmigen Oberschenkel, die sich in der Uniform nicht kaschieren ließen, für ihre großen Füße und ihre starke Brust. Sie fühlte sich nicht weiblich genug (erst recht nicht in dieser Uniform), und an manchen Tagen hätte sie gern klein und zierlich ausgesehen. Ein Wunsch, den sie schnell wieder aufgab, wenn sie gezwungen war, ganz allein einen betrunkenen Randalierer am Boden festzunageln.
„Hi“, sagte sie, Rick blieb stumm, sah sie nur kurz an und schloss wieder die Augen. Er saß auf dem Bett, den Rücken gegen die Wand gelehnt, seine Schuhe gähnten locker an seinen Füßen, weil sie ihm die Schnürsenkel weggenommen hatten.
Das bedeutet immer, dass sie mich länger hier behalten. Verdammte Kacke.
Aus dem Vorraum war undeutlich zu hören, wie sich ein Deputy nach dem anderen verabschiedete, sie machten Feierabend und auch McNallen würde bald verschwinden. Nachtwachen der Polizei gab es in Benton nicht, jeder wusste bescheid, dass er den Officer im Notfall zu Hause erreichen konnte.
Corry blieb vor der Gittertür stehen, fand das dann aber zu unpersönlich für ein persönliches Gespräch und nahm den Schlüssel vom Haken. Rick sah sie stirnrunzelnd an, als sie die Zelle aufschloss und hereinkam, die Distanz beibehielt, indem sie sich auf das andere Ende des Holzbettes setzte.
„Ich weiß, dass du mit diesem seltsamen Überfall, der keiner war, nichts zu tun hattest.“
„Wer hat dir das denn gezwitschert?“
„In deiner ganzen Akte steht nichts von Überfällen oder Ladendiebstählen. Ich glaube nicht, dass du für Kleingeld deine Gewohnheit änderst. Vor allem nicht, wenn du gerade mit Gino Martinez in die Stadt gekommen bist und der gerade beim tanken war.“
„Vielleicht hab ich meine Gewohnheit wegen meiner Finger geändert.“
„Das glaubst du doch selbst nicht.“ Nach einer Pause sagte sie: „Ich war in Mt. Vernon und hab mit ein paar Leuten gesprochen.“
„Heilige Scheiße.“
Warum muss sich immer irgendwer einmischen? Warum kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen?
„Ich hoffe, dir hat gefallen, was immer du da auch von wem auch immer gehört hast.“
„Es hat meine Zweifel zerstreut.“
„Hah?“
Dieses Gespräch lief seltsamerweise in eine ganz andere Richtung, als sie es ursprünglich gewollt hatte; etwas hatte sich selbständig gemacht. Kein Gedanke mehr daran, dass sie ihn zu dem Überfall befragen wollte, jetzt sprachen sie über seine Vergangenheit und dass sie doch insgeheim froh war, dass sie durch ihre Nachforschungen herausgefunden hatte, dass er zwar kein Heiliger, aber auch kein irrer Mörder war.
„Das Diner an der Hauptstraße“, sagte sie, „das steht immer noch. Meine Mom hat immer gesagt, ich könne dort ruhig essen gehen, wenn mich die Ratten in der Küche nicht stören.“
„Die Bude gibt’s wirklich noch?“ Rick schüttelte sich die Finger aus. „Wie hieß noch die Bedienung, die aussah wie ein mumifizierter Filmstar?“
„Pauline. Und selbst die gibt es noch.“
Rick grinste, sah zu Corry hinüber und versuchte, etwas anderes an ihr zu sehen als die Uniform. Je länger sie sich unterhielten, über Mt. Vernon und einige gemeinsame Bekannte sprachen (die Rick nur schattenhaft und in schlechter Erinnerung hatte), löste sich die Spannung etwas und er fragte sich, ob Deputy Corry Baker nicht etwas anderem als ihrer beruflichen Neugier gefolgt war.
„Hast du was mit mir vor?“
„Ich weiß nicht. Hab ich was vor?“
„Du hockst hier mit einem müden verdammt schlecht riechenden Kerl, der die Tankstelle überfallen haben soll und von dem du so gut wie nichts weißt, wie tief du auch in der alten Scheiße graben magst. Das nenn ich etwas vorhaben.“

