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7 Seiten

Die Silberkette

Fantastisches · Experimentelles
Menschen hasteten die Straße entlang und würdigten sich nicht eines Blickes. Überall drangen Handyklingeltöne ans abgestumpfte Ohr der Masse. Beschwichtigende Worte in winzigen Sprachrohren tauschend, verengte sich deren Wahrnehmung auf ein Minimum. Sie verloren den Kontakt zu ihrer unmittelbaren Umgebung; drückten auf die Stummtaste, während die Maschinen unaufhörlich in ihrem harten, abgehackten Rhythmus dröhnten.
»Ojemine! Schon wieder so spät dran. Was mach ich jetzt nur, was mach ich? Verdammt, verdammt, verdammt! Was kannst du eigentlich, Franziska, hm? Wie blöd kann man nur sein und vergessen sich den Wecker zu stellen?! «
Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und wünschte, sie hätte etwas mehr Grips bewiesen, als dieser vonnöten gewesen war. Es heißt, ein Blick über die Schulter bringe Klarheit.
»Wieso, wieso, wieso, wiesoooo? – Aaargh! «, sagte Franziska und raufte sich die Haare. »Nicht mal zum Duschen bin ich gekommen – was sollen die beim Bewerbungsgespräch jetzt nur von mir denken? « Sie stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Vielleicht hätte ich gleich zuhause bleiben sollen. Mir den ganzen Stress ersparen sollen. Ich meine, welchen Eindruck wird man wohl als verschwitzte blöde Kuh machen?! Die werden mich doch nie und nimmer einstellen! «
Franziska ging schneller und drängte ihren zierlichen Körper durch die Passantenflut. Neben Protestrufen erntete sie sanfte Po Streicheleinheiten von denen, die ihre kurzzeitige körperliche Nähe ausnutzten. Mehr als einmal bekam sie einen Klaps. Als sie sich aber mit hochrotem Gesicht empört umdrehte, war es wieder einmal nur die anonyme Masse – kein Täter in Sicht. Daraufhin bahnte die Frau sich vorsichtiger einen Weg zur nächsten Ampel, die gerade auf Rot schaltete.
»Komm schon. Werd wieder grün. «, murmelte Franziska und kaute das Rot fixierend auf der Unterlippe. Ihre Finger spielten mit der Silberkette um ihren Hals, während sie mit der freien Hand den Schultergurt der Tasche zurechtrückte.
»Oh, bitte – mach schon. Haaah! «, sagte sie etwas lauter.
»Junge Dame? « Ein vom Alter gezeichneter Mann musterte sie besorgt, was sein Gesicht noch runzliger erscheinen ließ – aber gutmütig. Franziska erinnerte er an den wohlwollenden Alten aus den Märchen ihrer Kindheit. In diesen hatte sich alles stets zum Guten gewendet für den Helden und seine Angebetete. Aber sie war weder eine jungfräuliche Prinzessin in Nöten, noch war ein kraftstrotzender Edelmann in der Nähe, der sie von dem Ungetüm, das von ihr Besitz ergriff, erretten konnte.
»Geht es Ihnen nicht gut? «, fragte er. »Sie sehen so gehetzt aus. Und wie schnell Sie atmen! Wollen Sie sich nicht einen Augenblick hinsetzen? Gleich dort drüben ist ein Park. Ich.. «
So sehr sie auch diesem Angebot nachgekommen wäre, trieb sie doch ein Teil ihres Selbst weiter. Wenn sie dem Drachen, der sie gefangen hielt, entkommen wollte, musste sie sich sputen solange die Käfigtür offen war. Sie würde der Zeit einen Haken schlagen und rechtzeitig vor Ort angelangen.
»Nein, nein. Wirklich alles bestens – wirklich! «, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab. »Ich bin in Ordnung, danke. «
Der alte Mann wollte widersprechen, sah dann jedoch den entschlossenen Blick Franziskas und nickte schließlich, als er wieder seinen eigenen Gedanken nachhing: Was es wohl heute zu Mittag geben würde?
Franziska schalt sich ihrerseits fortan den Mund zu halten und einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Ampel schaltete auf Grün. Sie setzte sich in Bewegung, doch plötzlich rempelte sie jemand hinterrücks an, so dass sie beinahe gestürzt wäre. Benommen vom Zusammenstoß hielt sie den Atem an und streckte die Arme weit von sich. Der Mann in braunen Anzug, der sie fast von den Beinen geholt hatte, warf einen Blick über die Schulter und formte mit seinen Lippen Worte, die in Franziskas Ohren lange nachhallen sollten: Sie gehört mir. Ihre Gedanken rasten, während sie sich aufrichtete und sich Stille in ihr ausdehnte – wie Nebelschwaden, die wenig später die Landschaft verschlucken würden. Was gehört ihm? Er vergrößerte seinen Vorsprung und näherte sich unablässig der anderen Straßenseite. Franziska starrte ihm unschlüssig hinterher, als ihre Finger nach der Kette tasteten. Fort. Die Silberkette – ein Überbleibsel ihres Vaters – hing nicht mehr um ihren Hals. Sie kniff die Augen zusammen. Nein! Das ist nicht wahr, das ist nicht passiert. Eine Träne entwich und stürzte in die Tiefe.
