Dekadenz des Wiener Opernballs?

Redfrettchen, 21.02.2004
  Ich hör ja wohl nicht richtig, vor dem Opernball protestierten Leute wegen angeblicher Dekadenz des Events? Und dazu Bilder, die die Demonstranten als (wie es nicht anders zu erwarten war) als links-links-gerichtete Punks (Eigenbezeichnung (?)) ausweisen. Na das passt ja wie Hammer und Sichel auf die Flagge der (wenn auch ehemaligen) Sowjetunion.
Wisst ihr überhaupt was Dekadenz bedeutet, liebe Rotarmisten? Verfall, (kultureller) Niedergang steht im Wörterbuch (ja, Bücher, die Teile, die man auch als Wurfmunition gegen Polizisten einsetzen kann, falls einem die Pflastersteine ausgegangen sind). Ich meine, was ist denn daran kultureller Niedergang? Das ergibt für mich keinen Sinn. Wenn man sagen würde, Fußballspiele sind dekadent, könnte man das ja noch ansatzweise nachvollziehen.
Aber nur weil die Proleten zu dieser Feier nicht eingeladen sind, bezeichnene sie sie als dekadent, oder wie sieht es aus?

Es lebe der Kapitalismus und Gott (falls existent) schütze Amerika.
   
 
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Antworten einfaltenMeine Meinung René Bauer
23.02.2004 - 20:56:50
 Ein paar Dinge möcht ich gerne voraus schicken. Ich bin gegen Gewalt, mag sie nun von der Seite der Polizei oder der Demonstranten kommen.

Hammer und Sichel befinden sich auch in den Krallen des österreichischen Bundesadlers und damit auch auf der österreichischen Fahne. Sie stehen hierbei jedoch für den Arbeiter und den Bauern und nicht für den Kommunismus.

Zur Begriffsbestimmung der Dekadenz: Ich bin im Gegensatz zum Redfrettchen bereit die décadence hier gelten zu lassen, da man Protz und Prunk auch als Entartungserscheinungen ansehen kann. Marcus Aurelius, die Kyniker und Stoiker würden sich hier vermutlich meiner Meinung anschließen, wenn sie sie nicht schon vor mir vertreten hätten, wenn auch mit anderen (härteren) Worten. In dieser Hinsicht bin ich ein Weichling.

Oberflächlich gesehen ist der hier angesprochene Konflikt wohl schwer nachvollziehbar. Schnell fallen Schlagwörter wie linke Chaoten oder Anarchisten, Berufsdemonstranten, Vernaderer, Schlechtmacher, Punks, Gewaltverherrlicher. Darum möchte ich ein wenig tiefer unter die Oberfläche dringen.

Beim Opernball scheint es sich unter anderem um eine inner- und auch außerösterreichische Inszenierung (als Teil eines großen Geschäfts) zu handeln, bei der das Verlangen nach einem bestimmten Klischee bedient wird. Er hat einen sehr stark touristisch bestimmten Ton (vor allem durch die Fernsehübertragungen und Berichterstattungen im In- und Ausland ? 50 % der Gäste kommen aus dem Ausland). Es wird der Eindruck erweckt, dass es sich bei diesem Ereignis um ein sehr traditionsreiches und innig mit Wien und Österreich verbundenes handelt (Anklänge an die Donaumonarchie wie auch nationalistische, "identitätstiftende" Untertöne sind hier nicht ganz fern). Dem ist wohl nicht ganz so, da der erste Ball am 21. Jänner 1921 als Opernball-Redoute stattfand. Der erste "Wiener Opernball" unter diesem Namen wurde im Jänner 1935 abgehalten. Johann Strauß - auch als "Walzerkönig" bekannt - starb allerdings schon 1899.

Weiters interessant an den Daten ist, dass nach der Weltwirtschaftskrise 1929 kein weiterer Opernball bis nach dem Bürgerkrieg 1934 und vor der damit beginnenden Diktatur des Ständestaates mehr stattfand, während der Diktatur und bis zum"Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich jedoch schon. Auch während der Besatzungszeit unter den Allierten gab es keinen. Erst 1956 in der zweiten Republik wurde er wieder veranstaltet.