„Wo ist Rick?“ fragte Kenny, als Gino allein mit dem Wagen zurückkam und die Besorgungen in der Küche abstellte. Kangyo wedelte freudig um sie herum, sprang hoch und setzte die Vorderpfoten auf den Tisch, obwohl er genau wusste, dass er das nicht durfte. Gino ließ es ihm durchgehen.
O-oh, dachte Kenny, das bedeutet nichts Gutes.
„Er ist in Benton geblieben. Hilfst du mir beim einräumen?“
„Warum ist er in Benton geblieben?“
Ida kam herunter, half ihm den Vorratsraum wieder aufzufüllen, schwieg nur, als sie hörte, dass Rick nicht mit zurückgekommen war. Es war ein Schweigen, das die anderen misstrauisch werden lassen konnte, weil kein Schweigen aus Desinteresse.
„Es gab da ein kleines Problem, aber darüber solltest du dir keine Gedanken machen, Kenny.“
Kenny hasste es, wenn er sich über etwas ‚keine Gedanken machen’ sollte; das war nur ein nett ausgedrücktes ‚davon hast du keine Ahnung, weil du nur ein Kind bist’ und er bekam das oft zu hören, wenn er versuchte etwas zu verstehen.
Diesen Spruch auch noch im Zusammenhang mit Rick zu hören, war noch eine Spur dramatischer und er dachte sich schon, dass irgendwas Schlimmes passiert war, was Gino in seiner Gegenwart nicht auszusprechen wagte.
Erwachsene konnten so dumm sein. Er war zwar erst zwölf, aber er konnte mit einigen Dingen besser umgehen als seine Mom. Als sein Dad sie verlassen hatte, hatte er eine Nacht geheult und dann das Beste daraus gemacht – seine Mutter hingegen lebte zwei Monate auf Beruhigungsdrogen.
„Okay“, sagte er gleichgültig, um das Thema abzuschließen und nicht noch mehr autoritäre Belehrungen zu hören und verschwand wieder in sein Zimmer.
Rick hatte seine Sachen mitgenommen, vielleicht hatte er geahnt, dass er verschwinden würde.
Wenigstens hätte er auf Wiedersehen sagen können, aber vielleicht war das einfach nicht seine Art; wie Erwachsene so ihre Macken hatten.
 
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Kommentare  

Ach das finde ich ja auch toll, dass Du uns vor dem Urlaub noch eine Geschichte hinterlassen hast. Das ist schön und Rick ist ja am Anfang schon wieder mitten drin in den Problemen und hat es mit den gebrochenen Fingern nicht leicht. Ansonsten kann ich Jochen in allem zustimmen. Die weiche Seite haben wir ja auch bereits schon in den anderen Teilen kennen gelernt, aber das ist wieder eine ganz andere Seite, dieses hin- und her gerissen sein, seinen Weg weiter zu verfolgen oder noch bei Kenny und der Mutter zu bleiben, die ihn ja auch irgendwie anziehen. Ja und das macht den Rick auch so menschlich und liebenswert. Na mal sehen jetzt wie es weiter geht. Ist wieder sehr spannend auch aufgebaut und auch Mascot taucht hin und wieder geheimnisvoll auf. Sehr gut gemacht.

Fan-Tasia (05.07.2009)

Kenny ist zwar erst zwölf Jahre alt, aber er weiß ganz genau, was er will. Ausgerechnet den kriminellen Rick möchte er unbedingt zum Freund haben. Rick fürchtet, das der Junge abrutschen könnte, wie einst er in diesem Alter. Kann er ihn verlassen? Was soll er tun? Wirklich tolle Story, gar kein bisschen kitschig - total lebensecht. Denn es ist gut möglich, dass auch ein Kleinkrimineller eine "weiche" Seite haben kann. Rick ist allerdings ein hartgesottener Kerl und er hat sich im Laufe seines Lebens schon viele Chancen vertan. Darum bin ich misstrauisch, ob dieser Roman noch ein "Happy End" haben wird.

Jochen (24.06.2009)

Auch von mir ein tolles Sonnenwetter. Komme gut erholt und mit neuer Schreibkraft wieder.*Grins*

Jochen (23.06.2009)

Von mir kommen auch ganz liebe Grüße. Guten Flug und viel Spaß und vergiss uns nicht. Wir warten auf deine tollen Geschichten.

Petra (23.06.2009)

Also geht`s in die Heimat der Finnigans.
Na, da wünsche ich dir allerschönstes Wetter und gute Erholung, liebe Tintentod.


doska (23.06.2009)

Drei Wochen, ich flüchte auf die grüne Insel. ;0)

Tintentod (23.06.2009)

Waaaas? Du bist für lange Zeit nicht mehr online? Das kannst du uns Lesern doch nicht antun? Für wie lange denn?

Petra (23.06.2009)

Hi Doska,
das war gewollt, weil ich ab morgen für lange Zeit nicht mehr online bin & ich wollte die Geschichte nicht mittendrin unterbrechen.
Man mag es mir verzeihen.
LG Tinte


Tintentod (23.06.2009)

Hallo Tintentod, willst du dieses Geschichte nicht lieber in drei kleine Häppchen zerteilen? Man prallt vor so einem großen Brocken doch erst einmal zurück.

doska (23.06.2009)

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