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4 Seiten

Himmelsboten des Glücks

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ein unüberhörbares Läuten durchdrang den Himmel und die Wolken zitterten vor Schreck. Die Sonne vergaß für kurze Zeit zu scheinen, die Sterne leuchteten vor Aufregung in die falsche Richtung, und der Mond konnte sich nicht erinnern, ob er gerade eine Sichel sein musste, oder ob er schon wieder "neu" war. Der Wind fegte durch die Wolken und riss mit großer Wucht eine Sternschnuppe aus ihrem Ruhekissen. Beinahe wäre sie auf die Erde gefallen, ohne ihren Auftrag als Glücksbringer ausführen zu können.
Alle hörten sie das Läuten und machten sich alsbald auf den Weg ins Himmelshaus um der Tradition zu folgen Erkenntnisse und Änderungen am Verhalten der Erdenbewohner zu diskutieren. Wie bei jedem Zusammentreffen kamen die Wolken zuerst und breiteten sich zu einem großen Teppich aus, damit Sonne, Mond, Sterne und der Wind darauf Platz nehmen konnte. Der Regen kroch in die Wolken, um für das notwendige Volumen zu sorgen.
Alle hatten Platz genommen und die Diskussion begann. Viele Lichtjahre wurde über das Verhalten der Menschen auf der Erde gesprochen, bis jeder Teilnehmer seine Beobachtungen, Ängste und Sorgen dargelegt hatte. Dann verlas der Himmelsbote die Zusammenfassung. Es war schwer, alle Menschen mit den gleichen Augen zu sehen, denn da waren Gesunde und Starke, aber auch Kranke und Schwache. Im Himmelshaus wurde das Thema: Zufriedenheit der Menschen und der Umgang mit ihrem Schicksal diskutiert. Alle waren der Meinung, dass es an der Zeit sei, den Menschen zu helfen.
Die Sterne bedauerten den Verlust der Phantasie, der Mond vermisste schon seit langem das Glücksgefühl und den Sinn für Romantik, und die Sonne war unglücklich und betroffen über die fehlende Harmonie der Erdenbewohner.
"Eigentlich müsste es den Menschen doch gut gehen" polterten die Wolken los. "In der zivilisierten Welt gibt genug zu essen und zu trinken, und im Zeitalter des Computers kann zu jeder Tageszeit weltweit kommuniziert werden. Die moderne Technik sorgt für berufliche Erleichterung und ungeheuer viel Freizeit. Jeder kann reisen, wohin er will. Die Voraussetzungen für ein glückliches Leben auf der Erde sind gegeben". Alle im Himmelshaus stimmten den Ausführungen der Wolken zu. Sie konnten die Menschen einfach nicht verstehen. Neid und Missgunst zog sich wie ein Schleier über die Erde, angetrieben von gewaltigem Egoismus und unbändiger Habgier.
Der Mond mit seiner etwas heiseren Stimme war schon seit langem traurig, weil niemand mehr nach seiner wahren Bedeutung fragte. Die Sterne weinten, weil sich niemand mehr für sie interessierte und die Sonne war tief erschüttert, dass man ihr Dasein nur noch kommerziell nutzte. Traurig lag der Wolkenteppich da, und der Regen musste sich krampfhaft an ihn klammern, um nicht seine Tropfen zu verlieren. Stille und Ratlosigkeit lag über dem Himmelshaus.
Der Wind hauchte ein paar aufmunternde Worte, und es wurde einstimmig beschlossen, den Menschen ein Zeichen zu geben.
Der Regen schickte schnell ein paar Tropfen zur Erde, und alle Himmelskörper schauten ihnen gespannt hinterher. Die Tropfen fielen auf eine kleine Stadt geradewegs auf einen Kirchturm. So schnell sie konnten teilten sie dem Himmelhaus das Ziel mit und kehrten zurück zur Diskussionsrunde um das Vorgehen exakt zu planen. Unten in der Stadt ahnte niemand, was im Himmel beschlossen wurde. Der Alltag spielte seine Rolle wir geübt.
Tags darauf stürzten in der ganzen Stadt die Computer ab - es gab ein heilloses durcheinander. Die alten eingemotteten Schreibmaschinen wurden flugs abgestaubt, damit die Arbeit erledigt werden konnte, und die Telefonleitungen glühten. Die ganze Stadt stand kopf. Als am 3. Tag der Fernsehsender ausfiel, war das Chaos unübersehbar. Keiner wusste, was er mit seiner kostbaren Freizeit anfangen sollte. Als nun am 6. Tag auch noch alle Telefone ohne Ton waren, kam unter den Bürgern Angst auf. Sie verdächtigten und schimpften, klagten über erhebliche Umsatzeinbußen, drohten mit Schadensersatzforderungen, suchten nach Terroristen und beschuldigten sogar Ihre Nachbarn. Das Chaos entwickelte sich schnell zu einer großen Katastrophe.
