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5 Seiten

sont plus âgés /älter werden Kapitel 3

Nachdenkliches · Kurzgeschichten · Experimentelles
David nahm das Lob des alten Herren dankend an. "Dankesehr. Ja, alles selbst beigebracht, aber gerne. Für Neues bin ich immer offen, wenn du mir noch was zeigen kannst, dann würde ich mich darüber wirklich freuen." Der Kanadier grinste über beide Ohren, ab und zu an seinem Bier nippend. Er schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Ich hab dich eingeladen und die Kanne wird nicht die Welt kosten."
Neugierig beobachtete er Balthasar, der irgendetwas in seinen Taschen zu suchen schien. Nach erfolgreichem Fund legte er einen kleinen Gegenstand auf den Tisch. Es war ein Kompass. David legte den Kopf schief, betrachtete den Kompass mit einem leicht konfusen und skeptischen Blick. Die Nadel drehte sich hin und wieder komplett im Kreis, er funktionierte nicht. Er hob den Blick und sah den Älteren an, der ihm diesen gegenstand erst anbot und dann eine spannende Geschichte dazu erzählte. Aufgeregt wie ein kleines Kind, rückte der rötlich-Blonde Mann näher an den Tisch, hatte die Augen fest auf Balthasar gerichtet und schaute hin und wieder zu dem Kompass hinunter. Er konnte es sich fast bildlich vorstellen, was Balthasar da erzählte. Ein junger Mann auf hoher See rettet seine Kameraden, weil sein Adlerauge diesen Kompass gefunden hatte! Unglaublich.
Als er ihm dann erneut den Kompass anbot, fuhr David sich durch das Haar. "Ach, das....das kann ich doch nicht annehmen...", sagte er leise, doch Balthasar schob ihm den Kompass erneut näher. Zögernd nahm der Jüngere ihn in die Hand und lächelte. Sein Blick wirkte kurz verträumt, fast wie in Trance. Schließlich nickte er. "Vielen Dank. Wenn ich jemals auf den falschen Pfad geraten sollte, wird er mir vielleicht wieder die richtige Richtung weisen."
Vorsichtig packte David den nun wertvollen Gegenstand in seine Tasche. Er würde ihn hüten, wie seinen Augapfel. Zu gerne würde er dem Älteren nun auch etwas geben, aber gerade hatte er nur das Nötigste dabei. Beim nächsten Mal vielleicht.
"Du musst unglaublich viel erlebt haben, was?", fragte er in einem leisen und irgendwie nostalgischem Ton. "Ich bin stolz, dass ich mich mit einem so bewanderten Mann unterhalten darf, wirklich."

„Ich und bewandert! Ich bin einfach nur alt“ murmelte Balthasar. „Natürlich habe ich viel erlebt auf meinen Reisen, aber ich denke jeder kann aus seinem Leben etwas großartiges machen.“ Er schmunzelte. Sollte er wirklich einem jungen Flausen in den Kopf setzten? Flausen die ihn selber dazu gebracht haben sich auf die Reise seines Lebens zu machen. Etwas gedankenverloren stammelte der alte Herr vor sich hin. „Weist du was 'Baguio' sind?“
Balthasars Hand bewegte sich hin und her, als er mit Gesten und wörtlich die 'Baguio' beschrieb. „Das sind Windhosen, oder Wirbelstürme, je nach dem wie du sie betiteln möchtest. Baguio ist eigentlich nur das Wort für Wind in der philippinischen Sprache.“ Balthasars Hände formten eine Art Trichter, der sich von der Teetasse empor zur Cafe Decke schraubte. Wie in Gedanken verloren fing er an zu erzählen.

„Dort stand ich nun. Die See hatte uns fest im Griff. Das Schiff, die 'Sea Stromhawk', schaukelte stark im Griff des Todes. Ich hatte schon viele Stürme mit erlebt, doch dieser hier, war anders.“


Balthasar rührte heftig mit einem Löffel im Tee herum.
„Soll ich aufhören?“, sagte er schmunzelnd.
Er genoss wahrlich die Anwesenheit von David.

