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6 Seiten

ILLUNIS - Kapitel 5

Romane/Serien · Fantastisches
© Angy
Kapitel 5 - Offenbarung

Die Morgensonne blendete mich, als ich schlaftrunken den Gang des Obergeschosses entlang torkelte. Das zwitschern der Vögel, über das ich mich sonst immer erfreute, raubte mir meine letzten nerven, es kam mir so laut vor. Schnell schloss ich das Fenster, doch davor ließ ich meinen Blick über die Wiesen und über den Wald gleiten. Es roch frisch... Nach Gebirgswasser.. Das gerade aus der Quelle plätscherte und den Berg entlang tanzte. Der Morgentau lag noch auf den Wiesen, man konnte ihn deutlich sehen, als die Sonne über die Halme streichelte und diese wunderschön zu funkeln begonnen. Das Gras lag still und ruhig, kein Halm, keine Blume, kein Blatt neigte dazu, sich zu bewegen, da kein Wind diese Ruhe zu stören drohte. Die Sonne kämpfte sich immer weiter hinter den Bergen hervor und tauchte den Himmel in ein zartes orange, welches in ein ebenso zartes rosa überging, als hätte man dies mit Wasserfarben in den Himmel gezeichnet. Das rosa wurde zu einem kaum wahrnehmbaren lila, welches schließlich in ein blasses blau überging. Hell schien die Sonne, viel zu hell, für meine müden Augen. Doch es war ein schönes, warmes Gefühl, als schließlich die Sonnenstrahlen auch mein Gesicht streichelten. Ich schloss meine Augen, genoss die Wärme auf meinen Wangen und atmete die frische, duftende Luft ein...
Es war schon fast absurd, wie ruhig die Welt an diesem Morgen wirkte. Als wäre alles im Einklang... Als wäre alles perfekt... Doch der Schein ist meist Trug. Schwer ist es, solche Fassaden zu durchbrechen und einen Blick unter diese Oberfläche zu werfen. Mit Augen, die blind jegliches Unheil sein wollen, ist es fast unmöglich... Doch auch ein blinder besitzt Verstand, welcher einen irgendwann wieder auf den Boden der Realität zurück sinken lässt.... Gerade sah man noch alles so klar, mit den Augen, die nur das schöne wahrnahmen und plötzlich wird diese Klarheit doch so trüb und verschwommen...
Ich wandte meinen Blick ab, schloss das Fenster und blickte auf die Türe des Zimmers, hinter welcher Damon sich befinden müsse. Ich hatte in der Nacht keine Schritte mehr wahrgenommen, deshalb fürchtete ich es, die Türe zu öffnen und ein leeres Zimmer vorzufinden. Normalerweise hörte ich es selbst im Schlaf noch, wenn jemand unsere alten Holztreppen hinauf stolperte. Doch nichts dergleichen hatte ich wahrgenommen.
Ich legte meine Hand auf die Klinke. Früher oder später musste ich es so oder so herausfinden, also warum warten? Langsam drückte ich diese nach unten, öffnete die Holztüre, welche dabei leise knarrte und blickte in das Zimmer. Es war ruhig und es war finster. Die Jalousien waren noch heruntergezogen, doch auch durch diese vielen durch die Spalten Sonnenstrahlen in das Zimmer. Meine Augen, die sich nun schon an das grelle Licht gewöhnt hatten, brauchten eine weile, bis sie sich wieder an das Trübe gewöhnten. Leise tapste ich ein paar Schritte in das Zimmer, bis ich am Bett, unter der Decke eine Erhebung entdecken konnte. Ein schwarzer Haarschopf ragte heraus. Damon lag mit dem Rücken zu mir gedreht am Bett unter der Decke und schien noch zu schlafen, denn ich konnte erkennen, dass er tief und regelmäßig atmete... Wie im Schlafe...
„Aurora“, hörte ich plötzlich seine Stimme, welche nicht verschlafen klang, sondern eher, als würde er dort schon Stunden wach liegen.
Ich ließ meinen Blick nicht von ihm und wartete darauf, dass er seinen Kopf zu mir drehen würde, doch er zeigte mir weiterhin den Rücken.
„Ich hoffe.... Du bist nicht verletzt....“
Seine Worte hatten einen Klang der Reue und auch der Wut. Der Wut auf sich selbst.
„Vergiss, was geschehen ist. Es war auch meine Schuld. Ich habe dich provoziert“, sagte ich ehrlich.
„Verzeih.... Verzeih... Bitte, verzeih mir..“, klagte er.
