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2 Seiten

Die Liebhaberin

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
DIE LIEBHABERIN.
"Wir haben ein bisschen gefeiert!" lallte Linda und schwankte zur Tür herein. Linda hatte viele Jahre als Stewardesse gearbeitet. Nach der zweiten Entziehungskur war sie zum Gepäckschalter versetzt worden. Noch eine Abmahnung, und die Entlassung bei der Airline wäre fällig gewesen.
Wenn Linda angetrunken ist, hat sie sich zunächst unter Kontrolle. Meistens bemüht sie sich, ihren Schwips zu verbergen und ihre lallende Stimme unter Kontrolle zu halten. Aber sie kann auch, vor allem wenn man sie provoziert, von einer Sekunde auf die andere ausflippen. Daran hätte ich an diesem Abend denken und die peinliche Unterhaltung auf einen günstigeren Moment verschieben müssen.
Sie hatte ihr Auto am Flughafen gelassen und war mit dem Bus gekommen. Ich habe den Schlüssel zu ihrer Wohnung, hatte aufgeräumt, ihren Slip, den Massagestab und die Weinflasche unter dem Bett hervorgeangelt, den Müll entleert und die Kaffeemaschine mit den angebrannten Resten ausgeschaltet. Dann hatte ich das Abendessen zubereitet und auf Linda gewartet.
"Der Gerichtsvollzieher war wieder da!" sagte ich. "Es sind noch Sechstausend offen! Ich konnte ihm nur die Hälfte zahlen! Du musst endlich selbst eine Lösung finden!" Ich konnte Lindas Schulden nicht mehr finanzieren. Ich habe noch eine geschiedene Frau und zwei studierende Kinder. Der Preis wurde zu hoch und auch nicht durch die frivolsten Liebesnächte mit Linda ausgeglichen. Linda war noch immer attraktiv und erotisch und dreißig Jahre jünger als ich. Aber meine Fleischerei war kein permanenter Goldesel...
Linda starrte auf die dampfenden Kartoffeln. "Das Essen ist vergiftet!" platzte sie heraus. Ich hätte durch ähnliche Eskapaden gewarnt sein müssen. Aber ich lachte gekünstelt und sagte leichthin: "Klar! Ich will dich um die Ecke schaffen und mich mit deinen Schulden auf und davon machen!"
"Du hast das Essen vergiftet! Ihr Metzger seid alle Mörder!" schrie sie jetzt. Mit einer Handbewegung fegte sie den Teller auf den Teppich. Dann rannte sie auf die Toilette und schloss sich ein. Nachdem ich den Teppich gesäubert und das Geschirr aufgeräumt hatte, klopfte ich an die Toilettentür und versuchte es mit Sachlichkeit und Lockung: "Ich fahre jetzt mit Fritz zum Flughafen, dein Auto holen! Du wirst es morgen brauchen!"
Sie öffnete und stand in der Toilettentür. Sie schwankte jetzt stark und stierte vor sich hin; in der Hand eine halbvolle Whiskyflasche. "Du willst also mit meinem Auto abhauen!" lallte sie. "Und mich hier mit deinem vergifteten Essen verrecken lassen!"
Ich hatte sogar mit einem Psychotherapeuten über das Problem gesprochen. Er hatte für Linda die Möglichkeit einer beginnenden Schizophrenie angedeutet, mit ausgelöst vom Alkoholismus. Die Fernsehnachrichten der letzten Wochen hatten wohl auch noch zu Lindas Wahnvorstellungen beigetragen. Wie soll da ein ohnehin übersensibles Persönchen noch Nerven behalten? Ich konnte sie ja verstehen. Aber ich bin doch auch nur ein Mensch!
"Linda! Du bist betrunken, schön und gut! Aber jetzt ist Schluss mit dem Theater! Sonst ...!"
"Sonst ...?!" Sie stierte mich an. "Sonst ...!? Du willst mir also drohen? Ausgerechnet du!" Sie schrie hysterisch. "Schleicht sich hier bei mir ein, wohnt schon fast hier, ich prostituiere mich für deine paar Euro, die du mit deinen vergifteten Bouletten verdienst, und jetzt willst du mir auch noch drohen?! Du Schlappschwanz kriegst kaum dein Ding noch hoch und fummelst jede Nacht an mir herum wie eine halbe Portion, und diese Hanswurst will mir drohen ...!“
"Linda, das ist doch wohl ...!" sagte ich empört. Jetzt ging sie aber zu weit!
"Was ist das? Was?“ fauchte sie. „Oder willst du mich auch noch schlagen?" Sie hielt mir das Gesicht hin. "Los, schlag zu! Immer feste drauf! Willst wohl beweisen, dass du wenigstens da noch ein Mann bist, du -, du impotenter Gockel!"
Ich schlug zu. Ich hämmerte auf sie ein, bis sie auf dem Boden lag und sich nicht mehr rührte. Es war wie eine Erlösung. Dann rief ich die Polizei an und wartete ruhig auf ihr Eintreffen.
*
(Foto: www.apotheken-umschau.de)
 