Auch, wenn balthasar den Satz nur murmelte, verstand der Jüngere aber ganz genau, was er sagte und lachte deshalb kurz auf. "Alt. Alt! Was ist schon alt?", sagte er und zuckte dabei mit den Schultern, nickte aber auf die folgenden Worte von dem ihm gegenübersitzenden Mann. "Da hast du recht. Jeder könnte das..." Eine leichte sehnsucht war in seinem Tonfall zu vernehmen. Manchmal zieht es ihn auch wieder ins Weite hinaus, aber nur im Kopf, vorerst. Den Job schmeissen und einfach nochmal auf Reisen gehen? Schöne Vorstellung, aber derzeit einfach nicht möglich. Zunächst hörte er die Frage gar nicht richtig, bemerkte aber die auffälligen Bewegungen von Balthasar. "Hm? Was? Eh Baguio?" Er dachte kurz nach, schüttelte dann kurz, aber heftig den Kopf. "Nee. Keine Ahnung. Was ist das?" Auf seine Gegenfrage folgte die Antwort sofort. Ein Schmunzeln flog über das Gesicht von David. Klar, er kannte sich natürlich blendend mit Philippinen und deren Sprache aus, aber so lernte er immerhin mal wieder was neues. Argwöhnisch beobachtete er die Bewegungen des redseligen Mannes und er wagte es nicht den Mann zu unterbrechen. Ab und an entschwand seinem Mund ein begeistertes "Was? oder ein "Woooow". David hörte ihm unglaublich gerne zu. Balthasar war tausend Mal besser als jedes Buch. Er bewegte sich viel dazu, man konnte fast spüren wie es da auf dem Schiff wohl zugegangen war. Als er dann fragte, ob er aufhören sollte, bekam der Kanadier kaum ein richtiges Wort heraus.
"Wie? Was? Neeeeein. Auf keinen Fall. Ich könnte mir das stundenlang anhören, Balthasar, ehrlich." Und das war keineswegs gelogen. Er hörte sogar so sehr zu, dass er fast sein Bier vergaß. Nur, wenn Balthasar eine kleine Pause machte, griff er schnell zu seinem Glas und nahm einen Schluck. David grinste. Er hoffte, dass er irgendwann mal seinen Kindern, falls er jemals welche haben sollte oder gar seinen Enkeln auch mal solch spannende Geschichten erzählen könnte.
"Mir ist bisher auf keiner Seereise so etwas passiert, allerdings war ich auch bloß Deckschrubber. Reise gegen Arbeit - das klang damals so, als wäre das ein super Deal. Als ich dann aber in Norwegen war und das Schiff am nächsten Morgen verschwunden war, wäre der Deal Arbeit gegen Geld doch um einiges klüger gewesen.", erzählte der Rotschopf lachend. Was war das damals für eine Zeit gewesen...

„Das stand ich nun. Vor mir die tobende See, unter mir meine Kameraden.
Ich stand auf dem Mars und blickte nach unten aufs Deck“.



Balthasar räusperte sich und flüsterte leise. „Der Mars ist übrigens die Plattform am Mast eines größeren Segelschiffs.“ Wieder erhob er seine Stimme.

„Der Tod griff seine Hand nach dem Schiff. Er polterte es knarrte an allen Ecken.“

Zur Untermalung des Geschehens schlug Balthasar mit seiner Handfläche auf den Tisch. Nicht stark, aber es reichte um das Geschehen glaubhaft zu machen.

„Das Schiff drohte zu kentern und ich, gefangen dort oben auf dem Mars, etliche Meter vom Deck entfernt blickte der See in seine tiefen dunkelblauen Augen.“

Er beugte sich ein Stück in Richtung David und schaute ihm direkt in die Augen.
Knall! Wieder schlug er mit seiner Handfläche auf den Tisch. Vernahm er da ein leichtes Zucken von David?

„Der Mast brach und ich stürzte mit samt Mars in die Tiefe. Sofort griffen die
Hände des Todes nach mir. Ich hörte noch die Rufe meiner Kameraden. Mann
über Bord! Mann über Bord hörte ich Sie rufen.
Der Schleier des Todes hatte sich bereits um mich gewickelt, mit wurde Schwarz
vor Augen.“

Balthasar lehnte sich zurück. „Und den Rest der Geschichte kennst du ja bereits! Meine Kameraden hatten mich aus dem Wasser gerettet und am nächsten morgen fand ich den Kompass, den ich dir überlassen habe.“ Balthasar lachte. „Bei der Aktion grade ist doch tatsächlich meine Kanne Tee umgefallen. Warte einen Moment ich besorge schnell eine Serviette!“ Lachend stand er auf und sah sich nach der Kellnerin um.

