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10 Seiten

Der Bogen der Zeit (1d)

Romane/Serien · Spannendes
© Hanim
Koray merkte wie der Hunger Tribut forderte, wie lange hatte sie schon nichts richtiges mehr zu Essen gehabt, 2 Monate, dazwischen immer mal ein paar warme Mahlzeiten, in dem kleinen Han auf der anderen Seite in Üsküdar...sie verdiente sich dort ihr Essen mit Holz hacken. Aber seit sie am Edirne Kapi auf Einlass wartete, hatte sie außer dem Brot gestern nichts mehr in den Magen bekommen. Auch wenn es ihr – aus welchem Grund auch immer- widerstrebte sie musste jetzt Arbeit finden, wenn auch nur für einen Tag. Es war vorher nie ein Problem für sie gewesen sich etwas zu suchen, aber jetzt und hier schien es eine nicht zu lösende Aufgabe. Sie hätte reiten können, aber selbst dazu fehlte ihr der Antrieb. Sie schwanke ein wenig und suchte den nächsten Brunnen. Dort trank sie erneut so viel wie möglich und nahm eine Hand voll Gerste aus dem Futterbeutel. Sie weichte die Körner in ihrem Becher ein, hockte sich neben den Brunnen und wartete darauf, dass sie genießbar wurden. Wie lange sie dort saß wusste sie nicht. Frauen kamen und holten Wasser, Kinder kamen und holten Wasser. Ein kleiner Junge spritzte als Mutprobe etwas Wasser in ihre Richtung, sie lachte ihn freundlich an und er lief prahlend davon. Müde kaute sie schließlich auf harten Gerstenkörnern herum, wenn sie sich jetzt aufraffen konnte zum Hafen zu gehen, würde sie wenigstens mit der Übersetzung von Warenpapieren etwas Geld verdienen können. Fand sie nichts, wäre es sicherlich noch nicht zu spät für das Essen in der Armenküche der großen Moschee am Carci.(türkisch Bazar)
Ihr Wille reichte kaum, sich zu erheben, obwohl es ihr nach dem Wasser und den Gerstenkörnern etwas besser ging. Plötzlichen stand der kleine Junge wieder neben ihr und hielt ihr schüchtern eine dicke saftige Feige hin. „Meine Mutter hat gesagt ich muss mich entschuldigen...Herr“
„Für mich?“ „Ja hab ich selbst gepflückt!“ „Hy du bist schon ein großer Junge, sag immer Bismillah wenn du etwas verschenkst!“, lächelte Koray und wiederholte damit das, was ihr Vater ihr einst beigebracht hatte. „Bismillah“, murmelte der Junge ehrfürchtig und Koray nahm die Feige. „Shukran, ya Allah!“, murmelte sie leise nur für sich. Der Junge war schon davon gerannt.
Sie betrachtete die Feige, sie war von so dunklem violett, dass sie fast schwarz erschien, große wie ein Apfel und süß duftend.
Koray saugte den Duft ein, blieb im Schatten einer Mauer stehen und blickte über das Halic auf die andere Seite. Dorthin, wo seit vielen Jahren der Okmeydane war, der Übungsplatz der Bogenschützen.
Sie biß trotz ihres Hungers nur langsam in die Feige, der Saft tropfte ihr auf die Hand. Wie wunderbar konnte der Geschmack einer einfachen Frucht sein. Er weckte Erinnerungen an ein Ereignis, das ihr ganzes Leben verändert hatte...