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Kommentare  

Deine Story hat Potenzial, doch auch ich finde sie leider viel zu kurz geschrieben. Ich finde, deine Gedankengänge, die du Jingizu geschildert hattest, hättest du in deiner Geschichte unbedingt mit einbringen sollen.
Nun gut, wie ich dich verstehe, wolltest du lediglich Zündstoff abliefern, zum Diskutieren anregen. Aber den Knaller hättest du genauso erreicht, wahrscheinlich sogar eher, wenn du die Story ausführlicher auf`s Blatt bringst. Sorry, aber zwei Seiten finde ich etwas bezüglcih solch einer heikleren Thematik etwas zu mager, wenn du beabsichtigst, auch etwas auszusagen. (Deine Kneipenstory hat`s bewiesen ;)
Trotzalledem habe ich es gerne gelesen.

LGF


Francis Dille (19.10.2012)

@ jingizu:
danke für deine subtile Gedanken. Ich denke, mit der Selbstreflexion von älteren Männern (aus dem Mittelstand), die sich eine jüngere Liebhaberin nehmen, ist es nicht so weit her. Für ihn beschränkt sich i.d.R. die Welt auf schwarz und weiß: "Ich unterstütze dich (finanziell) und dafür gibst du mir einen Anschein von Zuneigung und Männlichkeit und ich darf an dir rumfummeln". Wenn dieses Schema bei diesen Männern ins Wanken gerät oder - wie in der vorliegenden Geschichte beschrieben ist - von der Frau in Frage gestellt wird, brechen ab einem bestimmten Punkt die Dämme und die Kontrollmechanismen.

Dabei haben wir hier sogar noch eine Ausnahme von Mann: Denn außer seinem Geld scheint er auch noch Zuneigung und sogar einen Hauch von Liebe für sie übrig zu haben; das beweist, dass er ihre Wohnung aufräumt und das Essen kocht (was ja in ähnlichen Konstellationen nicht selbstverständlich ist). Aber dafür erwartet er, dass "sie" funktioniert (und flippt aus, wenn sie nicht funktioniert, sondern unangenehme Wahrheiten anspricht, auch wenn sie's im Suff tut, was sie sich nüchtern nicht getraut hätte).

Mir scheint es notwendiger, über die Psyche der Frau nachzudenken: Was lässt sie zum Alkohol greifen? Was lässt sie so rebellisch werden? Warum setzt sie eine für sie doch recht angenehme Situation aufs Spiel? Haben Alkohol oder Schizophrenie bereits so an der Persönlichkeit gekratzt, dass die Frau den Bezug zu Realität verliert und nur noch auf Provokation und Krawall gebürstet ist? Oder war ihr Frust (z.B. durch ihre dauernde Unterwerfung und Selbstverleugnung) so überbordet, dass es nur noch eines Tropfens bedurft hatte, das Fass zum Überlaufen zu bringen?

Aber das sind letztlich alles Fragen, die der Leser hineininterpretieren und variieren kann; ICH habe mich bewusst wieder auf äußerste Verknappung und Andeutungen konzentriert und damit Raum zur Diskussion gelassen.


Michael Kuss (18.10.2012)

Mir gefällt die Grundidee der Geschichte, da ich es mag, wenn Dinge aus ungewöhnlichen Perspektiven erzählt werden.
Dennoch fehlt mir hier der letzte Kick. Gerade der Schluss ist für meinen Geschmack zu kurz ausgefallen. Einen etwas tieferer Blick in die Psyche des Protagonisten hätte ich mir hier gewünscht und dazu vielleicht noch eine etwas stärkere Pointe, etwas Selbstreflektion - das Thema "Ihr Metzter seid alle Mörder!" hast du ja ohnehin im Vorfeld schon einmal aufgegriffen.


Jingizu (18.10.2012)

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