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Eine andere Nacht der Vernunft entledigt (Part I)

Nachdenkliches · Experimentelles
Per Zug fährt der junge G. zum Ball mit und ohne Masken im Gepäck. Der Wald läuft vorbei mit großen Schritten. Gekleidet in feinem Zwirn will er den Bekannten seine Aufwartung machen. Der Blick läuft den vergangenen Städten, Wäldern und Feldern hinterher. G. fährt in die Zukunft, doch blickt er zurück zu dem, was war. Ungewiss ist beides! Die Bahn hält, doch noch ist es nicht Zeit für ihn, den Schritt Richtung Ausgang leiten zu lassen. Erst einmal wird die Maske probiert. So in dieser Form zwar nicht jedermanns Geschmack, aber hat doch was für sich. G., der sich als Gelehrter eigentlich auch jetzt mit dem zu Lehrendem befassen sollte, betrachtet zwar die Unterlagen, ist jedoch eher abgelenkt. Am letzten Bahnhof stieg nämlich ein junges Pärchen hinzu und setzte sich in sein Blickfeld. Zuerst war G. leicht verärgert, da er hoffte die Fahrt für seine Studien nutzen zu können und dies war ihm durch eine andauernde Meinungsverschiedenheit der Beiden nicht möglich. So schwenkte die Aufmerksamkeit von seinen Unterlagen immer weiter zu, er nannte sie gedanklich Eva und Adam. Es war nicht genau mitzubekommen, warum sie sich stritten, jedoch war sie sichtlich erbost über Adams Verhalten. Dies ging so weit, dass sie ihn wiederholt mit der Faust auf die Schulter schlug. Das sind wahre Emotionen, dachte sich G. anfangs. Bei der Betrachtung von Adam auf der anderen Seite sah G., dass dieser die gesamte Situation etwas gelassener nahm als seine Partnerin. Er schien das Alles sogar noch lustig zu finden und belächelte Evas Verhalten nur. Dadurch kam sie jedoch nur noch mehr in Rage und fauchte ihn an, dass er doch genau wüsste, dass sie das nicht lustig fände. Seinen so offensichtlichen Fehler sah Adam dadurch wohl auch ein, verlor auf der Stelle sämtlichen Humor und entgegnete ihr, sie hätte sich ja selber um Alles kümmern können, wen sie es den so gut könnte. Dann beobachte G. ein merkwürdiges Verhalten. Evas Handy klingelte. Sie nahm das Gespräch flugs entgegen und wie durch eines Zauberers Hand war jedweder Zorn aus ihrer Stimme verschwunden. G. dachte sich, Ich trage die Masken in meiner Tasche, doch sie trägt sie den ganzen Tag. Lauf Adam, lauf bevor du in ihre Falle tappst. Scheint so, als wäre er es bereits. Denn nach ihrem Telefonat lehnt ihr Kopf an seiner Schulter und auch sein Argwohn ist wie weggeblasen. Der Zug hält erneut und nun ist die Zeit für G. zum Aussteigen gekommen. Noch immer den Kopf über Adam und Eva schüttelnd betritt G. das Gleis seiner Ankunft. Er wird bereits erwartet. Die Augen glänzen.

........


Wieder sitzt G. im Zug. Es ist der Abend nach dem Ball. Eine Nacht liegt hinter ihm. Sie ist verbracht, wo nicht gesollt. G. hatte sich das anders vorgestellt. Jetzt sitzt er im Zug und betrachtet sein Spiegelbild in der dunklen Scheibe der Regionalbahn. Die Gedanken in seinem Kopf sind nicht geordnet. Der Blick ins Leere gerichtet. Man sieht zwar nicht einmal die Bäume am Rand der Gleise und dennoch starrt er hinaus in die Anonymität der Nacht. Auf dem Platz neben ihm liegt der aufgeschlagene Ordner, welchen er scheinbar auch diese Fahrt nicht studieren wird. Die Eleganz der Hinfahrt ist verflogen. Kein Anzug, keine Krawatte und zersauste Haare. Nichts ist mehr zu sehen von der Frische und Energie, die G. auf der Hinfahrt beherrschte. Stattdessen ist er von Müdigkeit gezeichnet. Das Streichen eines Bleistifts über Papier hält ihn wach. G. wendet seinen Blick von der Dunkelheit ab und beobachtet, wie der Stift erst über das Papier fliegt und sich dann Linien langsam zu einem grafischen Entwurf vervollständigen. Mode für sie. Es wurde radiert, durchgestrichen und Papiere zerknüllt solange bis die Zeichnerin ausstieg. G. ging zu ihrem Platz, nachdem sich der Zug wieder in Bewegung gesetzt hatte, nahm eines der zurückgebliebenen Papiere, entknüllte es und betrachtete es ausgiebig. Dann zerriss er das Papier, und Wut kochte in ihm hoch. Jedoch nicht wegen des Papiers. Er selbst wird sich erst jetzt bewusst, was er letzte Nacht und zwar die ganze Nacht getan hat. G. ärgert sich, würde gern schreien, doch seine Vernunft gebietet ihn zur Ruhe. Ja jetzt, denkt sich G., jetzt bist du da Vernunft, doch wo warst du, als ich dich brauchte. Tat ich das Falsche, fragte er sich. Dass er das Richtige getan haben könnte, fragt er sich schon gar nicht mehr. Die Gefühlswelt des G. ist durcheinander, erst fühlt er sich wie die Leere, in welche er eben noch blickte, als fehle ihm etwas, ein Teil von ihm.
 
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Kommentare  

ich möchte dir für jedes einzelnes Püncktchen danken, allerdings sage ich dir eins ich möchte nicht wirken, sondern mich befreien von Lasten die meine Seele geißeln wenn ich schreibe.

PoetySmurf (01.01.2006)

Züge und Szenen, die sich darin abspielen, als Umgebung für die Geschichte, gefällt mir sehr.
Zugeben muss ich allerdings, dass ich das Ende nicht verstehe und mir auch sonst Inhalt gefehlt hat. Vielleicht wolltest du das so, vielleicht soll es so geheimnisvoller und philosphischer wirken.
Von mir gibts drei Punkte


kleiner Möchtegernpoet (31.12.2005)

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