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6 Seiten

ILLUNIS - Kapitel 13

Romane/Serien · Fantastisches
© Angy
Kapitel 13 – Blutrot und Schneeweiß

Genau eine Woche war es nun her, dass die Warnung der Alten ausgesprochen wurde, doch sie war bereits vergessen...



Ich war gerade im Wald, um etwas Ruhe zu suchen, als ich eine seltsame Begegnung machte.
Es war gerade Mittagszeit, die Sonne stand am höchsten Punkt, dennoch war es nicht unbedingt warm, da einige schwere Wolken am Himmel hingen und der Sonne keine Chance gaben.
Normalerweise war es immer sehr ruhig im Wald. Man vernahm hier höchstens das Zwitschern der Vögel, den Wind, der durch die Bäume strich, oder die samtigen Pfoten, die über den Waldboden pirschten.
Auch an diesem Tag herrschte die gewohnte Ruhe. Dennoch spürte ich, dass irgendwas anders war. Der Wald kam mir verändert vor. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ich nicht alleine hier war. Plötzlich knirschte es in unmittelbarer Nähe von mir. Es war nicht das Knirschen, wenn ein Wolf über den Waldboden rannte. Nein, es hörte sich eher so an, als würde jemand auf hohen Absätzen durch den Wald schleichen. Und das war sehr ungewöhnlich hier. Sofort blieb ich ruhig stehen und wandte den Kopf hin und her.
Und da sah ich sie. Seltsame Wesen, welchen ich noch nie zuvor begegnet war. Sie strahlten Kälte und Tod aus. Eine Haut wie Porzellan, so weiß und schön. Die Augen, so rot wie Blut und auf gewisse Art und Weise animalisch. Unter den Augen hatten sie leichte, schwarze Schatten. Eine außergewöhnliche Schönheit und Anziehungskraft war ebenfalls auffällig.
Ich traute mich nicht zu bewegen, denn ein Anflug von Furcht fesselte mich. Staunend betrachtete ich die Wesen, die einige Meter an mir vorbeizogen, so elegant und schön.
Sie machten kaum einen Laut, bei ihren Bewegungen, es war, als würden sie über den Boden gleiten.
Ich war froh, dass zwischen mir und ihnen einige Bäume waren und sie mich so hoffentlich nicht entdecken würden, wenn ich mich nur ruhig verhielt.
Wo wollten diese Wesen nur hin? Was führte sie hier her?
Das Gefühl der Angst ließ mich nicht los und als sie direkt auf unser Dorf zugingen, würde dieses ungute Gefühl noch größer.
Ich musste meinen Vater warnen. Langsam und mit vorsichtigen Schritten entfernte ich mich immer weiter von ihnen, bis ich mir sicher waren, dass sie mich nicht mehr hören konnten. Dann wendete ich meinen Blick von ihnen ab und rannte, so schnell ich konnte, aus dem Wald zurück ins Haus.
Ich riss die Hintertür auf und stürmte ins Wohnzimmer, wo mein Vater gerade dabei war, ein Buch über die Philosophie zu studieren. Meinte Mutter saß neben ihm auf der sandfarbenen Eckbank und strickte. Damon hockte auf dem dunklen Holzboden und verfolgte irgendeinen Film im Fernseher.
Alle drei wandten gleichzeitig ihren Blick auf mich, als ich geräuschvoll den Raum betrat.
Mein Vater legte sofort das Buch auf den niedrigen Wohnzimmertisch und nahm seine Lesebrille ab. Er hatte einen etwas besorgten Blick, als er mich fragte: „Ist etwas vorgefallen, meine Tochter?“
Ich war ein wenig außer Atem, deshalb fiel es mir schwer, ihm gleich zu antworten. Ich ließ mich auf die weiche Lehne der Bank fallen und atmete einige Male tief durch.
„Vater... Im Wald hatte ich eine seltsame Begegnung. Es waren Wesen, ganz bleich und kalt. Sie hatten jedoch eine ungeheure Anziehungskraft... Und die Augen...“, sprudelte es aus mir nur so heraus. Mein Vater ließ mich nicht ausreden. Er deutete mir mit der Hand, dass ich mich beruhigen solle. Meine Worte schienen ihn aber schon etwas zu beunruhigen, doch sofort setzte er seine undurchschaubare Mine auf.
„Wo sind diese Wesen hingegangen?“, fragte er ernst, dennoch sanft.
„Es sah so aus, als würden sie direkt in unser Dorf wollen.“
Sofort schoss mein Vater in die Höhe und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Dabei murmelte er irgendwelche unverständlichen Worte.
Meine Mutter, welche schon längst aufgehört hatte, zu stricken und nun ihren Blick auf meinen Vater fixierte, sah nun ebenfalls etwas beunruhigt aus.
„Lucien... Was denkst du?“, fragte sie. Sie strich sich ihr dunkelbraunes, langes Haar zurück .
Mein Vater blieb stehen und blickte meine Mutter an.
„Nun, Carmen – Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, was ich denken soll.“
