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6 Seiten

The Darkness

Schauriges · Kurzgeschichten
„Dann sind wir uns einig.“ Die raue Trinkerstimmer war zu einem wissenden Flüstern gesenkt als der zerknitterte Umschlag den Besitzer wechselte und in der schäbigen Schreibtischschublade des zugehörigen Möbelstückes verschwand.
„Wenn Sie wollen, können Sie gleich einziehen. Die Möbel vom Vormieter sind noch alle in der Wohnung.“ Er hob den Kopf und beäugte sein Gegenüber aus den gelben, verquollenen Augen, die entfernt an eine Eidechse erinnerten, so dass man das Gefühl bekommen konnte, er könne zugleich in zwei Richtungen blicken.
Mit einem leichten Nicken quittierte Réne die Antwort des Vermieters bevor dieser erneut Luft holte um etwas zu sagen.
„Dann zeige ich ihnen mal ihr Zimmer.“ Schnarrte der Vermieter als er sich aus seinem Sessel hoch wuchtete, um mit seinen wulstigen Fingern nach dem Schlüsselbund zu greifen, der hinter seinem Schreibtisch an einem schief sitzenden Nagel hing.
Ein letztes Mal für diesen Tag schweifte der Renés Blick durch das Büro, grau und braun in einer Mischung, die nicht einmal der schlechteste Privatdetektiv in seinem Büro hätte haben wollen.
Die jahrelang nicht gegossenen Topfpflanzen hingen leblos und grau in den braunen Schalen aus Terrakotta. Die Fenster, wenn nicht grade hinter vergilbten Jalousien verborgen, waren so dreckig, dass man mit Glück noch den Schattenriss sehen konnte, wenn jemand draußen vorbei ging und ein Blick auf den Teppich verleitete jeden normalen Menschen dazu die Füße hoch zu nehmen aus Angst etwas könnte in diesem zotteligen Urwald aus Dreck und Ungeziefer heraus greifen, um einen nach unten in die unendlichen Tiefen zu ziehen. Er schauderte noch einmal bevor er merkte, dass der Blick des Vermieters schon eine geraume Weile auf ihm haftete.
„Kommen Sie nun endlich?“
„Ja….Ja, natürlich.“ Verschämt rieb sich René über den Oberarm und lächelte schüchtern bevor er schnell aufstand und dem Vermieter aus dem Büro in einen minimal saubereren Flur folgte. Der Unterschied jedoch war in erster Linie, dass es hier keinen Teppich gab, sondern lediglich dreckiges graues Parkett, das sich farblich kaum von der vergilbten Tapete, die den Anschein machte, vor einigen Jahren noch rot gewesen zu sein, unterschied.
„Passen Sie auf, die vierte Stufe ist locker. Nicht, dass Sie im Keller landen.“ Das gegrunzte Lachen des Vermieters klang in Renés Ohren wie ein erstickender Wal aber trotzdem zwang er sich zu einem gekünstelten Lachen.
„Oh, ha-ha….ja, natürlich …. Im Keller.“ Er hob die rechte Oberlippe an als er nebst dem Lachen noch ein Lächeln erzwingen wollte.
Die alte Holztreppe knarzte unter jedem Schritt und insgeheim war René froh, dass der gewichtige Vermieter vor ihm ging, denn, wenn jemand einbrechen würde, war es nicht er, sondern der Vermieter. Die Hand immer am Treppengeländer schluckte René leicht als er in einem Moment der geistigen Abwesenheit nicht wie erwartet weiter am Geländer entlang fuhr, sondern von einem Moment auf den anderen ins Leere griff und mit einem erschrockenen Aufschrei machte er einen Satz bis an die Wand.
„Passen Sie auf, junger Mann. Hier fehlt ein Stück Geländer.“ Mit einem innerlichen Fluch schaute er zum Vermieter hoch und fast hätte er das <Und das konnten Sie nicht früher sagen?!> laut ausgesprochen aber dann nickte er doch nur und schaute auf das Treppengeländer das irgendwo zwischen dem ersten und dem dritten Stock einfach für die letzten zwanzig Stufen nicht mehr vorhanden war.
„Das….ist aber ganz schön gefährlich.“ Er schluckte nochmal und entschloss sich dann dafür an der Wand entlang dem Vermieter nach zu gehen.
„Dann muss man eben aufpassen.“ Desinteressiert hob er die wulstigen Schultern und blieb am Treppenabsatz stehen als er sah dass René noch ein paar Stufen hinter ihm war.
„Ist es nicht eigentlich ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es wieder in Ordnung kommt?“ Kaum gedacht war es auch schon ausgesprochen was René zu einem innerlichen Stöhnen animierte und er sich wieder ins Gedächtnis rief erst nochmal zu denken bevor er etwas aussprach.
„Bis jetzt ist noch keiner runter gefallen.“ Die simple Aussage des Vermieters als er den nächsten Abschnitt in Angriff nahm.
