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13 Seiten

Schattenmacht - Das letzte Licht -15-

Romane/Serien · Fantastisches
Rom


Überrascht sehe ich mich um.
Wir sind tatsächlich in Rom erschienen. Missa dreht sich um die eigene Achse und sieht sich staunend um. Zum Glück kann die Leopardenfrau wie die meisten Dämonen aus der Welt heraustreten. Ansonsten wäre sie hier vermutlich sehr aufgefallen. Hier ist die Mittagszeit schon vorüber und die Straßen sind ziemlich voll, obwohl es doch recht kühle Temperaturen hat. Wir stehen nahe eines Brunnens und sind daher von all den Menschen ein wenig verschont, nicht allerdings von all ihren Resonanzen, die es mir schwer machen die Resonanz der traurigen Seele zu finden, die nach mir ruft. Schließlich aber finde ich sie wieder, ergreife Missas Hand und gehe erneut den Schritt.
Ich habe im Moment keine Lust mich durch all diese Leute durch die halbe Stadt zu schlängeln.
Wir erscheinen wieder auf einem Friedhof, wenige Meter hinter dem schönen Schmiedeeisernen Friedhofstor. Hier ist es beträchtlich ruhiger, man kann sogar die Vögel singen hören. Missa bleibt verunsichert stehen und ich erinnere mich der steinernen Wächter und welche Wirkung sie auf Dämonen haben. Ich lächle die Frau an.
“Warte doch draußen, ja? Hier drin wird mir sicher kein Dämon das Leben schwer machen.”
Die Leopardenfrau schluckt trocken, nickt dankbar, wendet sich dem Friedhofstor zu und verlässt schnell diesen Ort. Ich wende mich um und orientiere mich erneut. Zielsicher folge ich nun dem Rufen der traurigen Seele über die schmalen Wege. Endlich finde ich sie und bleibe wieder einmal überrascht stehen.
Der junge, vielleicht dreißig Jahre alte Mann, der dort auf einer Bank sitzt und traurig ins Leere starrt ist noch am leben. Er hebt den Blick, wohl in der Annahme eine der älteren Damen hier zu sehen und dann werden seine Augen plötzlich ganz groß.
“Mama Mia!” Seine Stimme klingt schockiert. “Wer bist du denn? Was bist du?”
Ich schließe langsam die Augen und atme mehrmals tief durch.
Das kann kein Zufall mehr sein. Nein, das ist ganz gewiss kein Zufall mehr!
Ich öffne die Augen wieder und lächle den jungen, dunkelhaarigen Mann freundlich an.
“Ich will dir nichts böses, aber deine traurige Seele hat nach mir gerufen. Darf ich mich einen Moment neben dich setzen?”
Automatisch nickt er und sieht mich immer noch mit weit aufgerissenen Augen an.
“Bist du der Tod?”
Seine Frage flüstert er nur leise und ich fange prompt an zu lachen. Also so hat mich ja noch niemand bezeichnet. Noch immer lachend schüttle ich den Kopf und stelle mich vor. Als ihm das nicht unbedingt viel sagt erzähle ich ihm meine Geschichte. Roberto, so hat er sich vorgestellt staunt immer noch Bauklötze. Anschließend unterhalten wir uns noch fast eine Stunde, in der ich einiges über ihn erfahre. So zum Beispiel, dass er niemanden mehr hat und sich völlig allein auf der Welt fühlt. So eine Geschichte habe ich mir schon gedacht. Wie bei Andreas, Megan und Amara, so ist auch Roberto ein Mensch der scheinbar alles und jeden verloren hat. Irgendwie finde ich das nun wirklich langsam sehr, sehr seltsam.
Ich schenke ihn eine meiner Umarmungen und nehme erfreut wahr, das sich seine Traurigkeit ein wenig gemildert hat. Schließlich löchert er mich mit Fragen. Auf die Antworten reagiert er nicht halb so bestürzt wie ich angenommen habe.
“Weißt du,” meint er schließlich, “ich hatte schon immer das Gefühl, dass da mehr an all diesen Geschichten dran ist. Meine Großmutter konnte Wahrsagen und sie meinte immer, das ich etwas besonderes sei.” Ich lächle ihn an.
“Nun, das bist du ja auch, irgendwie. Schließlich kannst du mich sehen, was nun wirklich nicht oft passiert.”
Das entlockt ihm nun ein Lächeln.
Ich streichle sanft eine der mittlerweile fünf Katzen, die sich in der Zeit, in der wir miteinander sprachen, zu mir gesellt haben. Diese hier ist pechschwarz und hat es sich auf meinem Schoß bequem gemacht, eine zweite belagert Roberto und die anderen umschmeicheln mir die Beine. Der junge Mann sieht das alles staunend.
“Sag mal, Katzen finden dich unwiderstehlich, oder?”
In seiner Stimme klingt ein kleines Lachen mit und ich muss unwillkürlich kichern.
“Das sieht man ja,” meine ich lächelnd, “aber nicht nur Katzen finden mich toll, sondern beinahe jedes Tier sieht in mir eine Freundin.”
Ich sehe ihn augenzwinkernd an, doch dann hebe ich die Katze von meinem Schoß und erhebe mich langsam.
“Roberto,” meine Stimme wird nun wieder ernster, “es gibt vieles in dieser Welt, und nicht alles davon ist ungefährlich. Derzeit bahnt sich eine wirklich große Gefahr an und ich denke ich sollte dir davon erzählen. Aber zuerst muss ich kurz nach meiner Freundin sehen, die außerhalb des Friedhofes wartet. Als Dämonin erträgt sie die Blicke der steinernen Engel nicht so wirklich.”
Der junge Mann blickt mich erstaunt an.
“Du kennst eine Dämonin?” Seine Stimme hat einen seltsamen, beinnahe ängstlichen Unterton.
“Aber ich dachte du bist gut?”
Ich schenke ihm ein beruhigendes Lächeln.
“Roberto, nicht alle Dämonen sind pauschal als böse zu betrachten, ebenso wenig wie alle Engel durchweg gut sind. Wir sind alle Wesen dieser Welt, denn Himmel und Hölle gehören im weitesten Sinn auch dazu und von daher mischt sich in uns allen Licht und Dunkel. So sind eben manche von uns eben eher dunkel und tragen dadurch eine dunkle Resonanz und manche sind eben eher heller und tragen damit eine helle Resonanz. Engel zum Beispiel haben eine sehr helle, Missa hingegen teilt mehr die dunklen Schwingungen dieser Welt. Aber deswegen sind sie nicht gleich gut oder böse.”
Ich lächle und Roberto runzelt nachdenklich die Stirn.
“Aber,” fragt er schließlich, “es gibt doch auch gut und böse, oder?”
Ich nicke. “Ja, natürlich, wobei wirklich vollkommen gute oder böse Wesenheiten sehr selten sind. Aber es gibt viele Wesen, die sehr gefährlich werden können, vor allem wenn man nicht weiß wie man mit ihnen umgehen sollte. Sie beispielsweise beleidigt, Sandhexen sind da besonders empfindlich.”
Der junge Mann nickt langsam, sieht aber immer noch reichlich nachdenklich aus.
“Und diese Freundin von dir,” in seiner Stimme klingt nun Neugierde mit, “wie ist die so?”
Ich lächle erneut, während er sich erhebt.
“Wenn du Flügel oder Hörner erwartet hast, Roberto, so muss ich dich enttäuschen. Es gibt natürlich auch solche Wesen, aber Missa gehört nicht dazu. Sie ist eine Leopardenfrau und dementsprechend sehr katzenhaft. Begleite mich doch, dann kannst du sie selbst kennen lernen.”
Ich sehe ihn fragend an und der Mann nickt langsam.
“Ja vielleicht wäre das keine schlechte Idee.”
Er klingt nachdenklich aber aus seiner Resonanz sticht auch Neugierde hervor.

