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2 Seiten

Einblicke

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der Forscher

Der Anblick ließ ihn in größtes Staunen verfallen. Alles, was er bisher in seinem langen Leben erfahren hatte, war demgegenüber, was seine Sinne in diesem Moment bespielte, vollkommen farblos und monoton. In mannigfachster Prächtigkeit, sein geistiges Auge nahezu erblindend, verfehlte das Objekt der Begierde seine Wirkung nicht. Es war, als ob er eine vollkommen neue Ebene der Erkenntnis erreicht hätte und erst jetzt klar und eindeutig eine Ästhetik in den Dingen sehen konnte, die ihm bisher verwehrt geblieben war.
Doch hatte sich nichts an seiner Umwelt geändert. Sie war gleich geblieben und doch erschien sie ihm nun vollkommen anders. Wo er früher ein schnödes Objekt gesehen hatte, schlicht und seiner Beachtung kaum wert, eröffnete sich ihm nun eine vollkommen neue Welt. Er erkannte nun: Besitzt man den richtigen Schlüssel, verwandelt sich jede scheinbare Banalität in etwas wunderbar Vielfältiges und Spannendes.

Der Handwerker

Es gab kaum jemanden der seine Profession besser beherrschte als er. Jeder Griff, jede Bewegung war an Präzision und Raschheit kaum zu übertreffen. Das Ergebnis ließ nie auch nur den kleinsten Wunsch übrig und immer stand die Erwartung im Raum nichts schaffen zu können, was derart vollkommen war. Umso größer war die Überraschung als es wieder gelang. Nahezu einer unheimlichen Gesetzmäßigkeit gleich, die jederzeit an der Kippe stand, in sich zusammenzubrechen.
Doch wo oberflächlich Perfektion vorherrschte, steckte Leidenschaft und Ausdauer dahinter. Wo Vollkommenheit vermutet wurde, ein langer und mühsamer Weg, gepflastert mit vergangenen Fehlern und Momenten der Freude. Und wo im Moment der Betrachtung ein unübertreffliches Ergebnis bestaunt werden konnte, blickte der Schmied mit Neugier auf eine neue Herausforderung die alltäglichen Dinge zu meistern.
Denn er erwartete nicht von sich, etwas Perfektes, Vollkommenes und Unübertreffliches zu schaffen, sondern blieb im Geiste seines Schaffens und in der Gewissheit, dass nichts befriedigender sein könnte, als auf die Tätigkeit an sich zu blicken und nicht auf das, was dabei rauskommen sollte.

Der Geschäftsmann

Die Diskussion schien zu keiner Lösung zu kommen. Viel zu verschieden waren die Standpunkte der Diskutanten. Viel zu unterschiedlich ihre Interessen. Sagte einer ein Wort, lagen den anderen schon zig Widersprüche auf den Lippen. Dies spürten die Anwesenden – auch ohne Gedanken in Sprache transformieren zu müssen. Die Uneinigkeit lag nahezu in der Luft. Viel zu verzwackt war die Situation, um noch Einigkeit herbeiführen zu können. So vieles musste berücksichtigt werden. So vieles wollte berücksichtigt werden.
Dabei ging es jedem Anwesenden nur um seine Sicht der Dinge, nicht darum, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Der Blick darauf blieb ihnen verschlossen und Sturheit und Engstirnigkeit verwehrten es, gemeinsame Standpunkte auszumachen. So versagten die voreilig hochgezogenen Barrikaden es, den Schnittpunkt der Wege zu sehen. Dabei wäre es für jeden der Anwesenden vorteilhaft, nicht die vielfältigen, eine komplexe Ausgangssituation schaffenden Unterschiede als Verhandlungsbasis anzusehen, sondern vom Podium der Gemeinsamkeiten aus – die Lage überblickend – eine Lösung zu finden.
 
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Kommentare  

Lieber Gerald,
danke für dein Feedback. Hatte gar nicht daran gedacht, aus den Einblicken in die Gedankenwelt der drei Sparten bzw Personen Weiteres zu schreiben. Die Idee gefällt mir aber gut.


Hans Müller (18.06.2016)

Spannend, jeder deiner drei Protas, wirkt interessant auf seine Weise. Das macht neugierig auf mehr.

Gerald W. (17.06.2016)

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