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3 Seiten

Mein schlimmstes Jahr

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Heute will ich euch nicht irgendeine Geschichte erzählen, nein, heute soll es sich um meine Geschichte handeln…
Vor über einem Jahr fing alles an, ich war psychisch nicht wirklich am Höhepunkt, aber das war okay, bis es dann schlimmer wurde.
Ich litt an Panikattacken, jeden Tag aufs Neue suchten sie mich heim, meistens in der Schule, einmal, zweimal, manchmal sogar dreimal am Tag und irgendwie gehörten sie schlussendlich schon zu meinem ganz normalen Alltag…

Plötzlich spüre ich es, dieses drücken auf der Brust, das mich kaum noch atmen lässt. Ein Schwindel packt mich, den ich zwar nur am Rande wahrnehme, da ich zu beschäftigt bin zu atmen, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Nachdem ich aufgestanden bin verlasse ich den Klassenraum und gehe in Richtung der Toiletten, als ich dort ankomme, bemerke ich, dass zum Glück niemand dort ist. Ich ging in eine Kabine und lehne mich gegen die Wand. Mein Atem geht nur noch keuchend, ich schnappe andauernd nach Luft, es fühlt sich an als hätte ich gerade einen Marathon zurückgelegt. Langsam gleite ich an der Wand zu Boden, bis ich schließlich gänzlich am Boden sitze. Mit dem Kopf auf meinen Knien abgestützt und den Augen geschlossen, versuche ich meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, was mir nach einer gefühlten Ewigkeit gelingt. Also hebe ich meinen Kopf langsam. „Ich muss zurück in den Unterricht, bevor irgendjemand etwas merkt!“, ist das Einzige das mir jetzt durch den Kopf geht. Nur beschwerlich schaffe ich es auf die Beine, nach einem kurzen Blick in den Spiegel, mache ich mich auf den Weg zurück. Jetzt erst wird mir der Schwindel gänzlich bewusst, ich stütze mich ein bisschen an den Wänden und Säulen im Gang ab und hoffe, dass niemand meinen Weg kreuzen würde. Niemand durfte mich so sehen.
Als ich es endlich geschafft habe und vor meinem Klassenraum stehe, senke ich den Kopf, damit niemand meine geröteten Augen sehen kann, aber wie immer beachtet mich niemand als ich den Raum betrete, so setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Es ist jedes Mal der gleiche Ablauf, zuerst das Stechen in der Brust, der Gedanke, dass ich so schnell wie möglich diese Klasse verlassen muss, die Hoffnung niemanden auf den Toiletten vorzufinden, die Atemnot, das Gefühl als würde ich gleich ersticken, die Angst irgendjemand könnte etwas bemerken und dieser verdammte Schwindel.

