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3 Seiten

Reichtum...

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Er hatte noch genau vierhundert Mark und keine Aussicht an Geld zu kommen. Eigentlich hatte er heute Morgen noch tausend Mark gehabt, aber sechshundert hatte er in ‘ner Spielothek verloren. Die verbliebenen vierhundert Mark wären auch noch draufgegangen, wenn ihm nicht irgendwann mittags eine grandiose Idee gekommen wäre.

Er wusste, daß er kaum Chancen hatte an Geld zu kommen. Zumindest nicht ohne dafür zu arbeiten. Aber arbeiten war ihm ein Gräuel. Allein schon das Wort! Und wenn er an die verschwitzten Männer in den blauen Arbeitsklamotten dachte, die den ganzen Tag auf dem Bau oder woanders ‘rumkrebsten, sich von ihren Vorgesetzten schikanieren ließen, unangenehm rochen und abends, wenn sie nach Hause kamen vor Müdigkeit umfielen... Nee, das war nichts für Heiner Schneisel. Er war für Besseres geboren, dessen war er sich sicher. Aber was kann man tun um ohne Arbeit reich zu werden? Strukturvertrieb? Pyramidenspiel? Anlageberatung? Lotto? Hatte er alles schon versucht und war mit schöner Regelmäßigkeit auf die Schnauze gefallen. Er las immer wieder mal von irgendwelchen Millionenbetrügern und es hätte ihm auch gefallen auf die Art und Weise zu Reichtum zu kommen. ER würde natürlich nicht die Fehler begehen, an denen die großen Gauner immer wieder scheiterten. Wenn er sich aber dann einen großen Schwindel ausdenken wollte, dann musste er zu seinem Bedauern feststellen, daß er wohl doch nicht über die Intelligenz verfügte, die er sich immer wieder einzureden versuchte.

Irgendwas Neues musste her. Irgend etwas, was noch keiner versucht hatte und was einen guten Gewinn versprach. Er ging die Reihe der reichen Leute die er kannte durch. Es waren wenige. Zudem waren es alles welche die nicht wirklich reich, dafür aber wirklich geizig waren. Von denen würde er keinen Pfennig bekommen. Die luden ihn zum Bier ein um hinterher festzustellen, dass sie ihr Geld zuhause vergessen hatten. „Heiner, zahl Du mal, ich zahle dann eben beim nächsten Mal“, hieß es dann. Aber es gab kein nächstes Mal. Oder wenn doch, dann widerholte sich das Spiel und er fiel wieder darauf herein.

Und dann war ihm in dieser blöden Spielothek, wo er sechshundert Mark allein an diesem Tag gelassen hatte die zündende Idee gekommen. Nicht an die reichen Leute die er kannte musste er sich wenden. Die kannten ihn ja auch und wussten, dass sie ihr Geld, würden sie ihm schon etwas geben, nie wiedersehen würden. Nein, an diejenigen musste er ‘ran, die von Haus aus reich und barmherzig waren. Und die ihn nicht kannten und somit prädestiniert waren einem armen Hund wie Heiner Schneisel auf die Beine zu helfen. Wer konnte das anders sein als die Kirchen? Gut, gut, die Kirchen mussten auch haushalten und hielten ihr Geld schön zusammen, aber Heiner meinte man müsse es den einzelnen Pfarrern nur richtig klarmachen, dass hier eine arme Seele in Not war, dann würde das Brünnlein schon zu fließen anfangen. Und, einmal angezapft, würde er schon genügend herausholen.

Gedacht, getan. Er holte die alte Reiseschreibmaschine, die seine Mutter früher mal benutzt hatte, vom Boden. Er reinigte sie, soweit es notwendig war, wobei er aufpasste, dass er nur das reinigte was direkt mit dem Papier in Berührung kam. Es widersprach einfach seiner Natur mehr zu machen als unumgänglich. Als unumgänglich erachtete er, noch einmal mit dem Staubbesen über die Tasten zu streichen, und schon konnte es losgehen.