Akay war schmal, hochaufgeschossen,hatte ein knabenhaftes Äußeres und sie lebte ein recht freies Leben. Ihre Mutter war eine vornehme Frau aus dem Osten, die zwar eine enge Verwandtschaft zum Sultans Haus hatte, aber mehr als gelegentliche Besuche am Hof und eine kleine Pension waren davon nicht zu erwarten. Aber Akays Mutter stammte aus einer sehr reichen Familie, das einfachere Leben, welches sie nun führte, überforderte sie einfach. Sie zog sich zurück zu ihren Büchern und Miniaturen, die sie selbst fertigte. Als dann Akays erster Bruder starb und der zweite kränklich wurde, war Akay sich selbst überlassen, bis auf den Unterricht den sie regelmäßig erhielt. Der Vater machte keinen großen Unterschied bei dem Geschlecht seiner Kinder, warum auch immer. Er behandelte Akay oft mehr wie einen Sohn als ihren schwächeren Bruder, der es vorzog an Mutters Rockschößen zu hängen.

Und Akay genoss diese Zeit, sie streifte mit den Gassenjungen durch die Straßen der Stadt, kann in die Winkel im Zigeunerviertel, trieb sich am Hafen herum, stahl mit den Schmiedelehrlingen einen Fisch, den sie heimlich im Garten einer Ruine brieten und sie kamen sich vor wie Piraten. Eines Tages schlich sie sich mit 2 Jungen aus der Nachbarschaft, sie war da wohl 10 Jahre alt, nach Okmeydane, dem Platz an dem die Bogenschützen des Hofes und die Soldaten, regelmäßig übten und Wettbewerbe aus trugen. Es gab auch Damen, welche dort das Bogenschießen als Sport betrieben.
Diese wurden besonders von der kleinen Truppe bestaunt. Sie hatten sich in einem Gebüsch versteckt und beobachteten das Treiben. Die Damen übten immer etwas abseits und wurden von Eunuchen begleitet, die dafür sorgten, dass niemand sie belästigte. Für sie war ein extra Platz am Rand des Geländes abgesperrt worden und so mit einem Zaun und Hecke versehen, damit sie dort ganz ungestört, ohne die behindernden großen Überwürfe Bogenschießen konnten.
Da es Freitag war und keiner von ihnen arbeiten oder zur Schule musste, waren sie schon am frühen Morgen aufgebrochen. Akay hatte bei einem Straßenhändler ein paar Sesamkringel erstanden und nun saßen sie im Schatten und kauten auf dem mittlerweile zäh gewordenem Gebäck herum. „Ich bin durstig- und das da--!“ Selim deutete auf den Kringel den Akay noch in der Hand hielt,“hat mich auch nicht weniger hungrig gemacht!“
„Man, Selim, wir sind erst 2 Stunden unterwegs und du verhungerst schon!“ „Da schau, ich glaube sie werden gleich auf den qabak schießen.“ „Oh“ Die drei staunten nicht schlecht als Reiter sich näherten.
Die Männer waren alle prächtig gekleidet. Sie wurden von Dienern zu Fuß begleitet und sie nutzen die Gelegenheit, sich den, fast schon freizügig gebenden, Damen zu zeigen. Diese taten leicht empört als die Reiter an ihnen vorbei zogen, und ihre Eunuchen stellten sich dazwischen, aber jeder konnte sehen, dass es nur ein Ritual war. Kaum waren die Reiter vorbei gezogen, tuschelten die Damen. Sie trugen zwar einen Schal um den Kopf aber ihr Gesicht war nicht verdeckt und ihre Kleider waren so geschnitten, dass sie beim Schießen nicht behindert wurden. Ihre Zielscheiben standen abseits vom Hauptplatz und waren durch eine Hecke und den Zaun eigentlich abgeschirmt. Zum Gehölz, in dem die Kinder saßen, gab es keinen Sichtschutz und dem schmalen Weg, den die Reiter wohl absichtlich genommen hatten.

