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Der Runenkelch

Romane/Serien · Fantastisches
Er sah seinem Vater entgegen, spürte den Gewittersturm in seinem Inneren, immer wieder mühsam zurückgedrängt, an die Oberfläche seines Seins quellen. Sein Vater trug den Runenkelch, hielt ihn mit geschützten Händen ein wenig von seinem Körper entfernt, bestrebt, eine direkte Berührung mit dem Gefäß zu vermeiden.
Der Runenkelch, gefertigt noch vor der Zeit, geschlagen aus dem edelsten Gold der Welt,
Symbol des Hohemagiers von Usala, sollte aus den Händen des bisherigen Inhabers auf ihn übergehen.
Stolz sammelte sich wie vergessene Atemluft in seiner Brust, ließ sie sich heben und seine Statur straffen. Wie festgefroren harrte sein Blick auf dem Kelch, sahen seine Augen die Runen, erkannte sein Geist die leeren Aussparungen. 50 Aussparungen fanden sich an der Wand des Kelches. Daumenabdruck große Vertiefungen, die Runen der 50 Kleinmagier aufzunehmen, die innewohnenden Kräfte zu bündeln und dem so gewählten Hohemagier zu dienen.
Gewabuk brauchte die leeren Höhlungen nicht zu zählen. Er wusste, dass 24 Runen fehlten. Er wusste ebenso, dass das Zünglein an der Waage, die 26. Rune aus der Südprovinz, nur an ihn gegeben worden war, weil seines Vaters Schergen nachgeholfen hatten.
Doch mit diesen Gedanken wollte er sich nicht befassen. Hier und jetzt wurde ihm der Kelch der Macht überreicht. Alle anderen Vorkommnisse überantwortete er bedenkenlos dem Wind des Vergessens.
Sein Vater hatte die letzte Stufe zum Podest genommen, näherte sich ihm mit feierlich verhaltenem Schritt. Über die Stille im Saal legte sich das schwere Tuch der zeremoniellen Andacht. Huldvollen Blickes reichte sein Vater ihm den Kelch, sprach die Worte des Rituals, die er selber von seinem Vorgänger empfangen hatte.
„So nimm denn den Kelch der Macht, Gewabuk. Nutze seine Kraft in Zeiten der Not zum Wohle für dein gesamtes Volk. Sei edel und reinen Herzens, rufst du die Runen an. Sei tapfer und standhaft, erkennst du ihre Kräfte. Sei weise und tugendsam, lebst du mit ihrer Macht.“
Mit einer tiefen Verbeugung beendete der greise Magier das Ritual. Jubelrufe und befreite Freude erfüllten den Saal. Nur für Gewabuk hörbar raunte sein Vater ihm zu:
„Enttäusche mich nicht, mein Sohn.“
Entrüstet wollte Gewabuk aufbegehren. Wie gern hätte er den alten Mann, der ihm Vater und Lehrer war, vom Podest gestoßen.
Er, Gewabuk, gerade neu ernannter Hohemagier, sollte ihn, den Versager, nicht enttäuschen!?
Sein Vater war es gewesen, der den Krieg gegen die Sandmagier von Irkana angefacht hatte und Tausende von Kämpfern in Hitze, Sand und Dürre verenden hatte lassen. Bereits damals hatte Gewabuk seinem Vater helfend zur Seite stehen wollen, doch hatte dieser alle Hinweise des Sohnes mit einer wischenden Handbewegung beiseite geschoben.
Hättest du damals schon meinen Rat befolgt …
Die aufkochende Entrüstung erfuhr Besänftigung. Ein fremdes Glitzern ließ Gewabuks Augen kurz aufleuchten. Ein leises Zucken in den Mundwinkeln, wie versteckte Häme, seine Züge für einen Moment seine Gedanken preisgeben. Zu kurz, von den Anwesenden bemerkt zu werden. Lang genug, von Barald wahrgenommen zu werden.
Jener stand allein aus diesem Grund im Saal. Eine geistlose Puppe, ein geweckter Schläfer, mit der einzigen Aufgabe, wahrzunehmen und zu melden.

Die stoische Ruhe seines Meisters weckte wirre Gefühle in Felkad.
Er spürte Angst sich in seinen Gedärmen ausdehnen, vermeinte wahrzunehmen, dass seine Beine für dem Moment der Flucht vorbereitet wurden.
Nur ruhig!
Die leichte Decke der Besänftigung legte sich auf seine angespannten Nerven, wurde aber vom nächsten heftigen Atemzug hinfort geweht. Es half nichts. Panik dehnte sich in seinem Selbst aus wie das erdrückende Schweigen im Zimmer Osalquas.
Krampfhaft versuchte Felkad sich der letzten Boten zu entsinnen, die dem Magier eine schlechte Nachricht überbracht hatten. Lebte von jenen noch einer?
Schweißperlen formten sich in seinem Haaransatz, glitten den Nacken entlang, sammelten sich in dem Tal zwischen seinen Schulterblättern. Die bevorzugte Stelle für einen Schwertstich.
„Nun gut.“
Osalquas Stimme zerschnitt schwertscharf das Schweigen, traf Felkad wie ein Hieb und ließ den Boten zusammen zucken.
„Ich rechnete bereits damit, dass Gewabuk die Nachfolge seines Vaters antreten würde. Hirnlose Würmer! Was der Vater nicht zu verrichten vermochte, soll der Sohn nun vollenden.“
Die Nachdenklichkeit war aus den Zügen des Magiers gewichen. Energisch stand er auf, straffte seine Haltung und schaute seinen Boten an. Hinter seiner hohen Stirn war ein Plan gereift.
„Du reitest zurück zum Wachfelsen, wirst mir berichten, sobald du Weiteres von Barald erfährst.“
Felkads blanke Fersen stießen salutierend zusammen, seine rechte Hand schlug grüßend auf den Lederharnisch in Höhe seines Herzens. Mit einer schwungvollen Kehre wandte er sich auf der rechten Ferse um, verließ steifen aber zügigen Schrittes das Audienzzimmer.
Dezente Zufriedenheit stahl sich in die Züge des Magiers. Verwegene Hinterlist ließ seine Augen tanzen. In Gedanken schaute er sich seinen Plan an und konnte ein erfreutes Reiben der Hände nicht unterdrücken.
„Wie der Vater, so der Sohn. Euer Hochmut wird euch auch diesmal zu Fall bringen!“

