149


5 Seiten

Mörderisches Klassentreffen

Spannendes · Kurzgeschichten
Es würde ein verdammt schwerer Abend werden. Doch es war die einzige Gelegenheit, die sich in naher Zukunft ergeben würde, also musste ich es durchziehen. Wir saßen endlich wieder zusammen. Nach zehn Jahren trafen wir uns alle wieder und nur einer aus unserer Klasse fehlte. Was würde heute abend passieren? Würde sie darauf eingehen? Nach dieser ganzen Zeit? Ich wusste es nicht, aber ich wollte und musste es herausbekommen. Musste versuchen Sie zum Reden zu bringen. Ich konnte einfach nicht länger damit leben.

Ich hatte sie an dem Abend schon ein paar mal angesprochen und einige dumme Bemerkungen fallen lassen und so langsam war die Stimmung auch am steigen auf unserem Klassentreffen.
Der Alkohol floss in Strömen und so war es an der Zeit sie so richtig zu malträtieren.
Ich ging ich hinüber zu Jessika. Sie war immer noch verdammt hübsch. Blonde lange Haare, die Figur einer Zwanzigjährigen und natürlich von Kopf bis Fuß gestylt. Doch aus der Nähe betrachtet, sah ich die Anfänge des übertünchten und grauen Gesichtes, dass sie einmal haben würde.
„Hallo Jessy, vermisst du ihn auch? Er ist der Einzige, der heute Abend fehlt.“, mit der Frage trat ich auf Sie zu. Ihre blauen Augen starrten mich böse an und ihr Gesicht wurde eine Nummer roter. „Nein eigentlich nicht. Er ist jetzt fast zehn Jahre tot. Ehrlich gesagt, hab ich versucht ihn zu vergessen“.
„Du und ihn vergessen? Das nehme ich dir nicht ab. Du hast ihn doch vergöttert und angehimmelt, bis er die Kleine kennenlernte“, sagte ich ganz ruhig und hielt beide Hände an meinem Glas Bier, damit sie nicht zitterten. Ihr Blick wurde nur noch eisiger. „Was weißt du denn schon? Ich hab ihn geliebt, ja. Aber es ist verdammt lange her und es interessiert mich nicht mehr.“
„Da hab ich aber ganz andere Dinge gehört. Du sollst eine Entziehungskur hinter dir haben und dein Therapeut soll sich eine goldene Nase an dir verdient haben.“
„Du fängst an mich zu nerven, Mark. Es ist nicht alles so schlimm, wie es erzählt wird. Ich hatte meine Probleme mit allem fertig zu werden, aber ich habe es geschafft und ich weiß auch nicht was dich das angehen sollte“. Sie war ein gutes Stück lauter geworden und einige der anderen sahen schon zu uns herüber. Die 25 Freunde des Jahrgangs 1970. Doch ich durfte jetzt nicht nachlassen, musste sie weiter in die Enge treiben und nicht mehr von der Leine lassen. Sie sah mich noch mal böse an und wollte sich umdrehen, als ich sie am Arm festhielt und sagte: „Warum hast du es damals getan? War deine Eifersucht so groß?“
Sie riss ihren Arm frei und schrie dieses mal fast: „Was willst du von mir? Die Sache ist lange gegessen und der Mörder wurde gefasst. Ich weiß nicht mehr als du oder die anderen hier, verdammt.“
„Das glaube ich dir aber nicht. Damals schon wussten wir alle was, aber keiner hat etwas unternommen. Alle haben wir für dich ausgesagt und der arme Marius ging in den Knast.“
„Na und, wen interessiert das alles heute noch? Wer interessiert sich schon für Marius. Er war nur ein gottverdammter Junkie und kann von mir aus im Knast verrecken.“
„Ich frage mich nur was damals wirklich passiert ist. Wie hast du die beiden umgebracht und warum?“, schrie ich sie jetzt fast an und nun hatten wir die volle Aufmerksamkeit aller um uns herum. Allesamt waren sie ruhig, hielten den Atem an und starrten uns entgegen. Alles Gemurmel und Geklimper in dem großen Saal hatte aufgehört. Stille. Dieses Mal war ihr Gesicht bleich geworden. Da war nichts Rotes mehr zu sehen, außer ihrer geschminkten Lippen. Alles Blut war daraus entwichen. „Du spinnst doch total“, kam es zögerlich. „Nichts ist damals passiert, außer was ihr alle wisst. Marius war ein verdammter Spanner und hat die beiden nachts am See umgebracht. Fertig und Ende.“