Nun begannen die Damen einen kleinen Wettbewerb auszutragen. Zuerst schauten sie staunend zu, besonders die Jungen waren fasziniert einmal fremde Frauen so wenig verschleiert zu sehen aber es war mehr der Reiz des Verbotenen als wirkliches interesse am anderen Geschlecht.
Akay fand das Geschehen langsam langweilig. Sie fing an sich kratzen, dann ausgiebig in der Nase zu bohren und dann ihre Begleiter aufzufordern, doch näher an den Übungsplatz der Männer zu schleichen.
Eigentlich brauchten sie das gar nicht, denn es gab dort immer Zuschauer aber für Kinder in ihrem Alter war anschleichen einfach aufregender. Nur gab es nicht viel, wo man sich verstecken konnte. Der kleine Turgut entdeckte dann eine eingefallene Mauer, die zu einem halb zugewachsenen Garten gehörte. Dorthin bewegten sie sich möglichst unauffällig, um dann über die Mauer in den Garten zu klettern. Tuschelnd informierten sie sich darüber, dass sie nun Spione waren. "Ach!", murmelte Turgut und deutete auf den Übungsplatz," wenn ich groß bin, werde ich der beste Bogenschütze überhaupt...auf einem weißen Pferd...“ „Wenn Du groß bist Turgut, bist du Schmied, wie Dein Vater und sonst nix!“,sagte Akay bissig. „Und du eingesperrt mit 13 Kindern!“, verteidigte der sich. „Wieso 13 ?“, murmelte Selim verständnislos und rieb sich seinen hungrigen Bauch. „Da, was für deinen Hunger“, flüsterte Akay und deutete auf einen mächtigen Feigenbaum an dem überreife blaue Feigen hingen. Der Baum reichte mit seinen mächtigen Ästen über die Mauer hinaus . „Ich hol uns welche, gib mir Deine Mütze“, sagte Akay zu Selim, der ihr sofort die Mütze reichte. Akay kletterte behende wie ein Äffchen hinauf, sie war deutlich größer und kräftiger als die zwei Knaben. Die leicht zu erreichenden Feigen waren noch grün. Nur dort wo die Sonne, ungehindert von den großen satt grünen Feigenblättern, hin schien, waren die saftig blauen Feigen, und das war am Ende der Äste. Just in dem Augenblick, in dem Akay nun in dem Baum herum turnte, kam eine Gruppe von Schützen heran, die alle genau auf die Mauer zu hielten, in deren Schatten sie nun Rast machen wollten. Neugierig wie Akay nun einmal war, kletterte sie den Ast auf dem sie gerade saß weiter nach vorne. Einer von Ihnen trug ein Ziel, das er nun aufstellte. Doch zuerst wollte man sich erfrischen. Akay langte vor sich, griff eine Feige und stopfte sie komplett in den Mund. „He, ich habe Hunger...“, flüsterte es von unten. Die Schützen öffneten gerade Wasserschläuche und stöhnten über die Hitze, als sich die erste Feige von Akays Ast selbstständig löste. Es war eine sehr dicke, sehr weiche, reife, blaue Feige, die sich, mit einem schmatzenden Geräusch auf dem weißen Turban einer der Männer, in einen rosaroten Brei verwandelte. Der erschrocken Mann neigte unwillkürlich den Kopf zur Seite und Reste der Feige tropften auf seine Jacke und Hose. Der Saft lief ihm in den Nacken. Die anderen Männer begriffen nicht sofort, was passiert war aber lachten dann schadenfroh, bis die zweite Feige ihren Weg fand und Akay voller Entsetzen erkannte, dass einer der Männer ein Freund ihres Vaters war. Sie versuchte augenblicklich so schnell wie möglich zurück zu klettern aber dabei war sie zu hastig, Feigen rieselten herunter, Akay versuchte in Panik von dem Ast zum Stamm zu gelangen, verlor den Halt und folgte dem Weg der Feigen wie eine überreife Frucht. Der Ast war nicht hoch gewesen aber sie plumpste zuerst auf die Mauerkrone, um dann schmerzhaft über die losten Steine und Lehmziegel zu rutschen.
Die Männer, die keine Feigen abbekommen hatten, brüllten vor lachen, der Rest fluchte. Akay wollte nur verschwinden aber beim Versuch auf die Füße zu kommen, bemerkte sie, dass sie ihren linken Fuß nur unter großen Schmerzen bewegen konnte, geschweige denn aufsetzen. Sie fluchte leise, sah sich hilflos nach Selim oder Turgut um, doch die Jungs waren verschwunden. Es war ohnehin zu spät. Die Schützen hatten sie entdeckt.
