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2 Seiten

Hauptsache Glücklich

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Lena N.
Jetzt sah man es schon. Ihr Bauch wölbte sich ein bisschen nach außen, die Hose wurde langsam zu eng. Gleich heute Nachmittag, nach dem Termin bei Dr. Kessler, würde sie sich eine Latzhose kaufen gehen.
Noch nie hatte Marina sich so zufrieden gefühlt. Es stimmte, was die Leute sagten – die Aufgabe einer Frau war es, schwanger zu werden, Kinder zu bekommen, sie großzuziehen, so erreichte man die vollkommene innere Ruhe.
Sie trank noch einen Schluck von ihrem Kräutertee. An dem Tag, als sie gemerkt hatte, was los war, hatte Marina sofort das Rauchen aufgehört und stattdessen angefangen, sich bewusst und gesund zu ernähren. Abends zum Einschlafen hörte sie jetzt immer meditative Musik, das sollte sich gut auf das Kind auswirken, hatte sie gelesen.
Die Einschränkungen, die ihr Zustand mit sich brachte, störten sie gar nicht. Eine Änderung ihres Lebensstils war sowieso lange fällig gewesen und das Glück, das sie momentan empfand, war jeden Verzicht wert. Marina fühlte sich endlich wohl in ihrem Körper, sie fühlte sich als Frau, am liebsten wäre es ihr eigentlich, wenn die Schwangerschaft nie zu Ende gehen würde.
Pünktlich um drei Uhr betrat sie Dr. Kesslers Sprechzimmer. Eine entfernte Bekannte hatte ihn empfohlen, keiner sei so gut auf diesem Gebiet wie er.
In seinen 30 Jahren Praxiserfahrung hatte Frank Kessler schon viele Frauen wie Marina gesehen. Er hatte sich intensiv mit der Thematik beschäftigt, Bücher darüber veröffentlicht, Vorträge gehalten, Studien durchgeführt. Und doch fiel es ihm immer wieder schwer, den ersten Kontakt mit einer Patientin herzustellen, den richtigen Ansatz zu finden. Aber Marina war sich ihrer Situation bewusst, das spürte er – und so beschloss er, nicht lange um den heißen Brei herumzureden.
Er lächelte die hübsche junge Frau an, sah ihr tief in die wässrigblauen Augen, und begann zu sprechen: „Frau Seibert, ich bin froh, dass sie zu mir gekommen sind. Scheinschwangerschaften sind ein bekanntes Phänomen, und wenn sie bereit sind, ihren Teil zu leisten, können wir schon bald Erfolg haben.“
Als Marina bewusst wurde, was er da sagte, stand sie wie von selbst auf, verließ die Praxis, und machte sich auf den Weg zum Umstandsmodengeschäft um die Ecke. Das war ihr Leben, es ging diesen Kessler rein gar nichts an, und niemals – nie im Leben – würde sie ihre Schwangerschaft aufgeben. Sie fühlte sich pudelwohl so, was machte es schon, wenn alles nur Einbildung war?
 
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Kommentare  

das ist der hammer! ja, da kommt man schon ins grübeln, warum diese frau den weg wählt, ewig schwanger sein zu wollen, um sich endlich als frau zu fühlen. sehr gut geschrieben.

holdriander (24.07.2006)

Hmmm...saftiger Happen!
Man kann nachdenklich werden oder denken: diese saudumme Kuh!
Es ist lächerlich und traurig zugleich. Wie das Schokoladefressen...
Denk....denk...denk....


Stefan Steinmetz (26.02.2005)

Liebe Lena
Ein Augenzwinkern bringe ich in einem Satz nicht unter, und von den Buchstabenspielchen, die andere benutzen, halte ich nichts.
Aber was ich eigentlich sagen wollte: Antworten auf meine Leserkommentare bitte an meine E-Mail Adresse; daß ich diese gelesen habe, ist reiner Zufall.


Chris Stone (31.01.2005)

@ Chris: Das ist ja der Sinn der Geschichte- der Arzt, zu dem sie geht, IST ein Psychiater. Sie weiß, dass sie nicht schwanger ist, aber das ist ihr egal.
und apropos, @ Eden: Es geht mir bei meinen Geschichten nicht darum, Hintergründe von A bis Z aufzuzeigen, sondern kurze Einblicke in Situationen zu geben, auch wenn man diese oft nicht 100 %ig nachvollziehen kann.


Lena N. (31.01.2005)

Marina erfährt, daß sie nicht schwanger ist, trotzdem macht sie genauso weiter, als ob sie es wäre. Ich empfehle einen Psychiater.

Chris Stone (30.01.2005)

Ja, also meiner Meinung nach fehlt einfach einiges. Man erhält überhaupt keine Information warum sie sich die Scheinschwangerschaft einbildet. Dadurch wird man nicht unbedingt zum Nachdenken angeregt.
Gruß,


Eden (22.01.2005)

Ach verdammt, das mit dem Lebenswandel werde ich mir nie merken *g*. Und das letzte "es" ist irgendwie versehentlich reingerutscht. Danke für die Tipps jedenfalls!

Lena N. (22.01.2005)

Ganz gut die Geschichte, zwar nicht deine beste, ...
zwei Kleinigkeiten (wenn ich darf?)
1. Lebenswandel bedeutet soviel wie Lebensart oder Lebensstil, also man kann einen guten oder schlechten Lebenswandel haben oder man kann ihn ändern. Aber irgendeinen hat jeder ;)
2 das letzte "es" würde ich streichen:
"Sie fühlte sich pudelwohl so, was machte es schon, wenn alles nur Einbildung war?"

liest sich flüssiger ... ansonsten: Immer wieder kurzweilig deine Geschichten zu lesen ;)


Middel (22.01.2005)

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