Es war schon eine Hundsarbeit über dreihundert Briefe zu schreiben. Er konnte die Bittgesuche ja schließlich nicht kopieren. Jeder Einzelne sollte ja den Eindruck erwecken, dass dies eben der Brief an die letzte Hoffnung einer gequälten Kreatur sei. Eigentlich war es schon gar nicht so gut mit einer Schreibmaschine zu schreiben, die ja immerhin auf einen gewissen Wohlstand hätte schließen lassen können. Er hatte auch kurz daran gedacht mit der Hand zu schreiben, aber es war ihm doch wichtig, dass die Adressaten seinen Brief auch lesen konnten. Na ja, und dazu war seine Handschrift nicht gerade geeignet. Adressen von Pfarreien, Synagogen und ähnlichen Einrichtungen hatte er sich auf der Post über die diversen Telefonbücher besorgt und hatte schon ein paar Mal bereut die Geschichte überhaupt angefangen zu haben. War schon eine elende Plackerei, das alles. Allein die Formulierung des Musterbriefes hatte drei Tage gedauert. Er sollte ja auch Wirkung zeigen und so schrieb Heiner, verwarf, fügte hinzu, strich hier strich dort, setzte ganze Passagen neu ein und hatte am Ende einen Brief wie er besser nicht hätte formuliert sein können. Er war stolz auf sein Werk.

Er hatte dargestellt, wie er, nach dem viel zu frühen Tod seiner Eltern, der harten Hand eines herrschsüchtigen, alkoholkranken Onkels entflohen, in einem Heim in Portugal aufgewachsen war. Unverschuldet war er in Not geraten, weil betrügerische Anverwandte ihn um sein Erbteil geprellt hatten. Die einzige Frau die er geliebt hatte war von einem italienischen Weinhändler mit dem Lastwagen überfahren worden, ein Unglück über das er Zeit seines Lebens nicht hinweg kommen würde. Nun saß er hungernd da und hoffte nur noch auf die Gnade und Barmherzigkeit der Pfarrei xyz, der Synagoge abc oder gerade dessen, an den er eben schrieb. Dabei vergaß er nicht zu erwähnen, dass er, irregeleitet wie er war, sich nie so sehr nahe an die Kirche heran getraut hatte, aber im Grunde seines Herzens ein tief religiöser und gläubiger Mensch sei. Das meinte er schreiben zu müssen falls doch mal einer zurückgefragt hätte und bei religiösen Fragen wäre er dann jämmerlich baden gegangen. Also dann doch lieber so.

Tatsächlich stellte Heiner Schneisel dreihundertundzwanzig Briefe her, von denen er aber nur zweihundertachtundachtzig absandte. Für mehr Porto reichte sein Geld nicht. Schließlich musste er ja, bis sein Reichtum bei ihm ankam, von irgend etwas leben. Und vierhundert Mark hatte er nur zur Verfügung. Minus dem, was er schon ausgegeben hatte. So brachte er seine Briefe zur Post und harrte der Dinge die da kommen sollten. - Und sie kamen! Jeden Tag brachte der Zusteller neue Päckchen. Nicht einfach nur Briefe, sondern schöne schwere Päckchen. „Kirchen spenden auch gern mal in Naturalien“, dachte er und meinte „was soll’s, verkauf’ ich’s halt wenn ich’s nicht selber brauchen kann“.

Dann kamen doch noch zwei Briefe. Am Ende besaß Heiner Schneisel 267 unverkäufliche, gebrauchte Bibeln, 7 Korane, davon einer in arabischer Sprache, zwei Briefe mit Einladungen zu Gebetsnachmittagen sowie einen Talmud. Es war nicht zu erwarten, dass mit den noch ausstehenden 12 Antworten der große Reichtum käme.
 
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Kommentare  

Also DAS habe ich dem stinkfaulen Bock von ganzem Herzen gegönnt! Soll er doch die Bibeln verscherbeln...
*lol*
Kleine leicht gehässige Geschichte, die so richtig Spaß macht!


Stefan Steinmetz (14.01.2003)

Nette Geschichte mit überraschendem Ende!

Gudrun (24.07.2001)

Ja, war mehr so eine Anleitung, wie man an eine Bibel oder so kommt ;o)

Wilfred P. Teiser (04.07.2001)

Na toll... Ich dachte schon, ich höre auf zu arbeiten und mache es genauso wie Heiner... und dann DAS Ende...! :-(
Gut... hast mich überredet... Ich geh weiterhin arbeiten! *gg*


Stephanie (02.07.2001)

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