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11 Seiten

Ein schmaler Grad Kapitel 10 (Historisch)

Romane/Serien · Spannendes
© Lilly
Kapitel 10

"Ein Mensch, der für nichts zu sterben gewillt ist, verdient nicht zu leben."

Martin Luther King

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„Seamas“, begann Kenneth etwas mürrisch und rieb sich mit seinen tauben Fingern frierend seine ausgekühlten Arme:“ Wie besonders muss eine einzelne Person sein, dass wir sie mitten in der Nacht und im beginnenden, abartig kalten Winter nach Eilean Donan eskortieren? Diese Person muss ja überaus wichtig sein.“
„Bradleys Tochter.“
Antwortete dieser kurz und knapp auf Kenneth Worte hin und zog einen Gurt an seinem Sattel noch etwas fester. Gereizt schnaubte das Pferd unter diesem Kraftakt und warf seinen Kopf hin und her.
Verwundert starrten sie alle auf einmal ihren Laird an und Sean MacPhearson fragte verblüfft:“ Dann ist es also wahr, es ist kein albernes Gerücht, sie ist wirklich hier, Theodors Tochter?“
MacNamara nickte, immer noch ohne sie anzusehen, er richtete lieber sorgfältig seine Utensilien.
„Aber warum bringen wir sie von ihr fort? Das verstehe ich nicht, es ist viel zu kalt und gefährlich für eine Frau um diese Jahreszeit. Was soll das Seamas?“
Alle stimmten Kenneth besorgter Frage zu und MacNamara wurde bewusst, dass es nun an der Zeit war, es ihnen zu sagen. Wilbert hatte es viel Kraft gekostet, all die, die es mitbekamen, waren es die Wachen der Nacht, oder zwei seiner Diener, zum Schweigen zu verdonnern. Er wandte sich seinen Männern endlich zu und sie kamen etwas näher heran. Sofort erkannten sie sein besorgtes Gesicht und ahnten, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
Leise, damit kein vielleicht heimlich Umherstehender es mitbekommen konnte, erklärte er sachlich:“ Jason MacKneele wurde letzte Nacht ermordet. Sie wollen die Frau, Bradleys Tochter.“
„Was …? Wer hat das getan?“
Gordy MacBell kochte vor Wut, mochte er doch den jungen MacKneele.
„Die MacFhinns.“,gab MacNamara erneut sehr knapp wieder.
„Diese Hurensöhne, ich schneide ihnen die Eier ab und verdrücke sie zum Frühstück. Damit sind sie wirklich zu weit gegangen!“,rief der noch sehr junge Adair Stewart gepresst aus und musste sich anstrengen, nicht laut zu werden.
„Geduld Männer, wir bekommen unsere Chance noch. Lady Bradley wird, wenn wir ihre Verbündeten kennen, sich als Lockvogel zur Verfügung stellen, doch zuerst brauchen wir diese Information, um diese Bastarde unterlaufen zu können.“
Er hasste diesen Plan, es machte ihn unwahrscheinlich nervös, sie eventuell gehen zu lassen, aber es schien ihr einziger Weg zu sein.
„Sie will sich diesen Kerlen freiwillig ausliefern?“
Craig Douglas war hörbar und sichtlich überrascht.
„Ja, das will sie, und das in dem Wissen, dass wir ihr vielleicht nicht helfen können“, sagte MacNamara wütend und stieg auf seinen Hengst:“ Doch wir werden es nicht so weit kommen lassen.“
Stumm, aber mit einem kraftvollen Nicken, stimmten sie ihm alle ohne zu zögern zu. Es wurde weiter nichts mehr gesprochen und alle stiegen hinter ihrem Laird auf ihre Pferde.