Die ausgelassene Stimmung im Festsaal erreichte Gewabuk nicht. In Gedanken versunken suchte er den Weg zum Gipfel des Ruhmes. Das Ziel stand für ihn schon seit Jahren fest: Osalqua im Kampf zu besiegen.
Warum?
Ein kalter Schauer ließ seinen Leib erbeben. Immer wieder vernahm er in seinem Geist diese fremde Stimme, die seine Pläne in Frage stellte, seinem Handeln einer Prüfung unterzog und mit Rügen niemals sparsam umging.
Verschwinde aus meinem Kopf!
Eine lächerliche Aufforderung, denn ihr wurde noch nicht ein einziges Mal entsprochen.
Warum willst du gegen Osalqua kämpfen?
Weil er ein Despot ist. Er hat die Macht an sich gerissen, unterdrückt sein eigenes Volk, bekämpft Minderheiten im Land, versucht sogar, diese auszurotten.
Gewabuk spürte, wie Wut die Hitze seines Blutes anfachte. Sein Atem ging schneller, als befände er sich in einer direkten Auseinandersetzung.
Du hast Recht.
Verwirrt verharrte der neue Hohemagier. Niemals zuvor hatte die Stimme ihm Recht gegeben. Sollte er sich verhört haben?
Nein, du hast dich nicht verhört. Du hast Recht mit dem, was du über Osalqua sagst. Wegen seiner Vergehen gegen sein Volk könntest du gegen ihn vorgehen. Was versprichst du dir davon, gegen Osalqua zu kämpfen?
Gewabuk ertappte sich bei dem Gedanken, seine wirklichen Beweggründe zu verstecken, dem Wurm in seinem Geist oberflächliche als Antwort anzubieten.
Ein lächerliches Unterfangen!
Ich werde in die Analen eingehen als der Hohemagier, der die Wüstenländer befreit hat.
Er spürte den lauernden Blick des Wurms.
Du willst in die Analen eingehen als der Hohemagier, der die Wüstenländer befreit hat, nachdem sein Vorgänger und Vater versagt hatte.
Gewabuk lauschte den Worten nach. Sie streichelten seinen Körper wie die sanften Hände einer liebenden Frau. Sie nährten seinen Stolz wie die prallen Brüste einer sorgenden Amme. Sie gewährten seinem Selbstbildnis Wachstum wie Sonne, Regen und gesunder Boden.
Ja, ich werde siegreich sein auf dem Feld, das mein Vater als kriechender Verlierer verließ!

Sichereren Schrittes betrat Felkad das Zimmer Osalquas. Während der letzten Mondumläufe hatte er seinem Herrn häufiger Bericht erstattet und immer konnte er heiler Haut auf sein Pferd steigen. Beinahe sorglos näherte er sich jetzt mit raumgreifenden Schritten dem großen Stuhl.
Mit einer weiten Armbewegung erlaubte Osalqua seinem Boten, zu sprechen.
„Es regt sich in Usala. Gewabuk redet bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen Irkana, bezeichnet die Bewohner als Unterdrückte, die befreit werden müssen, Euch als Unterdrücker, der gestürzt werden müsse. Er verbringt viel Zeit mit seinen Ratgebern und ebenso viel in den tiefen Geschossen des Felsdomes, die Fähigkeiten des Runenkelches zu ergründen.“
Der Magier hatte seinen Ellbogen auf der Armlehne seines Stuhles aufgesetzt und fuhr sich nachdenklich mit der Hand über sein bärtiges Kinn. Seine dunklen Augen fesselten den Boten, doch hinter seiner Stirn tobte erneut ein Gedankensturm.
Dünen sollen bewegt werden und das Antlitz der Welt verändern.
Dünen sollen bewegt werden, aber so unauffällig vorbereitet, dass der Schreck der Erkenntnis lähmt.
Nutze ihre Einfalt und Überheblichkeit! Eine gefahrvolle Mischung!
Lustvoll rieb Osalqua seine Hände. Ein Plan hatte sich in seinem Kopf geformt und ihn drängte es, ihn in die Tat umzusetzen. Erfreut ahnte er das Entsetzen in den Gesichtern der Widersacher.