René schaute im Treppenhaus hoch und seufzte innerlich als er sah wie viele Stufen noch kommen, aber das hat man nun einmal davon wenn man das oberste Zimmer nimmt und immerhin muss er sich keine Mühe machen alles nach oben zu schleppen.
„Warum sind eigentlich noch alle Möbel im Zimmer?“ Nicht, dass es ihn wirklich interessieren würde, aber ein wenig Smalltalk würde den Aufstieg nicht ganz so langweilig gestalten und immerhin musste er dann nicht das Schnaufen des Vermieters gepaart mit dem Knarzen der alten Holzstufen hören.
„Weil der Vormieter sie nicht mehr braucht.“
„Logisch ja…“ Zwar nicht ganz die Antwort, die er haben wollte aber Antwort genug, dass er sich die nächsten Stufen damit beschäftigen konnte bevor die Frage doch zu sehr in ihm brannte.
„Warum denn?“
„Warum denn was?“
„Na, warum der Vormietern sie nicht mehr braucht.“ Im Aussprechen gab er sich gleich einige eigene Antworten. Spontaner Reichtum zum Beispiel, Heirat oder zurück zu seinen Eltern gezogen immerhin gab es mehr als die Gründe dafür, dass man Möbel zurück lässt. Vielleicht sind sie auch einfach nur verlebt und die Entsorgung war ihm zu lästig. In Gedanken versunken ging René noch ein paar Stufen nach bevor er fast in den stehen gebliebenen Vermieter gerannt wäre.
Für einen Moment war Ruhe als der Vermieter stehen blieb und nur das gleichmäßige Schnauben hören ließ so als würde er überlegen, ob er René sagen sollte warum der Vormieter die Möbel nicht mehr brauchte, doch dann drehte er den Kopf halb herum und sah ihn aus den hervorquellenden gelblichen Augen, die im Dämmerlicht des Flurs matschbraun wirkten, an.
„Er ist ermordet worden.“ Die Stimme war wieder zu einem Flüstern gesenkt als hätte er Sorge, dass die anderen Mieter mitbekommen worüber sie redeten und in diesem Moment lief René nicht nur deswegen ein kalter Schauer über den Rücken, sondern auch, weil ihm nun auffiel, dass er hier noch kein Anzeichen von anderen Menschen gesehen oder gehört hatte obwohl an der Tür doch einige Namen verzeichnet gewesen waren.
„Ermordet?“
„Ja, Ermordet.“
Urplötzlich spürte René wie ein Kloß seine Kehle zuschnürte, kalter Schweiß machte seine Hände klamm und die kleinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf als ob er in einer eisigen Böe stehen würde. Wieder ging sein Blick nach oben und einen Moment rasten seine Gedanken. Er hatte schon viele Filme gesehen bei denen er sich gefragt hatte, warum die Protagonisten so seltsam reagierten, wenn raus kam, dass ein völlig Fremder in ihrer Wohnung ermordet worden war. Nun aber konnte er sie endlich verstehen. Es war eine unerklärliche Angst, eine nicht greifbare Panik, die einen dazu bringt, sich mit dem Opfer zu identifizieren und irgendwo im Inneren pulsiert das <du bist der Nächste> Gefühl obwohl es total unsinnig war, so etwas zu denken.
„Wie ist es denn passiert?“ Er räusperte sich leise, um den Kloß aus seinem Hals zu lösen und ihn wieder da hin zu schicken wo er her kam, auch wenn ihm der Gedanke daran einen flauen Magen und Übelkeit bereitete als er sich fast bildlich vorstellte, wie der Kloß seine Speiseröhre runter rutschte genau so wie es sein Mittagessen auch getan hatte.
„Keine Ahnung, ich glaube er wurde überfallen und dabei hat man ihn wohl erstochen oder so etwas.“ Der Vermieter schüttelte unwissend den Kopf als er sich daran machte weiter die knarzende Treppe hinauf zu steigen.
„Überfallen, hier?“ Renés Stimme wurde zu einem hellen Quietschen als ihm der Gedanke durch den Kopf schoss, dass in seiner neuen Wohnung vielleicht jemand ermordet worden war.
„Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe fast Alles weg bekommen.“
„Wa-wa-was?! Sowas müssen Sie mir doch sagen!“ Knallrot im Gesicht schnappte René nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen und suchte händeringend nach Worten.
„Sie haben nie danach gefragt.“
Die Antwort nahm René deutlich den Wind aus den Segeln als er die Schultern fallen lies und seufzte, „Ja, Sie haben ja Recht. Tut mir leid, ich wollte Sie nicht so anschreien.“ Resignierend aber nicht aufgebend presste er die letzten Worte mit krauser Nase raus.
„Ja, ja kein Problem.“