Die Tür ging auf und Lea kam mit Wilbert und Tyra die Stufen nach unten. Sie war kaum zu erkennen, denn die Kapuze hing tief in ihr Gesicht und der dicke Umhang verbarg jegliche Weiblichkeit. Erst als sie unten standen, sah sie auf und man hörte wie einige seiner Männer ihren Atem laut einzogen und dass geflüstert wurde, doch sie nahm ihren skeptischen Blick nicht von MacNamara.
„Ihr reitet mit mir!“, befahl er barsch, doch Lea widersetzte sich ihm mit einer erschreckenden Leichtigkeit:“ Das werde ich ganz sicher nicht tun.“
Verblüfft sahen seine Männer von ihr auf und ihn an, doch er ignorierte dies.
„Wie sähe es aus, wenn ein Mann“, sie zeigte auf sich selbst,“ Vor einem anderen Mann im Sattel säße, dann hätte ich mir diese alberne Verkleidung auch sparen können.“
Ihre Augen blickten noch immer direkt in die seinen, fest entschlossen nicht nachzugeben und er meinte wiederstrebend:“ Aye, in Ordnung, wie Ihr meint. Aber es wird ein harter und langer Ritt und ich möchte kein Gejammer von Euch hören.“
„Ich habe noch nie gejammert.“, motzte sie ihn an und trat neben einen braunen Wallach, der gerade von Malcolm heran geführt wurde. Aufmunternd lächelte Malcolm sie an.
„Kümmert Euch gut um Isa und gebt auf sie acht, ja?“ ,bat sie ihn leise flüsternd und er erklärte ihr genauso leise:“ Das werde ich! Ich werde gut auf sie aufpassen, macht Euch darüber keine Sorgen!“
Lea seufzte leise. Zur Zeit war es für sie unmöglich, sich keine Sorgen zu machen. Ihr ganzes Dasein schien in diesem Moment aus Sorgen zu bestehen. Ihr war es nur wichtig, dass sie wusste, dass man auf ihre Cousine acht gab, dass man sie einfach nur beschützte, denn das nahm ihr etwas von der Last, die sie so schon genug mit sich herum trug.
„Bitte sagt ihr, dass es mir unendlich leid tut und dass sie mir vergeben soll, sobald sie kann.“
Ihre Stimme bebte und sie rieb sich kurz durch ihr müdes und abgewandtes Gesicht.
„Lady Bradley“, begann er eindringlich und legte eine Hand freundschaftlich tröstend auf die ihre, die auf dem Sattel lag und endlich sah sie ihn an:“ Sie wird es verstehen, auch wenn sie mich dafür hassen wird, dass ich Euch nicht von dieser Dummheit abgehalten habe.“
Sie sah, dass er das wirklich glaubte und sie erkannte eine Zerrissenheit in ihm. Auf der einen Seite das Gefühl der Genugtuung, dass man diese Bastarde, die seinen alten Freund getötet hatten, zur Rechenschaft zog und auf der anderen Seite das unglaublich schlechte Gewissen, einen Menschen eventuell einfach zu opfern und das der Rache wegen.
„Niemand könnte mich davon abhalten“, erklärte sie ihm ohne einen Zweifel daran zu lassen:“ Es ist unsere einzige Möglichkeit und das Einzige was ich tun kann, um es wieder gut zu machen.“
Erschrocken sah er sie an und nahm auf einmal ihre Hand fest in die seine und Lea spürte eine angenehme Wärme.
„Es ist nicht Eure Schuld … bitte glaubt das nicht.“
„Ich wünschte, ich könnte das so leicht.“
Ihre Stimme war mehr ein Hauchen, doch er hörte es. Er hätte ihr so gerne Mut gemacht, doch fand er einfach nicht die richtigen Worte dazu und so meinte er nur, um sie etwas aufzumuntern:“ Alles wird gut und wenn Ihr dann Isabella wiederseht, wird sie Euch zuerst den Kopf waschen und Euch dann in die Arme schließen, denn sie liebt Euch über alles und alles was Ihr tut, hat in ihren Augen seinen Sinn. Ich glaube nicht, dass sie jemals etwas davon in Frage stellen würde.“