„Bist du dir sicher, dass es keine einfachen Menschen waren, die du da gesehen hast, Aurora?“, fragte Damon und man konnte hören, dass er mir keinen Glauben schenkte.
Er sah kein bisschen beunruhigt aus und hatte seinen Blick wieder auf den Fernseher geheftet.
„Nein, Damon, es waren bestimmt keine Menschen“, versicherte ich ihm.
In Wirklichkeit hatten wir doch alle schon den gleichen Gedanken, wer oder was das sein könnte, nur wollte ihn keiner aussprechen, weil dann bestimmt Panik ausbrechen würde.
Plötzlich klopfte es an der Tür und ich erstarrte.
Mein Vater ging rasch aus dem Wohnzimmer, zu der Haustür, wo er kurz zögerte, bevor er seine Hand auf die Türklinke niederließ. Schließlich drückte er sie langsam nach unten und öffnete die Türe. Dann herrschte kurz Stille. Ich nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus, um besser hören zu können, was da draußen vor sich ging. Damon protestierte gar nicht dagegen, anscheinend interessierte es ihn selbst auch.
„Guten Tag. Wie kann ich ihnen helfen?“, sagte mein Vater sehr sanft und freundlich.
„Sind sie Lucian?“, fragte eine fremde, jedoch schöne, tiefe und melodische Männerstimme.
Damon stand plötzlich vom Boden auf, verließ das Wohnzimmer und begab sich zu meinem Vater.
„Alles in Ordnung, Lucian?“, fragte er.
Nun erhob sich auch meine Mutter von der Bank und ging zu meinem Vater um den Fremden zu betrachten. Da ich nicht alleine zurückbleiben wollte, folgte ich meiner Mutter.
Die Lage sah nun ganz anders aus, als im Wohnzimmer, wo man nichts sah.
Auch, wenn mein Vater noch so gebannt und freundlich geklungen hatte, konnte man nun sehen, dass er nervös war. Und das konnte ich auch gut nachvollziehen. Denn die Fremde Person, die vor meinem Vater stand, war nicht alleine. Auf der Wiese vor der Verandatreppe standen drei weitere, welche mit neugierigen, roten Augen meinen Vater und den Rest meiner Familie, der sich nun versammelt hatte, betrachteten. Es waren definitiv die Wesen, welche ich im Wald gesehen hatte.
Der fremde junge Mann, der vor der Tür stand – auf ungefähr 19 schätzte ich ihn – war ein so außergewöhnlich schönes Wesen. Seine Haut war so glatt, so ebenmäßig, so weiß. Seine Wangenknochen, seine Nase, seine Lippen waren perfekt geformt. Er hatte etwas längeres, graubraunes Haar und seine Augen waren rubinrot. Sein Gesicht war wie in Stein gemeißelt.
„Ja – Ich bin Lucian. Was sucht eine Truppe von Vampiren hier? Ich hoffe, ihr seid nicht gekommen, um unseren Frieden zu stören“, sagte mein Vater. Seine Stimme klang schroff, im Gegensatz zu vorhin. Nun hatte mein Vater es ausgesprochen...
„Keineswegs. Verzeiht bitte, falls wir euch erschrocken haben, aber...“
Plötzlich verbeugte er sich vor meinem Vater und so taten es die anderen drei.
Er verharrte so, als er weitersprach: „Wir sind nicht gekommen, um Unruhe zu stiften, wir sind hier, um die Schuld unserer Vorfahren zu begleichen.“
„Ihr wisst also, was geschehen ist und besitzt trotz alle dem die Unverschämtheit, hierher zurückzukehren?“, zischte meine Mutter. Überrascht sah ich sie an. So einen Ton kannte ich von ihr kaum.
„Frieden, Carmen. Lass ihn zuerst erklären“, beschwichtigte mein Vater meine Mutter.
Langsam richtete sich der junge Mann wieder auf und lächelte ein unwiderstehliches Lächeln. Die anderen drei hinter ihm jedoch verharrten in dieser unterwürfigen Haltung.
„Nenne sie mich William, sehr geehrter Lucian. Oder soll ich sie Mister Grey nennen?“
Mein Vater war deutlich überrascht, dass dieser Vampir sogar über unseren Nachnamen Bescheid wusste.
„Nein. Lucian reicht vollkommen. Nun, William, bitte erkläre mir das Anliegen für euer Kommen genauer. Ihr wollt die Schuld eurer Vorfahren begleichen?“, fragte mein Vater und legte seine Stirn etwas in Falten.
„Ja. Wir sind untröstlich, was sie damals in ihrem Rausch nach Verwüstung angerichtet haben. Wir wissen, dass sie alles zerstört haben und viele eurer ausgelöscht haben. Dies können wir nicht einfach so auf uns sitzen lassen“, erklärte William.
„Doch warum seid ihr nur zu viert? Das hört sich nach einer fetten Lüge an“, war Damon an und hob eine Augenbraue ungläubig hoch.
William schien es gar nicht zu gefallen, dass Damon seine Absichten hinterfragte, er sah verärgert aus und warf ihm ein bitteres Lächeln zu. Jedoch wusste er anscheinend nicht gleich, was er antworteten solle.