»Doch, ist es. «
Erschrocken schlug sie die Augen auf, suchte nach der Quelle dieser Stimme und erkannte, dass niemand bei ihr stand, der das Wort an sie richtete. Menschenmassen zogen an Franziska vorbei und sie wusste, dass sie allein war.
»Was? «, fragte sie und wusch sich mit dem Handballen die Tränenspur von der Wange. Sie rechnete nicht mit einer Antwort aber sie sollte eine bekommen:
»Du bist traurig was, Mädchen? «, fragte die Stimme. »Ich kann dir helfen. Lass mich dir behilflich sein den Braunen zu fangen, hm? Wir holen uns deine silberne Halskette wieder. Du und ich. Wir beide zusammen. Ein Team – was sagst du? «
Für einen Moment war Franziska zu überrascht um auf diesen Vorschlag näher einzugehen und suchte mehr aus Gewohnheit als aus Gewissheit noch einmal nach einem Menschen, der zu ihr sprach. Nein, keiner da. Es war etwas beruhigendes, etwas Einnehmendes an dieser Stimme, die so außerordentlich lieblich klang. Ihr war klar, dass sie nicht anders konnte als ihr zu lauschen – war sie doch so wunderschön.
Wenn Zeit etwas Fassbares war, so begann sie jetzt zu gefrieren. Alles harrte aus – lauernd auf ihre Entscheidung. Die Masse erfuhr Stagnation, während Franziska sich von der ausstehenden Wahl schier auseinander gerissen fühlte. Bilder des Horrors, Schmerzes und Lust aber auch der Hingabe, Leidenschaft und ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens. Wie konnte sie dem fernbleiben?
»Du hast es in der Hand, Mädchen. «, sagte die Stimme. »Bittest du mich um Beistand? «
Der Zweifel nagte an ihr, verband ihr die Augen und schilderte wildeste Träume, Wünsche, Hoffnungen von festsitzender Angst wie freier Liebe. Das Gefühl an den eigenen Empfindungen zu ersticken, welche alle zugleich auf sie einprügelten und sie liebkosten – wie dickflüssiger Honig, der so furchtbar süß schmeckte und man Gefahr lief sich damit die Atemwege zu verstopfen - , war ausschlaggebend für Franziska und so schwang sie ein imaginäres Schwert und zerschnitt das Band.
Plötzlich war da nichts mehr. Sie stand (oder fiel), doch hatte sie weder das Eine noch das andere Gefühl – vollkommene Leere. Niederblickend erkannte sie zwei Hälften eines Bandes in ihren Händen liegend. In der Rechten wiegte sie ein Rosa bis Scharlachrotes, in der Linken berührten Fingerkuppen das reine weiße Band. Abwägend untersuchte sie beide Teile genauer; roch an ihnen, leckte sie ab, fuhr über ihre Oberfläche, hielt sie sich versuchsweise ans Ohr aber Franziska konnte keine weiteren Unterschied bis auf die farbliche Trennung erkennen. Doch das war nicht ganz richtig. Das Weiße schien ihr schwerer zu werden oder das Rote begann einer Feder zu gleichen. Während diese Gewichtsverlagerung vonstatten ging, folgte Franziska letztendlich nüchtern dem Prinzip des kleinsten Zwanges, sank die linke Hand und legte den weißen Fetzen ab.
Grelles Licht blendete sie und als sie die Augen wieder öffnete – es schien das zweite Mal zu sein -, war sie wieder auf der Straße. Aber sie fühlte sich nicht mehr allein. Schreckliche Klarheit befiel ihre Vision der Welt, wie sie sie gekannt hatte und brachte sie auf die andere Straßenseite. Alles begann zu flimmern, eine so verzerrte Wahrnehmung, als sähe sie durch erhitzte Luft – wie als wäre die Welt in ihrer Abwesenheit in Flammen aufgegangen.
»Wo bin ich? «, fragte Franziska. »Was ist passiert? « Nach einer Pause. »Was ist mit mir geschehen? «
»Wir sind auf der Jagd, Mädchen. «, sagte die Stimme. »Still jetzt! Du schreckst die Beute auf… «
Ein Bild schoss ihr durch den Kopf: Der Mann in Braun floh in eine aussichtslose Lage und sie folgten ihm.