Am Opernball wird die schöne heile Welt gefeiert zu Preisen, die weit über dem Leistbaren eines Durchschnittsbürgers liegen (Karte mit Tischanteil ~ ? 650,-), trotzdem wird er als nette Fernsehabendunterhaltung nach Haus geliefert. Hier lässt der Konflikt schon besser erahnen.

Ein Auszug aus einem Aufruf von Demonstranten: "Die schon seit den 80er Jahren stattfindenden Demonstrationen gegen den
Wiener Opernball bietet emanzipatorischen Linken eine Plattform,
Klassengegensätze zu thematisieren und als Folgeschritt das System als
ganzes öffentlich in Frage zu stellen. Gerade in diesem Jahr ist der Protest gegen
das makabere Feiern der Reichen mehr als angebracht.
Die Reichen feiern, während sogar im "wohlhabenden" Europa die Schere
zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft, auf Globaler Ebene
vielen Menschen durch die derzeitige Wirtschaftskrise die Lebensgrundlage
genommen wird und die Gefängnisse mit politischen Gefangenen gefüllt sind.

Den Folgen der profitorientierten Politik, die Bildung von
Migrationsströmen aus ausgebeuteten und vom Kapitalismus in wenigen Jahren ruinierter
Regionen, wird wiederum mit Repression in Form von Abschiebung und Internierung
begegnet. Auch wird ein rassistischer Konsens geschaffen, der von großteilen der
Bevölkerung nur allzu gerne angenommen wird, da sich diese so die
Auseinandersetzung mit grundsätzlichen gesellschaftlichen Widersprüchen
erspart und die Schuld an der Misere an dritte abschieben kann.

Deshalb halten wir es für wichtig uns in der diesjährigen
Anti-Opernball-Demonstration stark antirassistisch und somit klar gegen
Schubhaft, Abschiebung und einem weiteren Ausbau der Festung Europa zu
positionieren." (http://www.mund.at/archiv/januar3/aussendung020103.htm)

Die Opernball-Demonstration scheint also nicht eine rein ideologische Gegnerschaft zum "Ball der Bälle" auszuzeichnen, sondern eher verschiedene Themen globalerer Natur ins Licht des medialen Interesses rücken zu wollen.

Interessante Links:
Wiener Staatsoper http://www.wiener-staatsoper.at/

Zeittabelle http://www.wientanz.com/Baelle/Opernball/OperTime.htm

Private Seite über den Opernball http://www.bartosch.co.at/opernball/
antworten
Antworten einfaltenÄhhhh René, eine Frage: Compuexe
23.02.2004 - 21:06:50
 Bist du jetzt gegen ihn? Oder für ihn?antworten
Antworten einfaltenMir is er René Bauer
24.02.2004 - 12:06:29
 wurscht.antworten
Antworten einfaltenIch sah auch einen TV-Ausschitt über diese Vollidioten... Stefan Steinmetz
21.02.2004 - 18:18:48
 Für mich sind das dumme, arrogante Ar...löcher.
Wenn ihnen eine Oper (oder Konzert, Kurklinik, Zoo, Kaufhaus usw...) nicht gefällt, sollen die Deppen eben WEGBLEIBEN!
Denen geht es doch nur darum, sich wie Wilde aufzuführen. Wenn ich nur schon diese Maskierten sehe! Zu feige, zu dem zu stehen, was sie (angeblich) verkörpern. Was verkörpern sie eigentlich diese schreienden, prügelnden, Steine schmeissenden Chaoten?
NICHTS! Und deswegen sind sie wohl auch so wütend - nämlich auf sich selbst, ihre Hohlköpfigkeit und Idiotie.
DIE sind doch die wahren DEKADENTEN Deppen!
antworten
Antworten einfaltenWegen diesem... Jan Nolte
21.02.2004 - 16:25:28
 ..elitären Schwachsinn würde ich zwar nicht extra auf die Strasse rennen und demonstrieren, aber konservativ, steif und peinlich ist diese Opernball-Veranstalltung trotzdem. Aber statt mich darüber aufzuregen, lache ich darüber genau so, wie ich über die Leute lachen, die wegen sowas demonstrieren gehen.antworten
Antworten einfaltenJau Lies
21.02.2004 - 16:56:41
 >>..elitären Schwachsinn würde ich zwar nicht extra auf die Strasse rennen und demonstrieren, aber konservativ, steif und peinlich ist diese Opernball-Veranstalltung trotzdem. Aber statt mich darüber aufzuregen, lache ich darüber genau so, wie ich über die Leute lachen, die wegen sowas demonstrieren gehen.<<