Einer zog sie am Arm hoch, bis sie auf einem Bein zu stehen kam. „Was haben wir denn hier für ein seltsames Tier? Es ist ganz sicher kein Vogel...aber ein Äffchen ist es auch nicht, wenn es auch den Anschein hat..!“ Akay hätte am liebsten los geheult aber dann glaubte sie, sofort als Mädchen erkannt zu werden. Durch den Sturz über die Mauer, war sie von oben bis unten mit Lehmstaub bepudert, der auch an ihrer aufgerissenen Wange und den Schrammen, die sie sich überall zugezogen hatte, klebte.
Erschrocken stellte sie fest, dass ihrem Hemd der halbe Ärmel fehlte und aus dem Stoff ihrer Hose zwei große Fetzen gerissen waren. Das würde Ärger geben.
Dass es noch mehr Ärger geben würde, war ihr dann klar, als der Mann, den sie als Freund ihres Vaters erkannte hatte, näher kam und sie genauer betrachtete. Bitte Allah, mach dass er mich nicht erkennt, betete sie. “Du bist doch...nicht etwa?“ Er wischte den Staub aus ihrem Gesicht...Doch! Was hast Du denn hier zu suchen A ..“ Er verschluckte den Rest ihres Namens.“ in diesen Sachen..!“ Ihr fiel nichts ein. Sie konnte ihre Freunde nicht verraten. Sie hatte sich auch keine Ausrede parat gelegt, stammelte nur:“Bo, Bo, Bogenschießen..:“
„Du wolltest Bogenschießen?“
„Ja..!“
„Warum hast Du Deinen Vater nicht gefragt...der erlaubt Dir doch sonst alles!“
Ihr Verstand fing in dem Maß wieder an zu arbeiten, wie sie bemerkte, dass ihr alles weh tat.“Ich -dachte – das dürfen nur Jungs...und ...und ...ich wollte auch mal reiten dürfen und..bitte mein Vater darf nichts davon wissen...!“
„Das sehe ich anders!“
Sie versuchte sich loszureißen und die anderen Männer wurden aufmerksam. „Ja wer ist denn das? Ein Vogel, der vom Himmel fiel? Was wirst du mit dem Bürschchen anfangen, Atman?“, fragte ein kleiner Dicker mit riesigem Vollbart.
„Das Bürschchen...ist .---der Sohn eines Freundes und sollte sich nicht hier herumtreiben!“
„Aber ich wollte doch nur zuschauen, ich wollte auch mal mit dem Bogen ...“
„Halt den Mund!“ „Nun sei doch nicht so streng, wenn er mal schießen will, lass ihn doch und schick ihn dann nach Hause!“ Akay warf dem Mann einen glücklichen Blick zu, der noch glücklicher wurde, als dieser ihr seinen Bogen reichte. Die anderen Männer grinsten breit „Ja nun lass es ihn doch mal versuchen, wie alt bist du denn Junge?“ „10“ „Hmm ganz schön groß dafür!“
„Hier so musst du den Bogen halten“ „Bei Allah, du humpelst ja?“ sagte plötzlich Atman Bey. „Es ist nichts, muss vorhin passiert sein!“ Akay biss tapfer die Zähne zusammen denn diese Gelegenheit wollte sie sich nicht entgehen lassen.
„Was ist nun? Willst DU? Schau unser Freund Tarik hat dort ein „ZIEL“ für dich hingestellt. Er zeigte auf ein flaschenförmigen flachen Ledersack der auf einem leichten Holzgestell einige Meter entfernt aufgebaut worden war.
Atman Bey schwieg, er konnte niemanden sagen, wer Akay wirklich war, denn ihr unmögliches Verhalten würde auf ihren Vater zurückfallen und ihn im besten Fall nur lächerlich machen.
So schwieg er und schaute grimmig auf Akay. Die aber wusste, dass dieses Abenteuer so oder so, üble Konsequenzen nach sich ziehen würde und eine solche Gelegenheit vielleicht nie wieder kommen würde. Sie schob ihre Mütze zurecht und nahm einen Pfeil aus der Hand des Dicken mit Vollbart.
„So, stell dich so hin.“ Er zeigte ihr wie sie ihre Füße und ihren Oberkörper halten sollte.
„Jetzt schau genau auf das Ziel...so und nun leg den Pfeil auf, ja gut so, halt den Bogen gerade.“
Akay starrte konzentriert auf das Ziel, ihren schmerzenden Fuß merkte sie nicht mehr.