Lea schmunzelte nun tatsächlich, denn er kannte ihr Cousine wohl schon besser als sie annahm und meinte:“ Ich danke Euch.“
„Gerne.“, flüsterte er und endlich ließ er ihre Hand wieder los.
MacNamara beobachtete dieses intim wirkende Gespräch skeptisch und eine unglaubliche Wut keimte in seinem Innern auf und das wurde nicht besser, als er sah, dass Malcolm ihre Hand nahm. Dieses Vertrauensbild machte ihn schier wahnsinnig. Er verstand sich langsam ganz und gar nicht mehr und so maulte er sie ungeduldig an:“ Steigt endlich auf, Brian wird Euch behilflich sein.“
Doch noch bevor dieser sich eifrig von seinem Pferd geschwungen hatte, saß sie schon auf dem ihren und nahm die Zügel von Malcolm entgegen.
„Danke, aber ich bin dem fähig.“
Ein Schmunzeln durchzog die Gesichter seiner Männer, doch nur der ernste Gesichtsausdruck von MacNamara genügte und sie blickten wieder regungslos drein.
„Hast du ihr nicht von der Konsequenz einer Bestrafung erzählt?“, fragte Wilbert leise und seine Frau antwortete ihm leicht verzweifelt, wissend das diese Reise nicht einfach für Lea werden würde und anscheinend schon gar nicht für Laird MacNamara: „Natürlich, das habe ich dir doch gesagt und sie war entsetzt darüber, aber anscheinend hat sie dies alles schon wieder vergessen, oder … oder sie fordert ihn heraus.“
Er lachte verhalten, seit dem Tod seines Bruders, das erste Mal und rieb sich einmal über seinen Mund, während sich seine Frau wärmesuchend kurz etwas an ihn schmiegte. Dann kam Tyra die restlichen Stufen nach unten und blieb neben Lea stehen.
„Gib den bitte Isabella und sag ihr, dass es mir unwahrscheinlich leid tut, dass ich mich nicht von ihr verabschiedet habe und dass ich sie liebe. Sie soll mich nicht hassen und keine Angst um mich haben.“
Tyra nickte unglaublich traurig aussehend und nahm den versiegelten Brief etwas zögerlich entgegen. Sie wollte Lea nicht gehen lassen. Sie wollte nicht, dass sie sich dieser Gefahr aussetzte. Sie war doch nicht dran schuld, sie hatte doch nichts getan, warum rannte sie eigenhändig in ihr Unglück? Doch konnte sie es ihr nicht ausreden und ihrem Mann voll und ganz abschlagen und ihn somit in seiner Trauer versinken lassen, dass konnte sie auch nicht. Er brauchte einen Halt und wenn dies die Rache sein sollte, dann sollte es so sein. So musste sie dies hinnehmen und sagte noch ganz leise zu Lea:“ Sie wissen es nicht.“
Lea verstand sofort, nickte und sah noch einmal zu Wilbert, der noch immer auf den Stufen stand, etwas von ihr entfernt. Lautlos formte sie mit ihren Lippen Worte, die er direkt verstand: Es tut so mir leid.
Er nickte, denn er wusste es und er glaubte ihr.
„Pass bitte auf Isabella auf und gib gut Acht auf dein Kind … Leb wohl.“
Sie drückte noch einmal ihre Hand und Tyra nickte zustimmend und ohne sich unter Kontrolle zu haben, lief sie zu MacNamara und drohte ihm. Sie drohte dem Mann mit erhobenem Zeigefinger, vor dem sie sich am meisten fürchtete, denn sie vergaß ihre Angst für einen kleinen Moment.
„Wenn Ihr sie nicht gut behandelt … ehrenhaft … dann Gnade Euch Gott, denn Ihr habt noch nie eine wütende schottische Ehefrau mit englischen Wurzeln erlebt.“
Lea musste über seinen sprachlosen Gesichtsausdruck lächeln und nickte Tyra noch einmal freundschaftlich zu, bevor sich der Trupp dann endlich in Bewegung setzte.
