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4 Seiten

The Race

Fantastisches · Kurzgeschichten
Wir waren am Start! Neben uns das Schiff von Cyber und seiner Crew. Heute ging es um alles. Heute war endlich der große Tag, auf den wir uns so lange vorbereitet hatten.

Uns umgab die funkelnde Schwärze des Weltraums. Entlang der Rennstrecke, einem Parcours der durch zehn Lasertore markiert wurde, waren hunderte Touristenschiffe und die unzähligen Nobel-Raumgleiter der Reichen auf ihre Plätzen. Die letzten Raumschiffe wurden durch die kleinen, wendigen Lotsen-Raumgleiter auf ihre Positionen dirigiert. Razor, mein Co-Pilot, fing mit dem ersten Durchchecken der Systeme an. Er prüfte anhand einer seitenlangen Liste alle Funktionen durch und hakte routiniert jeden Punkt seiner Liste als "in Ordnung" ab. Per Sprechfunk informierte ich mich über die Lage in den beiden seitlichen Kanzeln. Links saß Proteus, rechts Garapon. Wir waren ein verschworener Haufen. Jeder hätte für den anderen sein Leben gegeben. Unser Teamgeist und unsere Freundschaft hatte uns so erfolgreich gemacht. Nun war das letzte Rennen der Saison und es ging um Alles oder Nichts. Wer heute das Rennen gewinnen würde, der würde Weltmeister aller Klassen werden und bekäme viel Anerkennung, einen Platz in den Geschichtsbüchern und reichlich Jakaris.

Als Antrieb diente unserem Schiff ein Partikel-Fusions-reaktor. Mehr als einmal haben wir ein Rennen gewonnen, weil wir während des Fluges angefangen haben, Teile der Wandbekleidung oder die Reservesitze abzubauen und in den Reaktor zu schmeissen. Diese Extra-Energie brachte uns mehrfach einige Sekunden Zeitersparnis ein. Und damit auch wichtige Siege - doch kein Rennen war so wichtig wie dieses. Ich stellte den Temperaturregulator etwas runter. Mir war warm. Sehr warm. Meine innere Anspannung ließ mir den Schweiß aus den Poren treten. Razor erging es nicht anders, wie mir ein Blick in seine Richtung verriet. Ich legte meine Hände an die beiden Steuerkonsolen. Wie oft hatte ich diese Haltung bereits eingenommen? Ich wußte es nicht mehr. Die Anspannung lief wie ein kalter Schauer vom Nacken über die Schultern in die Hände. Meine Muskeln verkrampften. Ich hätte letzte Nacht schlafen sollen. Aber ich konnte letzte Nacht die Augen immer nur für ein paar Sekunden schließen, bevor sie sich wie von Geisterhand wieder öffneten, um einen Chronographen anzustarren und jede verstrichene Sekunde mitzuzählen.

Razor war mit dem ersten Check durch. Jetzt nahm er eine weitere Liste und ging alle Punkte ein zweites Mal durch. Diese Sorgfalt war sein Markenzeichen. Alle anderen weigerten sich, diese Prozedur zweimal durchzuführen. Ich auch. Es war anstrengend und man mußte dabei auch noch höllisch aufpassen. Zu schnell schlichen sich, durch die hundertfach ausgeführten Handgriffe, Fehler ein. Razor hatte ein Händchen für diese Checks. Ich beneidete ihn um diese Eigenschaft und um die scheinbare Ruhe, die er dabei ausstrahlte.

Cyber startete seine Triebwerke. Die mächtigsten, die ich je gesehen habe. Sie entwickelten einen unvorstellbaren Schub. Dabei waren sie auch sehr schwer und verbrauchten eine unglaubliche Menge Wasserstoff. Die mußte Cyber auf seinem Schiff mitnehmen. Dadurch war sein Schiff das größte und schwerste in diesem Turnier. Unser Raumschiff war durch seinen modernen Antrieb und die von uns entwicklten Aggregate, im Vergleich zu Cybers Schiff, ein Winzling.