Der Pfeil lag auf ihrer linken Hand,“So jetzt schließt du den Daumen und die Sehne und hältst ihn mit dem Zeigefinger fest, nicht den Ellenbogen so hoch...gut jetzt zieh den Bogen nach hinten...!“ Akay war groß und kräftig aber sie vermochte es nicht, so sehr sie sich auch bemühte, den Bogen mehr als nur eine Handbreit aus zu ziehen. Dabei achtete sich nicht mehr darauf den Bogen gerade zu halten und der Pfeil fiel herunter. Die Männer lachten laut. Akay griff nach dem Pfeil, um es erneut zu versuchten. Doch der Dicke hatte den Pfeil schon aufgehoben und winkte einem anderen Mann. Dieser reichte ihm einen neuen Bogen. „Versuch es damit. Das hier ist ein Bogen für ausgewachsene Männer, das willst du ja erst werden!“ Atman Bey hüstelte vorwurfsvoll im Hintergrund aber Akay biss weiter die Zähne zusammen und nahm den Bogen und einen dazu passenden Pfeil.
„So jetzt probier erst einmal ob du diesen ziehen kannst, aber nicht loslassen ohne das ein Pfeil aufliegt!“ „Weiß ich!“ Sie zog an der Sehne und konnte sie mit einigem Krafteinsatz ziehen.
Akays Fuß tat mittlerweile unerträglich weh aber sie wollte wenigstens einmal schießen. Sie legte den Pfeil auf, wie gezeigt, griff die Sehne. „So, etwas mehr mit dem Zeigefinger gegen den Pfeil drücken, dann fällt er auch nicht runter. So, jetzt ziehst du bis hierhin." Er deutete auf eine Stelle an ihrem Kinn. Akay betrachtete den Bogen und dann das Ziel, hielt den Blick fest darauf gerichtet und zog den Pfeil. Für einen Augenblick vergaß sie, dass sie die Sehne auch wieder loslassen mußte, doch das hohe Zuggewicht des Bogens forderte sie schon dazu auf. Der Pfeil schlug rechts neben dem Ziel in den Boden. „Haha, der wird dir noch die teuren Pfeile alle kaputt schießen!“
„Noch mal,“ sagte der Dicke geduldig und reichte Akay einen neuen Pfeil. Diesmal wußte sie, wie es funktionierte. Es war nicht so, dass sie noch nie mit einem Bogen geschossen hätte, aus Haselstöcken hatte sie sich mit den anderen Kindern Bögen gebastelt, aber das war eben nur ein Stock mit einer Schnur und krummen Pfeilen.
Akay konzentrierte sich auf einen Lehmfleck mitten auf dem Ziel, sie atmete tief durch, atmete aus und ließ den Pfeil von der Sehne. Er landete genau in der Mitte der Scheibe, allerdings nicht nur in dem Fleck sondern in dem markierten Zielpunkt.
„Danke“ sagte sie stolz und wollte den Bogen zurück geben. „Nein, schieß noch einmal!“ der Dicke gab ihr den nächsten Pfeil. Erneut traf Akay, fast unmittelbar neben den ersten Pfeil.
„Gut- warte wir stellen die Scheibe etwas weiter!“ „Der Junge muß nach Hause!“
„Ach Atman, nun lass ihn doch die kurze Zeit, er hat Talent ich möchte sehen was er so kann!“
Die Scheibe stand jetzt ein ganzes Stück weiter weg. Wieder war der erste Schuß zu kurz bemessen und wieder traf Akay mit den nächsten Pfeilen. „Hast Du schon einmal mit einem richtigen Bogen geschossen?“ Akay schüttelte den Kopf, „aber ich habe mir selbst einen gemacht aus Haselholz!“
Der Dicke wiederholte das Spiel bis die Scheibe auch für einen guten Schützen in einiger Entfernung stand. Akay tat mittlerweile der Daumen gehörig weh und sie konnte ihren Fuß kaum noch aufsetzten. Diesmal brauchte sie mehrere Schüsse um die Entfernung richtig ein schätzen zu können und traf dann erneut. Die Männer beglückwünschten Akay und schlugen ihr auf die Schulter.
Akay dachte nicht mehr an ihren Fuß. „Du bist wirklich talentiert; sag seinem Vater der Junge hat Talent. Er soll ihm erlauben, das Bogenschießen zu lernen-“ dann wandte er sich an Akay „und du Junge, wie heißt du überhaupt?“ „äh, ich äh....Mehmet“ „Guter Name, was lässt dein Vater dich lernen“ „Lesen, schreiben, Musik...Koran kerim...“ sie zuckte mit den Schultern. „Ach die modernen Zeiten, ein Mann muss reiten, schießen und schwimmen können.“
Die Männer lachten erneut, „gerade du sagst das, altes Schilfrohr, bist selbst kaum auf dem Pferde und schießen tust du nur hier..!“, riefen sie, aber die Worte waren sehr respektvoll dargebracht.