David lauschte den Worten des Älteren. Selten war er so fasziniert von Erzählkünsten, aber dieser Mann hatte es einfach drauf. Bevor David nur auf die Idee kam eine Frage zu stellen, beantwortete Balthasar sie schon. Schnelles Nicken folgte und zeigte ihm, dass David jetzt wusste, was ein 'Mars' ist. Das erste mal, als die Hand von Balthasar den Tisch berührte, nahm der Kanadier sein Bier in die hand und hielt es lieber fest, bevor es umkippte. "Und dann? Was war dann?" Aufgeregt wie ein kleines Kind fragte er nach, stammelte sogar etwas mit den Füßen. Bamm! Die Hand traf erneut den Tisch. Da David aber den Blick in die Augen erwiderte, sah er das nicht kommen, zuckte sogar kurz zusammen, fasste sich aber schnell wieder. Sein Mund stand sogar ein wenig offen, als diese Geschichte immer spannender wurde. David war so gefangen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass tatsächlich die Kanne umgefallen war. Erst als Balthasar fertig war und zuerst bemerkte, was passiert war, sah der Jüngere auf den Tisch. Kurz schüttelte er den Kopf, kniff kurz die Augen zusammen. "Wow. Einfach unglaublich. Du solltest ein Buch über diese Zeiten schreiben, ehrlich.", warf ihm David entgegen, der aufstand, da der Tee mittlerweile an den Tischkanten herunterlief.
Die Kellnerin bemerkte das sofort, kam auf ihren hohen Schuhen angestöckelt und wollte sofort anfangen selbst den tisch zu säubern. Fast gleichzeitig sprachen beide Männer die Dame an und meinten, dass sie es machen wollten. Als sie das bemerkten, sahen sie sich an und lachten. David nahm der Frau einfach das Tuch ab und machte mit dem Älteren den Tisch sauber. Die Frau verschwand grinsend und als der Tisch wieder gereinigt war, kam sie mit einer neuen Kanne an den Tisch. Ehe die Männer etwas sagen konnten, hob sie die Hand und sagte, dass dies als ein Dankeschön gedacht war, weil sie so tolle Gentlemen seien. Da man Frauen am besten gar nicht erst widerspricht, liesen sie die Dame machen und hatten nun eine neue Kanne mit Tee. Zugleich bestellte David ein neues Bier, da sich seines dem Ende zuneigte.
"Eine unglaublich nette Kellnerin, oder?, fragte er den Älteren, während er der Blondine kurz nachsah.

Balthasar lachte lauthals wegen der sich grade zu getragenen Situation.
Verlegen strich er sich durch die wenigen verbliebenen Haare. „Ein Buch schreiben? Geschichten sind ja ok, aber gleich ein ganzes Buch?“
Er überlegte. Doch, vorstellen konnte er sich das schon, ein eigenes Buch. Wovon sollte es handeln? Von seinen Abenteuern? Interessiert das Überhaupt jemanden?


Einige Minuten herschte Stille und beide genossen Ihre Getränke. Balthasars Tee neigte sich dem Ende und auf das zweite Bier von David schien dem letzten Schluck verfallen.


Ein lautes Knurren zog durch den Raum. Ein Hund? Nein Balthasars Magen meldete sich zu Wort!
„Nun, ich schätze mein Freund hier hat Hunger, die vielen Geschichten haben ihn hungrig gemacht.“ Langsam zog Balthasar mit seiner Hand Kreise auf seinem Bauch.
„Weißt du was! Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich dich gerne zum Essen einladen. Sieh es einfach als Dankeschön für den leckeren Tee.“ Balthasar lachte. „Ich kenne mich auf der ganzen Welt aus, doch nun kommt mir nicht einmal ein Restaurant in den Sinn. Kennst du ein Gutes?“
 
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