Den Rest des Aufstiegs verbrachten die beiden in Schweigen. Hier und da schaute sich René um und fand heraus, dass die Aussicht aus den Fenstern im Treppenhaus das einzig angenehme hier war, sah man von den wenigen, nicht knarzenden Stufen einmal ab.
„Hier ist ihre Tür.“ Ohne eine sichtbare Regung blieb der Vermieter vor einer Tür stehen und begann mit seinem Schlüsselbund zu klimpern. Immer wieder murmelte er die Zimmernummer vor sich hin als würde er den Schlüssel so schneller finden können, aber ob es nun das war oder einfach nur vorhersehbar, irgendwann hatte er endlich den Richtigen und öffnete die Tür in das dunkle und vermodert riechende Zimmer, das René für die nächste Zeit seine Wohnung nennen würde.
„Die Miete will ich jeden Monat in bar. Kommen Sie in mein Büro und geben Sie sie mir. Handwerker haben wir keine. Wenn etwas kaputt geht, müssen Sie es entweder so lassen oder selbst bezahlen. Eine Dusche haben Sie hier nicht, wenn sie duschen wollen nehmen Sie die vom Hausmeister im Keller, aber ihr Waschbecken funktioniert.“ Die wulstigen Finger suchten eine Weile nach dem Lichtschalter bevor die Lampe mit dem braunen Dreieck aus Rattan endlich mit geblichen Licht das ganze Unheil beleuchtete.
Der graue Teppich zog sich durch das ganze Zimmer und ließ nur eine kleine Ecke frei, in der eine alte Küche stand. Das Wohnzimmer war mehr eine Baracke aus einem Ensemble an verschlissenen Sesseln und durchgesessenem Sofa in matschbraun und moosgrün. Der Fernseher sah zumindest noch einigermaßen neu aus, auch wenn man ein <Putz mich!> klar und deutlich hätte sehen können, hätte man es in den Staub geschrieben.
An einer der Wände stand ein großes Regal, das mit allerlei Plunder und Büchern bestückt war, die Fenster waren verschlossen und mit lichtundurchlässigen Jalousien verhangen aber trotzdem konnte sich René vorstellen, wie die Fenster aussehen mussten.
Die Küche ließ er noch außen vor, denn um den Kühlschrank zu öffnen brauchte es sicher etwas mehr Mut.
„Wo führen die Türen hin.“ Mit einem Deut darauf machte er dem Vermieter klar, dass die drei Türen an der rechten Wand gemeint waren.
„Die links führt zum Bad, die rechts ins Schlafzimmer und die in der Mitte geht zum Dachboden.“
„Zum Dachboden? Gehört der zur Miete dazu.“
„Nein, aber Sie können ihn gerne benutzen, den braucht sowieso keiner mehr. War das Alles?“
„Ja, ich denke … Wenn ich noch Fragen habe, dann komme ich runter.“ Noch einmal versuchte René es mit einem ehrlichen Lächeln aber mehr als ein Zucken des Mundwinkels kam auch dieses Mal nicht dabei raus.
„Ja, ja….viel Spaß. Ich lasse ihren Schlüssel innen stecken.“ Der Vermieter hob noch einmal die Hand und schlug dann die Tür hinter sich zu, dass der Staub vom Regal rieselte.
„Das kann ja was werden.“ Murmelte René leise vor sich hin als er sich an die Fenster machte, um den Raum mit dem letzten Rest Sonnenschein zu fluten und zudem den modrigen Geruch aus dem Raum zu bekommen, denn auch wenn es draußen kalt war, riss er die Fenster auf und ließ eine Böe kalter Luft hereinziehen.
„Links Bad, rechts Schlafzimmer…hmm…“ Nach einem <ene, mene, muh> hin und her war die Entscheidung auf das Schlafzimmer gefallen und mit ein paar schnellen Schritten über den grauen Teppich stand René vor der ehemals weißen Tür, an der die Farbe in großen Platten abbröckelte als er mit den Fingern darüber strich. Aus Angst der Türknauf würde abbrechen legte er die Hand vorsichtig darum und drehte ihn langsam bis die Tür ein leises Klicken von sich gab und einen kleinen Spalt aufsprang.
Vorsichtig wie in eine Schlangengrube steckte er die Hand in das Dunkel. Als er etwas ertastete, zuckte er für einen Moment zurück bevor er die Hand ganz heraus zog und sich dazu entschloss erst einmal einen Blick mit Hilfe des Lichts aus dem Wohnzimmer in den Raum zu werfen. Die Tür knarzte als er sie auf schubste und einen schweifenden Blick durch den Raum fliegen ließ. Wie beim Lesen ging er von oben immer weiter hinunter bis er fast am Boden angelangt war.
Und plötzlich blieb sein Herz für einen Moment stehen. Er schloss kurz die Augen und starrte noch einmal auf die lang ausgestreckte Gestalt, die neben dem Bett in einer dunklen Lache lag, um ganz sicher zu sein, dass er sich nicht getäuscht hatte aber auch nach dem Blinzeln war die Gestalt nicht verschwunden und ohne es zu wollen stieß er einen langen, spitzen Schrei aus.
 