Stunden später stehe ich an einem Strand, etwa vierzig Kilometer von Rom entfernt und blicke verloren auf das Meer hinaus. Das tiefe blaue, blaue Meer. Folge mit den Augen den schweren Wellen, wie sie an Land stürzen, sich im Sand fest zu krallen suchen und dann doch nur Sand und Muscheln mit sich reißen. Meine Gedanken schweifen herum, verharren kurz bei den Wesen des Amazonas, wenden sich Shanael und ihrem Los zu, dann Uriel, verweilen etwas länger bei Tamoran, bleiben schließlich an dem Buch hängen und dann einen Moment lang bei Missa und den Erlebnis heute.
Missa und der junge Mann, Roberto verstanden sich nach anfänglicher Scheu sehr gut. Tatsächlich löcherte er die Dämonin bald mit Fragen, die das gutmutig hinnahm. Schließlich erzählte ich ihm von den anderen Menschen, die wohl eine ähnliche Gabe wie er entwickelt haben und mich, sowie auch andere magische Wesenheiten sehen konnten. Schlussendlich gab ich Roberto Megans Adresse und er versprach sie bald zu besuchen, danach verabschiedeten wir uns von dem jungen Mann. Nicht ohne das ich versprechen musste ihn so bald wie möglich wieder zu besuchen. Froh habe ich wahrgenommen, dass sich seine Traurigkeit etwas gemildert hat. Anschließend sind ich und Missa hier hergekommen. Zum einen weil die Katzenfrau gerne einmal das Meer sehen möchte, zum anderen, weil ich nach etwas Ruhe gesucht habe.
Mein Blick schweift umher, der Strand ist menschenleer und das Geräusch der Wellen hat eine beruhigende Wirkung auf den Aufruhr in mir. Missa steht nicht weit von mir und saugt den Anblick regelrecht in sich hinein. Ihre schönen, hellgrünen Augen blitzen neugierig.
Meine Gedanken schweifen ab, zurück zu Roberto. Wieder ein lebender Mensch, der mich sehen kann und nicht nur mich, sondern auch andere Wesen, die zwischen die Welten treten können. Langsam frage ich mich wirklich was das wohl bedeuten mag. Und warum erscheinen diese Menschen erst jetzt? Weshalb sind es immer solche, die praktisch beinnahe alles was ihnen lieb und teuer ist, verloren haben? Mittlerweile bin ich mir sicher, dass dies eine Bedeutung haben muss, doch welche?
Ich schüttle ärgerlich den Kopf. Als hätte ich nicht schon genug, um das ich mir Gedanken machen muss. Ein Seufzen fließt mir über die Lippen und veranlasst Missa dazu mir die Augen zu zuwenden. Ihr Blick ist fragend und ich beschließe, das dies der rechte Ort ist um sie in meine Pläne einzuweihen.
“Missa,” meine Stimme ist leise, “lass uns einen Platz suchen, wo wir uns setzen können. Ich muss dir etwas erzählen, von dem außer Shanael und den beiden Sandhexen niemand etwas weiß und so sollte es auch bleiben.”
Ihre Stirn runzelt sich, doch dann nickt sie zustimmend.
“Ich,” meint sie dann, “kann Geheimnisse gut für mich behalten.”
Wir wenden uns vom Meer ab und nachdem wir ein Stück weit entfernt einige Felsen gefunden haben, lassen wir uns dort nieder. Unverzüglich beginne ich der anderen Frau vom Buch der Prophezeiungen zu erzählen. Ich zeige ihr den Spiegel, erkläre wie ich dazu kam und das ich ihn benutzen werde um dieses Buch zu finden. Die Katzenfrau hat schweigend zugehört und dreht nun das magische Objekt in den Händen. Anscheinend prüft sie es nochmals. Schließlich blickt sie auf.
“Dingen, die von Satan kommen kann man nicht so recht trauen,” meint sie, “aber ich kann nichts daran feststellen, was nicht hingehört. Hast du das Ding schon jemand anderes gezeigt?”
Ich nicke.