Täglich hatte Gewabuk die Runen betrachtet, lange Zeit, ohne sie zu wecken. Vor einigen Tagwechseln hatte er begonnen, sie zu studieren. Er hatte sich in eines der großen Felsenzimmer zurückgezogen, die in das Massiv des Felsdomes geschlagen worden waren vor undenklichen Zeiten. Hier fand er die Ruhe, sich dem Studium zu widmen. Hier bestand aber auch die Nähe zu den Trägern der Macht Usalas, die im Felsdom regierten.
Gewabuk war vorsichtig an die Arbeit herangegangen. Er ahnte die Kraft der Runen, nahm sich täglich immer nur eine, sie zu ergründen.
Die erste, die er angerufen hatte, war jene aus dem frostigen Alsaka. In ihr wohnten eisiger Wind und schneidende Kälte. Noch heute, fünf Tage später, hingen lange Eiszapfen von der Gewölbedecke und zog ein eisiger Hauch durch die Ritzen und Furchen der geschlagenen Wände.
Fröstelnd schlug er mit den Armen um sich, rieb seine Handflächen Wärme spendend über seine Arme. Ob er heute die gekaufte Rune aus den Südprovinzen ausprobieren sollte?
Mit ihr sollte er in der Lage sein, die Wüstenhitze des Südens herbei zu rufen, die die Eiseskälte vertreiben konnte. Vielleicht reichte aber auch die schlängelnde Hitze aus Arazon, langsam ausdehnend, dafür beständiger wärmend.
Nagend labte sich die Kälte an seinen Füßen, griff auf seine Beine über und wand sich langsam entlang seiner Beine in die Höhe. Unbeherrschbar schlugen seine Kiefer aufeinander, füllten den eisigen Raum mit rhythmischem Klappern.
Beherzt füllte Gewabuk den Kelch mit dem mitgebrachten Wein. Er drehte den Kelch in seinen Händen, bis die Rune der Südprovinzen zwischen seinen Daumen lag. Andächtig schloss er die Augen, konzentrierte sich auf das Ritual und schob die Daumenbeeren langsam über den Rand der Rune zusammen.
„Rune Dorialfs, Rune der unbändigen Hitze, schenke mir deine Kraft. Lass sie fließen aus dem edelsten Metall in das edelste Wasser, auf dass ich es trinke und mir verinnerliche deine Macht.“
Er spürte das erregende Kribbeln unter seinen Daumen, das, ihm schon bekannt, anzeigte, dass die Rune sein Gesuch erhörte. Eine kaum mehr erträgliche Hitze dehnte sich unter seinen Fingern aus. Schweiß perlte auf seiner Stirn, sammelte sich und rann, glitzernde Spuren auf seinem Gesicht hinterlassend, über seine Schläfen. Verbissen gebot er sich, stand zu halten, den Schmerz nicht wahrzunehmen, stark zu sein.
Der Wein im Kelch begann leicht zu beben. Seine Oberfläche bewegte sich, als wehte ein leichter Wind über einen tiefen Bergsee. Beständig verstärkte sich die Erschütterung, wallte letztendlich wie siedend auf und verebbte schließlich.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, öffnete Gewabuk die Augen. Heftig ging sein Atem, sein Gewandt klebte Schweiß getränkt auf seinem Rücken. Vorsichtig stellte er den Runenkelch auf dem Arbeitstisch ab, löste langsam seinen festen Griff.
Nur unter Schmerzen lösten sich die angebrannten Daumenbeeren von der goldenen Schale. Tränen des Schmerzes und des Verzagens überschwemmten die Augen des Magiers, wurden zurückgedrängt. Linderung konnte nur der Sieg über Osalqua bringen.
Bebende Hände legten sich langsam um den Kelch. Zaghafte Fragen nach dem Sinn seines Tuns und ängstliche Suche nach Furchtlosigkeit verzögerten seine Tat, behinderten sie nicht.
Langsam hob er den Kelch an seinen Mund, erwartete bereits das schneidende Gefühl heißen Metalls auf ausgetrockneten Lippen.
Doch der Rand des Kelches begrüßte seine Haut mit angenehmer Kühle, der rinnende Wein benetzte wohltuend rissige Haut. Dankbar nahm er die Feuchtigkeit auf, genoss die langsam fließende Berührung in seiner Kehle. Schluck für Schluck leerte er den Kelch, spürte der Nässe und der innewohnenden Kraft nach. Erst als er den Kelch auf den Tisch zurück gestellt hatte, gestattete er sich einen tiefen Atemzug. Andächtig schloss er die Augen, suchte die Veränderung in seinem Inneren nach dem Genuss.
Hitze des Südens, vernichte die Kälte!
In seinen Gedärmen zerbarst eine Sonne. Heftig wurde er gegen die Felswand geschleudert, Arme und Beine wurde zurück gerissen, schlugen hart gegen das Gestein. Sein Brustkorb hob sich, begann aus dem Inneren heraus zu glühen, dass seine Gewänder durchscheinend wurden und das schwere Amulett an seiner Brust aufleuchtete.
Im Gewölbe entfesselte sich ein heißer Wüstensturm, der sich Kreise bildend immer schneller und schneller drehte. Die Fackeln in den Wandhalterungen verlöschten. Licht spendete allein der lodernde Körper Gewabuks. Die Eiszapfen des ersten Studiums brachen von der Decke, zersprangen auf dem Boden in Abertausend glitzernde Splitter, die wie Geschosse durch den Raum rasten. Einige trafen den bewegungslosen Magier, ritzten ihm die Haut auf, zerfetzten sein Gewand.
Weiter und weiter kreiselte der Wüstensturm, suchte einen Ausgang, seine Kraft vergehen zu lassen. Augenblicke später stand die verschlossene Holztür in Flammen.
Gewabuk beobachtete und vermeinte, einem Hirngespinst aufzusitzen. Sah er recht oder narrten ihn seine überreizten Sinne? Verformte sich gerade unter der Hitze des Sturms der Fels?
Das Ohren betäubende Dröhnen einstürzender Felsformationen beantwortete seine Frage und trug ihn in eine tiefschwarze Ohnmacht.


