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5 Seiten

Die Weltenmacher (Fortsetzung zu ´Der Novaeffekt´)

Fantastisches · Kurzgeschichten
Terranisches Sonnensystem 2700.
3. März Gassammler 27439 in einer Umlaufbahn um den Planeten Neptun.

Ich bin wieder mal viel zu spät dran. Wenn mich der Kontroller erwischt, bekomme ich meine dritte Ermahnung für dieses Jahr. Aber was soll’s, ich werde eh nie befördert und noch weiter absteigen kann ich nicht mehr. Bin vor 9 Monaten hier am Arsch der Welt angelangt. Ich befinde mich auf dem letzten bewohnten Außenposten. Alles was noch weiter von der Sonne weg ist, wird von den Maschinen verwaltet.
Ich bin jetzt 32 und fast am Ende meines Arbeitslebens angekommen. Hätte ich mich bloß nie für den Job als Terraformer gemeldet. Alles klang so gut und sinnvoll. Wie viele andere hat mich die Aussicht auf ausreichend Platz für meine Nachkommen gelockt und die obligatorische Strassenbennennung, oder für die höheren Dienstgrade Schulen und Parks. Aber bei näherer Betrachtung bin ich der Gearschte, bis Terra 3 fertig ist, bin ich schon 200 Jahre tot. Trotz Telomerkur und Radikalen-Protektion altere ich unaufhörlich.
Nach der Schalldusche springe ich in meinen Overall und begebe mich an meinen Arbeitsplatz.
Es ist eine Messwarte mit vielen Anzeigen und ich habe nichts anderes zu tun, als den Saugrüssel Nr. 93 zu regulieren. Es gibt genau 290 Sauganlagen an Bord dieses Schiffes. Wir saugen mit 1800 Meter langen Rohren aus Wolfram-Titanstahl, die Atomsphäre des Neptun in unsere Tanks.
Eigentlich tot langweilig, aber dennoch muss man dabei zusehen und aufpassen. Die Zentrale besteht nach wie vor auf Kontrolle durch einen Menschen. Man könne den Maschinen nicht alle Arbeit überlassen, meinen die. Besonders die Kontrolle über so wichtige Bereiche. Mir egal. Ich bin eigentlich auch viel lieber Dirigent als Dirigierter. Wenn was kaputt geht, melde ich es dem Nanocorp und dann erledigen das die Naniten. Dazu sind die schließlich da.
Damit wäre meine Arbeit auch schon erklärt. Wenn ich Kommandant wäre, dürfte ich ab und zu die vorgeschlagenen Kurskorrekturen des Hauptcomputers gutheißen oder das Logbuch führen.
Gott sei Dank sind wir hier in 3 Wochen fertig. Dann sind unsere Gastanks gefüllt und wie werden mit 10 Mio. Tonnen Wasserstoff - Ammoniak Gasgemisch zum Asteroidengürtel fliegen. Dann habe ich 6 Monate Heimaturlaub auf Terra II.
Das ist der neueste Planet, der besiedelt wird. Auf einer erdähnlichen Umlaufbahn kreist dieses Abbild der Erde um die Sonne. Terra 1, das Original und die anderen beiden Planeten, Terra III & IV stehen jeweils 90° ,links und rechts davon bzw. gegenüber. Dadurch stören sie sich nicht gegenseitig und das System läuft stabil. Wenn wir fertig sind werden vier erdähnliche Planeten um das Zentralgestirn kreisen. In jeder Himmelsrichtung eine, das Original und seine drei Kopien eben.
Der Aufbau ist eigentlich Sache der Genesitiker, Fachleute für den Aufbau neuer Welten. Ich habe mir mal in meiner Freizeit die entsprechende Literatur besorgt. Klingt alles unglaublich schwierig und wahnsinnig aufwendig. Aus kleinen Asteroiden formt man in mehreren Jahrhunderten, neue Planeten für die Besiedlung durch den Menschen.
Angefangen hatte dieses Vorhaben vor 350 Jahren. Damals hatte man den Plan, die anderen Planeten und Monde zu Terraformen, verworfen. Es ging einfach nicht. Irgendwas passte einfach nie.
Stattdessen begann die Nanocorp im Sonnensystem mit dem megadimensionalen Abbau von Rohstoffen zum Bau neuer Planetoiden.