Voll ACK

Gruß Lies
antworten
Antworten einfaltenDoppel-Jau Tom
21.02.2004 - 18:34:03
 Als waschechter Österreicher muß ich gestehen: Mir das alles vollkommen wurscht. Wer auf den Opernball gehen will, soll das tun, wer demonstrieren will soll das auch machen.
Ich hab wichtigeres zu tun, als mich über das eine oder das andere aufzuregen. Für mich ist der Opernball ja auch nicht grade der kulturelle Höhepunkt des Jahres, aber ich brauch ihn mir ja nicht anschaun.
antworten
Antworten einfaltenMoment mal, Freunde Richard Billinger
22.02.2004 - 13:38:35
 @ Redfrettchen:

Die Opernballdemonstrationen ist bereits ebenso Tradition wie der Opernball selbst. Zu Recht. Der Wiener Opernball ist die mediale Aufbereitung des kollektiven Österreichischen Über-Ichs (copyright by Dieter Chmelar) und eine dekadentere, hirnlosere, arrogantere, scheinheiligere und sinnlosere Veranstaltung wird wohl auf der ganzen Welt schwerlich auszumachen sein, mal abgesehen von Adelshochzeiten und Volksmusik-Stadln.

Zum Verständnis der Bedeutung des Wiener Opernballs muß man schon etwas tiefer in die Materie eintauchen. Diese Parade an Profilneurotikern und schleimigen Traditionsfanatikern scheidet seit je die Geister.

Sieht man sich die Fernsehübertragung an, ist Positiv zu bemerken:

- Dass mit Alfons Haider und Arabella Kiesbauer
a) Ein Homosexueller und
b) Eine Frau, die im Dirndl nicht unbedingt aussieht wie die Zenzi von der Nachbarstiege,
mittlerweile durch den Opernball führen dürfen. Abseits von jeder persönlicher Meinung, die man von diesen beiden Menschen vielleicht haben kann, ist das immerhin ein Statement gegen diese blindblöde Küss-die-Hand-Gnä-Frau und Alles-Walzer-In-Wien-Mentalität.

Negativ: Die beiden kommen natürlich trotzdem nicht über die zwei vom ORF diktierten Programmfragen hinaus:

a) Wie gefällt ihnen Wien/der Ball/ ... etc?
b) Haben Sie schon getanzt/Werden Sie noch tanzen?

Und die süßen Mäderln und Buben die eröffnen, nein die sind ja immer so aufgeregt und fühlen sich so geehrt wenn Sie auf Kommando das Hirn ausschalten und links-zwo-drei, links-zwo-drei machen dürfen.

Und die ganze Nation rätselt darüber, wen der Lugner denn nun wieder zum Ball einlädt. Hoffentlich nicht wieder eine mit Silikontitten, dann haben wir noch ein Skandälchen. Ansonsten gibts ja eh keine Probleme.

Ich verstehe, was die Menschen gegen diese idiotische Veranstaltung auf die Straße treibt, obwohl natürlich Gewalt nicht zu befürworten ... usw, bla, bla, bla

Sogar in der Literatur wurde diese Festivität des Grauens schon behandelt. In Josef Haslingers "Opernball" vergiften rechtsextreme (österreichische) Terroristen die Ballgäste mit Nervengas.

Eben weil das nicht einfach nur so`n Ball ist, Leute.

Der Wiener Opernball und die Einstellung des Einzelnen dazu ist ein Bekenntnis, das sich über nahezu alle Lebensbereiche erstreckt.

Sag mir, was du vom Opernball hältst, und ich sag dir, wer du bist
antworten
Antworten einfaltenHi Billinger Lies
22.02.2004 - 14:17:58
 >>Sag mir, was du vom Opernball hältst, und ich sag dir, wer du bist<<

Na wie schön, dann hast Du ja hier gleich fünf sehr persönliche Einblicke bekommen LOL
Sowas wird einem im Internet zuweilen erst nach Jahren intensivsten Austausches geboten:-)

Gruss Lies
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