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4 Seiten

Kalte Sterne am Horizont

Nachdenkliches · Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester
© T Timdeck
Horizont

Mit schweren, schleppenden Schritten, die fast überm Gehen, am Boden fest zu gefrieren drohten, geisterte Irmi weiter, durch die kalte Nacht.
Es wollte sich, heute, einfach keine Häusernische finden, für sie zum Schutze vor der erbärmlichen kalten Nacht- finden, alle waren sie wie es schien, schon seit Stunden besetzt.
Irmi fröstelte es. Ihr ausgekühlter Körper kauerte sich- in sich zusammen, zusammen gepresst, zusammen gezogen, weiter- mehr stolpernd als gehend irrte sie so durch die Fußgängerzone.
Sperrgitter oder Rollläden, verhinderten, ihr den Zugang zu etwas mehr Behaglichkeit, in dieser kalten und frostigen Nacht. Sie spürte sich schon längst nicht mehr, das war sicher, anders war ihr Verhalten nicht zu deuten. Gelegentlich blieb sie stehen verharrte einige Minuten, und schleppte sich dann leise aufstöhnend mit schmerzverzerrtem Gesicht, weiter durch die Dunkelheit der Nacht.
Unverständliche Worte vor sich hin murmelnd stapfte sie kraftlos weiter, und weiter, und weiter.
Und da...
Helle bunte Lichter, strahlten ihr plötzlich entgegen, sie streckte ihre frostigen Eisfinger dem ungewöhnlichen Licht entgegen. Doch es wärmte Irmi nicht, dieses Irrlicht- das ihr augenscheinlich Wärme vorgaukelte und vorspiegelte.
Es war nur die Leuchtreklame und das Schaufenster eines Mediencenters.
Unzählige Flachbildschirme, in leuchtenden Regalen, aufeinander gestapelt, glänzten und flimmerten in dieser eisigen Kälte, in dieser Frostnacht. Doch sie gaben Irmi, nicht einen Funken Wärme ab…
Sonnige Urlaubsorte mit herrlichen Badestränden, oder leuchtende Städtebilder, standen im krassen Gegensatz zu Irmis, jetziger frostigen Eis Situation. Ihrer ganz persönlichen Eiszeit...
So zumindet empfand, Irmi in diesem Moment, des bunten Kistengeflimmers, dieser kalten Wohlstandsgesellschaft, ihr Dasein.
Sie hatte vor Monaten, nach einem tragischen Einschnitt, in ihr vormals beschauliches Leben, sich innerlich aufgegeben, und war einfach gegangen…
*
Man überbrachte ihr die Botschaft, dass die Eltern verunglückt seinen, weiß Gott nicht mitfühlend bei.
Sie erinnerte sich wieder, an diesen kalten Moment, in ihrem jungen Leben.
Die Botschaft da lassend, verließ man eiligst, das Haus, man ließ Irmi mit sich und ihrem Schmerz, einfach zurück.
Ein stummer Schrei quälte sich aus ihrem Mund.
Tränen verließen entsetz ihre Augen. Wie gelähmt dastehend, verharrte sie in wie in einer Momentaufnahme,auf der Stelle.
Lange stand sie da- in der offen stehenden Tür. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Verloren stand Irmi damals da, bis sie schließlich ging...
Durch diese offen stehende Tür, vornüber gebeugt, mit schmerverzerrtem- Gesicht, in diesem Moment, nicht wissend was sie tat, verließ Irmi, ihr Elternhaus. Und rannte einfach Kopflos weg...
Seit diesem Tage, im Sommer, schleppte sich Irmi, oder viel mehr, schlich Irmi, durch die Straßen und Gassen, durch die Hinterhöfe und Abrisshäuser, durch die Hausflure und durch Gartenlauben.
Irmi wusste eigentlich nicht wohin sie wollte.
Sie ging und ging und ging…, einfach immer weiter.