Garapon meldete sich: "Ich habe Probleme mit dem Temperatur-regulator. Er läßt sich nicht mehr drosseln." Ich beruhigte ihn, dass das Rennen gleich starten würde und er nach dem Rennen auf meine Kosten eine Körperdusche auf Rokon-7 nehmen dürfte. Das beruhigte ihn etwas. Razor beendete den zweiten Check und meldete an die Rennleitung, dass wir bereit zum Start wären. Ich ließ unsere Triebwerke an. Ein Surren durchzog unsere Kanzel. Ich hielt kurz die Luft an und versuchte, ein fremdartiges Geräusch auszumachen, welches einen drohenden Defekt ankündigt. Aber nichts. Alles lief ruhig und gleichmäßig. Proteus und Garapon saßen seitlich weiter hinten in den Kanzeln und damit auch dichter an den Triebwerken. Dort war es auch lauter, als hier vorne.

Von dem großen Raumschiff der Rennleitung wurden Signale auf unsere Displays eingespielt. Ein letztes mal bestätigte Razor, dass wir bereit sind. Dann kam ein rotes Licht, kurz darauf ein Gelbes. Ich jagte die Maschinen auf volle Drehzahl und hatte den Finger an der Haltetaste, die den erzeugten Vorschub entweder in die Düsen umleitet oder halt nicht. Das Geräusch der Maschinen war jetzt auch bei uns ein akustisches Inferno. In dem Raumschiff neben mir hatte Cyber das gleiche getan. Ich vernahm durch die dicke Isolierung unseres Schiffes das knorrige Brummen seiner Triebwerks-Giganten.

Das Display wechselte von Gelb auf Grün. Ich drückte den Knopf und der Schub katapultierte uns voran. Wir waren leicht und damit schnell auf unserer Höchstgeschwindigkeit. Cyber blieb erst einmal hinter uns zurück. Sas hatten wir erwartet. Die Größe und die Masse seines Raumschiffes ermöglichte ihm bei weitem nicht die Beschleunigung, die unseren kleinen Flitzer vorantrugen.

Wir erreichten das erste Tor. Durch und umschwenken auf das zweite. Proteus meldete sich: "Abstand zu Cyber: 93." Junge, schon? Wir hatten vorher damit gerechnet, dass er am ersten Tor mindestens 110 Speedpoints hinter uns sein müßte. Ich prüfte, ob die Antriebsaggregate auch auf Maximum liefen. Wir näherten uns Tor 2. Durch und wieder eine kleine Kurskorrektur. "Cyber: 86" meldete Proteus. Und weiter: "Er beschleunigt immer noch. Hat noch immer nicht seine Endgeschwindigkeit erreicht !"

Ich legte meine Hände fester auf die Konsolen und duckte mich leicht. Unterbewußt hatte ich das Gefühl, dadurch könnten wir schneller fliegen. Tor 3 und durch. "Cyber: 75" gab Proteus den Wert des Scanners durch. Weiter rasten wir durch den Weltraum.

Bei Tor 4 war Cyber noch 62 Speedpoints hinter uns.

Am 5. Tor war Cyber 48 Speeds hinter uns. Er rollte wie eine Flutwelle auf uns zu und drohte, uns unter sich zu Staub zu zermahlen.

Bei Tor 6 war Cyber noch 34 Speeds langsamer, als wir. Er holte uns ein. Und er würde uns überholen, falls wir nicht schnell handelten. Ich schrie ein paar Anweisungen in das Mikrofon. Garapon fing an, durch das Schiff zu laufen und alle Teile, die das Schiff nicht zum Fliegen benötigt einzusammeln. Dann brachte er die Teile zum Reaktor, schmiss sie in die Schleuse und drückte ein paar Tasten. Die Schleuse schloß sich, öffnete sich auf der anderen Seite und die Teile wurden binnen Sekunden in reine Antriebskraft umgewandelt. Ein kleiner Ruck durchzuckte das Schiff, als der Leistungsgewinn kurzfristig für größere Beschleunigung sorgte.