„Aber warum dann die Drogen, der Alkohol und deine Flucht in die große weite Welt? Was ist damals wirklich passiert? Hast du sie überrascht und alles so geschaukelt, dass es so aussah, als wäre es Marius gewesen? Die Verbindungen hattest du ja. Dein Vater war Bürgermeister und dein Onkel der Rechtsmediziner in der Klinik. Hat dein Daddy damals alles für dich geregelt und die richtigen Männer geschmiert oder unter Druck gesetzt?“
Sie starrte mich immer noch entgeistert an und als sie loslegen wollte, mich anbrüllen und bloßstellen wollte, da hakte ich nach. Ich hatte sie fast so weit, da war ich mir ganz sicher.
„Ich frage mich immer nur, warum du beide umgebracht hast. Nur weil der die Kleine gevögelt hat? Oder war da mehr? Hatte er sie vielleicht geschwängert, dein so beliebter Freund, dem die ganze Welt und alle Wege offen standen. Der alles hätte erreichen können, mit seinem Vater im Rücken. War es das? Oder wollte er sie vielleicht sogar heiraten? Dieses unscheinbare, kleine Ding, aus ärmlichen Verhältnissen und damit deine Idylle und die seines Vaters zerstören?“
Jetzt zitterte auch ich am ganzen Körper. Ich hatte sie, das wusste ich ganz genau. Sie war kurz vor dem Zusammenbruch.
„Hat er lieber mit ihr geschlafen, als mit dir und wollte sogar die Verantwortung dafür übernehmen, das ...“, aber weiter kam ich nicht, denn sie schrie mich und dann die anderen an: „Was weißt du schon, was wisst ihr schon? Ihr Loser hattet doch eh keine Chance. Aber er und ich, wir hätten wirklich alles tun und lassen können. Er hätte der Nachfolger seines Vaters werden können und ich an seiner Seite. Uns hat alles offen gestanden und wir hätten zusammen alles erreichen können, wovon ihr Freaks nur träumen könnt. Und dann kam diese kleine Schlampe und hat ihm den Kopf verdreht. Ja, er hatte sie geschwängert und wollte sie heiraten, dieses Miststück. Er wollte alles aufgeben, sein ganzes Leben und mich. Für nichts.“ Sie spuckte die Worte fast hinaus. Eine Last, die schon seit 10 Jahren auf ihr lag, wollte sich jetzt nicht mehr bändigen lassen. Alles fiel von ihr ab. „Ich hab sie draußen am See gefunden. Da lagen sie, wie zwei kleine verliebte Kinder, umschlungen, nackt, und stöhnend aufeinander. Mir war zum Kotzen. Am Tag zuvor hatte er mir alles erzählt, dieser Idiot. Aber ich hatte es nicht glauben wollen. Ich wollte und konnte nicht verstehen, dass er sein ganzes Leben und mich für dieses Flittchen aufgeben wollte. Ich dachte, er würde schon wieder zu sich kommen. Doch als ich sie da liegen sah, war es vorbei, mein ganzes Leben zerplatzte wie eine Seifenblase, alles was ich hatte und wollte ging in diesem Moment den Bach runter. Ich wollte nur noch die beiden töten und hab es getan. Ich stand dort, sah sie und wurde ganz ruhig und gelassen. Ich ging zu meinem Wagen, nahm die Waffe, ging zurück und hab beide erschossen. Du hättest ihre Gesichter sehen sollen. Ha. Zuerst dieses unglaubliche Staunen, dann die Angst und zum Schluss einfach nur diese toten glasigen Bälle in ihren Gesichtern. Aus Schluss und vorbei. Beide waren tot und sie hatte ihn doch nicht bekommen. Nicht sie hat ihn mir weggenommen. Ich hab ihn getötet, ihn und sie aus meinem Leben vertrieben.“
Jetzt sah sie mir wieder in die Augen, ruhig und gelassen. Es war ihr alles egal. Sie war es endlich losgeworden und ich hatte fast den Eindruck, als wäre sie froh darüber.
Ich hatte sie so weit, in meinem Kopf jagten sich die Gedanken und trotz dieser kompletten Überreizung versuchte ich weiter zu machen. Es war noch nicht alles erklärt, also setzte ich nach: „Und leider kam Marius vorbei und hat die beiden gefunden. Deinem Vater kam das gerade recht. Er hat dann alles weitere gedreht, bis es passte. Marius wurde die Waffe untergeschoben und ein paar Beweismittel gefälscht. Meine Güte er war ja nur ein asozialer kleiner Penner, wer sollte ihm schon glauben. Ein paar Kleinigkeiten, wie das fehlende Geld wurden arrangiert und so weiter. Und seit zehn Jahren sitzt er jetzt unschuldig im Knast.“