Plötzlich erhob sich einer der drei Vampire, die sich vorhin im Hintergrund hielten. Es war eine junge Frau, ungefähr 18. Sie hatte langes, hellblondes Haar, welches sie zu einem straffen, hohen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ihre Lippen waren voll und von rotem Lippenstift überdeckt. Ihre Wangenknochen hatte sie eindeutig mit leichtem Rouge betont. Dennoch wirkte sie immer noch sehr blass, denn ihre Haut war schneeweiß. Ihre Augen waren etwas heller, als die von William und von schwarzen Kajal umrandet. Sie sah tatsächlich aus, wie eine Porzellanpuppe. Mit ihren schwarzen Stiefel, welche bis unter ihr Knie reichten und einen Absatz hatten, stieg sie anmutig die Verandatreppen hoch, bis sie hinter William stand. Sie war vollkommen schwarz gekleidet. Ihre schwarzen Jeans waren eng und figurbetonend, genauso, wie ihr Shirt. Darüber trug sie einen knielangen, dünnen Mantel. Allgemein waren die Fremden sehr dunkel gekleidet. Williem trug eine schwarze Kordhose und ein dunkelblaues Hemd mit einer dunkelbraunen Krawatte. Die Ärmel des Hemdes hatte er ein wenige hochgekrempelt.
„Wir sind nur zu viert, weil nicht alle Vampire die gleichen Ansichten wie wir haben, wie ihr gewiss wisst. Die meisten bereuen die Taten der Vergangenheit nicht, sie empfinden sie eher als Heldentaten“, erklärte die Blondine mit zarter, hohen, jedoch etwas rauen Stimme.
Williams Blick huschte zu ihr und seine Mine wurde plötzlich dunkel.
„Ich habe gesagt, du sollst dich im Hintergrund halten, Lilith!“, zischte er zu ihr.
Sie belächelte ihn bloß, wobei ich zum ersten Mal die spitzen Fangzähne eines Vampires zu Gesicht bekam. Sie waren kleiner als die eines Wolfes, trotzdem sahen sie nicht ungefährlich aus.
„Verzeiht bitte, dass sich Lilith einfach in das Gespräch eingemischt hat. So ist sie nun einmal. Wie dem auch sei. Wir sind sozusagen verstoßen, besser gesagt ausgegrenzt worden, aufgrund unserer Denkweise. Dennoch ließen wir uns nicht aufhalten und kamen trotzdem zu euch... Mit der Hoffnung, dass ihr euch unser erbarmt“, bat William.
„Und was stellt ihr euch unter erbarmen vor?“, sagte Damon.
„Nun, wir hatten gehofft, dass wir bei euch eine Weile unterkommen können und euch dienen dürfen“, trällerte Lilith.
„Dienen?“, wiederholte Lucian.
„Ja, dienen. Wir wollen euch bei jeglicher Arbeit helfen, die ihr zu verrichten habt“, antwortete William.
„Und was stellt ihr euch vor, wo wir euch unterbringen sollen? Als ob euch hier irgendwer im Dorf haben wolle“, zischte Damon, worauf er von William einen finsteren Blick erntete.
„Damon. Sei nicht so feindselig ihnen gegenüber. Jeder hat eine Chance verdient. Sie können im Haus der alten McCluskey hausen. Sie ist vor längerer Zeit verstorben, das Haus steht seit dem leer“, erklärte mein Vater.
Meine Mutter legte einen Arm auf die Schulter meines Vaters. Sie sah verzweifelt aus.
„Lucian... Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist“, flehte sie.
Auch Damon schüttelte den Kopf.
Ich musste zugeben, dass dies keine gute Idee war. Wir wussten nicht, ob sie uns belogen oder ob es ihr Ernst war. Doch mein Vater war einfach zu gut, er konnte kaum eine Bitte abschlagen und war wirklich der Ansicht, dass jeder eine Chance verdiente. Wahrscheinlich dachte er, dass sie uns nichts anhaben konnten, da sie eindeutig in der Unterzahl waren. Doch es war nicht richtig, wenn sie hierblieben...
„Wir dürfen nicht von Vorurteilen geleitet handeln. Es wäre Unrecht, sie ohne, dass wir ihnen eine Chance geben, sich zu beweisen, wegzuschicken“, lautete die Antwort meines Vaters.
„Ich kann mir vorstellen, dass Chryses damit nicht einverstanden ist“, war der Einwand von Damon.
„Nun, Damon, Chryses mag zwar der Leiter eurer Generation sein, doch nicht die des ganzen Stammes. Er hat dies nicht zu entscheiden.“
„Ich hoffe, du triffst nicht die falsche Entscheidung, Lucian.“ Mit diesen Worten wandte sich Damon ab und ging verärgert in sein Zimmer.
Nun verbeugten sich Lilith und William wieder vor uns.
„Ihr seid zu gut, Lucian. Wir sind ihnen unendlich dankbar“, sprach William.
 
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Kommentare  

Na, das wird ja immer spannender. Deine Vampire gefallen mir sehr. Schön, ist auch mit welcher Normalität du deine fantastischen Wesen behaftest.

doska (10.10.2011)

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