38


3 Seiten

Katerstimmung - Teil 4

Romane/Serien · Erinnerungen
Zwei Stunden lief ich ziellos durch die menschenleere Innenstadt. Die Stadt schlief so friedlich, als hätte sie nie das Leid erlebt, dass in ihr passierte. In den bunten Schaufenstern standen Puppen, die mich anstarrten. Ihr Blick spiegelte mein Inneres wieder. Leer und kalt.
Nein.
Leer bedeutete keine Gefühle, doch in mir herrschten zwei Gefühle. Verzweiflung und Wut.
Ich schob den Ärmel meines olivgrünen Parkas zurück und grub meine Fingernägel tief in die Haut. Ich schluckte die Wut herunter, setzte mein falsches Lachen auf und ging in die Tankstelle um mir einen Kaffee zu holen.

Ich setzte mich mit dem Pappbecher auf eine Bank und starrte auf meine Füße. Mein Magen knurrte. Ich hatte in den letzten zwei Tagen völlig vergessen etwas zu essen. Ich hatte nicht geschlafen und nicht gegessen. Wenn sich meine Probleme schon nicht auflösten, dann vielleicht ich mich? Hatte ich mich vielleicht längst aufgelöst und es einfach nicht bemerkt?
Ich nahm einen Schluck vom Tankstellenkaffee. Die heiße Flüssigkeit rann meine Kehle hinunter. Sie schmerzte nicht, aber zeigte mir trotzdem, dass da noch etwas da war. Ich.

Ich hatte die Augen geschlossen, um die Morgensonne zu genießen. Schritte nahm ich wahr. Sie kamen näher. Die Person blieb neben mir stehen. Das Herz pochte in meiner Brust. Ich traute mich nicht meine Augen zu öffnen. Ich hatte Angst. Angst wovor? Angst vor Dennis. Jeder noch so kleine Muskel in meinem Körper war angespannt. Mein Atem stockte und mein Herz schlug so laut, als könnte es die ganze Welt aufwecken. Es war wie früher, als ich ein Kind war. Damals glaubte ich, die bösen Monster können mich nicht sehen, wenn ich sie nicht sehen kann. Heute hoffte ich es wieder.
Die Schritte entfernten sich von mir und ich atmete tief durch. Als ich meine Lider aufklappte, war keiner mehr zu sehen. Neben mir lag nur ein kleiner zusammengefalteter Zettel mit meinem Namen drauf.
„Christina“, las ich laut vor. War ich vielleicht eingeschlafen und hatte es nur nicht bemerkt?
Wer sollte wissen, dass ich hier zu diesem Zeitpunkt war? Ich hatte es doch vorher selbst nicht gewusst. Ich hab mich einfach von meinen Gedanken treiben lassen. War mir etwa jemand gefolgt?
Ich faltete die mysteriöse Botschaft auf. In ordentlicher Schrift stand dort mit blauer Tinte:

Ich weiß nicht, ob du ihn wiedersehen oder einfach nur wissen willst, was in der Nacht passiert ist. Ich kann nicht mehr für dich tun, als dir diese Nummer zu geben.
Mach damit, was du für richtig hältst.
Liebe Grüße
Ein Freund
P.S.: Hab keine Angst, ich habe immer ein Auge auf dich.

Darunter stand eine Telefonnummer.
Ich schob den Zettel in die Tasche meines Parkas. Langsam wurde diese Sache selbst für meine Verhältnisse zu verrückt. Einerseits klang es gut, dass es irgendwo da draußen jemanden gab, der Acht auf mich gab. Andererseits bedeutete es, dass ich beobachtet wurde.
Wer war das? Kannte ich ihn? Oder sie? Wieso gab sich dieser jemand nicht einfach zuerkennen?
Könnte es nicht auch sein, dass…? Nein, dieser Widerling konnte es nicht gewesen sein.

Ich trank meinen Kaffee aus, nahm eine Zigarette aus der Schachtel und machte mich auf den Heimweg. Die Option sich aufzulösen, war zwar noch nicht vollkommen vergessen, aber jetzt brauchte ich Kraft. Ich brauchte meine Kraft um das Rätsel um diesen Abend und meinen Beobachter zu lösen.

Auf dem Heimweg nahm ich in der Bäckerei noch ein Croissant mit. Zuhause legte ich mich auf mein Bett. Ich zog mich nicht aus. Nie wieder wollte ich diese blauen Flecken und Striemen sehen. Selbst meine Stiefel behielt ich an. Mir fehlte die Kraft auch nur einen Finger zu bewegen. Voller Erschöpfung schlief ich ein.

„Christina, ist alles in Ordnung mit dir? Kann ich dir irgendetwas Gutes tun?“, Mom´s Stimme weckte mich aus dem Halbschlaf. Sie hatte ihren Kopf durch die Türe gesteckt und in der Hand eine Tasse Tee. Dem Geruch nach müsste es Kamille sein.
Sie kam nicht mehr einfach in mein Zimmer. Sie wusste, dass sie mit dem Übertreten der Türschwelle mich in meiner kleinen eigenen Welt stören würde. Früher hatte sie dann oft meine Wut zu spüren bekommen. Auch wenn ich sonst eher ruhig und zurückgezogen bin, schafften manchmal die kleinsten Dinge das Fass zum Überlaufen zu bringen.
„Ja, alles ist super. Ich will nur meine Ruhe und ein wenig schlafen.“, brummte ich unter meiner Decke hervor.
Nichts war super, aber meiner Mutter musste ich kein großes Schauspiel bereiten. Sie war froh, wenn ich sie nicht mit meinen Problemen nervte und lies sich deshalb schnell abspeisen. Glauben tat sie es nicht, ihr reichte es zu hören.
Sie schloss die Türe. Gott sei dank von außen. Geschlafen hatte ich nicht wirklich. Ich hatte immer wieder die Bilder vor mir. Immer die selben.
Ich wollte mit keinem darüber reden. Schon gar nicht mit Andreas. Sollte er doch glauben ich hätte ihn betrogen oder ich hätte kein Interesse mehr an unserer Beziehung. Alles besser, als ihm die Wahrheit zu sagen. Es war eine Wahrheit, die selbst ich nicht kannte.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Ja ist wirklich eine mysteriöse Geschichte und hälst bisher die Spannung. Mal sehn wie`s weitergeht...

LG


Francis Dille (16.04.2012)

Nun dieser Zettel verleiht deiner Geschichte jetzt eine ungewöhnlich mysteriöse Komponente, die ich noch nicht einschätzen kann.

Der Rest hat seinen Stil beibehalten und gleicht diesen aneinandergereihten Gedankenfetzen eines Menschen, der seine Umwelt kaum noch wahr nimmt. Bis jetzt hab ich keine Ahnung in welche Richtung sich das noch entwickeln wird.


Jingizu (14.04.2012)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Katerstimmung - Inhaltsangabe  
Bis bald  
Einsatz  
Das letzte Mal  
Katerstimmung - Teil 6  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De