Adair und Niall nahmen Lea zwischen sich und sie ritten leise vom Hof, denn alle Welt schlief, selbst die Wachen hatte man für eine halbe Stunde unter einem lächerlichen Vorwand von ihrem Posten geholt.
Kenneth und Sean ritten rechts und links neben ihrem Laird und blickten sich die ganze Zeit zu Lea um. Ihre Gesichter spiegelten Neugier und irgendwie freudige Erwartung wieder, was MacNamara erneut reizte.
„Habt Ihr etwa noch nie eine Frau gesehen?“ , fragte dieser ärgerlich und Sean meinte irgendwie schwärmend klingend:“ Anscheinend nicht. Ich glaube ich muss meine Vorstellungen von der perfekten Schönheit etwas nach oben schrauben.“
Kenneth lachte, doch Seamas schwieg, während er schlicht verdrießlich grunzte.
„Gib es zu“, begann dieser zu seinem Laird:“ Sie ist dir selbst schon ins Auge gestochen. Weshalb sonst nimmst du solch eine gefährliche Reise auf dich, und dann auch noch für eine Sasunnach (Engländerin)?“
„Sie ist seine Tochter und ihr alle wisst, was wir ihm zu verdanken haben und das ist der einzige Grund.“, brummte er ihnen wütend zu und Sean sagte:“ Wenn du meinst, aber nimm es mir nicht übel, ich glaube dir kein verdammtes Wort.“
Der Wind war eisig und Lea zog ihren Umhang noch etwas fester um sich, als sie die Mauern des Clans der MacKneele hinter sich ließen. Noch einmal blickte sie über ihre Schulter und ein schwerer Atemzug durchzog ihren gesamten Körper.
„Keine Angst, Mylady, wir werden Euch beschützen.“
Sie lächelte Adair liebevoll an und sagte:“ Oh, davon bin ich überzeugt.“
Ihre Worte schienen ihn stolz zu machen, denn er machte den Anschein zu wachsen und das wiederum belustigte Lea.
„Verratet Ihr mir Euren Namen?“
Wollte sie nun wissen, denn sie kannte gerne die Männer, mit denen sie auf Reisen war und denen sie ihr Leben anvertraute. So sagte er:“ Adair Stewart, aber bitte nennt mich einfach nur Adair.“
„Gerne, und Eurer lautet?“
Sie wandte sich dem anderen Soldaten zu.
„Niall … Niall MacDougall.“
Lea schmunzelte über die Schüchternheit dieser Krieger, die von allen so gefürchtet wurden.
„Ich bin schlicht Lea, und es würde mich freuen, wenn wir diese Förmlichkeiten wegließen, schließlich verbringen wir eine weite und beschwerliche Reise mit einander.“
Beide nickten stolz, anscheinend diejenigen Auserwählten zu sein, mit denen sie befreundet sein wollte.
Nachdem sie einen Hügel überquert hatten, hielt MacNamara an und alle traten noch etwas näher an ihn heran, er sprach leise.“ Jetzt legen wir ein schnelleres Tempo an den Tag, denn bevor wir rasten, müssen wir etwas Abstand zwischen uns und dem Land der MacKneele gebracht haben.“
Er sah zu Lea, die hinter sich blickte und in der Nacht nur noch schemenhaft die Burg erkennen konnte.
„Werdet Ihr das schaffen?“
Sie sah ihn auf seine Frage hin an und erklärte ihm schulterzuckend:“ Wir werden sehen!“
MacNamara schüttelte seinen Kopf und dann legte er das Tempo vor und ihm folgten alle.
Zu aller Überraschung, hielt sie sehr gut mit und sie glaubten sogar zu sehen, dass es ihr Spaß machte, denn ein Lächeln lag auf ihren Lippen.
Der Wind war eisig und es roch nach Schnee, aber es tat gut wieder einmal so schnell zu reiten, denn das tat sie immer mit ihrem Vater. Sie ritten stundelang um die Wette, doch die englischen Sättel waren um einiges bequemer, weicher und passten sich somit viel besser an.