“Ja, einigen. Shanael. Uriel, die Sandhexen und vor kurzem sogar der Nachtmahre im Lager.”
Missa nickt verstehend.
“Das war eine gute Idee. Kein versteckter Zauber bleibt dem Blick einer Nachtmahre verborgen.”
Jetzt nicke auch ich wieder und erzähle Missa, was die andere Dämonin gefunden hat.
Missa hört schweigend zu und am Ende meiner Ausführung geht ihr Blick ins leere. Sie scheint nachzudenken. Endlich sieht sie mich wieder an und gibt mir den Wahrspiegel zurück.
“Du willst also das Buch suchen und dazu den Spiegel benutzen? Das ist es auch, was möglichst wenige wissen sollen, damit es die Engel nicht erfahren, oder?”
Ich nicke erneut und die Katzenfrau verfällt wieder einige Zeit in Schweigen. Ich beobachte sie aufmerksam und schließlich wendet sich ihr Blick mir wieder zu.
“Ich denke,” ihre Stimme klingt ernst, “das dein Vorhaben richtig ist. Das Buch wurde für diese Welt gemacht und dafür, gelesen zu werden. Es sollte wieder gefunden werden und du scheinst genau die richtige Person zu sein um darauf aufzupassen. Ich werde dir helfen!”
Sie bringt diese kleine Ansprache in einem so bestimmten Ton vor, so dass ich sie unwillkürlich anlächle. Jetzt blitzen die Augen der Dämonin abenteuerlustig auf.
“Also,” meine ich nun beinnahe fröhlich, “dann wollen wir mal sehen ob uns dieser Spiegel überhaupt weiterhelfen kann.”
Ich hebe das Objekt, spreche den Spruch und bitte ihn mir das Buch der Prophezeiungen zu zeigen. Missa sieht mir neugierig über die Schulter und beide sind wir ehrlich überrascht, als uns der Spiegel das Gewünschte so schnell zeigt. Eine halbe Stunde später frage ich mich ernsthaft ob Satan mir das Ding nur gegeben hat, um mich damit in den Wahnsinn zu treiben. Frustriert lege ich den Spiegel beiseite und fahre mir durch das Gesicht. Auch Missa sieht etwas entnervt aus. Egal wie wir auch fragen, das Objekt zeigt jedes mal etwas anderes.
Ich habe eine Idee, nehme den Spiegel erneut auf und spreche wieder den Spruch.
“Zeige mir,” sage ich, “den Ort, wo sich das Buch der Prophezeiungen genau jetzt befindet?”
Erneut taucht das bereits Vertraute Bild eines Gewölbes, oder Kellers auf und ich stöhne leise auf. Missa blickt mir über die Schulter.
“Also,” meint sie, “das ist definitiv von Menschenhand geschaffen, also gibt es in der Nähe sicher irgendwelche Häuser, oder es gab zumindest einmal welche.”
Ich sehe die Frau lange an und denke kurz nach. Erneut sehe ich in den Spiegle.
“Zeige mir die Ansiedlung wo der Ort liegt, in dem sich das Buch der Prophezeiungen genau jetzt befindet.” Meine Stimme klingt mittlerweile ungeduldig.
Erstaunt sehe ich, wie sich das Bild verändert. Nun zeigt es mir Häuser und Straßen und einen bestimmten Brunnen. Missa, die wieder über meine Schulter blickt zieht überrascht die Luft ein. Verblüfft sehen wir einander an, denn an diesem Brunnen sind wir heute schon gewesen. Wir sind nach dem Schritt daneben erschienen. Das Buch befindet sich augenscheinlich in Rom!
“Sag mal,” Missas Stimme klingt verwirrt, “hattest du eventuell eine Ahnung, dass dieses Buch in Rom sein könnte?”
Ich schüttle stumm den Kopf und staune. Ist das wirklich Zufall?
Wieder wende ich mich dem Spiegel zu und bitte das Objekt mir nun das Gebäude zu zeigen, in oder unter dem sich das Buch zu diesem Zeitpunkt befindet. Erneut verändert sich das Bild und zeigt mir wohl eines der berühmtesten Gebäude in Rom. Wieder sehen die Dämonin und ich uns an.
“Also das,” meint Missa nun trocken, “hätten wir uns eigentlich denken können.”

