interessanter artikel: "Zwischen Weingummi und Zwiebelringen"

Becci, 24.08.2004
  Von Autoren, die sich ihre Leser selbst suchen

Wer schreibt, möchte über kurz oder lang seine Werke auch veröffentlichen. Doch jeden Tag gehen Hunderte Manuskripte bei den großen Verlagen ein, bleiben in der Mehrzahl dort liegen und verschwinden irgendwann in der Versenkung. Viele Autoren suchen deshalb andere Veröffentlichungswege.

von Tom Klein, 05.08.2004


Der wohl bekannteste Weg zur unabhängigen Veröffentlichung ist die Gründung eines Eigenverlages. Dabei teilen alle Kleinverleger die Hoffnung, neben den Branchengrößen existieren zu können. Und so treffen sich die "Hoffnungsvollen" auf dem größten internationalen Forum, der "Mainzer Minipressenmesse". Sie findet jedes zweite Jahr in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt statt. 360 Aussteller aus 13 Ländern haben dort zuletzt im Mai 2003 ihr Sortiment vorgestellt.


"Eigenverlag lohnt nicht"

Auch der Mainzer Herbert Keßler hat dort seine Bücher aufgeschlagen. Der ehemalige Bankfachmann schreibt und verlegt seine Bücher, "als Hobby", wie er sagt. Nach wirtschaftlichen Maßstäben macht sein Engagement keinen Sinn. "Wenn Sie partout Geld verlieren wollen", so Keßlers nüchternes, fast resignierendes Fazit, "dann gründen sie einen Selbstverlag". Er kann sich sein exklusives Hobby leisten, finanziell ist der Vorruheständler nicht auf den Erfolg des Verlags angewiesen.

Vor 20 Jahren hat der heute 60-Jährige mit dem Schreiben angefangen, damals noch für andere Verlage. Er schrieb über spezielle Wirtschaftsthemen, die mit seinem Beruf zu tun hatten. Seit 1999 verlegt Keßler seine Bücher im Eigenverlag. Heute schreibt er oft Unterhaltsames: Reiseerzählungen und Krimis. Ein Buch hat er über Kreuzfahrten geschrieben: "Da müsste es eigentlich einen Markt für geben. Schauen sie doch, wie populär Kreuzfahrten geworden sind."


"Books on demand"

Leider erfährt Keßler die Realität anders. "Ich habe auch immer wieder Anfragen von anderen Autoren, aber muss das ablehnen. Damit fährt man nur noch mehr Verluste ein. Nur wenn ich alles selbst mache, also schreibe, das Cover gestalte, den Text formatiere und den Druck organisiere, dann geht es mit etwas Glück null auf null auf." Die Auflagen seiner Bücher liegen bei maximal 300 Stück je Titel.

Der Hobby-Verleger lässt die Bücher als sogenannte "Books on demand" herstellen, damit die Kosten im Rahmen bleiben. "Books on Demand" steht für "Bücher bei Bedarf".Die Entwicklungen in der digitalen Drucktechnologie machen diese, im Vergleich zu traditionellen Druckauflagen kostengünstige, Veröffentlichung möglich. Die Bücher werden dabei als elektronische Druckvorlage gespeichert und erst bei tatsächlicher Nachfrage kurzfristig auch in kleinsten Auflagen produziert.


Web-Blogs

Herbert Keßler veröffentlicht auf seiner kleinen Website ausschließlich sein Verlagsprogramm. Im Internet ist er sonst wenig unterwegs. Andere nutzen das Medium dagegen regelmäßig, um ihre Weltanschauung mitzuteilen. Ein Trend, der vor allem in den USA bereits Millionen von Anhängern hat, ist das "Web-Blogging".

Ein Web-Blog besteht aus persönlichen Aufzeichnungen, Surfprotokollen, Ideen und Meinungen. Ein sehr einfaches Redaktionssystem macht die Veröffentlichung der privaten Einträge, Anmerkungen und Kommentare auch ohne spezielle technische Kenntnisse im Internet möglich. Querverweise und Zitate auf andere Blogs sorgen dafür, dass die Informationen eng vernetzt sind.


Bücher am Automaten ziehen

Originelle Ideen sind ebenfalls ein Mittel trotz überschaubaren Marketingetats viel Aufmerksamkeit in Medien und Öffentlichkeit zu bekommen. So vertreibt der Berliner Verlag Sukultur in der Hauptstadt über Süßwarenautomaten kleinformatige Lesehefte aus der Verlagsreihe "Schöner Lesen". Schön ist auch der Mini-Preis von einem Euro. Unter anderem sind Werke der Schriftsteller Dietmar Dath, Gerald Fiebig und Hel im Angebot.

Dath, der zwei Jahre lang Chefredakteur der bekannten Popzeitschrift Spex war, beschäftigt sich in seinen Texten mit der Schnittstelle zwischen wissenschaftlich-technischer und künstlerisch-literarischer Welt. Gerald Fiebig, Musiker und Lyriker, erlangte Aufsehen mit seinem Gedichtband "Kriechstrom", in dem er sich sehr lustvoll mit der Medienwelt auseinandersetzte. "Wir wollen für unsere Autoren eine breitere Öffentlichkeit erreichen", erklärt Verlagsleiter Frank Maleu den mehr als ungewöhnlichen Vertriebsweg, "und wir fühlen uns wohl zwischen Weingummi und Zwiebelringen!"


Gekühlte Bücher für hungrige Leser

Der Verlag habe erst kürzlich einen großen Automatenaufsteller im Westen der Republik als Kooperationspartner gewinnen können. 600 Automaten warten jetzt auf Befüllung und hungrige Leser. Da die Automatenkost gekühlt wird, musste der Verlag vor Beginn des Verkaufs langwierige Tests vornehmen. Vor allem das Papier wurde auf seine Beständigkeit in niedrigen Temperaturen getestet. "Das haben wir jetzt alles im Griff", so Maleu, "und unsere Hefte haben auch kein Verfallsdatum." Die Medien sind von der Idee begeistert: "Es rollt gerade eine zweite, große Pressewelle über uns", berichtet Maleu, der zurzeit von einem Pressetermin zum nächsten unterwegs ist.


Gute, alte Leserbriefe

Herbert Keßler nutzt für den Vertrieb seiner Bücher keinen Automaten, er fährt in Mainz eine klassische Strategie, um publizistisches Gehör zu finden. Fast täglich schreibt er Leserbriefe zum politischen und gesellschaftlichen Zeitgeschehen an die Zeitung: "Da wird man wenigstens gedruckt. Und hinterher sprechen einen die Leute auf der Straße darauf an."

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,2149360,00.html
   
 
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Antworten entfaltenImmerhin Lies
25.08.2004 - 06:27:21
Antworten entfaltenDas mit dem Eigenverlag kann ich voll und ganz bestätigen Stefan Steinmetz
24.08.2004 - 22:52:31
Antworten entfaltennee nee Becci
24.08.2004 - 23:17:48
Antworten entfaltenNa ich weiß nicht... Stefan Steinmetz
25.08.2004 - 00:03:58
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