Das Prinzip ist ähnlich dem eines Schnellballs, der einen Berg hinunter rollt und dabei immer größer wird. So in der Art funktioniert auch dieser Aufbau. Am Anfang steht ein Brocken von 30-70 km Durchmesser. Der wird in eine sonnennahe Umlaufbahn gebracht und dann nach und nach mit Schutt aufgepäppelt. Wenn er etwa 50 % der Erdmasse hat, beginnt man damit einen Untergrund für die Pflanzen zu erschaffen. Den Sand dazu liefern die Monde bzw. der Mars. Das Wasser kommt von den Gasriesen. Ebenso die Atmosphäre. Mit diesen Bauarbeiten sind 37 % der Bevölkerung beschäftigt. Unter anderem auch ich. Leider stehe ich am untersten Ende des Schaffensprozesses, aber das habe ich wohl schon erwähnt. Unter mehr stehen nur noch die Naniten und Wartungsroboter.
Ich bekomme ein Signal von meinem Chef. Er frägt über den Kontrollbildschirm, wie die Arbeit voran geht. Ich bete ihm die Zahlen runter und langweile ihn damit. Er kennt sie ja schon von seinen Anzeigen. So geht das hier jeden Tag. Ich wünschte ich wäre vor 700 Jahren zur Welt gekommen. Mein Gott muss das eine großartige Epoche gewesen sein. Kurz vor der Nova. Da konnte man noch Abenteuer bestehen und sich beweisen. Heutzutage gibt es überhaupt nichts wofür es sich noch zu kämpfen lohnt, Wir besiedeln zwar immer mehr Himmelskörper und neue Sonnensysteme, aber wozu und für wen. Alles nehmen uns die Maschinen ab. Nichts kann mehr gemacht werden ohne das sich Nanocorp einmischt. Diese Gilde hat fast mehr Einfluss als der Rat der 12 Zeichen. Man kommt auf die Welt, wird vermessen und Nanocorp stempelt einen ab. Ob zum Strategen und Chefplaner oder wie in meinem Fall zu einem HSS. Ein Homo sapiens sapiens. So nennt man uns mittlerweile, HSS. Ich kämpfe ja seit Jahren um meine Aufstufung zum HTS, aber das kann ich wohl getrost vergessen. In 6 Monaten bin ich 33 und damit endet meine Zeit der Prüfungen und Tests. Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Mein Cousin hat die Tests schon als 6 jähriger gepackt. Immer haben mir meine Eltern das vorgehalten. Der Philip ist ja so brav, der ist ja so gescheit ... zum kotzen diese Arschgeige. Den konnte ich noch nie leiden; der ist mittlerweile Juniorchef auf Titan und verwaltet dort die Bergbausiedlung. In der letzten Nachricht meiner Schwester stand drin, dass man einen See oder eine Ortschaft auf Terra IV nach ihm benennen wird. Als ob mich das jucken würde. Vor 700 Jahren, in der guten alten Zeit, da hätte der nicht mal .... ach was reg ich mich auf. Das ist wieder typisch für diese eintönige Arbeit. Ich beginne mit meinen Tagträumen und bin nicht bei der Sache. Immerzu träume ich davon mit so einem antiken Sportwagen zu fahren. Einer ohne Autopilot und gedrosseltem Motor. Mal so richtig Gas geben und dann in die Disco zum Saufen. Junge Junge
Ich hab ja mal so nen Chemiker kennen gelernt, damals auf der Bergbauschule auf Europa, der hat Alkohol hergestellt und so. Mich konnte er wohl gut leiden und hat mir deshalb etwas von diesem Zeug gegeben. Genau das fehlt uns heutzutage, etwas wovon einem warm wird und man mutig ist beim Paarungsspiel........ Ob die kleine Soziolatrice auf Europa noch arbeitet? Das war die nettes und schönste Frau, die mich je befriedigt hat. Viel besser als die Frauen hier an Bord. Die sind so lustlos und machen es nur mit einem, weil sie was ausgefressen haben. Das die zeitgemäße Art der Bestrafung. Sozialer Dienst an der Gemeinschaft. Vornehmlich Arbeiten für die man nicht genug Freiwillige hat.
Mein Schatz auf Europa macht es ja aus persönlicher Vorliebe, wie sie sagt. Sie ist eine seltene Unterart des HTS/ HSS, eine nymphomanisch Veranlagte. Ich hab ja keine Ahnung was das jetzt genau heißt, aber jedenfalls hat sich die Kleine immer viel Mühe gegen mich zum Orgasmus zu reiten.
Ich blicke nach unten zum Gasriesen, den ich um sein Eigentum bringe. Weiter unten in der Atmosphäre toben unaufhörlich Stürme und verändern so das Gesicht des Planeten. Noch keine Stunde rum und mich ödet schon wieder alles an.