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Kommentare  

Als Kurzgeschichte klar strukturiert, wie sie sein sollte, allerdings mit ein paar Logiklücken. "Er ist ermordet worden" heißt nicht automatisch, dass es in der Wohnung passiert ist, wie Rene sofort annimmt.
Bin neugierig, wie es weitergehen wird.
Liebe Grüße Dublin


Pia Dublin (23.04.2009)

Hm, ich weiß gar nicht, ob die Geschichte weiter geht. Habe sie auch gelesen und war etwas unschlüssig, wie es denn zu verstehen ist. Ich dachte jetzt das wäre das Ende, zumal ja auch kein Hinweis auf eine Fortsetzung folgt. Man weiß ja auch nicht, was sich der Schreiber dabei gedacht hat. Ich kann es nicht deuten. Ich fände es auch schön, wenn es weiter geht, denn ich liebe auch diese schaurigen, gruseligen, Psycho-Geschichten, je spannender und mysteriöser, desto besser.

Fan-Tasia (22.04.2009)

Huiii, da hast du dir aber wirklich eine arg finstere Welt ausgedacht. Schlimmer als der schlimmste Albtraum, Mensch. Man beginnt sich trotz Herzklopfen natürlich Fragen zu stellen. Zum Beipiel: Welche Gründe zwingen deinen Protagonisten solch eine fürchterliche Wohnung zu übernehmen? Warum hat der Vermieter gelbe Augen? Na, ich denke mal, dass sich das in den nächsten Kapiteln schon klären wird. Ansonsten- bis auf ein paar Tippfehler- eine flüssige, durchaus lesenswerte Geschichte. Werde am Ball bleiben.

Petra (22.04.2009)

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