Für mich damals schon eine ganz alltägliche Situation, die Extras waren schlechte Laune, Depression, Resignation und auch leichte Aggression. Viel davon haben meine Mitschüler abgekriegt, was mir eigentlich ziemlich leid tut, denn sie konnten nichts dafür. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was der Grund für diese verdammten Panikattacken war, zuhause war alles halbwegs in Ordnung, in der Schule lief alles glatt, meine Freunde waren immer für mich da und ich hatte einen festen Freund. Im Nachhinein weiß ich, dass ziemlich sicher genau das, das Problem war, also er…
Er hat mich eingeengt und mir die Luft zum Atmen genommen, bis es mich schließlich dort hinführte, wo ich damals gelandet bin, am Boden er Toiletten in meiner Schule. Nach drei Monaten beendete ich diese Beziehung und merkte eine ziemlich rasche Besserung, die nicht lange anhielt, denn es gab da noch jemanden der mir mein Leben schwer machen wollte, und wahrscheinlich liest er das auch…
Er war ein Vertrauter, wenn man es so nennen will, er hat mir geholfen, wenn ich selbst nicht mehr weiter wusste, hat mich unterstützt und im Gegenzug war ich für ihn da, wenn er Hilfe brauchte. Grundsätzlich hatten wir aber nie viel miteinander zu tun, außer unserer abendlichen Chatverläufe, doch er ist mir wichtig geworden, schon fast auf eine brüderliche Art. Jedoch sah er das alles ein bisschen anders und brach den Kontakt von einem Tag auf den anderen ab „Ich habe zu wenig Bezug zu alldem, was dich beschäftigt.“ Nun ja, da stand ich dann am Ende meiner Nerven, am Ende meines Willens und wollte nur noch weg. Der Gedanke ans Weglaufen hat mich immer fasziniert, einfach die Sachen packen und ein neues Leben starten, die Panikattacken los werden und eben einfach von vorne beginnen. Doch ich war immer zu feige dazu…
Die Zeit verging und die Panikattacken wurden deutlich weniger, bis zum zweiten Schultag nach den Ferien, an dem es hieß, dass eben dieser Vertrauter, der für mich ein kleines Licht dargestellt hatte, der ohne Vorwarnung den Kontakt abgebrochen hatte und den ich eigentlich nicht mehr sehen wollte, in meine Klasse kommen sollte. Somit fing alles wieder von vorne an und ich konnte nicht mehr.
Nach ein paar Wochen stellte sich heraus, es war gar nicht so schlimm mit ihm, meine Panikattacken wurden wieder weniger, dann wieder häufiger und dann wieder seltener, es war ein regelrechtes auf und ab.
Irgendwann wollte ich sogar einen Therapeuten aufsuchen, also ging ich zu einer Clearingstelle um mich dort anzumelden, doch sie schickten mich zu einer anderen Organisation, welche mich wiederum woanders hinschickte. Ich gab die Hoffnung auf und versuchte es alleine zu regeln, was mir auch gelang, bis auf die Kleinigkeit, dass ich nicht nur die Panikattacken auf einmal im Monat verringerte, sondern auch meine Gefühle wegsperrte, Freude, sowie Trauer und Angst.
Vielleicht hat es mir in diesem Moment sogar geholfen, aber es hat sich nicht richtig angefühlt, irgendwann ließ ich sie dann wieder nach und nach zu, bis ich zu meinem jetzigen Zustand gekommen bin.
Ich kann glücklich sein und ich kann traurig sein, ich kann Angst fühlen, meine Panikattacken sind fast gänzlich verschwunden, ich verschwende keine Gedanken mehr daran wegzulaufen, aber am wichtigsten, ich kann mein Leben wieder so leben, wie ich es ein Jahr lang nicht konnte.

Gib nicht auf und vor allem gib dich nicht auf, denn alles kann besser werden!
 
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Kommentare  

Liebe Lena,
dass du einen sehr guten flüssigen Schreibstil
hast, kann ich nur bestätigen. Aber dies möchte
ich aber nur am Rand erwähnen, denn ich bin
ein Mensch, der kann sich in diese oder ähnliche
Situationen voll hineinversetzen. Der Umstand
wie du versucht hast, gegen diese ständigen
Panikanfälle anzukämpfen, raubt einem die
Kraft. Hierbei handelt es sich um eine Spirale,
die in Gang gekommen ist, um einen echten
Teufelskreis. Da spielt die Angst vor der Angst
die entscheidende Rolle. Bei mir hat sich die
Lage spürbar stabilisiert, als ich unter starken
Depressionen litt, mich einer Gruppe
Gleichgesinnter angeschlossen hatte, wo ich im
Rahmen einer Autorenlesung eine Betroffene
kennengelernt hatte, die in einem Roman
festgehalten hatte, wie sie als Selbständige in
eine Insolvenz gedrängt worden wurde und wie
auch noch viele andere Probleme in ihrem
sozialen Umfeld wie Geschosse auf sie
einschlugen. Von diesem Moment an habe ich
mir einen Anstoß gegeben, und mir gesagt; du
musst auch wieder mit dem Schreiben beginnen,
dass ich aus Zeitgründen schon mal beiseite
geschoben hatte. Und mit dem Schreiben
verminderten sich auch meine Grübelzwänge,
was nicht heißt, dass all meine Symptome völlig
verschwunden sind. Nach wie vor muss ich mich
einer medikamentösen Behandlung unterziehen,
habe aber gelernt, mit dieser Situation
umzugehen, worin ich auch eine Bereicherung
meines Lebens sehe. Ich fand es toll, dass du
den Mut gefunden hast, sich diesen Dingen zu
stellen. Denn gerade bei psychischen
Symptomen muss man sich immer wieder mit
dem allgemeinen Unverständnis
auseinandersetzen, obwohl diesbezüglich die
Hemmschwelle schon etwas gefallen ist. Für
deine Zukunft wünsche ich dir, lieber Lena, viel
Zuversicht und Kraft. Dadurch gewinnst du
spürbar an Lebensfreude! Ich drücke dir ganz
fest die Daumen!
LG. Michael


Michael Brushwood (11.05.2018)

Du hast einen tollen Schreibstil und außerdem machst du mit deiner kleinen Geschichte bestimmt so einigen Menschen Mut.

Irmgard Blech (09.05.2018)

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