Die Begeisterung beschleunigte Felkads Schritt. In seinen Zügen spiegelten sich die beglückenden Neuigkeiten, die er Osalqua überbringen wollte. Seine Zufriedenheit ließ ihn näher an den steinernen Podest, auf dem Osalqua thronte, herantreten als jemals zuvor.
„Herr, dies war ein grandioser Schachzug!“
Felkad stand noch nicht, hatte den Magier noch nicht begrüßt, als die Worte bereits über seine Lippen sprudelten. Das strahlende Gesicht eines höchstbeglückten Untertanen lächelte ihn an.
„Hat irgendjemand um dein Urteil gebeten?“
Die eisige Stimme, die harten Züge fuhren in Felkads Leib wie ein heißes Schwert. Schmerzhaft fuhr er zusammen, schmerzverzehrt schaute er seinen Herrn flehend an. Unter dem frostigen Blick erstarrte die Begeisterung des Boten, erstarrte zu einer Eisskulptur in Form zweier zusammenbrechender Felstürme.
Mit schwacher Stimme hob er zu berichten an.
„Usala ist in heller Aufregung. Die Mitteilung erreicht die kleinste Siedlung: „Osalquas Schergen haben den Felsdom zerstört!“ Rasch hat die Botschaft die Grenzen Usalas übersprungen, hat sich über die ganze Welt verbreitet, hat Angst und Schrecken verbreitet.“
Osalquas Blick verließ den Boten, schweifte gedankenschwer in die Ferne. Wieder fuhr er sich mit den Fingern der rechten Hand über das Kinn, nickte sich selber eine Antwort zu.
Angst und Schrecken, eine gute Ausgangslage für denjenigen, der weiß, dass er nicht der Verursacher ist.
„Wie weit ist die Mobilmachung der Kämpfer Gewabuks gediehen?“
„Er sucht Verbündete, seine Truppen stationieren zu können.“
Waikut!
Der benachbarte Wüstenstaat stand noch in der Schuld Usalas aus den Zeiten, als Gewabuks Vater den Runenkelch des Hohemagiers verwaltete.
Wortlos stand Osalqua auf. Die schlanke Gestalte ragte, auf dem Podest stehend, hoch hinauf, so dass Felkad den Kopf in den Nacken legen musste, seinen Herrn ansehen zu können. Der dunkle Mantel, bestickt mit Runen und Symbolen der Magie, Zeichen seines Amtes, fiel in weiten Falten von seinen schmalen Schultern, knisterte und klirrte, als bestünde er aus Eis oder Glas.
Wieder nickte Osalqua.
Verwirrt schaute Felkad ihn an. War dies das Zeichen, dass er gehen konnte? Tief verbeugte er sich vor dem Magier, salutierte und verließ rückwärts gehend den Audienzsaal.