Eine halbe Stunde später erscheinen wir neben einem Brunnen auf einem großen, beinnahe Menschenleeren Platz. Außer diesem einen Brunnen gibt es hier noch einen zweiten, sowie einen Obelisken. Aber weder die Brunnen, noch die riesige Steinsäule interessieren mich sonderlich. Mein Blick ruht auf dem großen, palastartigen Gebäude direkt vor uns, dem Petersdom. Wir befinden uns nun auf dem Gelände des Vatikans und tief unter diesen Bauwerken befinden sich Katakomben, Gewölbe und Keller, in denen sich eine Vielzahl verschiedenster Dinge befinden. Dokumente und Objekte, viele davon magisch, die verborgen und unter Verschluss gehalten werden. Und unter all dem befindet sich auch das Buch der Prophezeiungen. Ich frage mich, wie wir wissen können, dass uns der Spiegel das richtige gezeigt hat. Aber es ist so, wir beide sind uns absolut sicher darin, dass er uns das richtige Buch gezeigt hat, obwohl wir es beide zuvor noch niemals gesehen haben.
Mein Blick schweift wieder an dem Gebäude entlang und ich frage mich wie wir da hinein kommen sollen. Es über den Schritt zu versuchen scheint mir sehr riskant, da ich diesmal wirklich den Ort nicht kenne, ihn noch nicht einmal sehen kann und es daher auch nicht abschätzen kann, wo ich nun wieder erscheine. Langsam wende ich mich ab und lasse meinen Blick schweifen.
Schließlich sehe ich Missa abwartend an. Die Dämonin blickt sich mit geweiteten Augen um und fühlt sich augenscheinlich sehr unbehaglich, was ich gut verstehen kann. Dämonen ist es sehr unangenehm an solchen Plätzen zu verweilen, oder sich Kirchen und ähnlichem auch nur zu nähern.
Missas unsteter Blick kommt langsam zu Ruhe und endlich sieht sie mich an.
“Und wie kommen wir nun da rein?”
Ihre Stimme klingt etwas rauer als sonst und ich zucke nur die Achseln.
“Ich habe keine Ahnung,“ gebe ich zu, “aber irgendetwas wird uns schon einfallen. Sobald wir drinnen sind wird es hoffentlich etwas einfacher werden. Wenn es gar nicht geht können wir es auch über den Schritt versuchen, wobei ich das sehr riskant finde.“
Ich sehe sie aufmerksam an und die Frau nickt nur schweigend.
“Ja,“ meint sie schließlich, “lass uns etwas näher gehen. Vielleicht ergibt sich etwas.“
So also nähern wir uns nun etwas und beschränken uns erstmals darauf das Gebäude und den Platz in genauen Augenschein zu nehmen. Langsam gehen wir auf die Einganstore zu und bleiben davor stehen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachte ich die massiven Türen. Wenn sie nicht verschlossen sind, dann könnten wir sie ja einfach aufmachen. Allerdings wäre das dann wirklich sehr auffällig und da hier Menschen leben, die sich vermutlich viel mit übersinnlichen auseinandersetzen, würde uns das sicher Aufmerksamkeit einbringen. Etwas, was wir hier nun gar nicht brauchen können. Mich selbst würde man sicher nicht entdecken, aber es gab mehr als eine Möglichkeit einen aus der Welt getretenen Dämon sichtbar zu machen und in unserem Fall ist das Missa.
Ich seufze lautlos und registriere amüsiert, das die Dämonin an meiner Seite eine ähnliche Reaktion zeigt. Ein Kichern löst sich von meinen Lippen und Missa schüttelt den Kopf, wobei ihre Züge nun ein Lächeln zeigen.
Gerade sind wir uns einig geworden, dass wir es nun doch mit dem Schritt versuchen werden, als uns der Zufall zur Hilfe kommt. Über den Platz kommt eine Gruppe von Menschen auf uns zu. Sie sehen nicht wie Touristen aus, benehmen sich aber beinnahe so. Doch vor allem die Männer in schwarzen Anzügen, von denen die elegant gekleidete Gruppe an Männern und Frauen begleitet wird, macht mir den Eindruck, als wären es wichtige Personen, die da auf uns zusteuern. Ich und Missa sehen uns erstaunt an, dann treten wir schnell zur Seite. Während die Menschen an uns vorbeigehen, ohne uns zu sehen, werfe ich der Leopardenfrau noch einen Blick zu und erkenne, dass wir die selbe Idee haben.
