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3 Seiten

Der Bogen der Zeit (1e)

Romane/Serien · Spannendes
© Hanim
Akays Mutter versohlte Akay gehörig den Hintern, steckte sie dann ins Bett und arrangierte dass Akay nun 3 mal wöchentlich zu ihrer Tante im Harem des Sultans mußte, um dort Benehmen und Fertigkeiten einer vornehmen Tochter zu erlernen. Diese Besuche aber führten Akay noch in eine andere Welt. Eine Welt im verborgenen, eine Welt die Akay ebenso faszinierte wie die Welt der Männer.
Hier im Harem traf sie auf eine alte Dame, die nur Peri Nur genannt wurde. Zuerst wunderte sich Akay über den Namen, Peri war das Persische Wort für Fee und Nur hieß auf arabisch Licht.
Akay traf Peri Nur an einem grauen Nachmittag. Sie wurde in ein Zimmer geführt, in dem eine Gestalt umgeben von Kerzen saß, und, mit dem Rücken zu ihr, hinaus zu blicken schien.
Die Dienerin stellte Akay vor und ließ sie dann alleine zurück. Akay sollte von Peri Nur die Kunst des Stickens mit Metallfäden erlernen. Dass sie noch viel mehr lernen würde, ahnte sie nicht.
„Hanim, ich bin bereit für meinen Unterricht!“,sagte Akay höflich nachdem sie schon eine Weile dagestanden war. Das Licht der Kerzen war heller als das Tageslicht, obwohl es erst 2 Uhr nachmittags war. Aber graue Wintertage waren keine Seltenheit in diesem Jahr. Ganz langsam drehte die Gestalt sich um. Sie trug einen losen Seidenschleier in hellen bis dunklen Violetttönen, der sanft über ihre Schultern bis auf den Boden fiel. Darunter waren ihre fast weißen Haare kunstvoll in dicken Zöpfen geflochten und hoch gesteckt. Im Haar war der Schleier mit einer Silbernadel befestigt von der Perlenschnüre rechts und links am der Stirn herunter hingen und irgendwo in der Frisur ihr Ende fanden. Auf der Stirn hing ein kleiner funkelnder Stein. Sie war uralt, hatte eine fast milchweiße Haut, aber ihre Augen waren dunkel geschminkt und noch immer wunderschön.
Passend zu dem Schleier trug sie rosa und fliederfarbene Gewänder die keiner Tracht glichen die Akay vorher je gesehen hatte. Sie sieht aus wie Sheherazade, dachte Akay, wie Sheherazade als sie 100 Jahre alt war.
Peri Nur lächelte Akay an, betrachtete sie Minutenlang sehr genau und sagte dann mit einer so schönen Stimme, dass Akay ein kalter Schauder über den Rücken lief:
„Du wirst nie richtig Sticken lernen. Aber Deiner Mutter zuliebe wollen wir es versuchen. Damit es keine nutzlose Zeit wird, werde ich dir noch einiges anderes zeigen, das dir im Leben mehr nutzen bringen wird!“

Akay antwortete nicht. „Wer immer deinen Namen gewählt hat – er ist falsch!“ fuhr sie dann fort, immer noch mit so einem lieblichen Klang, dass die Härte ihrer Worte fast unbeachtet blieben: “ Akay – Vollmond, was ist denn an dir ein Vollmond. Du bist zu groß, zu dürr, zu klug und zu – eigensinnig geraten!“, sagte sie dann sehr leise.
„Und du wirst dich nie beugen!“, flüsterte sie fast.“Ich habe nicht geglaubt, dass es dich gibt.“ Doch die letzten Worte konnte Akay nicht mehr verstehen. Ihr Lächeln, das folgte, war unergründlich, und ließ Akay erneut erschauern.

Akay dachte an Peri Nur. Zuerst hatte sie sich gefürchtet, Peri Nur war so anders als die Menschen, die ihr bisher begegnet waren. Sie konnte mit einem Lächeln auf den Lippen alle Mühe, die sich Akay mit ihrer Stickarbeit gegeben hatte, zunichte machen, aber ebenso mit einem leise gesprochenen Wort, Akay im höchsten Glück schweben lassen.
Oh, sie konnte Menschen manipulieren ohne das diese es bemerkten, und Akay mit allen Widersprüchen, die in ihr tobten, war ein williges Opfer.

