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Der Satan, mein Traum vom 07.08.2014

Kurzgeschichten · Experimentelles · Erinnerungen
© Ben Pen
Ich befand mich im Priesterseminar, machte eine Ausbildung zum Priester. Leiter der Angelegenheit war ein schmaler Typ mit nicht minder schmalem Gesicht und weichen Zügen, ein typischer Religionslehrersofti, tatsächlich aber Diakon oder sowas in der Art. Wir Studenten waren jung und natürlich noch nicht ganz so motiviert, was unsere klerikalen Pflichten anbelangte. Wir wollten feiern und hatten keinen Bock auf Zölibat.
Als es dunkelte, gingen wir in die Innenstadt auf die Pirsch. Eine Band spielte. Die Straßen waren regennass. Alles glitzerte. Wir umgaben uns mit Mädchen, an, uns ausgelassen und ordentlich die Kante.
Am nächsten Morgen fand der praktische Teil des Seminares statt: Die Kirche war gerammelt voll. Es war eine große, goldgeschmückte Kathedrale. Marmorsäulen strebten in die Höhe. In den ersten Reihen saßen fast nur kirchliche Würdenträger. Man wollte uns kontrollieren, einen Eindruck bekommen, vom Nachwuchs, von den Neuen. Waren wir gescheit? Hatten wir das Zeug dazu?
Unser Seminarleiter war schon mal nicht so gut auf uns zu sprechen. Entweder sah er uns den Kater an oder er hatte von unserem tierischen Ausbruch Wind bekommen. Tatsächlich hatte er etwas für uns vorbereitet; wir sollten eine Predigt halten. Auf einem Schnipsel standen in gotischen Buchstaben Wortfragmente. Die Initiale prangte rot. Jener sollte uns als Vorlage dienen, an ihm hatten wir uns zu orientieren.
Meine Vorgänger versagten kläglich. Sie kamen ins Stocken und verhaspelten sich ständig. Der vergilbte Fetzen war einfach zu irreführend. Derweil uns unser Seminarleiter mit bösen Blicken musterte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, die Hände in die Ärmel seines Talars geschoben.
Schließlich war ich an der Reihe: Zu meinem Erstaunen gelang mir sogar eine halbwegs empathische Rede. Euphorisch pries ich den Herrn. Meine Zuhörer packte ich am sprichwörtlichen Wickel. In meiner Rede ging es um unbedingten Glauben, Hoffnung, darum, das Richtige zu tun, sich seinen guten Willen zu bewahren. Mit wenigen, dafür aber umso emotionaleren aussagekräftigen Worten berührte ich sie tief. Anschließend johlten, klatschten sie lautstark Beifall.
Als ich fertig war, trat ich von der Kanzel – und hinter den Altar. Dort, im Schatten, stand der Seminarleiter. Feuereifrig stellte ich ihn zur Rede: „Was soll das? Sowas ist nicht christlich! Andere in die Bredouille bringen, mit Absicht!“ Ich nannte ihn unwürdig, einen gottlosen Mann.
Noch während ich redete, schien sich mein Gegenüber zu verwandeln: Er wuchs, wurde rot und immer fetter. Alle Kleider fielen von ihm ab. Eine dröhnende Lachsalve kam aus seinem Mund. Vor mir stand nicht länger der Seminarleiter, sondern saß der Satan, höchstpersönlich.
Schon hatte ich einen langen, schmiedeeisernen Haken in der Hand, mit dem man in der Regel obere Fenster öffnete, schloss oder schwer erreichbare Kerzen entzündete und wieder löschte. Diesen hieb ich ihm, noch bevor mein Gegenüber auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun konnte, in seinen fetten, aufgedunsenen Leib. Und zog. Eine steile Furche riss ich in sein Fleisch. Er selbst rührte sich nicht, obschon ich ihn jede Sekunde kontern fürchtete. Rille um Rille zog ich, pellte ihn wie eine Siedewurst, ihm in wilder Hast die Haut von seinen Knochen, bis er nur noch Glibber war, und der Satan in sich zusammenschwabbelte.
Ich hatte den Teufel – im wahrsten Sinne des Wortes – enthüllt!
 
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