Tor 7: Cyber 24 Speedpoints hinter uns. Garapon sammelte weiter Teile ein und führte sie dem Reaktor zu. Ich gab Razor ein Zeichen, er stand auf und half Garapon, den Reaktor zu füttern.

Tor 8: Cyber 15 Speedpoints! Verflucht. Er war schneller als wir. Ich schrie ins Mikro, Proteus solle helfen, den Reaktor zu füllen. Ich hörte, wie Teile der Wand und der Decke herausgerissen wurden. Mehrere kleine Rucke warfen uns weiter vorwärts. Ich informierte Proteus über das sich nähernde neunte Tor.

Tor 9: Cyber 7 Speeds hinter uns. Danach lief Proteus wieder los, um weitere Teile in den Reaktor zu bringen. Unser Schiff sah aus wie ein Schlachtfeld. Niemand hätte bei dem Anblick daran gedacht, dass dies eines der schnellsten Schiffe diesseits des Universums war. Ich hörte das dumpfe Brummen von Cybers Triebwerken. Er war ganz nah an uns dran. Ich schrie ins Mikro. Meine Besatzung packte fester zu und sie griffen bereitwillig alles, was in unserem Schiff herumlag und brachten es eilig zum Reaktor. Cybers Schiff schob sich neben uns. Ich konnte sein Schiff aus meiner Kanzel bereits sehen, wenn ich den Kopf drehte. Dann konnten wir uns wieder etwas absetzen, bevor Cyber wieder neben uns gelangte. Es war ein mörderisches Rennen. Zwei gleichstarke Schiffe mit völlig unterschiedlicher Philosophie. Wir: klein, leicht und mit großartiger Beschleunigung - Cyber: groß, schwer und mit riesigen Triebwerken.

Das zehnte Tor! Endlich. Ich konnte es bereits auf den Scannern sehen. Cybers Schiff schob sich nun deutlich ein Stück vor uns. Ich brüllte ins Mikro, sie sollten den Reaktor mit mehr Schiffsteilen bestücken. Wir brauchten nur noch ein bißchen mehr Schub. Wir konnten es schaffen. Schnell jetzt, Freunde.

Auf einmal hörte ich laute Rufe aus dem Reaktor-Raum. Ich schrie, fragte was los sei.
"Das Schiff ist leer. Wir haben nichts mehr, was wir in den Reaktor packen können." informierte mich Razor schreiend. "Garapon ist in der Schleuse, er will in den Reaktor."
"Haltet ihn auf !" brüllte ich ins Mikro. "Haltet ihn auf, haltet ihn um Gottes Willen auf...!" Da machte unser Schiff einen großen Satz vorwärts und wir waren wieder gleichauf mit Cyber.

"Proteus, NEIN !" hörte ich Razor rufen. Dann bockte das Schiff kurz und warf sich anschließend mit Macht vorwärts. Wir hatten die Nase leicht vorn. Das Tor, die Ziellinie. Endlich. Cyber kam wieder auf, zog mit unserem Schiff gleich und drohte, uns zu überholen.
"Razor !" brüllte ich ins Mikro. Da machte unser Schiff einen großen Satz in Richtung zehntes Tor. Cyber mußte direkt hinter uns sein. Mir liefen Tränen übers Gesicht. Meine Freunde hatten sich für diesen Sieg geopfert. Mein Blick verschwamm immer stärker. Als ich das zehnte Tor passierte, ekelte mich mein eigener Ehrgeiz an. Es war Unwichtig, das ich, das WIR gewonnen hatten.

Plötzlich zerlegte sich ein Antriebsaggregat. Der Effekt war, bei der Geschwindigkeit mit der unser Schiff durch den Weltraum schoß, als hätte jemand einen Anker ausgeworfen. Das Schiff wurde dramatisch langsamer.

Da raste Cybers Schiff durch unseres hindurch ....

 
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Kommentare  

Spannend, witzig, einfach klasse!

Chris Stone (05.01.2005)

Eine fabelhafte Geschichte mit einem tollen Spannungsbogen. Der doppelte Pyrrhus-Sieg ist ein wahres Highlight !
Respekt !!!


schwaen (29.03.2002)

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