In einem unglaublich dichten und dunklen Eichenwald machten sie auf einer hochgelegenen kleinen Lichtung halt. Sie zündeten kein Feuer an, denn sie wollten keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Lea wickelte sich in der Mitte der Lichtung, neben einer dicken toten Eiche, deren Stamm von einem Blitz in zwei Hälften geteilt worden war, in ihre gefütterten Decken ein und schlug einen kleines Nachtmahl dankend aus. Man konnte nur noch ein wenig ihre Haare sehen, als sie sich richtig einmummelte und sie hörte einen, in ihren Ohren, faszinierenden Seufzer. Schnell druselte sie ein, während sie den flüsternd gesprochenen gälischen Worten ihrer Begleiter lauschte. Sie war so unbeschreiblich müde, dass es sie noch nicht einmal interessierte, was sie sprachen. Die Geräusche der Nacht störten sie nicht, der harte und eisige Boden war für sie überraschenderweise kein Problem und die Kälte und das darauf folgende frieren konnte sie bis jetzt noch gut steuern. Sie war einfach zu erschöpft, um sich darüber Gedanken zu machen.
Das leise Zwitschern eines Vogels, der es anscheinend versäumt hatte sich auf den Weg gen Süden zu begeben, weckte sie noch vor der Dämmerung auf. Ihr Kopf lag auf etwas angenehm Weichem, das nach Wolle und Wald roch und so drehte sie ihn langsam nach links um zu sehen, was es war. Und zu ihrem Entsetzen war es MacNamaras Arm auf dem ihr Kopf so ausgezeichnet ruhte. Er atmete leise und gleichmäßig und seine Mimik wirkte auf Lea zufrieden. Er kann wohl nur zufrieden wirken und vielleicht auch sein, wenn er schläft, dachte Lea.
Langsam erhob sie sich etwas und sah, dass um sie herum verteilt die Krieger lagen und alle hielten ihre Schwerter fest. Sie waren anscheinend immer zum Kampf bereit.
„Guten Morgen.“
Hecktisch blickte sie sich um und entdeckte Niall, der an einem Baum lehnte und anscheinend über alle wachte. Ganz langsam, um keinen zu wecken, schlug sie ihre Decken beiseite, stand auf und stieg vorsichtig und so leise wie möglich, über die Krieger hinweg. Vor Niall blieb sie dann stehen und rieb sich ihre Arme, es war tatsächlich, in den nur wenigen Stunden, noch kälter geworden.
„Was soll das?“ ,fragte Lea, zeigte auf die schlafenden Soldaten und unterdrückte beschwerlich ein tiefes Gähnen.
„Oh, sie beschützen Euch Lea, und Seamas bestand darauf direkt neben Euch zu liegen.“
Sie blickte noch einmal auf den schlafenden Laird, überhörte geflissentlich Nialls seltsamen Tonfall und legte ihre Stirn verwundert aussehend kraus. Sie wusste ganz und gar nicht was sie davon halten sollte.
Niall war sichtlich müde und unterdrückte sein Gähnen nicht, ein lautes, krächzendes Geräusch entrann seiner Kehle, während er sich streckend einmal ausgiebig wand.
„Wie lange habe ich geschlafen?“
„Nicht sehr lange, vielleicht drei Stunden.“
Der Laird erwachte bereits, als sie sich von ihm erhob, doch er regte sich nicht. Er wollte wissen wie sie darauf reagierte, dass er neben ihr lag und wie sie sich verhielt, weil sie in seinen Augen doch nun schon eine sehr lange Pause machten.
Etwas umständlich richtete Lea ihr Haar, das wie wild von ihrem Kopf abstand und fragte mit noch immer leicht belegter Stimme:“ Wann reiten wir weiter? Ich glaube, dass ich mich erst wohl fühle und die anderen sicher sind, wenn wir soweit wie möglich von hier weg sind.“
„Wir brechen gleich auf.“
MacNamara erhob sich auf einmal und war mit ihr zufrieden, während Lea unter seinem dunklen befehlerischen Tonfall zusammenzuckte. Er weckte somit die restlichen Krieger auf. Es war einmalig, denn sie sahen gar nicht so aus, als hätten sie überhaupt geschlafen, sie waren sofort hell wach.
Schnell packten sie ihre Sachen und Connor MacKenzie verteilte an jeden etwas Schinken. Während sie ihre Decken am Sattel befestigte, aß sie ihn nachdenklich nebenher. Lea fragte sich, ob es Isabella schon aufgefallen war, dass sie nun nicht mehr da war und wie die anderen darauf reagieren würde? Noch immer müde stieg sie auf, verschloss ihren Umhang eng um ihren Hals und zog ihre Kapuze über.
