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2 Seiten

Barsch, 23.08.2014

Kurzgeschichten · Experimentelles · Erinnerungen
© Ben Pen
Am Vorabend hatte ich gesagt bekommen, ich hätte einen Barsch im Auto. Oder Dorsch. Dazu befände sich eine ganze Menge Wasser in der Karre. – Mein Auto hatte einige Tage am Hang gestanden, es ein starkes Unwetter gegeben. Möglich, dass es etwas mehr als die übliche Menge Regenwasser abbekommen hatte. Wegen eines Lackschadens hatte ich sowieso vorgehabt, es mal in die Werkstatt zu bringen. Also bin ich vorbei gefahren. Mittlerweile stand ich drin und wartete.
In der Werkstatt herrschte reges Treiben. Wobei, von „rege“ kann nicht die Rede sein. Überall saßen oder standen Männer, die Blicke schweigend auf ihre Arbeit konzentriert. Sie trugen blaue Kittel. Einer puhlte Splitter aus den Überresten eines abgefahrenen Seitenspiegels. Nur wenn jemand aufstand, ging, etwas zu holen, wurde seine Handlung mit entsprechenden Worten, Blicken kommentiert. Die Werkstatt selbst war ein kleiner, dunkler Raum, der gerade noch einmal so viel Platz bot, dass man zwischen den einzelnen Arbeitern hindurchgehen konnte.
Endlich kam jemand, der offenbar Bescheid wusste. Er lachte. „Du hast ‘n Barsch im Auto!“, rief er. Er war extra gekommen, mir das zu sagen. „Oder Dorsch!“ Ich verzog die Mundwinkel. „Und eine ganze Menge Wasser!“
„Ich weiß!“, entgegnete ich leicht gereizt. „Was ist mit den Lackschäden?“
Der Angestellte zuckte mit den Achseln. „Muss ich schauen“, erwiderte er nachdenklich, machte kehrt und ging wieder.
Seufzend trat ich auf die Straße. Das würde wohl noch ein Weilchen dauern. Ich ging ein Stück. Die Straße war wie leergefegt, es noch früh am Tage und alles feucht vom Regen. Linker Hand: Wald.
Da kam ein Türke auf mich zu, eine finstere Gestalt. Seine schwarzen, fettglänzenden Haare hatte er zum Zopf gebunden. Er sah aus wie Kaya Yanars Paraderolle Hakan. „Willst du Hasch kaufen?“ Ich hatte gewusst, dass er das fragen würde. Aus den Falten seiner Bomberjacke zog er eine Tüte Gras. „Mal probieren?“
Dankend lehnte ich ab. „Einstiegsdroge“, kommentierte ich. Und ging weiter. Der Türke folgte mir.
Ich erreichte den Wendehammer meines alten Gymnasiums. Dort, wo normalerweise Busse verkehrten, war alles voll von PKWs. Der Hammer sah aus wie am Elternabend. Und: Es wimmelte von Fünftklässlern. In einer Nische stand der Wagen meiner Mutter. Eigentlich ist es ein dunkelgrüner Berlingo, pardon: gewesen! – In meinem Traum war es ein Van.
Der Türke klatschte in die Hände. „Du hast nicht abgesperrt!“, lachte er mich aus. Anschließend präsentierte mir sein I-Phone. Auf dem Display: er, eine zu drei Vierteln gelehrte Weinflasche in der Hand, auf meinem Rücksitz.
Ich wendete den Blick ab. Beschämt klemmte ich mich hinters Steuer. Na ja, „klemmen“ sieht anders aus. Tatsächlich hatte ich sogar zu viel Platz; ich saß etwas erhöht, überschaute vom Fahrersitz aus wie von einem Turm herab die Straße. Aus Lautsprechern drang eine an die 60er gemahnende Musik. Ich fuhr an. Und würgte ab. Der Wagen machte einen Satz nach vorn. „Scheiße!“ Ich war zu nah an die Absperrung gekommen. Das ganze Ding stand schief, eines der Hinterräder: auf der Straße; ein Vorderrad hing in der Luft.
Auf einmal bewegte ich mich, ohne etwas gemacht zu haben. „He!“, rief ich. Die Kinder hatten – angesichts meiner Notlage – die Initiative ergriffen und stemmten sich gegen den Wagen. „Nicht!“ Aber zu spät; ich konnte nur noch gegenlenken. Der Wagen schrappte über einen Pfosten. Ich konnte förmlich fühlen, wie der gusseiserne Metallkopf mein Getriebe zerfetzte. Knirschend kam er auf die Straße und ich wurde kräftig durchgeruckelt.
Mit klopfendem Herzen kletterte ich aus dem Führerhäuschen. „Was sollte das!?“, zeterte ich.
Der Kleinen allerdings schauten mich verblüfft an. Sie hatten doch bloß helfen wollen!
 
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