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6 Seiten

Selena - Kapitel 19

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Der Überraschungsmoment verhalf den Rebellen zu Blitzerfolgen bei der Übernahme von Kontrollpunkten und strategischer Schlüsselpositionen innerhalb der Stadt. Dabei konzentrierten die Rebellen ihre Angriffe in von Orks kontrollierten Bezirken von Ono. Ihnen wurde Anfangs kein ernsthafter Widerstand entgegengesetzt. Sie kamen schneller voran als erwartet. Doch irgendwann geriet jeder Vormarsch, ob nun bei einem Landfeldzug oder in der Stadt, zwangsläufig ins Stocken und zum Stillstand. So folgten die ersten ernsten Widerstände, unblutige Scharmützel. Hauptsächlich mit von Orks geführten Truppen.
Um einen Übergriff auf andere Bezirke zu verhindern, befahl Militärgouverneur Cris einen Gegenangriff um den Aufstand im Keim zu ersticken. Dafür schickte er 2 Truppenkontingente aus der Fürstenfestung, die eigentlich zur Absicherung dienten, hinaus. Der Gegenangriff folgte über einen Bezirk, der von Urikais gesichert wurde. So wollte er in die Flanke der Aufständischen stoßen.
Ein Bote stürmte zu ihm. „Sir.“ So früh hatte er keine Nachrichten erwartet. „Wir wurden angegriffen…“, sprudelte es hastig aus dem Urikai. Natürlich wurdet ihr angegriffen, raunte Cris in Gedanken. So was kam in einer Auseinandersetzung schon mal vor. Der Bote schnappte nach Luft. Schweißperlen waren auf seiner Haut zu sehen.
„Ist die Lage unter Kontrolle?“, wollte Cris abfällig wissen.
Der junge Urikai sah ihn verständnislos an. „Äh…Nein…Sir!“
„Seid ihr denn unfähig einen Angriff von Orks abzuwehren!“, brüllte sein Befehlshaber.
Er zuckte zusammen. „Sir…Wir wurden nicht von Orks angegriffen.“ Cris sah ihn verständnislos an. Die Truppenkontingente wurden angegriffen. Diese Unfähigkeit brachte ihn in Rage. „Sondern von den Truppführern Grekson und Jedek.“ Für einen kurzen Moment konnte er nicht begreifen, was ihm der Bote mitteilte. Dann schlug die Nachricht wie eine Bombe ein.
Ein Gefreiter eilte herbei. „Gouverneur. Der Bezirk von Truppführer Sarc wird angegriffen.“
Die Ereignisse überschlugen sich. Alles schwirrte wie ein Schwarm umher. „Von wem?“ Seine Stimme bebte.
„Truppführer Berak.“

***
Fieberhaft überlegte sich der Ork eine Lösung. Er wollte Selena nicht alleine gegen die Krone antreten lassen. Sie wurde ständig von Reitern bewacht. Von wie vielen wusste er nicht. Mal sah er zwei, dann wieder keinen. Die Reiter waren wie Geister, verschmolzen mit den Schatten der Dunkelheit. K`reuk verlangsamte seine Schritte.
Ab der nächsten Biegung waren es nur noch wenige Meter zur Treppe, die nach oben führte. Seine Absicht war eine andere. Sie mussten alles in ihrer Macht stehende tun, um der Erbin zum Sieg über die Krone zu verhelfen. Selbst wenn sie ihre eigenen Leben dabei verloren. Es ging um viel mehr als um den Einzelnen.
Verstohlen schaute K`reuk zu seinen Begleitern. Ein weiteres Mal verlangsamte er seine Schritte. Sie folgten seinem Beispiel. Er fokussierte sich. Atmete gleichmäßig. Aus Ruhe entstand Kraft. Die Schritte der Reiter kamen näher. Jetzt!
Ohne zu zögern, wirbelte K`reuk herum, winkelte seinen Arm an und zielte den Schlag blind. Sein gerüsteter Ellbogen hämmerte auf den Schädel des Reiter hinter ihm. Man hörte das knirschen von Metall. Der Reiter taumelte kurzzeitig. Er griff zu seinem Schwert. Ein Fehler, den K`reuk umgehend ausnutzte.
Seine Begleiter hatten ihre Attacken nur den Bruchteil einer Sekunde später ausgeführt. Die Kreaturen reagierten auf die blitzschnellen Attacken überhaupt nicht. Aus der Armschiene, des Ork, fuhr eine rasiermesserscharfe Klinge. Er rammte sie dem Biest durch den Unterkiefer gerade hoch in den Schädel. Stumm starb der Reiter.
Sein Gefährte schlug mit voller Furcht gegen den Schädel seines Bewachers. Einmal. Zweimal. Dreimal. Jedes Mal mit mehr Kraft. Das Metall knirschte, riss. Immer wieder hämmerte er mit seinen Pranken auf den Reiter ein. Er schwankte, wehrte sich aber nicht. Was den Ork nicht weiter kümmerte. All seine Wut, der Hass, der Zorn entlud sich in seinen Fäusten. Der Reiter war chancenlos.
K`reuk packte den Arm, verdrehte ihn und schlug mit der Faust aufs Gelenk. Man hörte das Brechen des Knochens. Kein stöhnen oder Schrei. Als wären die Reiter seelenlos. Tote Kreaturen. Geschaffen zum Dienen. Er packte den Kopf, wirbelte herum und brach dem Reiter mit einem kräftigen Ruck das Genick. Klaglos sackte er zusammen.
Beim Anblick der toten Reiter kam ihm eine Idee.