Was wohl gerade auf der Erde los ist. So weit hier draußen bekommt man ja nicht alles mit und ist für jede Abwechslung dankbar. Für die Nachrichten ist es noch zu früh, ist eh immer wieder der selbe Mist. Nur Statistiken wie weit alles ist und etwas Sport. Ob die Eagles immer noch Strategoballmeister sind. Das Endspiel muss vor ein paar Stunden stattgefunden haben. Aber egal, für mich ändert das auch nichts. Zwischen mir und einer Abwechslung liegen noch genau 373945 Tonnen Gas. Dann beginnt der Heimweg und ich sehe meine Freunde vielleicht mal wieder.
Lars arbeitet ebenfalls auf einem Gasfrachter. Richard ist Gärtner auf Terra 2 und versucht sich als Bauer und Viehzüchter. Er hatte Glück, schon bei der ersten Raumzuteilung hat er ein traumhaft schönes Fleckchen Erde bekommen. Über 1 km2 hat er jetzt, mit Wald und Weiher und alles was er schon immer wollte. Ihn werde ich besuchen und dann mal so richtig ausspannen. Ich wollte immer schon so leben, also Cowboy auf ner Ranch oder mal das Essen selbst fangen gehen. So wie früher mit ner Angel und nem Schießgewehr. Das hab ich alles in meinen Büchern gelesen. Bisher ist mir immer was dazwischen gekommen, aber diesmal werde ich auf jeden Fall alles machen was ich mir vorgenommen habe.
Vielleicht einen von den Epochenparks besuchen. Die Neuzeit hat mich schon immer gereizt. Oder die 60er Jahre des 20 Jahrhunderts. Ich gab gehört da gäbe es sogar Leute, die DSL verteilen. Ein Cousin von mir arbeitet in diesem Bereich, er ist Statist in einer Biedermeier Welt. Ach ja ... wird das schön. Ich werde mindestens 3 Jahrhunderte Revue passieren lassen und diesen öden Mist hier hinter mir lassen.
Bin ich froh das nach Terra IV endlich Schluss ist, danach übernehmen andere meinen Job. Die künstlichen Planeten sind eh nur die Ausgangsbasis für die nächste Konstruktion. In etwa 300 Jahren, so der Plan, werden die Naniten mit dem Bau einer Dysonspähre beginnen. Unser Ausbilder in der Kolonie hat damals ganz leuchtende Augen bekommen, als er uns davon erzählt hat. Er meinte das dies das größte denkbare Bauprogramm ist, das überhaupt vorstellbar wäre. Alleine die Zahlen dazu sind so unglaublich, dass einem schwindlig werden kann. Eine Sphäre mit 200.000.000. Kilometern Radius hätte eine Oberfläche von ca. 5, 27X 1017 km2. Die Theorien dazu hab ich immer mit Genuss verschlungen. Wenn man darüber nachdenkt wird man sich erst bewusst wie klein diejenigen sind, die es umsetzen.
Beispielsweise plant man die Sphäre durch den Sonnenwind rotieren zu lassen. Der Sonnenwind wird mittels starker Magnetfelder durch enge Öffnung geleitet und umgelenkt. Dadurch wird die Sphäre angetrieben. Durch die Rotation wird man auf der Innseite nach außen beschleunigt und kann ganz normal leben. Die Geschwindigkeit die man braucht um 1g zu erzeugen, beträgt in diesem Fall
389 km/s. Von Weitem würde es so aussehen als ob da ein riesiger Quasar am rotieren wäre.
Aber das beste ist, dass die Sphäre wachsen und schrumpfen kann. Wenn die Sonnenaktivität zunimmt, dann wird einfach weitergebaut. Wenn es kühler wird, schrumpft man die Konstruktion entsprechend zusammen. Die Naniten machen das.
Ich bin schon richtig gespannt wie das mal wird. Irgendwie macht mir die Idee schon seit längerem Kopfzerbrechen. Ich meine, wie soll das dann weitergehen. Wir haben jetzt schon nicht mehr viel zu tun und breiten uns immer weiter aus. Alle 33 Jahre verdoppelt sich die Bevölkerung, Geburtenkontrolle ist abgeschafft und alles ist unkontrolliert am wachsen. Nanocorp wird irgendwann mal die ganze Milchstraße zugebaut haben. Den einfachen Leuten wie mir bleibt nur, sich in künstliche Welten zu flüchten und dort zu leben. Wirkliche Herausforderungen gibt es einfach nicht mehr.
 
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