Wieder schaute Gewabuk in die spiegelnde Oberfläche der roten Flüssigkeit. Er hatte sich nach der ermüdenden Morgenversammlung mit seinen Beratern in seine Gemächer zurückgezogen, hatte von dem Inhalt mehrerer Phiolen jeweils ein paar Tropfen in den Runenkelch gegeben und mit einigen Tropfen seines Blutes verrührt. Nicht lange nach Anrufung der Rune aus Consinwis verzogen sich die aufsteigenden Dämpfe und ihm wurde der Blick auf eine gewünschte Begebenheit gewährt.
Wie ein Adler, der am strahlenden Himmel seine Kreise zog und das Land weit unter sich beobachtete, schaute Gewabuk auf die Truppenbewegungen seiner Schergen. Waikut, wie auch einige andere verbündete Staaten, hatten ihr Territorium zur Verfügung gestellt, so dass der Hohemagier Usalas seine Truppen verteilen und jetzt wie ein sich zusammenziehendes Netz auf die Feste Osalquas zumarschieren lassen konnte.
Begeistert rieb er die Hände.
Du hast alle Berechtigung, stolz auf dich zu sein, Gewabuk.
Da war sie wieder, die Stimme hinter seiner Stirn!
Gewabuk spürte das Gefühl der Beklemmung zwischen seinen Schulterblättern anwachsen. Er richtete sich auf, lauschte mit Vorsicht der Stimme, doch erfreuten ihn die Worte, und er entspannte sich.
Deine Schergen überrollen die Wüstenkrieger Irkanas als wären sie seelenlose Hüllen. Bald schon werden sie Dagabad eingenommen haben.
Stolz ließ die Brust Gewabuks anschwellen. Ein zaghaftes Lächeln zeichnete sich in seine Züge. Genüsslich betrachtete er vor seinem inneren Auge die nähere Zukunft.
Als Sieger würde er hervorgehen, als der Befreier der Unterdrückten in die Analen eingehen.
Nun ja, wohl eher als Aggressor.
Als habe jemand eine Nadel in die schillerndste Seifenblase gestoßen, zerplatzte die Illusion.
„Wieso Aggressor? Ich befreie schließlich!“
Wer hat dich um Hilfe gebeten?
„Alle, die Unterdrückten, die Welt!“
Heftig perlten die Worte über seine Lippen, schneller ging sein Atem. Zornig ballte er seine Fäuste und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Ich bin kein Aggressor! Ich bin derjenige, der die Gefahr auf sich nimmt und die Befreiung für die Untertanen Osalquas will. ICH bin derjenige, der die Fäden in der Hand hält und siegreich sein wird. ICH bin derjenige, der als Befreier gefeiert werden wird!“
Befreier aus sicherer Entfernung.
Das Hohn triefende Gelächter in seinem Kopf drohte, ihn zum Zerbersten zu bringen. Schützend drückte Gewabuk seine Fäuste auf die Ohren. Gequält wand er sich unter den Tönen, die aus jedem Winkel seines Inneren auf ihn wiesen. Wütend nahm er die wenigen Schritte zum Tisch, drehte den Runenkelch mit beiden Händen bis das Symbol Consinwis’ zwischen seinen Daumen lag.
„Rune Consinwis’, Rune der verhüllenden und sich lichtenden Nebel, schenke mir deine Kraft. Lass sie fließen, auf dass ich sehend werde.“
Über der Flüssigkeit zogen Dunstschlieren sich zusammen.
„Wo befindet sich Osalqua?“
Angestrengt starrte der Hohemagier in die grauen Nebel. Langsam zogen sie sich an den Rand des Kelches zurück, erlaubten ihm einen Blick auf die spiegelnde Oberfläche. Seine Geduld wurde auf eine Probe gestellt, bis sich nach langer Suche Konturen einer Höhle darstellten.
„Ah, in einer Höhle hat er sich verkrochen. Schattengetier! Assel, die das Licht wohl scheut!“
Die Freude einer gewonnenen Schlacht ließ sein Gesicht aufglühen. Er richtete sich auf, straffte die Schultern, lüpfte mit einer schnellen Bewegung seinen langen Mantel.
Du bist gut.
Argwöhnisch lauschte er den Worten in seinem Kopf nach. Versteckte sich der Hohn irgendwo?
War das alles?
Hart presste er seine Kiefer aufeinander, begann wütend zu mahlen und zu kauen. Rasch legten sich seine Hände erneut um den Kelch, drehten ihn, eine andere Rune zu finden.
„Rune Venadas, Rune der grenzenlose Reise, schenke mir deine Kraft. Lass mich reiten auf des Adlers Schwingen zu gelangen an jeden Ort.“
Aus den Winkeln des Raumes erhoben sich mit Brausen und Toben die herbeigerufenen Winde, vereinten sich und begannen einen wilden Reigen. Sie kreisten um die Gestalt des Magiers, zerrten an seinem Gewandt, fuhren ihm durch seine schütteren Haare.
In der Freude, auch diese Rune beschworen zu haben, riss Gewabuk seine Arme in die Höhe. Wie trunken drehte er sich mit den Winden im Kreis. Schneller und schneller, lachte seinen Stolz in das Getöse.
Vergiss’ vor Übermut den Kelch nicht!
Beinahe wäre dies geschehen. Gewabuk hatte bereits den Kontakt zum Boden verloren, als seine innere Stimme ihn zurück hielt. Nur einen kurzen Moment erlaubte er sich das Gefühl aufkommenden Grolls. Nahezu achtlos ergriff er den magischen Kelch mit einer Hand, drehte sich noch einmal um die eigene Achse und verlor das Gemach aus den Augen.
Als er die Drehung beendet hatte, wieder klar sehen konnte, fand er sich in einer riesigen Höhle wider. An den Wänden hingen in eisernen Gestellen bleckende Fackeln, die einen beißenden Geruch, aber wenig Licht spendeten. Er erahnte in einiger Entfernung eine weitere Person mehr, als dass er sie sah.
„Ah, Gewabuk.“
Die Stimme Osalquas erreichte ihn seltsam verzerrt. Trotzdem erkannte er deutlich den gelangweilten Ton eines Gastgebers, den man hatte warten lassen.
„Ich grüße auch dich, Osalqua. Unterdrücker, Despot!“
Mit den heftigen Worten schleuderte Gewabuk dem Anderen zwei Feuerbälle entgegen, die die Stelle, an der Osalqua gerade noch gestanden hatte, hell erleuchteten. Ein amüsiertes Lachen antwortete dem Hohemagier von der rechten Seite und ließ eine Welle der Entrüstung in ihm aufsteigen.
Ruhig Blut! Benimmt sich so ein Gast?
„Sei ruhig! Muss ich hier gegen zwei kämpfen?“
Die gepressten Worte klangen in der großen Höhle wie Schlangenzischen.
Zwei?
Das hämische Kichern in seinem Kopf reizte ihn mehr als das Lachen des Wüstenmagiers.