„Danke – ich werde es meinem Vater ausrichten! Aber Atman Bey hat recht, ich muss jetzt wirklich heim!“ Sie reichte dem Dicken den Bogen und wandte sich hastig um, damit sie dem Zugriff Atmans noch entkommen konnte. Doch in dem Augenblick, indem sie den Fuß unbedarft belastete, schoss ihr der Schmerz ins ganze Bein. Sie humpelte 2 Schritte weiter und dann versagte ihr Fuß den Dienst.
Mit einem kleinen Aufschrei fiel sie einfach um. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen. welche sie sofort zu verbergen suchte, aber ihr fiel dann ein. welche Folgen das Ganze nun haben würde und sie konnte sie nicht mehr zurück halten.
Der Dicke und Atman waren aber schon bei ihr.
„Ich bring dich nach Hause!“ sagte Atman so streng, dass keine Widerrede möglich war.
„Halt halt, lass mich mal nach dem Fuß sehen.“ Der Dicke nahm Akays Fuß vorsichtig hoch, er tastete daran herum und Akay gab tapfer keinen Laut von sich. Er drehte den Fuß langsam nach rechts und links, zog dran bis Akay vor Schmerz zuckte und tief Luft holte.
„Du bist ein tapferer kleiner Junge!“ sagte der Dicke ernsthaft aber sanft,“ Da ist wohl nichts gebrochen und keine Sehne abgerissen, doch ist es keine ungefährliche Verletzung. Damit das alles ausheilt, solltest Du Deinen Fuß schonen. Umschläge mit Yogurt und Wasser zum kühlen und Bettruhe für 14 Tage!“
Akay sah den Dicken staunend an. „Seid Ihr ein Hekim!“
Atman versetzte Akay eine heftige Kopfnuss:“ Du missratenes Kind hast mehr Glück als Verstand, das ist Dede Korkut , einer der Leibärzte Ibrahim Pashas und der besten Bogenschützen in dieser Stadt!“
„Ja und deshalb würde ich dir gerne das Bogenschießen beibringen. Frag Deinen Vater um Erlaubnis.“
„Da wird nichts draus, da bin ich mir ganz sicher!“ murmelte Atman und packte Akay am Kragen und zog sie hoch. „Du wolltest doch auch reiten, nicht wahr. Das tun wir jetzt. Warte hier.“