Kein Wort verließ, seit der Botschaft, seit diesem unglücklichen Tage, seit ihrem stummen Aufschrei, in ihrem Innern,ihren Mund.
Mit keinem Wort erwähnte sie anderen gegenüber ihr Schicksal. Sie blieb weiter stumm.
Sie war die Komische,oder der stumme Frischling, so nannte man sie, abfällig.
*
Die kalte Luft, ließ den Atem vor Irmis Nase, sofort erstarren. Fest verschlossen blieb ihr Mund, und sie presste ihre Lippen, noch fester aufeinander.
Sich Mut zu zusprechen war sie längst nicht mehr in der Lage. Irmi hatte sich, wie es schien schon längst,vor langer Zeit aufgegeben.
*
Endlich.
Unter einer Fußgängerunterführung, fand Irmi, endlich auch eine schützende Mauernische, für sich. Eine- gekachelte Eisecke, nur für Irmi.
Ekelhafter Uringestank schlug ihr entgegen, doch Irmi roch schon lange nichts mehr.
Die Fliesen noch kälter als der Boden, doch Irmi fühlte schon lange nichts mehr.
Die Dunkelheit der Nacht umarmte sie, doch Irmi sah die Dunkelheit schon lange nicht mehr, und ließ es einfach mit sich geschehen.
Irmi konnte sich nicht mehr auf ihren blau verfärbten und rot angelaufenen Eisbeinen halten.
Ihre strähnigen Haare, waren zu Eiszapfen gefroren, sie hingen ihr, das bleiche Gesichtchen mit der roten Nase, einrahmend um den Kopf.
Irmis blauen Augen, wirkten wie ein zugefrorener See, klar und kalt, und ihre kleine verlorene Seele war wohl in den Kühlschrank ähnlichen Frosttagen, erstarrt und abgestorben.
Irmi umwickelte ihren Körper, mit der leichten Sommerjacke, die sie seit dem Verlassen ihres Elternhauses trug, noch fester, um ihren aus gemäkelten kalten Körper.
*
Und plötzlich wusste sie wieder alles, die traurige Botschaft, die man ihr überbracht hatte, die Flucht, das Laufen, und das fast ohnmächtige Wandeln, durch die endlosen Straßen. Am Tage, so auch, in der Nacht…
Sie hörte den leisen Schlag der Mitternachtsglocke, sie drehte sich in Richtung Kirchturm blickend, erstaunt und fragend drein schauend,zärtlich lächelnd um.
Irmi stand auf, und ging, ohne sich auch nur einmal um zudrehen, zurück, in Richtung ihres Elternhauses.
Die Haustür stand noch immer offen.Als ob man auf sie gewartet hätte, dachte sie beim Eintreten.
Irmi trat zögerlich ein, das sanfte Licht, der unzähligen Kerzen in den Fluren standen, empfing sie wohlwollend. Sie stieg jetzt, fast leichtfüßig, ganz langsam, fast schon andächtig, mit ihren ausgetretenen Schuhen, die Treppe hoch, in ihr Mädchenzimmer. Daheim. Endlich zu Hause. Kamen die erleichterten Worte nach Monaten über Irmis blauen Lippen. Einen Blick in den Spiegel an der Wand vermied Irmi ...
Sie legte sich auf ihr Bett, und schloss die Augen, leise flüsterte sie: “Ich bin wieder da!“
Liebevolle..., Erinnerungen, an ihre fröhlichen Kindertagen, nahmen sofort wieder, Besitz von ihr.
Gedanken, an schöne Tage, durchfluteten,in ihrer alten gewohnten Umgebung, sofort ihren durch die eisige Kälte,unterkühlten Kopf und Körper.
Hallo Mutter…, Hallo Papa…, ich bin wieder da, ich bin wieder bei euch.
Die Realität und den Verstand, längst in den Straßen und Gassen verloren, schmiegte sich Irmi, in ihr tiefgefrorenes Eisbett.
Irmi blickte aus ihrem Fenster,zum Sternenhimmel, und lächelte zufrieden.
Am Horizont, leuchtete ein wundersames Licht, Irmi streckte ihre Eisfinger dem ungewöhnlichen Licht entgegen, es umfing sie eine herrliche wohltuende Wärme. Andächtig öffnete sie für einen kurzen Augenblick ihre Augen und lächelte zarghaf.
Ich bin zurück..., schön…, euch wieder zusehen, ich habe euch so unendlich lange schon vermisst...

Nach drei Monaten kamen diese Worte von Irmis Lippen: “ Mutter mir ist,jetzt, nicht mehr kalt!“
*
Die kalten Sterne leuchteten für Irmi in dieser Nacht, besondders hell und klar, an ihrem letzten Tage.
Am Horizont froren zugleich die Sterne ein.
Irmi wollte vergessen,ihr stummer Schrei verhallte,nach Monaten endlich in ihr.
Ruhe.
Und Irmi vergaß die Kälte, und Irmi vergaß die kalte Welt, und Irmi vergaß ein- und aus zu atmen...
 
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Kommentare  

@ Tis-Anariel,ich denke,dass diese situationen, und einschnitte ins leben, vielen menschen zu schaffen macht.Ich danke dir für deinen kommentar und hoffe, dass du den schmerz und den verlust deiner mutter gut verarbeitet hast.LG Tim

T Timdeck (07.02.2012)

Obhh..mit dieser Geschichte triffst du einen Nerv von mir.
Das Gefühl kenn ich irgendwie.
Als meine Mama starb und alle endlich weg waren, da bin ich mit meinem Wauz raus und wollt eigentlich nimmer heim, weil das war ja nun jetzt leer. Ich war Stunden unterwegs, und dann stand ich lange nur davor. Solang ich nicht reinging musste ich mich nicht der Wriklichkeit stellen und konnte mir vorstellen, dass alles nur ein schlimmer Traum gewesen ist.


Tis-Anariel (06.02.2012)

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