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Große Wut

Nachdenkliches · Poetisches
Große Wut

Stachlig, steinig, widerborstig,
Kratzig, spitzig, wild und rotzig!
Lass mich in Ruh und rühr mich nicht an!
Du bist ein Mann, du bist ein Mann!

Du bist ein Mann, und deine Sorte kenn‘ ich gut.
Lass mich los! Bring mich nicht in Wut!
Rühr meine wunde Seele ja nicht an!
Die Wunden hat geschlagen mir ein Mann!

Verführ‘ mich nicht, an deiner Schulter auszuruh’n!
Glaubt ich dir, wär‘ ich nur ein dummes Huhn,
Das wieder in die Falle rennt
Und hinterher verzweifelt flennt,

Wenn die Seifenblase platzt,
Wenn der Glanzlack abgekratzt,
Wenn der Honig abgeschleckt,
Wo die Selbstsucht drinnensteckt:
Kleinlichkeit und Gängelei,
Sockenwaschen, Alltagsbrei.

Vergift mich nicht mit Deinem Samen,
Den du verströmst in Liebes Namen
Wenn wir nachts mit’nander ringen
Und um den Verstand uns bringen.

Ich weiß, ich weiß: Ich bin’s ja auch,
Die dir verdreht hat Kopf und Bauch.
Ich weiß, auch du hast Grund zu klagen,
Du bist durch ein Weib geschlagen.
Und wieder ist’s ein Weib, das sich an dir vergreift
Und dir – du weißt nicht recht, warum – die Flötentöne pfeift.

Du glaubst, du seiest ohne Fehl und Tadel.
Ein Kerl von echtem Mannesadel.
Im tiefsten Herzen fühlst du dich verletzt,
Weil eine Frau sich abgesetzt
Von dir, der nur sich selbst als Mitte kennt
Und als des Weibes Mitte auch nur sich selber nennt.

Nein, nein, ich weiß: so hat man euch erzogen.
Habt’s mit der Milch schon eingesogen,
Dass Frauen zur Demut geboren sind,
Wankelmütig und schwach wie ein Kind.
Wir lernten‘s ja auch von Anfang an:
Euer Zentrum sei nur der Mann!
Auch uns hat man so großgezogen:
Die Männer sind euch nur gewogen,
Wenn ihr schön lieb seid, fleißig, still,
Handelt, wie der Mann es will.

Auch ich will nur, dass du mich liebst,
Mir Sicherheit und Heimat gibst,
Weil mir – oh, Kreatur der Männerwelt,
Der Glaube an mich selber fehlt.
Ich brauch‘ ne Stütze, brauch‘ nen Mann,
Weil ich mich selbst nicht stützen kann.

Der Schwachheit Name war schon immer „Weib“.
Drum verkauf‘ ich mich mit meinem Leib,
Biete Seele, Schönheit, frische Arbeitskraft
Dem Mann, der mir Lebenssicherheit verschafft,
Ein Haus, Prestige, ein wohlgefülltes Portmonee.
Nur denken darf ich nicht, denn das tut weh ...

Jedoch, der liebe Männe wird’s schon richten.
Ich befass mich derweil mit Gedichten.
Halte hoch das Edle, Schöne (als Dekor),
Hol‘ auch mal die Flasche mit Likör hervor
Stopf mich mit Pralinen heimlich voll
und fühle mich ..... so halbwegs wohl ...

Bin amputiert an Herz und Hirn;
Ein dickes Brett vor meiner Stirn
Schützt mich vor’m Strahl der Wirklichkeit.
– Ich mache ganz auf Weiblichkeit!

Ein bisschen kess, ein bisschen dumm,
Ein bisschen lieb, ein bisschen fromm,
Im Bett verrucht, denn das ist wichtig,
Empfindsam, geistreich und als Köchin tüchtig.

Denn das ist schick,
Das ist mein Trick! ...

Vom Menschen ist nicht viel geblieben.
Kannst du mich so denn wirklich lieben?
 
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Kommentare  

Nicht nur der Mann - der scheinbar immer egoistisch denkt, der oft nur das Eine will - sitzt in deinem sehr aufschlussreichen Gedicht symbolisch gesehen auf der "Anklagebank", sondern auch die Frau kriegt dabei ebenso ihr wahres Fett ab.
Die Fehler und Sünden hast du auf beiderlei Geschlechter gerecht verteilt, und das finde ich ok.
Eine tolle, sehr lesenswerte Storie.
LG. Michael


Michael Brushwood (15.02.2012)

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