Atman ging fort, um sein Pferd zu holen und Akay wartete mit klopfendem Herzen. Der beste Bogenschütze wollte ihr das Schießen beibringen... es musste einen Weg geben, es musste irgendeinen Weg geben. Und ein Weg tat sich auf , leise sagte der Dicke, „und wenn Dein Vater es nicht erlaubt, Du findest mich hier fast jeden Morgen nach dem Gebet!“
Akay seufzte leise und schickte dankbar ein Gebet zum Himmel.

Atman Bey brachte Akay auf seinem Pferd nach Hause. Er hatte sie auf das Pferd gesetzt und es dann geführt. Den ganzen Weg schwieg er entweder oder er machte ihr furchtbare Vorwürfe:“Wie kannst Du die Ehre Deines Vaters so in Gefahr bringen. Wenn jemand anders dich erkannt hätte!“
„Hätte er mich für meinen Bruder gehalten...“ „Das ist Unsinn und das weißt Du, Dein Bruder ist viel jünger als Du! Und wer Euch kennt, kennt Euch beide. Hast Du denn keinen Verstand, warst Du wenigstens allein unterwegs!“Akay nickte und dachte an Turgut und Selim.

Der Vater nahm die Sache weit weniger schlimm auf als ihre Mutter. War er doch oft monatelang bei seiner Nomadenfamilie gewesen und die Kinder dort machten kein großes Aufheben über Bogenschießen, Reiten und so weiter, ganz gleich ob Mädchen oder Junge.
Die Mutter aber fiel aus allen Wolken und tadelte den Vater ob der Erziehungsmethoden obwohl es eigentlich ihre Aufgabe war. sich um die Erziehung der Kinder, insbesondere des Mädchens zu kümmern.
Der Vater aber blieb der Meinung, dass Kinder, gleich welchen Geschlechts alles erlernen sollten, wozu sie die Gelegenheit hatten. Nur die Art und Weise wie Akay sich das Wissen hatte verschaffen wollen, gefiel ihm auch nicht. Zumal er nun die Vorwürfe seines Freundes Atman und seiner Frau bei jeder passenden Gelegenheit über sich ergehen lassen musste. So konnte er erstmal Akay den Wunsch nach Bogenschießen nicht erfüllen.
Aber, dachte Akay, in 14 Tagen, in 14 Tagen in der Morgendämmerung nach dem Gebet...! Und in Gedanken hielt sie den Bogen noch einmal, zog die Sehne und ihr Gedanke folgte dem fliegenden Pfeil ins Ziel.
 
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Kommentare  

Ein sehr gelungener Rückblick in die Vergangenheit Akays. Schöne atmosphärische Dichte und auch heute ist es für moslemische Frauen nicht gerade einfach, die gleichen Rechte wie ein Junge zu erlangen.

Jochen (17.03.2011)

Wie üblich ein sehr nettes Kapitel. Herrlich beschrieben und sehr authentisch.
Jedoch muss jemand wie ich, der nicht viel mehr aus dem Morgenland weiß als das, was ich aus den Geschichten von Karl May und Hans Christian Andersen gelernt habe, viele Bezeichnungen (auch wenn sie sich oft selbst erklären) zwischendurch nachschlagen.

Ein kleiner Absatz zum Schluss mit Worterklärungen oder Übersetzungen würde mich sehr freuen.


Jingizu (24.08.2010)

Sorry liebe Leser für die blöden Fehler im Text, ich habe versucht sie möglichst auszubessern aber sicher einiges übersehen. Ich schreibe auf einem Laptop und wenn man das Touchpad berührt dann kann es passieren das unbemerkt Buchstaben, Kommata etc verschwinden oder an eine andere Stelle gesetzt werden...
Also bitte ich um Entschuldigung und versuche im nachhinein alles noch zu korrigieren.Danke für Euer Verständnisssssssssss!


Hanim (22.08.2010)

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