Sobald die letzte Frau an uns vorüber ist, treten wir ans Ende der Gruppe und schließen uns mit schnellen Schritten an. Auf diese Weise gelangen wir völlig unbemerkt ins Innere des Gemäuers. Sobald hinter uns die Türen geschlossen werden, bleiben ich und die Dämonin stehen. Ich muss noch einen der Anzugtragenden Männern ausweichen, dann entfernt sich die Gruppe von uns und geht weiter. Sinnend blicke ich den Menschen hinterher. Ich weiß nicht wer oder was sie sind, aber im Endeffekt ist das auch egal. Missa und ich sind zumindest jetzt schon einmal im Inneren der Kirche. Ich wende mich der Dämonin zu und staune, wie blass sie geworden ist.
Missa schluckt trocken und bemerkt meinen fragenden Blick.
“Es,” ihre Stimme ist noch einmal etwas rauer geworden, “fühlt sich nicht besonders schön an. Um ehrlich zu sein, ich fühle mich sehr, sehr unwohl und beobachtet.”
Ein hilfloses Lächeln erscheint kurz auf ihrem Gesicht.
“Ich finde solche Orte einfach nur gruselig.”
Ich lache leise auf und strecke ihr die Hand entgegen, die sie prompt ergreift.
“Das,” meine ich, “geht mir ganz ähnlich.”
Ich ziehe die mich staunend musternde Dämonin zur Seite weg, so das wir nicht mehr völlig in der Mitte des Eingangs stehen.
“Wie meinst du das?”
Missas Stimme ist wieder etwas fester geworden.
“Das mit dem Gruselig,” antworte ich, “das geht mir genauso.”
Die Augen der Dämonin mustern mich scharf.
“Das verstehe ich nicht. Du stammst doch aus dem Achtzehntem Jahrhundert, oder? Waren da nicht alle Menschen furchtbar gläubig?”
Ich unterdrücke ein Kichern über ihren irritierten Gesichtsausdruck und überlege, wie ich ihr am besten erklären soll, wie ich zu Gott stehe.
“Hmm.... in Ordnung. Ja Missa das stimmt, zu dieser Zeit waren die Menschen sehr gläubig und wer es nicht war, der konnte schon mal auf dem Scheiterhaufen landen.”
Ich halte kurz inne und sehe sie ernst an.
“Viele nennen und nannten ihn doch auch Herr oder Vater, ja?”
Die Dämonin nickt und ich fahre leise fort.
“Für mich persönlich war er nie dergleichen. Er war und ist für mich persönlich eben nur ein Schöpfer, ein Erschaffer, der zufälligerweise meine Rasse erschaffen hat und dann einfach irgendwann aufgehört hat sich um uns zu kümmern.” Missa nickt langsam.
“Heute, Missa, benutzen doch viele Frauen das Wort Erzeuger in Bezug auf die Väter ihrer Kinder, ja?” Sie nickt erneut. “Siehst du, und genau in diesem Sinne benutze ich in Bezug auf Gott die Worte Erschaffer oder Schöpfer. Seit ich allerdings aus der Welt genommen, damit übernatürlich geworden bin und erfahren habe, dass es viel mehr Götter als ihn gibt oder gab, habe ich die Bezeichnung angenommen, die die meisten übernatürlichen Wesen benutzen. Also nenn ich ihn nun Schöpfergott.”
Missa nickt erneut, diesmal aber heftiger.
“Ich verstehe,” murmelt sie, “doch was hat das damit zu tun, das solche Orte auch für dich gruselig sind?”
Sie wirkt nachdenklich und auf meinem Gesicht ist nun ein sehr ernster, beinnahe trauriger Ausdruck erschienen. Mein Blick schweift durch den großartigen Innenraum des Doms.
“Weil sie so groß sind,” meine ich mit leiser Stimme, “und so prächtig ausgestattet. Weil so viele Menschen so viel Energie, Kraft, Zeit und schlussendlich auch Hoffnung in diese Orte gegeben haben und es immer noch tun. Und das für einen Gott, der ihnen nicht einmal mehr wirklich zuhört. Das finde ich gruselig und erschreckend, Missa.”
Ich sehe die Dämonin wieder an und bin erstaunt über ihren beinnahe ehrfürchtigen Gesichtsausdruck. Einen Moment später ist dieser wieder verschwunden.
“Danke.” Ihr Flüstern ist kaum zu verstehen.
Ich nicke stumm um anzuzeigen, das ich es gehört habe und annehme. Dann wende ich mich erneut ab und lasse meine Augen suchend schweifen. Es gibt es in jeder Kirche, einen Ort wo Kerzen angezündet werden, oft etwas versteckt an der Seite. Auch hier gibt es ihn und als ich ihn endlich entdecke strebe ich mit sicheren Schritten darauf zu.