„Es ist schon verziehen, was geschehen ist. Mach dir keine Sorgen, Damon...“
„Ich danke dir... Warum bist du hier, so früh am morgen?“
Nun neigte er den Kopf etwas in meine Richtung.
„Nun, der Vorfall gestern, er hat mich dazu getrieben, den Entschluss zu fassen, dir endlich Klarheit zu verschaffen. Denn du hast diese Klarheit verdient, sie steht dir zu. Deshalb bin ich gekommen, um mit dir zu sprechen.“
„Dann setz' dich doch bitte zu mir... Ich brenne schon darauf... Und bin ganz Ohr.“
Er legte sich nun auf den Rücken, immer noch etwas unter der Decke versteckt und blickte mir ins Gesicht.
Ich konnte deutlich die dunklen Schatten unter seinen Augen erkennen, er schien nicht viel geschlafen zu haben, falls er überhaupt zu einer Stunde Schlaf gekommen ist.
Ich setzte mich an den Rand des Bettes, den Oberkörper zu ihm geneigt und erwiderte seinen Blick.
„Nun gut... Du wirst mich zwar bestimmt für verrückt halten, doch bald wirst du erkennen, dass das, was ich dir nun erzähle, der Wahrheit entspricht. Du wirst diese Welt hier mit ganz anderen Augen sehen und wirst anfangen, zu verstehen, was hier geschieht und was in deinem Inneren vor dir geht. Eine große Last wird dir genommen sein... Mein Lieber..“
Ich lächelte schwach.
„Ich kann es kaum mehr erwarten.. Darum.. Beginne doch bitte, endlich zu sprechen“, drängte er.
Ich hielt noch einen Moment inne, suchte wieder den Blickkontakt zu ihm, bevor ich dann schließlich wirklich zu erzählen begann.
„So sei es, Damon...“ Die richtige Wortwahl für dies zu finden, war schwerer, als gedacht, deshalb musste ich doch noch einmal inne halten und nachdenken. Damon räusperte sich. Ich verstand natürlich seine versteckte Aufforderung und wollte ihn jetzt auch wirklich nicht mehr länger zappeln lassen.
„Wie du vielleicht gemerkt hast, liegt der Ort hier ziemlich versteckt und abgegrenzt von der Außenwelt... Und dies hat auch einen Grund. Denn der Ort hier ist nicht wie jeder andere auf dieser Welt. Vor vielen hundert Jahren lebten hier Wesen vereint, die wir nur aus Fabeln kennen. Elben, Trolle, Wölfe, Einhörner, Nymphen, Faune, Feen, Waldgeister...
Jeder hatte eine bestimmte Aufgabe, damit auch alles im Einklang blieb.. Die Elben waren künstlerisch begabt, sie zeichneten wunderschöne und pittoreske Bauwerke, sie komponierten die schönsten Melodien und Lieder, sie waren voller Anmut und Schönheit, irgendwie unantastbar.. Das ist zwar keine Funktion.. Aber dennoch. Auch die Lehre des Heilens war den Elben eigen und sie besaßen individuelle Kräfte. Die Trolle erbauten die von den Elben gezeichneten Bauwerke, denn ihr handwerkliches Geschick war unschlagbar. Auch sie kümmerten sich um die Materialien, die man dafür benötigte, den sie bauten in den Bergen viel Stein, Gold und Kristall ab. Die Wölfe waren keine richtigen Wölfe, sondern Werwölfe. Aber nicht, wie man sie aus den Gruselgeschichten kennt – nein – auch sie waren anmutig und schön, groß und stark. Sie hatten eine menschliche Gestalt und eine Wolfsform, in die sie sich verwandeln konnten, wann immer sie wollten. Die Wölfe kümmerten sich darum, dass es immer genug essen gab, sie jagten oft im Wald. Es kam auch manchmal zu Krieg mit anderen Nationen, da wurden die Wölfe als Kämpfer eingesetzt. Die Einhörner.... Nun... Diese lebten sehr versteckt im Wald, sie waren sozusagen Einzelgänger und etwas scheu.. Sie fürchteten die anderen Wesen, vor allem die Trolle, da diese etwas gieriger waren, als all die anderen.. Das Fell eines Einhorns war kostbarer als jeder Kristall, als Gold und als Silber.. Du kannst dir vorstellen, dass so manch Einhorn zum Fall kam, auf Grund der Habgier eines Trolles. Nur den Waldgeistern und Elben schenkten sie Vertrauen und erwiesen ihnen ihre Dienste... Die Nymphen lebten, wie die Einhörner im Wald, wo sie oft Befehle der Waldgeister ausführten.