„Als guter Gastgeber muss ich dir wohl etwas anbieten, Gewabuk. Getränk gefällig?“
Gehetzt schaute er sich um, gewahr den Widersacher immer noch rechter Hand auf einem kleinen Felsvorsprung. In Gedanken formte er die Anrufung der Rune aus Forlicanien, ein Beben der Erde hervorzurufen.
Ein Mark erschütterndes Knirschen über seinem Kopf ließ seinen Blick an die Decke der Höhle gleiten, während er unter seinen Füßen ein dumpfes Rumoren spürte. Im diffusen Licht der Facklen erkannte er Risse, die sich schnell weiteten, die silbern aufglänzten und im nächsten Moment einen tosenden Wasserfall frei gaben. Getroffen verlor Gewabuk den Halt unter den Füßen. Er wurde mitgerissen von der Wucht des aufschlagenden Wassers, griff gehetzt nach dem Runenkelch, der ihm aus den nassen Händen gleiten wollte. Hart schlug er gegen die Höhlenwand.
Durchnässt, fröstelnd und mit schmerzenden Gliedern vernahm er den überraschten Ausruf Osalquas, als das Beben stärker wurde und der Felsvorsprung abbrach. Mit lautem Getöse, das sich tausendfach in den Spalten der Höhle brach, stürzte der Magier Irkanas in eine neu gerissene Schlucht.
Etwas schwerfällig richtete Gewabuk sich auf, schaute mit aufkeimender Freude den Runenkelch an.
Hör auf zu träumen!
Wütend wollte er sich gerade seiner Stimme zuwenden, als ein seltsam schabendes Geräusch aus der frischen Höhlenschlucht ihn aufmerken ließ. Kratzen und Rauschen vernahm er. Und wieder ein Kratzen und Rauschen.
Verwirrt schwankte er zwischen den Versuchungen. Sollte er an den Rand der Schlucht laufen, sich zu vergewissern, was dort geschah oder sollte er sich in eine dunkle Ecke zurückziehen und die nächste Rune anrufen?
Bei zwei entgegengesetzten Möglichkeiten bleibt lediglich die Verharrung.
Starren Blickes, bar jeden planerischen Gedankens, beobachtete Gewabuk die Kante der Schlucht, aus der sich langsam die Gestalt Osalquas erhob. Das Kratzen und Rauschen erfüllte die Höhle mit monotonem Gleichmaß, das an Gewabuks Nerven zerrte.
Plötzlich erkannte der Hohemagier, dass sein Kontrahent auf einem behaarten Leib saß und in die Höhe getragen wurde. Plötzlich erkannte er das Rauschen als Atemzüge, das Kratzen als Fußtritte einer riesigen, achtbeinigen Kreatur.
Als er den Höhlengrund erreicht hatte, sprang Osalqua behände von dem Rücken der Kreatur, die sich mit riesigen Facettenaugen und einem geifernden Schlund Gewabuks zuwandte. Langsam, mit der Gewissheit, eine sichere Beute erspäht zu haben, bewegte sich das Wesen auf ihn zu. Stinkende Dämpfe steigen aus den Lachen, die der tropfende Speichel auf dem Höhlenboden hinterließ.
Gewabuk schüttelte der Widerwillen. Fahrig fuhren seine immer noch kalten und nassen Finger über die Runen, suchten seine Augen einen mächtigen Gegenzauber.
„Rune aus Arazon, Rune der schlängelnden Hitze, schenke mir deine Kraft.“
Zwischen seinen Daumen glühte die Rune hell auf, sandte ihre Kraft in das Innere des Kelches. Hier formten sich gleißende Feuerschlangen, die zu hunderten aus dem Kelch glitten, sich über den Höhlenboden verteilten und auf die riesige Spinne zuhielten.
Diese verharrte in der Bewegung. Die sicher geglaubte Beute wehrte sich. Ihr Meister, bereits dem Geschehen den Rücken zugekehrt, wandte sich um, als er ihren Ruf der Verwirrung vernahm.
In wenigen Augenblicken hatte der Magier die Lage erkannt. Er sprach ein paar unverständliche Worte, vollführte einige Armbewegungen und zog sich gebückt in eine Felsspalte zurück.
Versteck dich!
Gewabuk wusste nicht recht, wie ihm geschah. Er fühlte sich zurückgedrängt an die immer noch nasse Höhlenwand. Von hier aus beobachtete er weiter die Feuerschlangen, von denen einige gerade die Vorderbeine der Spinne erreichten und an ihnen züngelten.
Schmerz gepeinigt schrie das Untier auf, ließ mit diesen hohen Tönen das Gestein der Höhle selbst im Schmerz erzittern. Das Wehklagen der Kreatur vereinte sich mit dem Schmerzgesang der Steine, hob an zu einem ungreifbaren Getöse. Wie eine Sturmfront sammelten sich die magischen Gesänge, senkten sich auf den Höhlengrund, bewegten sich unaufhaltsam auf das Untier und die Feuerschlangen zu.
Geschwächt strauchelte die Spinne, glitt zum Teil in die klaffende Felsspalte, als sich die Klagewelle zwischen Spinne und Schlangen schob. Auf und ab schwoll das Wehklagen, sank auf kaum hörbare Tiefen, die bei Gewabuk wie Krallenhände nach seinen Gedärmen griffen, steig dann rasendschnell an in Nerven zerreißende Höhen. Der Magier presste sich tiefer in die Felsspalte, versuchte so, dem Tosen zu entkommen.
Als die entsandten Feuerschlangen ebenfalls vor der Wand tobender Töne wichen, sich weiter und weiter zurückzogen, erkannte Gewabuk, dass er sich in einer Falle befand. Die Hitze der Schlangen weichte bereits den Höhlengrund auf. Blasen entstanden auf dem Gestein. Immer heißer wurde die Atemluft, die in seinen Lungen brannte. Die Sinne drohten ihm zu schwinden als er mit letzter Kraft den Runenkelch in beide Hände nahm, ihn drehte, bis er das Symbol Alsakas wieder fand.
„Rune Alsakas, Rune der eisigen Winde und des beißenden Frostes, schenke mir deine Kraft.“
Nur mehr ein Flüstern glitt über seine trockenen und aufgesprungenen Lippen. Zwischen seinen Händen spürte er ein leichtes Beben. Im Inneren des Kelches sammelten sich die angerufenen Kräfte, begannen einen Reigen, der gleich darauf über den Rand des Kelches drang. Wie zu Eis erstarrt, verhielten die Feuerschlangen in ihren Bewegungen, verloren ihr Glühen, verloren ihre Glut. Wie ein zu Eis erstarrter Wasserfall kristallisierte die Wand der Töne. Gewabuk erwartete bereits wachsende Eiszapfen an der Höhlendecke und eine spiegelglatte Eisschicht auf ihrem Grund.