***
Sie verließen die Katakomben über eine Treppe, gelangten in die Westhalle, stiegen die Stufen der Granittreppe hinauf in den 1. Stock. Dort ging die Gruppe um Selena einen breiten Flur mit geflecktem Marmorboden entlang. Vorbei an großen Fenstern, durch die man über die Festungsmauern hinweg auf Ono schauen konnte.
Der Alb blieb stehen, wandte sich den Fenstern zu und sah hinaus. Infolge des Aufstands war es zu kleinen Feuern gekommen, die sich inzwischen zu Bränden ausgeweitet hatten. Der Schein der Feuer war deutlich zu erkennen.
Er schaute Selena kalt an, machte kehrt und eilte davon. „Bringt Sie zur Krone.“ Ihm fiel das flüchtige Lächeln der Albin nicht auf.
Zusammen mit den Reitern passierten sie einen abgehenden Flur, der in tiefer Dunkelheit lag. Man sah nichts außer Schwärze. Ohne zu stoppen, ging sie daran vorbei. Ein schmuckloser Vorraum kam am Ende des Flurs. Über der großen Doppeltür befand sich das Wappen der Krone. Dahinter lagen die wahren Räumlichkeiten ihrer Tante. Selena konnte nichts sagen, was es war, aber etwas stimmte nicht. Es war ein Gefühl. Eine Ahnung.
Plötzlich blieben ihre Begleiter mitten im Raum stehen, als hätten sie ihre Gedanken gelesen. War das möglich?, schoss es ihr unmittelbar durch den Kopf. Gedankenverschmelzung. Darum sprachen die Kreaturen nicht miteinander oder überhaupt. Willenlose Hüllen. Mehr waren die Reiter nicht.
Die Dunkelheit schien sich zu bewegen. Da war etwas oder jemand, aber Selena spürte keine Bedrohung. Konturen zeichneten sich in der Dunkelheit ab, nahmen Formen an und traten hinaus. Reiter. Ihre Bewegungen waren anders. Mit einem kurzen Ziehen lösten sich die Fesseln. Etwas rutschte zu beiden Seiten aus der Dunkelheit auf sie zu.
Selena ging in die Hocke, griff blindlings zu, drehte sich herum, sprang und zog ihre Arme nach. In ihren Händen hielt sie 2 Kurzschwerter. Die Klingen durchschlugen das dünne Blech am Hals der Reiter, schnitten sich tief ins Fleisch. Sie zog die Klingen hinter sich her, landete leichtfüßig auf dem gesprenkelten Marmor. Aus der Wunde ergoss sich das Blut der Kreaturen, bildeten innerhalb weniger Sekunden einen See. Ihre Wachen gingen in die Knie, blieben teilnahmslos und kippten vornüber.
Selena kümmerte sich darum nicht, sondern fixierte die 3 Reiter. Da schob einer das Visier hoch. Statt das Gesicht einer Kreatur, tauchte dahinter ein zufrieden dreinblickender Ork auf. „Ihr habt euch Zeit gelassen, Hauptmann.“
K`reuk entblößte seine Hauer.

