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Morgengrauen

Fantastisches · Kurzgeschichten
Etwas hatte Grit geweckt.
Schwaches Tageslicht drang durch das heruntergelassene Rollo ins Schlafzimmer.
Die Einrichtung lag im Halbdunkel.
Der Radiowecker zeigte 5.00 Uhr an.
Ihr Blick verweilte kurz auf den rotleuchtenden Ziffern,
schon drehte sie sich wieder auf die Seite. Eine krächzende Stimme rief leise, aber deutlich ihren Namen.
„Griiit! Griiit!“
Verschlafen rieb sie sich die Augen, während sie sich aufsetzte. Ihr Mann schlief tief und fest. Sein Atem klang gleichmäßig und ruhig. Er konnte nicht gerufen haben.

„Griiit!“
Jetzt war sie hellwach und sich sicher, dass jemand vor dem Fenster stand. Grit war schon oft von ihrer Tochter aus dem Schlaf gerissen worden. Immer dann, wenn sie den Haustürschlüssel vergessen hatte, mit einem Stock nervtötend ans Fenster klopfte und mit gedämpfter Stimme ihren Namen rief, um die Nachbarschaft nicht aufzuschrecken.
Gut, dass sie im Erdgeschoss wohnten. Grit musste unwillkürlich lächeln.
Als sie das Rollo hochzog und das Fenster öffnete, hörte sie ihren Namen erneut.
Die Worte: Mystisch und Schwarz, kamen ihr in den Sinn – und waren genauso schnell wieder verschwunden. Grit beugte sich weit aus dem Fenster, aber es war niemand zu sehen.
Es schien ein schöner Tag zu werden. Vögel flogen von Baum zu Baum und sangen sich in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen ein - Guten Morgen - zu. #
Ein Rabe blickte mit schwarzen stechenden Augen in ihre Richtung.
Konnte man sich so täuschen?
Kopfschüttelnd schloss sie das Fenster und ließ das Rollo fast ganz herunter. Die vom schwachem Licht erzeugten Schatten machten ihr plötzlich Angst; Sie verkroch sich unter ihrer Bettdecke. Ihr Mann schlief noch immer tief und fest.
„Griiit! Griiiiiiiiiiiiit!“
Sie sprang auf, schlüpfte in ihre Hausschuhe, die wie immer etwas verstreut vor dem Bett herumstanden und wäre fast über den grauen Bettvorleger gefallen, als sie hastig in die Küche rannte. Die mysteriöse Stimme schien diesmal aus dieser Richtung zu kommen.
Ihre Schritte wurden langsamer, als sie auf das Küchenfenster zuging. Es war groß, fast so breit wie die Wand.
„Griiit!“
Nicht lauter, nicht eindringlicher, einfach nur erschreckend anwesend. Grit unterdrückte einen Schmerzenschrei, als sie mit der Hüfte gegen einen Küchenstuhl prallte. Wütend stieß sie ihn mit ihrem Fuß zur Seite und beugte sich erneut nach draußen. Ein einsamer Radfahrer fuhr am Haus vorbei, scheuchte einen Raben am Straßenrand auf und grüßte höflich. Sie konnte spüren, wie sie zu zittern begann.



„Griiit!“
Es klang gedämpfter!
Der Hausflur!
Sie rannte los, drehte hastig den Schlüssel im Schloss und riss die Tür auf. Niemand! Von weiter oben ertönte eine Toilettenspülung, dass war alles. Ein kleiner schwarzer Schatten huschte an der Milchglasscheibe der äußeren Eingangstür vorbei. Zu schnell, um gesehen zu werden!
Ihre Beine schienen aus Pudding zu bestehen, als sie zurück in die Küche ging und sich setzte. Immer wieder fiel ihr Blick nach draußen. Sie lauschte angestrengt. Nichts! Nach einer halben Stunde gab sie auf.
Ich muss geträumt haben, dachte Grit.
Auf Zehenspitzen, um die Stimme, oder es, oder was auch immer es gewesen sein mag nicht aufzuschrecken, schlich sie wieder ins Schlafzimmer.

Der Rabe flog davon.
Niemand rief mehr ihren Namen.
Sie hätte es gehört, den sie träumte nicht.
 
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Kommentare  

Diese Geschichte hat eine Handlung, ok. Aber den Sinn der Geschichte verstehe ich nicht. Letztendlich krächzt ein Rabe ihren Namen, aber was hatte das zu bedeuten?
[Sabine Buchmann]

Es wird Spannung aufgebaut die dann aber zu nichts führt - zu absolut nichts. ich habe nichts gegen offene Enden - aber das war mir zu offen.
[Kerstin Monschein]


Jurorenkommentare (03.05.2002)

Es ist immer gut, wenn einem wieder bewusst gemacht wird, das die andere Seite nicht nur gegenüberliegen muss, sonder hinter Schleiern, die wir schon lange verdrängt haben, liegen kann.

Mike


Mike (01.05.2002)

keine leichte aber spannend geschriebene Geschichte

rene (18.04.2002)

Die andere Seite der Welt ist nicht immer nur geografisch gemeint, was in dieser wirklich gut geschriebenen Geschichte deutlich zu erkennen ist. Eine Fortsetzung wäre genial! Das Ende macht neugierig!

Chris (18.04.2002)

ja, mir ging es beim lesen der geschichte ähnlich, ich fand sie gut geschrieben, gut zu lesen und dann hörte sie plötzlich auf,
schade


s (15.04.2002)

Die andere Seite der Welt ist hier im Verborgenen. Nur zu fühlen, nur zu erahnen, aber sie existiert. Leise!
Eine zarte Geschichte, gut geschrieben


Engel (14.04.2002)

Die andere Seite der Welt...welche denn? Die vogelige? Geht ein wenig am Thema vorbei, aber ich wette, der nächste Kommentator behauptet steif und fest das Gegenteil! :-)Ansonsten: Feine Geschichte, sauber geschrieben mit gutem Spannungsbogen. Ich geb dir 4 dafür. Die gefällt mir nämlich, die Geschichte. Doch, tut sie. Ich echt. Wirklich. Ist wahr...

Stefan Steinmetz (11.04.2002)

Und was hat die Geschichte mit dem Thema des Wettbewerbs "Auf der anderen Seite der Welt" zu tun?!
Die Geschichte hat einen guten Ansatz, aber verfehlt das Thema um längen.
Nichts für ungut!


Marco Frohberger (11.04.2002)

Nett.

werwoelfin (09.04.2002)

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