Der Mann in Braun fand sich in einer Sackgasse wieder. Schnaubend lehnte er sich an die Wand, genoss deren feuchte Kühle, die sein kochendes Blut wegschwamm und trocknete den Schweißfilm auf seiner Stirn mit dem Hemdärmel. Er sah herab: Rosarote Kaugummireste, Zigarettenstummel und benutztes Zeitungspapier bedeckten den Untergrund. Das war alles, was er in dieser schattigen Ecke erkennen konnte. Der Mann namens Andreas entfernte sich von der Mauer, spürte seine Unterhose im Schritt scheuern und hielt inne. Er war in seinem gesamten Leben noch nie derart schnell gewesen wie wenige Minuten zuvor, wusste auch nicht woher er diese Kraft bezogen hatte aber jetzt, als sie nachließ, fühlte er seine Beine beben. Wie brüchige Stahlbauten, die bei der nächstgrößeren Erschütterung zerbarsten. Sein brauner Anzug klebte an ihm wie eine zweite Haut und erneut begannen Schweißtropfen sein Gesicht zu überfluten. Er machte sich nicht mehr die Mühe diese wegzuwischen. Kräftezehrende Bewegungen – waren sie noch so geringfügig – musste er vermeiden, wenn sein Weg wieder hier herausführen sollte. Andreas war sich selten seiner eigenen Sterblichkeit bewusst gewesen aber dies war einer dieser Momente. Er hatte furchtbare Angst vor diesem Ding, das ihn verfolgte. (Bittest du um meinen Beistand, Mann?) Mit pochendem Herzen stakste er vorwärts dem Sonnenlicht entgegen.

Eine Ritterin in strahlender Rüstung trieb den Erd-Drachen fort von den Bewohnern ihrer prächtigen Burg, jagte ihn ins dunkle Loch, aus dem er entflohen war. Die Menschen jubelten ihr zu, spornten ihren braunen Wallach mit Schlägen auf die Flanken weiter an. Schlachtrufe ausstoßend verfolgte sie das Übel bis vor seinen Hort. Kehliges Rumoren drang aus dem Ort des Schattens und ein schnalzender Laut wie das Knallen einer Peitsche ließ bei Ross und Reiterin erste Bedenken an der siegreichen Vollendung der Queste aufkommen, doch…

