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5 Seiten

ILLUNIS - Kapitel 12

Romane/Serien · Fantastisches
© Angy
Kapitel 12 – Falsche Idylle

Damon verließ den Frühstückstisch früher als meine Eltern und ich und er aß auch nicht wirklich viel, ein paar Bissen höchstens.
Ich hatte schon den Verdacht, dass zwischen ihm und Chryses etwas vorgefallen sein könnte. Doch normalerweise hätte mich Chryses gleich darüber informiert, deshalb war mir das ganze etwas schleierhaft.

„Damon?“, fragte ich vorsichtig, als ich an die Türe seines Zimmers klopfte.
„Ja?“, brummte er.
Zögernd öffnete ich die Tür und trat ein. Damon lag am Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und an die Decke starrend.
Ich blieb vor seinem Bett stehen und betrachtete sein Gesicht. Seine Mine war hart und von nicht viel Ausdruck. Als wolle er vor mir verbergen, dass er wütend ist.
„Was machst du heute am Nachmittag? Hast du was vor?“
„Was soll ich schon vor haben?“, grummelte Damon.
„Gut – dann hast du jetzt etwas vor. Nach dem Mittagessen zeige ich dir etwas.“
Ich schenkte ihm ein zartes Lächeln und verließ dann mit diesen Worten wieder sein Zimmer.
Ich hoffte sehr, dass ich Damons Laune etwas heben konnte, deshalb wollte ich ihm am Nachmittag einen ganz besonderen Ort zeigen.