Dort angekommen lasse ich mich auf eine der Bänke sinken und ziehe erneut den Spiegel hervor. Missa bleibt hinter mir stehen und blickt mir wieder über die Schulter, während ich das Objekt bitte mir nun den Weg zu dem Buch zu zeigen. Der Spiegel folgt meiner Aufforderung und zeigt das gewünschte.
Minuten später haben wir den Raum durchquert und finden nahe des Altars den Zugang zu den Katakomben. Bis hier her ist alles noch öffentlich. Vorsichtig steigen wir die Treppe hinab und folgen weiter dem, was uns der Spiegel gezeigt hat. Stetig dringen wir immer tiefer in das unterirdische Labyrinth ein. Schnell haben wir die öffentlichen Areale verlassen und bewegen uns nun in gedämpften Licht. Minuten ziehen sich in die Länge, fließen ineinander und werden langsam zu einer Stunde und wir sind immer noch unterwegs. Hier unten scheint sich Missa wieder sicherer zu fühlen und wirkt lebhafter auf mich. Mir jedoch macht das tonnenschwere Gestein über meinem Kopf gehörig zu schaffen. Unterirdische Räume und Gänge habe ich noch nie gemocht. Die Dämonin und ich sind nun schon sehr tief in die Katakomben vorgedrungen und müssen uns immer mehr auf unsere übernatürlich scharfe Sicht verlassen, denn hier gibt es nur noch vereinzelt Lichtquellen. Ich bin froh, dass wir den ganzen Weg nicht wieder zurücklaufen müssen, sondern den Ort dann über den Schritt verlassen können. Ein Seufzen entflieht meinen Lippen und ich bleibe an einer Kreuzung, wo es ein dumpfes Licht in der Decke gibt stehen, um erneut den Spiegel zu befragen. Meine Augen haben sich bereits gut an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt, so das ich recht gut erkennen kann was mir das Objekt zeigt. Zudem bin ich auf die Idee gekommen mir eine Art Lageplan von dem Spiegel zeigen zu lassen, was überraschender Weise funktioniert hat. Von daher muss ich das Ding jetzt nur noch bitten mir zu zeigen wo wir im Moment sind und wie wir nun weitergehen müssen, um zu dem Buch der Prophezeiungen zu gelangen. Kein lebendes Wesen hätte sich den verschlungen Weg merken können, von daher bin ich froh über diesen Einfall. Beinnahe erleichtert sehe ich, dass wir nun schon die Hälfte des Weges hinter uns haben und immer noch richtig sind. Ein weiteres Seufzen fließt mir über die Lippen und mein Blick geht nach oben zur steinernen Decke. Wie finden sich hier eigentlich die Menschen, die hier doch immer wieder runter müssen, zurecht?
Mein Blick wendet sich Missa zu, die mich abwartend mustert und ich zeige in die entsprechende Richtung, in die wir weiter müssen. Haben wir am Anfang noch freundlich miteinander geplaudert, so herrscht jetzt meist Schweigen zwischen uns. Die Dämonin sieht mich von der Seite her an, als wir weitergehen.
“Du bist, “stellt sie leise fest, “nicht sehr gerne unter der Erde, nicht wahr?”
Ich schenke ihr ein Lächeln und nicke leicht. Doch bevor ich etwas sagen kann bleibe ich erschrocken stehen. Rechts von uns kann man die Umrisse eines zugemauerten Eingangs sehen und dahinter ist etwas. Die Resonanz ist dunkel und einen Moment lang dachte ich, es wäre wieder eine dieser Kreaturen. Doch nach der ersten Schrecksekunde bemerke ich, dass dem nicht so ist. Trotzdem beunruhigen mich die Schwingungen. Die Leopardenfrau hat meine Reaktion bemerkt und blickt nun auch zu der zugemauerten Öffnung. Ihre Augen weiten sich überrascht und schluckt trocken. Ich schenke ihr wenig Aufmerksamkeit und nehme stattdessen die Mauer näher in Augenschein. Ganz offensichtlich ist sie schon sehr alt, wie man an den Natursteinen sehen kann, ihre Resonanz spricht von über hundert Jahren. Außerdem liegt wohl ein extrem starker Bann darauf. Aber was auch immer dahinter eingesperrt wurde, ist noch immer am leben, auch das sagen mir die Resonanzen.
Missa weicht ein wenig zurück und nun hat sie meine Aufmerksamkeit.
“Missa?” Meine Stimme ist zu einem Flüstern herabgesunken.