„Ja so in etwa aber wen interessiert das alles heute noch?“ fragte sie gelangweilt.
„Mich und ihn“, sagte ich und zeigte auf Marius, der gerade zur Tür hinein kam, begleitet von zwei Polizisten. Jetzt sah sie wieder verwirrt aus und ich knöpfte langsam mein Hemd auf und zeigte ihr das versteckte Mikrofon. „Ich hab Marius in den letzten Jahren ziemlich oft besucht im Knast, wo er deiner Meinung nach verrecken sollte. Die ganze Sache kam mir schon immer faul vor. Ich kannte Marius und wir waren gute Freunde bevor er anfing die Drogen zu nehmen. Ich konnte mir nie vorstellen, dass er zwei Menschen tötet, nur um an ein paar Scheine zu kommen. In den letzten Monaten haben wir einen Weg gesucht, eine neue Verhandlung zu erzwingen und um dich zu überführen. Ich habe einen Kommissar gefunden, der uns glaubte und unterstützte. Den Beweis für die Schwangerschaft hatten wir schon. Wir haben ihre Leiche exhumieren und noch mal eine Obduktion durchführen lassen. Wir können auch beweisen, dass er der Vater des Kindes war. Das Motiv hatten wir, nur dein Geständnis fehlte uns noch. Aber das haben wir ja jetzt.“

Ich sah in ihren Augen, dass sich ihre Gedanken überschlugen und sie krampfhaft nach einem Ausweg suchte. Als sie weglaufen wollte, hielt ich sie fest, bis die beiden Polizisten bei ihr waren. Danach sackte sie in sich zusammen, wie ein Ballon, aus dem langsam die Luft entweicht und sagte kein Wort mehr. Alle Lebenskraft war aus ihr verschwunden und sie ließ sich ohne irgendein Gefühl oder Regung zu zeigen, einfach abführen. Marius schüttelte mir die Hand und umarmte mich. Wir hatten es wirklich geschafft, aber auch ich wollte jetzt nur noch verschwinden. Wir hatten sie und ich wollte nur noch weg. Fort von hier, weg von den Blicken und den Fragen der anderen. Es würde noch eine lange Verhandlung werden und ihr Vater würde die besten Anwälte für sie arrangieren, aber Marius würde mit Sicherheit eine neue Chance bekommen und nur darauf kam es an.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Hallo Rolf,
vielen Dank fürs Lesen und deinen lieben Kommentar. Du hast recht, viele Menschen haben heute zu allem eine Meinung, auch wenn es nicht unbedingt ihre eigene ist. Wenn ich heute Kommentare auf Nachrichtenseiten oder auch sonst im Netz, muss ich immer öfter mit dem Kopft schütteln und mich fragen, ob das wirklich ernst gemeint ist. Das wirklich Schlimme ist, dass diese Menschen nur ihre eigene Meinung zu lassen und gegen alle Gegenargumente immun sind und nicht über ihren Tellerrand hinaussehen wollen oder können.


Daniel Freedom (30.03.2015)

Hallo Daniel,
Courage ist selten geworden in der heutigen Zeit, in der zwar Redefreiheit für jeden besteht und doch so viele nichts zu sagen haben. Die Folgen sind häufig, ja immer öfter dragisch und verhängnisvoll. Ein jeder kennt mindestens einen dieser arroganten und selbstherrlichen Zeitgenossen, die im Stande sind das Leben ihrer Mitmenschen zur Qual werden zu lassen, die sie bis in den Selbstmord treiben können und die selbst dann noch nicht aufhören, wenn sie das Leben des anderen zerstört haben. Ist es gar zu einem erweiterten Suizid oder Amoklauf gekommen und der Auslöser wurde nicht getroffen, dann erklären sie lautstark ihr Opfer zum gemeinen Täter. Und wieviel haben all die Zeit weggeschaut und geschwiegen, nicht gehandelt, sondern häufig noch duckmäuserisch genickt. Nicht immer ist es nur ein Täter, wie oft werden wir täglich zu diesem?
Deine sehr spannend und ergreifend geschriebene Geschichte taugt zum Nachdenken und mitfühlen. Ich zolle dir dafür großen Respekt und Anerkennung.
Hochachtungsvoll Rolf


Siehdichfuer (29.03.2015)

Hallo Christian, danke für den Kommentar und die konstruktive Kritik. Freut mich wenn die KG gefällt. In einigen Geschichten teste ich verschiedene Dinge aus. Hier sind es die Dialoge auf die es mir ankam, da kam dann am Schluss die Geschichte ein wenig zu kurz.

Daniel Freedom (26.02.2015)

Die Geschichte finde ich echt spannend geschrieben. Mir gefällt der schnelle Takt des Dialogs. Nur am Ende verlierst du dich für meinen Geschmack ein wenig in Erklärungen. Insgesamt aber absolut lesenswert.

Christian Dolle (25.02.2015)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Findet mich!  
Desaster  
Träume  
Lea 5 - Abschied (2)  
Lea 5 - Abschied (1)  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
Andacht - Gott hat´s ihnen ins Herz gegeben ....  
Lea (4) Höllenhund  
Lea 5 - Abschied (2)  
Desaster  
Schatten (1 - 3)  
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De