Osalqua beobachtete von der gegenüberliegenden Seite der Höhlenschlucht die Taten seines Widersachers, bewunderte anerkennend die schillernde Schönheit der eisigen Wand aus Tönen.
Die klirrende Kälte begann an ihren Leibern zu nagen. Das nasse Gewandt Gewabuks stand bereits Frost starrend weit von seinen Gliedern ab, bot ihm keinerlei Wärme oder Schutz gegen die eisigen Winde. Osalqua, bisher nur von den Winden heimgesucht, da die Schlucht ihn vor dem beißenden Frost bewahrte, beobachtete, wie seine achtbeinige Kreatur vor der kriechenden Kälte zurück wich. Der Frost griff nach ihren Krallen bewehrten Beinen, schlängelte sich an ihnen herauf und ließ das Monstrum ängstlich und schmerzgepeinigt aufschreien. Weiter und weiter zog sich die Bestie in die Schlucht zurück, spannte ihre Beine wie zuvor, als sie Osalqua aus der Tiefe brachte, zwischen beide Felswände.
Unaufhaltsam kroch der Frost auf sie zu, bedeckte ihre Beine und bald darauf den gesamten Leib mit einer farbenprächtig glitzernden Eisdecke. Als hätte er nur auf diese Gelegenheit gewartet, eine Brücke über den Graben zu erhalten, sammelte Gewabuk sich um Augenblicke später wie ein entfesselter Eissturm auf den Wüstenmagier zuzuhalten.
Der eisige Wind heulte auf, winzige Eisstückchen schossen, Pfeilspitzen gleich, auf Osalqua zu.
Gewabuk rieb sich fröstelnd die Hände, ließ keinen Blick von dem Geschehen auf der anderen Höhlenhälfte. Freude stahl sich wie ein verirrter Sonnenstrahl in sein Gemüt und ließ sein Herz schneller schlagen. In wenigen Augenblicken sollte der Rivale unter dem Eishagel zusammenbrechen. Aus unzähligen Wunden sollte er bluten. Das Blut sollte in der eisigen Höhle gefrieren, bevor es als Tropfen eine Wunde verlassen hatte und mit dem letzten Atemhauch, als leichter Nebel vor den Lippen des verhassten Gegenspielers erkennbar, sollte seine Seele den Leib verlassen und für alle Zeiten unter der Höhlendecke schweben.
Weiß Osalqua von diesen deinen Plänen?
„Er erfährt sie genau in diesem Moment.“
Lachend beobachtete Gewabuk, dass Osalqua schützend die Arme hob. Doch bevor die Eisspitzen ihn erreichten, öffnete er seine Deckung, öffnete gar den Mantel, dem Eishagel seinen Leib anzubieten.
Entsetzt riss Gewabuk Augen und Mund auf.
Damit hast du nicht gerechnet!
Nein, damit hatte er nicht gerechnet, musste er der Stimme hinter seiner Stirn Recht geben.
Das konnte nicht sein!
Er starrte wie gebannt auf den Wüstenmagier, suchte eine Erklärung für das Unfassbare, verfluchte im Stillen die bleckenden Fackeln, die mehr Schatten als Licht gaben.
Wieso sollte Osalqua die Deckung aufgeben, sich geschlagen geben?
Die Frage wand sich noch durch sein Hirn, als ihm die Antwort dargeboten wurde.
Osalqua drehte sich mit weit geöffnetem Mantel den zischenden Eiskristallen zu, ließ sie ohne Abwehr auf sich zufliegen. Kaum hatten sie ihn erreicht, als sie umgelenkt wurden und mit noch größerer Geschwindigkeit über die Schlucht zurückflogen. Zischend hagelten die scharfkantigen Körnchen durch die Höhle, zerfetzten die gefrorene Spinne, ließen von den Feuerschlangen nur gelbliche Flecken auf dem Höhlenboden zurück, brachten Gewabuk Wunden bei aus denen das Blut tropfen wollte, allerdings in der Kälte erstarrte.
Mit letzter Kraft nahm er den Runenkelch in beide Hände, suchte die Rune der Südprovinz. Seine Stimme bebte, als er ihre Kraft anrief und mit Blut unterlaufenen Augen seinen Kontrahenten suchte.
Osalqua drehte sich mit ausladenden Armbewegungen einige Male um seine eigene Achse. Ein heller Ring bildete sich wie ein leuchtender Kreidekreis zu seinen Füßen. Aus diesem schlugen kleine Blitze bis zur Höhendecke hinauf, umgaben ihn wie einen wärmenden Feuermantel, während er selber unter der heraufbeschworenen Kälte und dem schneidenden Eisregen beinahe zugrunde ging.
„Rune Dorialfs, Rune der unbändigen Hitze, schenke mir deine Kraft.“
Er erwartete die Feuerglut unter seinen Daumen wie einst in den Katakomben des Felsendoms, aber weiter prasselten die Eisspitzen auf ihn nieder. Dröhnendes Gelächter schleuderte ihn erneut an die Höhlenwand. Gelächter im Inneren seines Kopfes.
Du kämpfst nicht nur gegen Osalqua. Du kämpfst auch nicht gegen ihn und mich. Gerade kämpfst du gegen den Betrug der dich in diese Position gebracht hat.
Wütend starrte Gewabuk auf den Runenkelch in seiner Hand, schüttelte ihn, als wollte er die Runen wecken und an ihre Aufgabe erinnern, ihm zu dienen.
Wieso sollte die Rune Dorifals dir dienen? Du hast sie nicht verdient. Gewalt hat sie dir gebracht, gewaltig verweigert sie dir ihren Dienst.
Verzweiflung dehnte sich in seinem Inneren aus, lähmte das Aufbegehren und überließ der Kälte das Feld. Zu Tode erschöpft sank er zu Boden, den Kelch schützend in seinem Arm.
Er spürte den Tod mit eisigen Klauen nach ihm greifen, als eine warme Brise ihn erreichte. Mit letzter Kraft wandte er seinen Kopf, schaute dem sich nähernden Osalqua ins Gesicht.
„Es war ein guter Kampf, Gewabuk. Ich wusste, dass deine Überheblichkeit dein Ende besiegeln würde. Du meinst, weil du den Runenkelch in deinen Händen hältst, hättest du die Mächte der Welt vereint. Du meinst, du dürftest über Weltengesetze entscheiden. Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit hatten noch nie Bestand.“
Langsam beugte er sich zu Gewabuk herab, drückte ihm beinahe zärtlich die Schulter. Als er sich abwandte, schaute der Hohemagier ihm nach.
Ich habe dich oft genug gewarnt.
„Osalqua, ...“
Nur mehr ein kraftloses Flüstern glitt über seine Lippen, reichte aus, dass der andere sich umwandte.
Rune Dorialfs, Rune der unbändigen Hitze, schenke mir deine Kraft.
Als er die Lider zum letzten Schlaf schloss, wusste er auf der anderen Seite einen entfesselten Feuersturm.
 