Franziska spurtete dem Mann in Braun beinahe mühelos durch das Gedränge hinterher und geriet nur wenige Male ins Straucheln, als einige Passanten ihr, trotz vehementen Rufens, den Weg versperrten. Doch schon bald wandelte sich die Situation zu ihren Gunsten: Der Gejagte floh immer weiter in weniger belebte Straßen. Bisher hatte er seinen Vorsprung ausbauen können, doch Franziska hoffte ihn in offenerem Gelände einzuholen – ihr Bewerbungsgespräch war längst in Vergessenheit geraten. Der Wiederbeschaffung der Silberkette oblag höchste Priorität. Sie spürte die Kräfte des Mannes in Braun verebben wie als hätte bei ihm jemand die Luft herausgelassen, die ihn zuvor ballgleich fast widerstandslos durch die Straßen hatte kommen lassen. Franziska verzog das Gesicht zu einer freudigen Grimasse – jetzt hatte sie ihn. Die Stimme hielt Wort.

…der Drache grinste mit blitzenden Augen…

Rosarote Zungen schnalzten und vergruben ihre Widerhaken in Andreas’ Schuhe, dem sämtliches Blut in die Beine gewichen war. Die obersten Stockwerke seines inneren Hochhauses gingen in die Luft und rissen alles der Reihe nach mit sich, bis da nur das Dunkel blieb. Er schlug mit den Knien am Boden auf, während er vom Kaugummiknatschen-Relais begleitet das Ding erwartete, das ihn verfolgt hatte. Das grässlich vielgliedrige Monstrum. Stattdessen sah er eine Frau die Sackgasse betreten – sie war hübsch, doch galt seine Aufmerksamkeit schnell allein der Silberkette um ihren Hals, die im Sonnenlicht herrlich glitzerte. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er dachte, dass alles gut war – die Stimme hatte ihm tatsächlich geholfen (das Ding schien fort zu sein) -, als Franziska vorwärts stürmte.

…während Ross und Reiterin unruhig außerhalb des Hortes ausharrten, brach plötzlich die Sonne durch die dicke, graue Wolkendecke und hob den Mut der Beiden. Die Ritterin in strahlender Rüstung trieb ihren braunen Hengst in das dunkle Loch. Dort lag die Erfüllung, die sie suchten.
»Meine Freunde! Ich werde euch von eurer fleischlichen Bürde befreien. Dankt es mir nicht. Es bereitet mir Vergnügen – kommt! So kommt und seid mein Leibgericht. «, sprach der Drache und empfing sie mit dem Feuer seines Herzen – rosarot.

»Bleiben Sie zurück! Bleiben sie bitte hinter der Absperrung! «
Polizeibeamte hielten die sensationsheischende Meute fern, während die Kollegen der Spurensicherung zwei Leichname untersuchten.
»Zurück hab ich gesagt! «
Ein Mann in Braun. Und. Eine junge Frau. Allein. In einer zwielichtigen Gasse und es gibt bisher nicht einen Hinweis auf den Verbleib des Mörders, dachte Ben. Er sah sich das Mädchen (er hatte insgeheim begonnen sie so zu nennen) an, begutachtete ihre zierliche Statur, suchte nach augenscheinlich wichtigen Spuren, die er übersehen haben könnte. Nichts. Seufzend erhob er sich und seine Knie knackten. Ben war kein Anfänger mehr – viele behaupteten er hätte einen sechsten Sinn für seine Arbeit entwickelt – aber es erweckte weder den Eindruck eines Sexual- noch etwaig anderem Gewaltverbrechens. Fast als wären diese Beiden hierher geflohen und sich einfach in den Armen liegend gestorben. Ben kratzte sich am Kinn, dachte angestrengt nach. Unwahrscheinlich. Aber wovor sind sie geflohen?
Ein Aufblitzen, das er aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm, schreckte ihn auf und als er sich danach umdrehte, erkannte er Fotografen hinter der Absperrung, die sich beinahe tollwütig um ein gutes Foto der Toten stritten. Verrückte Welt. Mehr aus Pflichtbewusstsein, denn einer plötzlichen Eingebung folgend, entdeckte er eine silberne Halskette, die das Mädchen mit geschlossener Faust umklammerte. Wie konnte ich das übersehen?, dachte er und schalt sich einen Dummkopf. Er nahm sie ihr ab, was noch erstaunlich leicht vonstatten ging, da die Leichenstarre noch nicht begonnen hatte – Wie auch? Sie konnten noch nicht lange tot gewesen sein, als wir hier angekommen sind – und war im Begriff sie in seine Hosentasche zu stecken. Mit großer Anstrengung konnte er sich stoppen und starrte das Ding entsetzt an. Seine Blicke bohrten sich förmlich in das glitzernde Metall und schienen einen verborgenen Zauber zu suchen. Nichts. Da war nichts. Aber es gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht. Er hockte noch eine Weile dort und tat seine Arbeit, bis die Welt im Lärm der dröhnenden Maschinen unterging.
Wer bittet um Beistand?
 