„Wo bringst du mich denn hin?“, fragte Damon lasch.
„Das wirst du schon sehen! Komm schon!“ Ich hingegen war voller Elan.
„Wenn es sein muss..“, brummte er und ließ sich widerspenstig von mir aus dem Haus ziehen.
Es war ein warmer Tag, so lief ich gleich barfuß hinaus in den Garten. Bekleidet war ich mit einer schwarzen Hose, die mir bis kurz ober die Knie reichte und einem dunkelblauen Shirt, auf dem ein Anker und die Aufschrift 'Ahoy Matey' zu sehen war. Meine rötlichen Haare hatte ich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden.
Damon ließ ich ebenfalls keine Gelegenheit, in seine Schuhe zu schlüpfen. Sein schwarzes Haar war zerzaust und seine Augen wirkten immer noch etwas verschlafen.
Ich zerrte ihn durch den Wald, über einen schmalen Weg, wo er sich immer wieder darüber beschwerte, dass er wegen mit keine Schuhe an hatte, er nun die ganze Zeit auf die Nadeln der Tannenbäume trat und ihm das ja so fürchterlich weh tat.
„Es gibt einen Ort hier im Wald, der noch unverändert ist. Es ist ein verzauberter Ort, so, wie die Elben ihn erschufen. Du wirst anfangs wahrscheinlich denken, dein Kopf spiele dir einen Streich.“
Ich lugte zu ihm zurück und grinste etwas.
Er sah mich an und hob eine Augenbraue, immer noch total entgeistert. Doch ich ließ mich davon nicht irritieren.
Ich suchte diesen Ort oft auf, wenn es mir nicht gut ging, ich irgendwelche Probleme hatte, meine Ruhe brauchte und über etwas nachdenken musste. Dieser Ort war vollkommen...
„Wir sind gleich da“, sagte ich ruhig.
„Na endlich. Es kommt mir vor, als würden wir schon Stunden gehen. In Wolfsform wäre es doch viel schneller gegangen“, beschwerte sich Damon.
Ich drehte meinen Kopf zu ihm und setzte abermals ein Grinsen auf.
„Wahrscheinlich. Nur... Kann ich mir nicht vorstellen, dass du dann die ganze Zeit nackt vor mir herum laufen willst.“ Ich kicherte etwas, ehe ich mich durch ein dichtes Gestrüpp kämpfte.
Damon folgte mir und schimpfte natürlich wieder nur vor sich hin.
Doch als er dann ebenfalls das Gestrüpp bewältigt hatte, wurde er plötzlich ganz stumm.
Mit großen Augen betrachtete er die weitläufige Wiese, die inmitten des Waldes, umgeben von lauter Bäumen, lag. Der Bach, der durch den Wald floss, floss auch durch diese Wiese und teilte sie exakt in der Mitte. Ein kleine, gebogene Brücke aus Holz, welche mit kleinen Schnitzereien geziert war, machte die beiden Hälfte jedoch zu einem.
Ein Schrein, aus weißem Stein gemeißelt, befand sich in unmittelbarer Nähe von uns. An seinen Pfählen kletterten die Ranken roter Rosen hinauf. Es befanden sich dort auch einige Steintafeln. Auf einer war die Geschichte des Dorfes festgehalten, von dem Bündnis bis zum bitteren Untergang. Auf anderen standen in alter Schrift die Weisheiten und Lehren der Elben, doch sie waren nur noch schwer zu entziffern.
Eine Sonnenuhr, die an eine Weltkugel erinnerte, befand sich an der Stelle, wo sich das Sonnenlicht am besten durch die Blätter kämpfen konnte.
Viele verschiedene Pflanzen und Blumenarten wuchsen dort, welche früher von dem Elben gehegt und gepflegt wurden und später für medizinische Zwecke verwendet wurden.
Ich schenkte Damon ein warmes Lächeln, als der Umgebung stumm betrachtete.
„Früher war es jedoch noch viel schöner hier, als die Fabelwesen diesen Ort mit ihrer Anmut beglückten“, sagte ich mit sanfter Stimme.
„Es strahlt dennoch einen gewissen Zauber aus“, warf er ein.
Ich nickte.
Ich schritt langsam etwas vor und ließ mich in der Nähe des Baches in der saftig grünen Wiese nieder.
Damon folgte mir langsam und nahm neben mir Platz. Er war stumm, ich war stumm, wir beide lauschten den plätschern des Wassers.
„Willst du Zeit zum Nachdenken? Dann lasse ich dich auch gerne alleine hier verweilen“, fragte ich.
„Zeit zum Nachdenken? Worüber denn?“ Seine Antwort fiel als Gegenfrage aus.
„Ich weiß es nicht. Jedoch merkt man, dass deine Stimmung heute irgendwas hemmt.“
Er schaute mich an und seufzte.
„Es ist nichts...“
„Ich hasse es, wenn mich Leute belügen“, protestierte ich.
„Lügen?“ Er runzelte die Stirn.
„Ja, du lügst mich an.“ Darüber war ich mir sicher.
„Vielleicht tue ich das, weil ich einfach nicht mit dir darüber sprechen will“ sagte er schroff.
Ich schürzte die Lippen und zog die Augenbrauen zusammen.
Damon ließ sich zurück ins Grad fallen und begann wieder zu schweigen. Für ihn war das Gespräch nun eindeutig beendet, als beschloss ich, nun auch nicht weiter nach zu bohren.
In diesem Moment hätte ich gerne die Gabe gehabt, Gedanken zu lesen. Den man konnte sehen, dass er nun angestrengt nachdachte.