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Kommentare  

eine tolle magische geschichte. ein magier kann wohl selten gefühlvoll und warmherzig sein. deshalb finde ich die charaktere der beiden ziemlich realistisch.
gruß von


rosmarin (03.12.2009)

Vielen Dank euch dreien für diese Rückmeldungen.
Jepp, doska, so sollte das Ende verstanden werden: keiner der beiden geht als Sieger hervor.
Die Stimme in Gewabuk war für mich auf der einen Seite jene des schlechten Gewissens, oder auch des Ehrgefühls, der persönlichen Wertevorstellungen. Mit der Zeit nimmt sie aber diesen zynischen Wesenszug an, dem ich dann schon fast den Namen "schizophrener Zwilling" geben würde.
Sehe ich auch so, Petra. Beide sind auf ihre Art Despoten und Unterdrücker. Der eine eher offensichtlich und rief damit andere auf den Plan, der andere subtiler, aber nicht weniger gefährlich.

Herzliche Grüße sende ich euch,

Shan


Shannon O'Hara (02.12.2009)

Ich finde auch, dass du einen enorm guten Stil hast. Deshalb war auch der Kampf der zwei Magier sehr beeindruckend. Erwärmen kann man sich allerdings weder für den einen noch für den anderen deiner Priester. Sie strahlen beide etwas gleichermaßen Kaltes aus.

Petra (02.12.2009)

Erstmal beglückwünsche ich dich zu deinem brillanten Schreibstil. Das fällt mir bei deinen Geschichten immer wieder auf. Diese hier war sehr spannend und wortgewaltig. Allerdings hatte ich ein wenig Schwierigkeiten Klarheit zu gewinnnen. Ich verstand nämlich nicht "wer" genau sich eigentlich in Gewabuks Hirn eingenistet hat und mit ihm die ganze Zeit redet. Schlussendlich las ich doch Ähnliches heraus wie Doska. Dass Gewabuk noch im Tod seinen Gegner besiegen kann, indem er der letzten von ihm aufgerufenen Rune vertraut.

Jochen (02.12.2009)

Das war ja ein ungeheurer Kampf zwischen den beiden Magiern, bei dem Gewabuk, letzendlich mit Hilfe des Runenkelches, aber mit der Bezahlung seines Leben, gegen Osalqua behaupten konnte. Fließender sehr spannender Text und wenn ich das falsch verstanden haben sollte, belehre mich eines Besseren.

doska (01.12.2009)

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