Die Sterne, die Sonne und auch der Mond schaute abwechselnd diesem Desaster zu und sie gaben beinahe die Hoffnung auf, den Menschen auf ihre Art zum Glück zurück finden zu lassen. "Wir müssen Geduld haben" meinte der Wolkenteppich, und hielt sich bedeckt. Viel Zeit verstrich, und es schien, als wollten die Menschen sich einfach nicht besinnen. Der Mond hatte manchmal schon Mitleid mit der Ohnmacht in der die Menschen sich befanden.
Jeden Tag schickte die Sonne aufs Neue ihre warmen Strahlen auf die Erde, um den Bewohnern die Augen zu öffnen. Der Regen setzte seine Tropfen zart auf die Pflanzen und Blumen, damit sie sich richtig entfalten konnten, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erhaschen. Der Mond begleitete den Gesang des Windes mit seiner harmonischsten Art und weise. Aber nichts geschah in den Köpfen der Leute.
Längst hatte die Tierwelt das Himmelsspiel verstanden. Alle Vögel, die Hasen und die Eichhörnchen halfen auf ihre Art, damit die Menschen ihre Augen öffnen und ihre Sinne schärfen würden für ein zufriedenes Miteinander. Sie alle bemühten sich, den Bewohnern der Stadt klar zu machen, dass Computer, Technik und Fortschritt nur einen kleinen Platz im Leben beanspruchen dürfen.
Zögerlich bemerkten die Menschen, dass Ihre Nachbarn eigentlich ganz nett sind. Sie warteten morgens auf den Briefträger und waren verwundert, dass ein handgeschriebener Brief von Freunden oder Verwandten Ihnen so viel Freude bereiten kann. Alle Grüßten einander auf der Straße und der ehrliche Kontakt ließ Ihre Herzen erwärmen. Abends hörte man lautes lachen und lustige Gespräche in den Wohnzimmern und schaute der Mond zum Fenster hinein, sah er die ganze Familie um den Tisch sitzen. Stress gab es nicht. Als Großmutter ein altes Märchenbuch aus der Schublade holte, kamen sogar die Nachbarskinder, setzten sich zu ihr auf das Sofa und lauschten gespannt den Geschichten zu. Die Arbeiter verrichteten gemeinsam Ihr Tagewerk, denn auch sie hatten begriffen, dass es zusammen besser geht. Die Kinder spielten und malten bunte Kreidekästchen auf den Asphalt Hinke - Pinke hieß das Spiel, oder so ähnlich.
Im Himmelshaus konnte man die Erleichterung spüren. Die Menschen hatten nur vergessen, aber nichts verlernt. Allmählich fand auch die Pflanzen- und Tierwelt ihre Beachtung wieder. Die Menschen öffneten Ihre Augen für die Natur mit ihren gewaltigen Kunstwerken und erkannten nun ihren Wert wieder neu. Es war schön zu beobachten, wie diese kleine Stadt eine neue Art von Lebensgefühl lernte.
Nun war es an der Zeit, den Normalzustand in dieser Stadt wieder her zu stellen, denn bei allen Glücksgefühlen und dem Sinn für das Schöne auf unserer Welt, darf der Fortschritt nicht zu kurz kommen. Nachdem Computer, Fernsehen und Telefon wieder in Betrieb waren, beobachteten die Himmelsboten das Geschehen noch eine Zeit lang und stellten fest, dass sie mit ihrer ungewöhnlichen Zeichensetzung ein Stück natürliches Glück vermitteln konnten. Die ganze Stadt war sich einig: Sie würden sich in Zukunft dem Fortschritt und der Technik nur bedienen, um das Miteinander in Harmonie und Zufriedenheit besser genießen zu können.


 
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Kommentare  

Die Geschichte ist schön zu lesen, denn ich bin mit ihr voll einer Meinung, aber der Inhalt hat etwas ein wenig befremdlich fabel-haftes, und streckenweise wirkt sie auffällig unrealistisch und naiv bis märchenhaft.
Ich finde den Gedanken, der hinter dem ganzen steht, echt gut, und ich will sagen, dass sie genau das ausdrückt, was dem "modernen mensch" (widerlicher Ausdruck) einfach fehlt. Schade ist nur (nicht an der Geschichte), dass so ein Ziel auch langfristig nicht erreichbar scheint

~fku~


Ertua (06.05.2005)

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