Ich war ein sehr neugieriger Mensch und so nagte es an mir, dass ich nicht erfahren durfte, was geschehen ist.
Natürlich wollte ich es nicht nur aus Neugierde wissen, sondern auch, um Damons Wohl.
Abgesehen davon war ich etwas besorgt, dass seine Laune etwas mit Chryses zu tun hatte.
„Aurora?“, fragte er nach einiger Zeit des Schweigens.
„Ja, Damon?“ Mein Blick glitt wieder zu ihm.
„Weiß mein Vater, was hier vor sich geht?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Wie kann das sein? Ich meine... Wie kann er das nicht wissen? Irgendwoher muss ich doch schließlich dieses Wolfsgen haben.“
„Aber nicht von deinem Vater.“
„Ich verstehe...“
„Deine Mutter war eine wunderschöne Wölfin“, bemerkte ich vorsichtig.
Er zuckte bloß mit den Schultern.
„Bevor sie verschwunden ist, war sie hier, bei meinem Vater. Sie bat ihn darum, dass wir dich hier aufnehmen, wenn deine Zeit als Wolf gekommen ist. Sie wollte, dass wir dir alles lehren und dich behutsam in diese Welt einführen. Dann ist sie gegangen. Sie verschwand mit einem etwas jüngeren Mann, der im Gegensatz zu deinem Vater auch ein Wolf war und kam nie wieder zurück.“
Damons Mutter war eine Egoistin gewesen. Mein Vater bedauerte zwar immer, dass sie ihre Kinder sehr liebte, doch ihre Liebe zur Freiheit war größer gewesen.
So verließ sie ihren Mann, der als einfacher Mensch ihren Erwartungen nicht gerecht werden konnte und ließ ihre Kinder zurück. Sie wusste, dass nur Damon ihr Gen geerbt hatte und als sie sicherstellte, dass er, wenn es so weit ist, zu seinen Gleichgesinnten findet, konnte sie ohne schlechtes Gewissen untertauchen. Anfangs setzte Lucian noch Hoffnungen daran, dass sie doch zurückkommen würde, doch sie ließ nie wieder etwas von sich hören. Es war, als wäre sie gestorben.
Zu der Zeit war ich natürlich noch ein sehr kleines Kind, doch ich konnte mich genau an die Schönheit und Kraft erinnern, die sie ausstrahlte.
Mein Vater erzählte mir kurz vor Damons Ankunft diese Geschichte erneut.
Ich beobachtete Damon ganz genau, ich wollte seine Reaktion sehen, auf das, was ich ihm gerade erzählte. Denn nun musste auch er alles mit ganz anderen Augen sehen. Ob sich dies positiv oder negativ auswirken würde, konnte ich nicht abschätzen.
Er biss kurz die Zähne zusammen. Doch kurz darauf entspannten sich seine Gesichtszüge wieder.
„Und was ist mit meiner Schwester?“ Er schien seine Mutter völlig ausblenden zu wollen und ignorierte dieses Thema einfach. Doch nun wusste er die Wahrheit und das hatte er verdient.
„Sie ist von den Genen nicht betroffen“, antwortete ich ihm.
„Gut...“
Nun hatte ich eine Frage an ihn: „Willst du wieder nach Hause?“
Er strich sich mit den Händen sein Haar zurück und überlegte kurz.
„Ich weiß es nicht. Zu Hause ist es schön... Doch etwas haltet mich hier fest.“
„Du gehörst mehr hier her als nach Hause...“
Sein Blick traf den meinen. Dann richtete Damon sich wieder auf und schaute in die Ferne, oder besser gesagt ins Leere.
Ich stand auf.
„Was hältst du von einem Wettrennen nach Hause?“, sagte ich mit einem breiten Grinsen.
Er zog die Augenbrauen hoch. „Als ob du eine Chance hättest.“
„Das nehme ich jetzt mal als ja!“
Im nächsten Moment nahm ich meine Wolfsform an, mit einem eleganten Sprung nach vorne.
Mein Fell war golden und meine Wolfsform war natürlich kleiner und zierlicher als die von Damon oder Chryses.
Damon betrachtet mich immer noch mit hochgezogenen Augenbrauen und dachte nicht daran, aufzustehen und mit mir wirklich ein Wettrennen zu machen. Er war so träge.
Ich ging auf ihn und stupste ihn zuerst vorsichtig mit meiner Nase an. Als er immer noch nicht reagierte, legte ich meine Pfoten kurz auf sein Knie. Doch Damon probierte mich zu ignorieren. Also stemmte ich meine Pfoten auf seine Schultern und schubste ihn um.
„Was zum...“, fluchte er und funkelte mich mit einem genervten Blick an.
Ich ließ meine Pfoten auf seinen Schultern verweilen und wartete, bis er sich zu wehren begann.
Darauf musste ich nicht lange warten.
Schon im nächsten Moment befreite er sich von mir. Als ich kurz blinzelte, stand er schon in seiner schwarzen, muskulösen Wolfsform vor mir.
Und so pirschten wir durch den Wald nach Hause, in einem aufregenden Wettrennen...
 
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Kommentare  

@doska
Weil ich es mir auch herrlich vorstelle :D


Angy (26.09.2011)

Macht Spaß, deine Story zu lesen. Du vermittelst einem das Gefühl, dass es herrlich wäre solch ein Wolf zu sein.

doska (26.09.2011)

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