„Aufbruch!“, rief MacNamara halblaut und sie führten das Tempo der letzten Nacht fort.
Nebel erhob sich langsam vom kalten Boden und es wirkte, als würde er dampfen. Der Tau der Nacht tropfte von den Blättern und streifte ab und an ihr, von der Anstrengung gerötetes, Gesicht. Es war ein prächtiger Morgen, als die Sonne sich langsam erhob und der Himmel sich um sie herum herrlich rot verfärbte. Dies deutete daraufhin, dass es ein wunderschöner, aber auch unglaublich kalter Tag werden würde.
Erst am späten Nachmittag machten sie die erste Rast und Lea war über diesen Stopp unsagbar froh, denn sie spürte ihren Hintern kaum noch und ihre Schenkel schmerzten vom schnellen Ritt. So lange am Stück war sie noch nie in diesem halsbrecherischen Tempo geritten.
An einem kleinen Fluss hielten sie an und selbst die Pferde schienen froh über diese nötige Erholungspause zu sein. Lea stieg steif aus dem Sattel und versuchte einige Schritte zu gehen, doch ihre Muskeln brannten wie Feuer und sofort blieb sie ganz leise Stöhnend dort stehen wo sie war. MacNamara sah ihr verzerrtes Gesicht und dass sie sich, erschöpft wirkend, an einem Baum abstützte. Schnell war er bei ihr und fragte besorgt:“ Schmerzt es sehr?“
Tapfer wollte sie sich vom Stamm abstoßen, ihm mit erhobenen Haupt antworten, dass sie nicht wüsste wovon er redete, doch nur der Gedanke daran sich zu bewegen, ließ sie diesen Plan verwerfen. Deshalb blickte sie ihn einfach nur an und ihr Blick war ungewollt leidend, aber sie konnte es einfach nicht unterdrücken und fühlte sich somit unglaublich schwach und verletzlich und das hasste sie.
„Würdet Ihr mir glauben wenn ich Euch anlächeln...“, begann sie somit mit arg gereiztem Unterton:“ ...und mit ernster Stimme zu Euch sagen würde: nein, nein, meine Beine sind nur etwas schwer und ich bin müde?“
Schmunzelnd, ihr tief in die Augen sehend, schüttelte er seinen Kopf und Lea sah mit gequältem Blick an ihm vorbei, bevor sie grummelnd, aber bemüht nicht zu jammern, zugab:“ Es bringt mich fast um. Ich glaube mein Gesäß existiert nicht mehr und die Muskeln meiner Beine sind steif und brennen wie Feuer, ich verfluche eure harten Sättel.“
„Aber warum habt Ihr nichts gesagt?“, wollte er belustigt wissen, auf die Beleidigung über die Sattelherstellungskunst seiner Landsleute sah er großzügig hinweg.
“Ich jammere nicht, schon vergessen?“
Er lachte etwas verhalten auf ihre mürrische Antwort und meinte mehr zu sich selbst, aber schon so, dass auch sie es verstand:“ Wie könnte ich das“, und erntete somit einen glühend wütenden Blick von Lea.
„Ihr müsst euch bewegen“, bestimmend packte er sie an der Hand und zog sie hinter sich her.
„Nein, lasst das.“
Befahl sie ihm zornig und zog an ihrer Hand, die in der seinen vollkommen zu verschwinden schien. MacNamara hielt sie jedoch unnachgiebig fest und schleifte sie hinter sich her, wie eine leblose Puppe. Sie sah die hämisch grinsenden Gesichter der anderen Krieger und rief aufgebracht:“ Lacht nicht, helft mir lieber.“
„Tut mir leid, Mylady, aber ich kann Euch wirklich nicht hören.“
Es war Kenneth, der sich dann immer noch lachend von ihr abwandte und die anderen taten es ihm direkt gleich. Aufgebracht streifte sie alle mit einem verschwörerisch aussehenden Blick, bevor sie sich wieder der Befreiung ihrer Hand widmete.
„Herr Gott … MacNamara, lasst mich gefälligst los.“
Lea wurde immer wütender, doch er gab nicht nach und zog sie hinunter zum Fluss.
Sie hätte es nie zugegeben, doch die Bewegung tat ihr wirklich gut und sie spürte wie langsam das Blut wieder zu fließen begann und das Brennen etwas nachließ. Am Ufer hielt er endlich an und Lea lief schmerzvoll auf ihn auf. Sie knallte gegen seinen harten Körper und trat benommen einen Schritt zurück. Sie glaubte gleich umzufallen, doch er packte sie um ihre Hüften und hielt sie fest. Langsam zog er sie etwas näher an sich heran und Lea fragte schockiert:“ Was tut Ihr denn jetzt schon wieder?“