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Kommentare  

Hallo Rap-Unzel,

mein Respekt, das ist ein Kommentar, der dem Autor und auch der Leserschaft ein deutliches Bild Deiner Interpretation zeichnet. Ich würde mir wünschen, der Autor hätte wenigstens ansatzweise ein ähnlich verständliches Bild gezaubert.

Und nun gehe ich hinaus in den Regen, erfreue mich der schlichten Schönheit einer wasserbeperlten Rose. Einer Rose, die nicht mehr sein will, als sie ist, die einfach nur schön ist.
Vielleicht laufe ich am Spielplatz vorbei, erfreue mich am unverfälschten Lachen der Kinder, die unverborgen und ehrlich ihre Freude am Spiel ausdrücken.

Ja, es sind die einfachen Dinge, die wirklich Freude bereiten und das Leben bereichern. Zumindest mir.

Christa


CC Huber (15.07.2009)

Hallo Rap Unzel, ein erstklassiger Kommentar. Ist ja fast schon eine Geschichte für sich. Meine Anerkennung. Ja, so könnte man das sehen.
Hallo Clarenbach, auch mir hat deine Geschichte Freude bereitet und darum grün.


Gerald W. (15.07.2009)

Sehr schön geschrieben, angenehmer Stil.
Der ganze Text kann als hermeneutischer Zirkel (okay, der Zirkel hat sich für mich noch nicht ganz geschlossen) gesehen werden, damit gewisse Dinge verstanden werden, muss man ein wenig hin- und herspringen, vor- und zurücklesen. Dabei verdichtet sich das (mein) Verständnis oder noch besser meine Interpretation, es entsteht eine eigene „Leseatmosphäre“. Hierzu möchte ich gerne den Autor gedanke.in.ketten zitieren (mit einem Kommentar zu einem anderen Text):
„Ich verstehe auch nicht alles in dem Text, aber deswegen finde ich ihn trotzdem interessant, WEIL ich eben drüber nachdenken muß. Und ich glaube, genau dass war hier das Ziel...„
Sehr bald komme ich drauf, dass die Handelnden zwischen zwei Welten pendeln oder dass sogar alles zugleich stattfindet. Hier die nüchterne, reale Welt - dort eine vergangene, fantastische, mystische. Offenbar werden die Handlungen in der Gegenwart von der Vergangenheit bzw. einer Parallelwelt beeinflusst. Alles erinnert mich irgendwie an ein Wurmloch, das vibriert. Franziska und Andreas werden fremdbestimmt, wie wir alle mehr oder weniger fremdbestimmt werden. Alle sind wir auf der Suche nach ...? Wonach? Warum ist diese silberne Kette so wichtig? Wieso taucht da plötzlich ein vom Alter gezeichneter Mann auf? Viele Seiten später springe ich wieder an diese Stelle zurück, weil mittlerweile die Rede von Drachen, Rittern und einer „Queste“ war. Ich recherchiere den Begriff „Queste“, weil ich gerne neue Begriffe kennenlerne. Ein Link führt mich auf eine französische Seite, dort ist die Rede von der Queste du Gral. Und da fällt mir die Suche nach dem heiligen Gral ein und ich assoziiere die silberne Kette. Franziska und Andreas sind ganz versessen auf diese Kette und natürlich ist ihnen das von dieser Stimme (Drache?, Teufel?) eingeredet worden. Steht vielleicht diese Kette stellvertretend für den heiligen Gral? Ich weiß es nicht und muss es auch nicht wissen, noch tut diese Ungewissheit meinem Lesevergnügen keinen Abbruch. Im Gegenteil, ich werde neugieriger und zunehmend dreister in meinen Interpretationen. Warum trägt Andreas ausgerechnet einen braunen Anzug? Aha - Hitler! Denn der war ja auch braun und auch auf der Suche nach dem heiligen Gral. Vertritt also das Böse und der Name Franziska vielleicht in Anlehnung an die heilige Franziska. Das alte Gut-gegen-Böse-Spiel. Bei der Recherche erfahre ich gleich eine Menge über die heilige Franziska - wirklich interessant! Scheint dennoch zu weit hergeholt, macht aber nichts.