Die Dämonin sieht mich an und winkt mir dann weiterzugehen. Schweigend folge ich ihrer Aufforderung und folge ihr weiter unseren Weg. Erst ein gutes Stück den Gang hinunter bleibt sie wieder stehen und blickt nervös zurück.
“Ein Berserker,” meint sie flüsternd, “da hinten wurde ein Berserker weggeschlossen.”
Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch und die Katzenfrau seufzt leise.
“Ein Berserker,” erklärt sie, “eine Dämonenrasse von erschreckenden Kriegern. So ein Wesen ist eigentlich ein einziger, über zwei Meter großer Muskelberg mit großen Zähnen und Klauen. Sie sehen ein wenig Echsenartig aus und sind wirklich bösartige Kreaturen, brutal und grausam töten sie ohne einen Anflug von Reue oder Gnade. Man könnte fast glauben das Töten mache ihnen Spaß. Häufig werden sie als Söldner oder ähnliches verpflichtet.”
Ich nicke verstehend, blicke nun selbst über die Schulter zurück und bedeute dann der Frau, dass wir weiter geradeaus müssen.
“Das hört sich an,” meine ich beim Weitergehen, “als wäre es nicht leicht so einen Dämonen gefangen zu nehmen. Oder?”
Missa sieht mich kurz an und neigt den Kopf.
“Sehr schwer,” bestätigt sie mich, “wirklich sehr, sehr schwer und gefährlich obendrein.”
Eine halbe Stunde später haben wir unser Ziel erreicht und stehen vor einer massiven Tür aus dunklem Holz, die fest verschlossen ist. Während sich Missa an dem Schloss zu schaffen macht, hoffe ich, dass wir nicht in die Irre gelaufen sind und nun möglicherweise irgendetwas frei lassen. Ein Quietschendes Geräusch holt meine Aufmerksamkeit zurück, dann klickt das Schloss und die Tür schwingt langsam, mit einem kratzendem Laut auf. In dem Raum dahinter ist es so finster, dass man nichts sehen kann. Die Leopardenfrau sieht mich an und ich sehe sie an.
Dann bewegt sie die Hand, murmelt einige Worte in einer fremden Sprache und erschafft so eine winzige Kugel Licht, die zwischen uns schwebt. Mit einem Schulterzucken schickt sie es in den Raum und beleuchtet ihn so ein wenig. Unseren Blicken bieten sich eine Vielzahl verschiedenster Objekte dar. Darunter ein ganzes Regal voller Bücher und auf einem extra Buchständer liegt es, das Buch der Prophezeiungen. Missa macht eine Geste, damit ich vorneweg gehe, was ich auch tue.
Vorsichtig und langsam betreten wir den Raum. Erst als ich tief Luft hole bemerke ich, dass ich den Atem angehalten habe. Während Missa die Tür hinter uns wieder schließt, trete ich auf den Buchständer zu und nehme das wertvolle Stück in Augenschein. Der Einband ist aus festem, pechschwarzen Leder und darauf befinden sich seltsame Symbole, die mich ein wenig an Runen erinnern. Sie sind in einer Spirale angeordnet und aus einem silbernen Metall, in dem sich scheinbar Diamantsplitter befinden. Zumindest glitzert es so im Licht vom Missas winziger Leuchtkugel. Das Buch ist überraschend klein und dünn, nicht einmal zwanzig Zentimeter hoch und vielleicht zehn breit. Tatsächlich wird es wohl ohne große Probleme zu dem Spiegel, der immer noch darin liegenden Maske und den anderen Kleinigkeiten in meiner Tasche passen. Das verwundert mich nun aber. Erst als ich die Hand nach dem Buch ausstrecke werde ich mir gewahr, dass diese zittert. Doch sobald meine Fingerspitzen den Einband berühren, fährt mir ein leichter elektrischer Schlag durch die Finger in den Arm hinauf und das Zittern hört auf. Es ist tatsächlich das echte Buch, das weiß ich. Woher dieses Wissen kommt ist mir Schleierhaft, aber das passiert mir ja nicht zum ersten mal. Vorsichtig nehme ich es auf und bewundere es noch einmal kurz, bevor ich es in meiner Tasche versenke. Dann wende ich mich wieder Missa zu, die mit einem ehrfürchtigen Ausdruck auf dem Gesicht zugesehen hat. Einen Moment später hat sie sich wieder gefangen und nickt mir zu.
“Wir sollten zusehen, dass wir jetzt verschwinden.”
Ihre Stimme klingt ein wenig belegt und ich bin einer Meinung mit der Dämonin. Als ich ihr die Hand entgegenstrecke ergreift sie diese ohne zu zögern. Zusammen gehen wir den Schritt.
 