***
„Was geht hier vor sich?“, wollte der Minister wissen.
„Wir haben alles unter Kontrolle.“, log der Militärgouverneur.
Der Alb funkelte ihn zornig an. „Danach sieht es überhaupt nicht aus.“, sprach er düster. „Unser Vertrauen in euch scheint sich nicht zu bewahrheiten, Gouverneur.“
„Es gibt einen Aufstand.“
„Das sehe ich.“, wies er den Urikai zurecht. „Die Lage scheint ganz und gar nicht unter Kontrolle.“
„Die Aufständischen greifen uns massiv von drei Seiten an. Orks. Elben. Urikais.“
Die Miene verfinsterte sich. „Zieht eure Truppen zusammen. Ihr greift die Flanken an.“
„Ich habe bereits zwei Truppenkontingente zur Stabilisierung rausgeschickt.“
„Ohne Erfolg.“, zischte der Minister. „Ihr habt eure Befehle, Gouverneur.“
„Jawohl, Minister.“, erwiderte Cris unterwürfig. Mit einem Wink schickte er einen Gefreiten mit der entsprechenden Anweisung los. Seine Karriere und sein Leben hingen an einem seidenen Faden, den der Minister jederzeit durchschneiden konnte.
„Wenn wir die Flanken angreifen, ist das Zentrum ungeschützt.“, sagte Cris vorsichtig und kleinlaut.
Der Minister schaute durch das Fenster nach draußen. Da erschien ein Reiter. Er kam aus dem Nichts. „Macht euch um das Zentrum keine Sorgen, Gouverneur.“
Ein Trupp der Reiterschaft ritt in diesem Moment durch das Westtor. Cris lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinab.

***
„Verräter.“ Sarc spuckte Berak verächtlich vor die Füße.
„Das ist eure Meinung, alter Freund.“, erwiderte er ruhig.
Der Trupp des Urikais war besiegt. Sein Bezirk unter ihrer Kontrolle. Sie waren auf dem Vormarsch. Dadurch breitete sich die Front aus. Was ihr Nachteil war. Andererseits hatte man mehr erreicht als vermutet.
„Ihr habt euch mit den Bleichgesichtern verbündet.“ Der Truppführer sah finster zu der Gruppe Elben, die bei Berak standen.
Er schaute zu ihnen. „Es ist Zeit für Veränderungen.“, sagte der Urikai an Sarc gewandt.
„Abschaum.“, spie er entrüstet. Truppführer Sarc war der Krone loyal, bis in den Tod.
Berak zögerte nicht. Aus dem Hals sprudelte das Blut heraus, lief den Körper herunter. Er hatte ihm die Kehle aufgeschlitzt.
Ein elbischer Aufklärer erschien. „Sie schicken die Reiter.“ Da erklang schon das Hämmern der Hufe. Der Urikai schaute zur Anführerin der Elben.
„Wir ziehen uns zurück.“, lautete sein Befehl.