Jetzt weiß ich - für mich wohlgemerkt!: Den Menschen wurde von jeher eingeredet, sie müssten sich auf die Suche nach etwas begeben (Gral, Himmel). Und welche Stimme hat uns das eingeredet? Die Religion, die Kirche (»Bittest du mich um Beistand?«), der große Drache, der sich daran erfreut, wenn wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen? Jetzt hat mich der Text vollends gefesselt. Der alte Mann ... Aber natürlich! Dieser vom Alter gezeichnete Mann ist selbstredend der liebe Gott, der sich zwar um die Menschen besorgt zeigt, den aber seine Geschöpfe nicht wirklich interessieren, im Moment interessiert ihn eher, was es zum Mittagessen geben wird. Dazwischen immer wieder diese plastischen Schilderungen. Man ahnt schon, dass der rosarota Kaugummi sich in Drachenzungen verwandeln wird und so passiert es dann auch.

…der Drache grinste mit blitzenden Augen…
Und später: Ein Aufblitzen, das er aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm, schreckte ihn auf und als er sich danach umdrehte, erkannte er Fotografen
Jede Menge solcher herrlichen Verbindungen!
Das war jetzt nur ein kleiner Ausschnitt meiner Gedanken während des Lesens.

MEINE Interpretation macht mir Spaß und sie ist völlig richtig. Egal, was auch der Autor hinterher sagt. MEINE Interpretation kann er mir nicht mehr nehmen :-)

Der Text war keine leichte Kost, hat mir aber sehr gefallen und nebenbei auch neues Wissen gebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Effekt auch mit einer linearen, „logischen“ Erzählweise zustande gekommen wäre.
Wer weiß, in einer anderen Tagesverfassung hätte ich den Text womöglich schei... gefunden.
Wer aber auf Seichtes aus ist oder am Ende eines langes Arbeitstages entspannen will, dem kann dieser Text natürlich nicht empfohlen werden ...


Rap Unzel (15.07.2009)

lol Ich muss gestehen, ich habe nur den Anfang gelesen, zu mehr konnte ich mich bei sieben Seiten und einem offensichtlichen Chaos sondergleichen einfach nicht aufraffen ... der Anfang erinnert mich ein wenig an Alice im Wunderland, an den Hasen, der keine Zeit hat, es klingt sehr mechanisch, doch plötzlich wieder GAR NICHT auf Grund der Umgangssprache, der Lautmalerei usw., das ist sehr interessant ... auf jeden Fall hat es mich sehr angestrengt, den Text bis dahin zu lesen ... irgendwie bin ich ständig der Meinung, es folge ein anderes Wort, als tatsächlich dasteht ... vielleicht liegt es aber einfach nur daran, dass ich zu schlecht lese ... kA ... vielleicht überfliegst du deinen Text noch einmal, korrigierst etwaige Fehler - mir sind einige aufgefallen, was den Satzbau und die Wortverwendung anbelangt - und setzt alles in die Gegenwart ... das käme glaube ich cool! Stell dir vor, der Leser erlebt alles direkt mit ... und wenn du schon dieses Maschinelle mit einbeziehen willst, was du natürlich machen kannst, dann grenze es vielleicht ein wenig deutlicher vom Resttext ab! Das würde mir gefallen ... dann klingt das Umgangssprachliche wie ein quietschender Schrei, nach menschlichem Versagen in einer maschinenregierten, perfektionierten Welt!
Kannst mir ja sonstwann die Geschichte näher bringen, vielleicht auch vorlesen, das macht das Ganze vielleicht verständlicher für meine Inkompetenz! xD