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Kommentare  

Hallo Doska,
nun dass erklärt sich viel später erst in der Geschichte. Ja jetzt hat sie also das Buch, aber aus dem Schneider sind die beiden noch nicht so ganz.
Schön dass es dir immer noch so gut gefällt.

Hallo Nischi,
das freut mich sehr.
Ja auf den nächsten Teil darfst du dich freuen, ist schon gesendet.

Herzlichen Dank für eure Kommentare
und liebe Grüße


Tis-Anariel (05.05.2010)

Ich liebe die Geschichte Schattenmacht :)
und freue mich schon auf das nächste Kapitel :)
Lg Nischi


Dominique Freier (04.05.2010)

Und wieder begegnet Hoffnung ein Mensch, der übernatürliche Gestalten sehen kann. Was hat das zu bedeuten? Interessant wo das Buch der Prophezeiungen verborgen ist. Hoffnung findet es und trägt es von nun an dicht an ihrem Körper, aber wird sie es auch lange genug behalten können? Ihr zur Seite steht die kluge Leopardenfrau. Sie wird bestimmt, wie eine richtige Raubkatze, heran nahende Gefahren wittern, denke ich mal.

doska (04.05.2010)

Lieber Jochen,
wenn du dich damal nicht täuscht. Noch sind die zwei da nicht raus... du weißt doch, ich liebe es meinen Leser zu überraschen;)
Es freut mich sehr, dass dir auch der Fünfzehnte Teil gefällt.
Auf den nächsten darfs du gespannt sein...

Liebe Grüße


Tis-Anariel (04.05.2010)

Uff, ein Glück ist Hoffnung und dem Leopardenweibchen nichts Schlimmes passiert. War ja ziemlich riskant, was sie da gemacht haben. Immerhin haben sie endlich das, was sie suchten, gefunden. Nun werden wir mal hoffen, dass sich auch alles weitere finden wird.

Jochen (04.05.2010)

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