***
Die Doppeltür öffnete sich lautlos. Gefesselt, von 2 Reitern flankiert, trat Selena ein. Der Raum war nicht das, was sie erwartet hatte. Kerzen leuchteten bis in den letzten Winkel. Ein Teppich mit Mosaikmuster. Ein Stuhl mit hoher Lehne hinter einem großen Schreibtisch. Am Kopf der Lehne befand sich ein Ornament. Das Wappen der Krone. An der Wand zu ihrer Linken hing ein rahmenloses Leinwandgemälde. Sie erkannte es sofort wieder. Das Gemälde war eine exakte Kopie dessen, was Selena in ihrer Vision sah. Es zeigte das Reich der Orin. Eurasien. Rawa. Basra. Ein Tuch bedeckte einen Gegenstand auf einer Säule, unweit vom Schreibtisch. An einer fensterlosen Wand stand ein offenes Sideboard. In ihm lagen mehrere Bücher, Schriftrollen, gebundene Textsammlungen. Am einzigen Fenster stand die Krone, schaute hinaus.
Selena blieb im Raums stehen. Sie schaute zum Gemälde. Wieder stand dem Reich der Orin eine Zerreißprobe bevor. Außer dass das Reich der Orin längst vergangen war. Die Schwestern spalteten es. Bekriegten sich und zerstörten das Erbe ihres Vaters; Den Bund der Völker.
„Du hast die Quelle gefunden.“, flüsterte die Krone flach.
„Ja.“, sagte Selena schlicht. Außer dem eigenen Herzschlag hörte man nichts weiter. „Euer Vater hat das Reich unter euch aufgeteilt. Zu seinen Lebzeiten herrschte Frieden im Reich. Mit seinem Tod starb der Friede. Jede von euch wollte die Stärkste und Mächtigste sein.“ Der unterschwellige Vorwurf blieb ohne Wirkung. „Meine Mutter und du habt euch gegen Leena verbündet. Sie kontrollierte die Magie, zog ihre Macht und Stärke aus ihr. Darum ließ meine Mutter die magische Quellen in Eurasien zerstören. Das brachte die Magie im Reich zum versiegen.“ Selena stoppte kurz. „Was Leena schwächte. Du wolltest es ausnutzen und sie unterwerfen. Um dann meine Mutter anzugreifen.“ Das Spiegelbild der Krone schaute sie wortlos an. -Der Feind meines Feindes ist mein Freund.- Den Spruch hatte Michael mal gesagt, als er ein Bündnis mit ihr eingegangen war. „Sie zerbrach das Reich in 2 Teile, um dich daran zu hindern. Mithilfe der Jünger der Orin hast du versucht die Völker gegeneinander auszuspielen und sie zu schwächen. Sie wehrten deine Streitmacht ab, verschlossen das Tor von Okai und vernichteten den Orden der Jünger.“ Alles fügte sich ineinander. Nein, das Bild war schon immer komplett gewesen, bloß der Blick darauf war in mehrere Stücke geteilt. „Ihr habt euch gegenseitig so geschwächt, dass ein Patt entstand. Jetzt willst du mithilfe der Völker Eurasiens den bevorstehenden Kampf mit Leena gewinnen.“ Die Krone wandte sich zu ihr. Einen Moment lang glaubte Selena Furcht zu sehen. „Dazu muss die Passage von Okai geöffnet sein. Ein Weg über die Berge würde deine Truppen zu sehr schwächen.“ Schlussfolgerte sie. „Das Tor von Okai kann von Rawa aus nicht geöffnet werden.“
Ihre Lippen verzogen sich zu einem lächeln. „In diesem Punkt liegst du falsch.“, sprach Mjra sicher. Zu sicher, wie Selena fand. „Mit dem Blut derer die es verschloss, lässt sich das Tor öffnen.“

***
Die Rebellen wurden von ihren jeweiligen Aufklärern gewarnt, als die Reiter das Westtor passierten. Zur gleichen Zeit verließ ein großer Trupp die Fürstenfestung, teilte sich auf und marschierte gegen die Flanken der Rebellen. Da hatte deren Rückzug schon begonnen. Schwere Kämpfe blieben aus. Die Truppführer erstatteten dem Gouverneur umgehend Bericht: Der Feind gab die Stellungen auf. Sie zogen sich massiv zurück.
Die Nachricht brachte Cris ins Grübeln. Von der Mauer aus schaute er auf die Stadt. Jahre lang war ihm der Anblick verhasst. Sein Ehrgeiz war es in der Hierarchie aufzusteigen. Ganz egal wie. Hauptsache weg. Als die Krone ihn zum Militärgouverneur ernannte, sollte der Posten nur ein Zwischenschritt sein. Mit einmal war alles in Gefahr. Seine Karriere. Sein Leben. Wenn er den Sonnenaufgang erleben wollte, musste er aus der Nacht als Sieger hervorgehen. Koste es, was es wolle.
Die Rebellen hatten weite Teile der Stadt unter ihrer Kontrolle. Welche sie jetzt kampflos aufgaben. Sie besaßen weitaus bessere Chancen zu siegen als die Loyalisten. Daher machte es keinen Sinn, sich plötzlich zurückzuziehen. Außer der Angriff war nur eine Ablenkung. Bloß für was? Er schaute die Mauer entlang, schweifte über den verwaisten Palasthof zum Westflügel, an dem er haften blieb, wie ein Insekt in einem Spinnennetz.
Die Puzzleteile fügten sich wie von selbst ineinander. Ein unfassbares Bild lag vor ihm. Unmöglich!
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Ende, Kapitel 19
© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Es ist weiterhin spannend. Was wird Cris jetzt machen?

Petra (29.12.2010)

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