Peri Nur nterrichtete Akay, sie lehrte sie natürlich Sticken, aber eines Tages hatte sie eine Laute auf dem Schoß und forderte Akay auf zu tanzen. Sie brachte Akay auch das Spielen auf der Laute bei. Trotz ihrer Größe und Schlaksigkeit war Akay eine feine zarte Tänzerin, die viel von ihrer Seele im Tanz preisgab. Und Peri lächelte wieder unergründlich. Akay liebte Peri Nur irgendwann so sehr, wie die Frau ihr am Anfang unbehagen bereitete.
Und Peri Nur erweiterte ihren Unterricht ohne danach gefragt zu werden. Sie begann Akay Geschichten zu erzählen, zuerst das Gülsha Epos, dann Zeynel und Melike und dann Geschichten die niemand kannte. Von dem alten verborgenen Volk am Alten Berg, den die Menschen Nemruth Dagi nannten. Von dem Stolz der Frauen, von der Schönheit der weißen Stadt, sie erzählte dazwischen auch von anderen Dingen, von Damascus, von Cahira, von Bagdat, von der Wüste, von dem Weg nach Hindistan...und sie entflammte etwas in Akay. Etwas das nicht mehr aufzuhalten war. Es war die große Sehnsuch, Akay konnte nicht mehr atmen zwischen den Mauern der Stadt. Akay war ihre Haut zu eng, ihr Blick zu begrenzt, und der ihr vorgezeichnete Weg zu kurz. Akay wurde wie der Wind der ständig um die Häuser wehte, mal von diesem mal von jenem Meer her, mal sanft, mal stürmisch, doch nie einzusperren, nicht zu vermindern in seiner stetigen kraft, fühlbar und nicht festzuhalten. Und Peri Nur lächelte wieder unergründlich. Dann half sie Akay, zu ihren Bogenlektionen zu kommen, sorgte dafür, wie auch immer blieb Akay lange ein Rätsel, das Akay zusätzlich alles lernte was auch ein Knabe lernen sollte. Immer fand sie einen Weg dafür und Akay war glücklich. Akays Mutter war glücklich, glaubte sie doch, dass Akay endlich akzeptiert hatte, eine junge Dame zu werden und sie überlegte sich schon, wie sie einen, entsprechend vornehmen, Ehemann finden konnte, der auch ihre eigene Stellung wieder auf das alte Niveau erheben würde. Akays Vater war glücklich weil er nicht mehr mit den Klagen von ihrer Mutter belästigt wurde und die Aussicht, seine Tochter gut zu verheiraten, machte auch Akays Bruder glücklich, der nicht mehr so gegängelt wurde und sich seinen Büchern widmen konnte.
Es war eine friedliche gute Zeit, bis, ja, bis Akay mitgeteilt wurde, dass man den passenden Ehemann gefunden hatte. Ein erstes Treffen wurde vereinbart, damit die 2 jungen Leute sich wenigstens beschnuppern konnten, eine Geste der Eltern, nicht unbedingt üblich aber gut gemeint.

Danach wusste Akay, dass sie vergehen würde wie der Wind, könnte man ihn bezwingen. Und sie begriff, was sie tun musste. Sie war 17 und tat, was sie schon lange in ihrer Fantasie plante, aber woran sie nie geglaubt hatte, dass sie es wirklich ausführen würde.
Sie stahl ihrem Vater ein Pferd, einen Sattel, einen Bogen und seinen zweitbesten Säbel. Sie packte all ihren Schmuck und das ersparte Geld zusammen, versorgte sich mit Kleidung von ihrem Bruder und brach an einem kalten Februarmorgen vor dem Morgengebet auf.
 
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Kommentare  

Es geht weiter mit Akays Vergangenheit. Und auch hierbei, kannst du denLeser packen, ihn in die Geschichte reinziehen.

Jochen (17.03.2011)

Die Geschichte von Akay bleibt weiterhin spannend.

Jingizu (24.08.2010)

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