Ben Pen (13.07.2009)

Hallo Jochen,
ich glaube durchaus, dass wir uns gut vertragen können, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Was mich geärgert hat? Dass Du meine oder auch die von Petra und Fan-Tasia geäusserten Kritikpunkte verharmlost und als Kleinigkeiten hinstellst. Ich lasse Dir Deine Meinung ( ich lasse Dich also durchaus verschieden sein), aber akzeptiere bitte auch meine. Und ich bin immer noch der Überzeugung, ein guter Autor sollte lesbar schreiben, ansonsten wäre er vielleicht in einem Rätselbuch besser aufgehoben.
Grüße von einer verträglichen
Christa


CC Huber (13.07.2009)

Hallo Christa, warum regt dich das so auf? Mal versteht eben der eine etwas besser und mal der andere. Weshalb sollte ein "guter" Autor nicht auch in Rätseln sprechen dürfen, die man erst nach und nach erraten kann, aber nicht MUSS! Niemand muss eine Geschichte lesen oder gut finden, wenn er keine Rätsel lösen mag, doch sollte man es anderen nicht verübeln, die vielleicht gerade daran Spaß haben.
Die Bewertung eines Textes ist doch im Grunde ausschließlich die subjektive Meinung eines einzelnen Lesers. Darüber kann man also diskutieren bis tief in die Nacht hinein. Lass uns doch so verschieden sein und bleiben, wie wir sind und trotzdem gut miteinander vertragen, okay?


Jochen (13.07.2009)

Ich kann den Kommentaren von Petra und Christa mal wieder voll zustimmen, die gleichen Fragen werfen sich mir auf. Am Anfang dachte ich noch, na das fängt ja mal gut an und man muß sagen, der Schreibstil ist auch nicht schlecht, aber die Geschichte wird einfach wieder viel zu wirr und unverständlich. Es gibt weder einen Zusammenhang noch einen Sinn bezüglich des Titels noch sonstwas stimmiges.

Fan-Tasia (13.07.2009)

Hallo Jochen,
es ist ja schön, dass Du die vorangegangene Geschichte TIC TAC verstanden hattest, aber ich kann mich erinnern, dass mehrere Leser sie auch nicht verstanden hatten und das auch entsprechend kommentiert hatten. Petra, Fan-Tasia, Stefan, ich. Also ist meine Aussage, "wieder mal wirr", gar nicht so sehr aus der Luft gegriffen, oder? Das Gedicht "des Frühlings Herbst" ist ja auch so klar formuliert, dass keine Fragen mehr offen blieben.
Oder liegt das wohl an unseren eigenen geistigen Kapazitäten, dass wir nicht folgen können? Hmm, das wäre zu überlegen.

Die "Kleinigkeiten", die ich erwähnt hatte, sind nur Beispiele. Die Geschichte ist voll von den sogenannten "Kleinigkeiten", wie jeder leicht feststellen kann, der sie liest.

Und was macht denn jetzt wirklich einen guten Autoren aus? Geschichten und Gedichte zu erzählen, die zumindest jeder begreift, wenn auch vielleicht nicht immer der persönliche Geschmack getroffen ist? Oder wirre Fantasiegebilde in kryptische (das wird jetzt mein Lieblingswort) Worte zu kleiden, ohne Rücksicht darauf, wie es beim Leser ankommt?