„Oh, nichts Besonderes … ich will Euch einfach nur Küssen, Lady Leathendra Bradley.“
Antwortete er gelassen ehrlich, während er tief in ihre Augen blickte.
„Momentmal“, fuhr sie ihn bestimmend an und drückte sich von seinem Körper weg:
„Das hatten wir doch schon einmal und glaubt Ihr nicht auch, dass ich da ein Wörtchen mitzureden habe?“
Sie vermutete zu erkennen, dass er nachdachte, doch nach einem kurzen Augenblick meinte er schlichtweg gelassen:“ Nein.“
Er kam wieder etwas näher und Lea wand sich kraftvoll in seinen Armen.
„MacNamara …“, begann sie, aber er unterbrach ihren beginnenden Vortrag, in dem er leise sagte:“ Seamas.“
Sein warmer Atem streifte ihr gerötetes Gesicht und das verwirrte sie und so fragte Lea etwas benommen:“ Wie bitte?“
„Nennt mich Seamas, MacNamara ist doch viel zu förmlich für unsere Situation.“
„Was“, rief sie schockiert aus:“ Welche Situa …“, Lea unterbrach sich selbst, da sie mittlerweile wusste, dass Fragen nichts brachte und so fuhr sie ihn unglaublich aufgebracht an:“ Das werde ich bei Leibe nicht tun! Denn Ihr seid ein Laird, wenn auch ein fürchterlich aufdringlicher noch dazu. Ich werde mit Euch kein Vertrauensverhältnis eingehen, und Euch somit auffordern Grenzen zu überschreiten, die man besser verschlossen hält.“
Sein dunkles Lachen, das ihn zum Beben brachte, erschrak sie, aber er ließ endlich von ihr ab.
„Ihr seid wirklich seltsam, Lady Bradley, aber darüber hinaus sehr unterhaltsam und wirklich unglaublich belustigend!“
Meinte er sich kaum zurückhaltend können vor Gelächter und ging. Aber nicht ohne noch einmal stehen zu bleiben, in ihr vor Wut gerötetes Gesicht zu blicken und noch einmal etwas lauter zu lachen, nur um dann Kopfschüttelnd seinen Weg fortzusetzen.
Lea kniete sich unglaublich zornig in das feuchte Gras und spritze sich etwas eiskaltes Wasser ins Gesicht. Das kalte nass wirkte belebend auf ihrer müden Haut. Noch immer spürte sie seine warmen Hände auf ihrem Körper, spürte noch immer seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht und hörte aber auch noch immer dieses seltsame Lachen während er ging. Es verletzte Lea zu ihrer eigenen Überraschung und das verwirrte sie.
Eigentlich fand sie es nicht schlimm wenn er sie berührte, sie mochte seinen Blick, wenn er sie so seltsam ansah, doch dass er sie Küssen wollte, das machte sie nervös. Denn spielte er vielleicht nur mit ihr? Nein, das würde sie nicht zulassen, sie war keine Trophäe, von der man noch seinen Söhnen erzählte. Sie würde sich nicht einem Mann hingeben und somit ihren Ruf ruinieren, denn irgendwann einmal war es auch ihr Wunsch zu heiraten und dann nicht mehr rein zu sein, das kam für sie nicht in Frage, so wurde sie nicht erzogen.
„Lea“, es war Niall der neben sie trat und weiter sagte:“ Wir brechen wieder auf.“
Sie nickte, erhob sich etwas schwerfällig, seine Hilfe dankend ablehnend und folgte ihm noch immer etwas steif aussehend zurück.
„Geht es Euch besser?“
Fragte MacNamara freundlich, von seinem Hengst auf sie herabblickend, und Lea erklärte ihm, während sie zu ihrem Pferd schritt, ihn nicht einmal ansehend:“ Ja danke, das kalte Wasser hat wirklich Wunder bewirkt.“
Seine Männer sahen wie sein erhabenes Grinsen erstarb und blickten dann zu Lea, die, ohne ihn weiter zu beachten, auf ihre Wallach stieg und sich zum Weiterreiten bereit machte.
 
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Kommentare  

Hallo Petra!!!!
Danke mal wieder für deinen stetigen Kommentar....
Ja Lea ist ne sehr stolze Persöhnlichkeit und die Härte entsteht wohl aus ihrer Lebenssituation heraus. Sie wächst an ihren Aufgaben....
Ich hoffe es gefällt dir weiterhin so gut!!!!!!!

LG


Lilly (28.05.2010)

Mir gefällt Leas Stolz, außerdem ist sie ziemlich hart zu sich selbst. Das kommt in diesem Kapitel ganz besonders zum Ausdruck. Hoffentlich gelingt es MacNamara Lea geschickt als Lockvogel einzusetzen, ohne dass sie in Gefangengenschaft gerät. Freue mich schon darauf wie es weitergeht.

Petra (26.05.2010)

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