Ehrlich, ich bin schon ziemlich erschüttert über Deinen Kommentar.

Christa


CC Huber (13.07.2009)

Na, wieder mal unverständlich kann ich jetzt nicht sagen. Deine vorherige Story habe ich ja völlig verstanden, aber diese hier hat wirklich zuviele Rätsel, die man noch nicht einmal lösen kann. Vom Schreibstil her, habe ich nichts zu meckern. Das scheinen mir eher Kleinigkeiten zu sein, die verbessert werden müssten. Doch der Inhalt lässt leider zu wünschen übrig. Wie schon Petra sagte, müsstest du dir einig sein, wer oder was das boshafte Wesen ist, das sowohl auf den "braunen" Mann, als auch auf deine Hauptakteurin Einfluss nehmen kann. Wo hat sich das Wesen versteckt. Wie nimmt es Kontakt auf? Warum will es die beiden töten? Warum muss es sie, wo es doch unsichtbar zu sein scheint, sie erst umständlich in eine - wohl einsame Gegend ? - locken? Das sind erst einmal die wichtigsten Fragen, die geklärt werden müssten. Wenn du deine Geschichte zu schwammig lässt, nur um nicht zuviel zu verraten, versteht der Leser rein garnichts. Da du aber das "Zeug" zum Schreiben hast, wird es dir wohl ein Leichtes sein, das alles lesefreundlicher hinzubiegen.

Jochen (13.07.2009)

Da muss ich Petra zustimmen. Mal wieder wirr und unverständlich und was Du mit dieser Geschichte eigentlich sagen willst, bleibt mir völlig fremd.
Auch stilistisch wäre die Geschichte dringend zu überarbeiten, nur drei Beispiele:
"Beschwichtigende Worte" . was gilt es zu beschwichtigen? Man könnte meinen, es würden überhaupt keine normalen Unterhaltungen geführt.

"und kaute das Rot fixierend auf der Unterlippe."
und kaute, das Rot fixierend, auf der Unterlippe

"Sie konnten noch nicht lange tot gewesen sein, als wir hier angekommen sind – und war im Begriff sie in seine Hosentasche zu stecken."

Was steckt er in die Tasche? Die Leichen?

Wie gesagt, das sind nur Beispiele, die ganze Geschichte ist voll Ungereimtheiten.

Christa


CC Huber (13.07.2009)

Die Geschichte ist zwar fantastisch und geheimnisvoll, aber sie hat sehr viele Ungereimtheiten. Man merkt einfach, dass du nicht sicher weißt, in welche Richtung du den Leser führen willst. Lastet auf der Silberkette ein Fluch? Das sollte dann begründet sein. Außerdem müsstest du deutlicher beschreiben, wer derjenige ist, der mit der Protagonistin "redet" und wie das geschieht. Du stellst zwar klar, dass die Pasanten viel über ihre Handys miteinander sprechen, aber dadurch wird man nur irritiert. Ich nehme mal jetzt an, dass sie Stimmen in ihrem Kopf hört, aber bin darin völlig unsicher und so sollte es nicht sein. Offensichtlich leidet der " braune" Mann unter der gleichen Angststörung wie die Frau, die ihn verfolgt. Die ganze Umgebung erscheint gefährlich. Warum? Sind die Protagonisten dort fremd? Da ist von einem Drachen die Rede. Wer ist - symbolisch gesehen - denn eigentlich der Drache? Die Protagonisten hat den Dieb wohl erreicht, ihre Kette zurück bekommen und beide sind tot. Wieso eigentlich? Was wollte der Mörder, welchen Nutzen hatte er davon?
Zusammenfassend kann man eigentlich sagen: Die ganze Welt ist bei dir wirr und Böse und irgendwas versteckt sich darin, das anderen noch mehr Böses will. Das allein kann ja wohl nicht die Grundlage einer Geschichte sein.


Petra (13.07.2009)

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