Der Faun, welcher auch der Wolfsgott genannt wurde, war mehr oder weniger der Beschützer von den Wäldern, den Wiesen und den Weiden, welche von dieser Gemeinschaft genutzt und bewohnt wurden. Die Feen waren sehr weise Wesen. Sie waren kleiner und zierlicher als normale Menschen. Sie waren einer Schicksalsgöttin ähnlich... Den sie konnten viele Dinge beeinflussen.. Doch leider nicht alle.. Die Waldgeister waren dafür zuständig, gemeinsam mit den Nymphen, den Wald sozusagen zu versorgen, die Pflanzen zu pflegen und sicherzustellen, dass auch jedes Jahr genug Ernte vorhanden war. Die kleine 'Stadt', die hier errichtet wurde, war wunderschön. Die Bauwerke waren unbeschreiblich.. Sie waren groß, hoch, weiß, geziert mit den verschiedensten Kristallen, Gold und Silber. Aber stell es dir nicht kitschig vor... Denn so war es nicht... Lange Zeit lang war alles so, wie es sein sollte, jeder erfüllte seine Aufgabe und respektiere die anderen. Doch eines Tages wurde diese glückselige Ruhe gestört.. Im Norden tauchten plötzlich andere Wesen auf, Wesen, die sie damals noch nie gesehen hatten. Und diese Wesen kamen nicht in Frieden, nein, sie wollten Krieg. Es waren blutrünstige Vampire, deren Seele schon längst zu Asche geworden war und Dämonen, welche furchterregender waren, als die Nacht es je hätte sein können. Sie verlangten nach Tod, Zerstörung und Blut... Sie griffen plötzlich an, aus dem Hinterhalt. Die Wesen die hier lebten waren nicht darauf vorberietet gewesen, sie hatten keine Waffen, keine Ausrüstung.. Die Wölfe wussten sich zu wehren, denn sie hatten ihre Zähne und ihre Krallen. Die Elben konnten ihre Fähigkeiten benutzen.. Doch für die anderen war es das Ende... Auch die Heilfähigkeit der Elben konnte sie nicht mehr retten.. Doch die Wölfe und die Elben, sie existieren auch heute noch.. Hier.. Hast du schon ein mal bemerkt, dass wir hier alle dieses Lederband tragen? Es ist ein Geschenk... Der ältesten Generation Wölfe, die es gab. Und es ist immer von Generation zu Generation weiter gereicht worden... Und die neue Generation, die sind wir.. Ja, Damon... Du bist hier an einem Ort, welcher aus lauter Wölfen besteht.. Oder die, die einmal welche waren.. Denn die Zeit, in der man sich verwandeln kann, ist begrenzt.. Und es funktioniert auch nicht von Geburt an. Vorher muss man diese Entwicklungszeit durchmachen, in welcher du dich gerade befindest... Es ist eine schwere Zeit..“
Ich legte meine Finger auf seine Stirn, dann auf sein Herz... Dann ließ ich meine Hand weiter zu seinem Bauch gleiten..
„Spürst du es, Damon? Die Verwirrung, in deinem Kopf, die dich merkwürdige Dinge tun lässt, wegen der du deine Gefühle nicht mehr im Zaum hast? Spürst du das Herz in deiner Brust, welches manchmal so unkontrollierbar rast... Welches sich manchmal so anfühlt, als würde es brennen und deinen Körper zu Asche verwandeln? Die Unruhe in deinem Bauch, wegen der du dich oft träge fühlst, welche dir irgendwie eine Last aufbindet? Diese Zeiten sind bald vorbei... Bald hast du es geschafft. Wir alle haben es durchmachen müssen. Wir wissen, wie hart es ist. Es ist nur seltsam, dass die, die sich noch nicht verwandeln konnten nun auch alle gleichzeitig begonnen haben, sich zu entwickeln... Die Ältesten meinen, dies habe einen Grund... Und der Grund wird kein guter sein. Doch was genau der Grund ist, können sie nicht sagen, doch sie ahnen furchtbares. Du hast bestimmt auch schon bemerkt, dass Chryses immer so ein wachsames Auge auf uns hat... Das liegt daran, dass er irgendwann mal der sein wird, der uns führt. Ja, er ist sozusagen der Leiter des Rudels unserer Generation, denn er ist der Stärkste von uns allen. Sein Blut ist rein.... Und nun... Fragst du dich bestimmt noch, was mit den Elben ist.. Da ich vorhin erwähnt habe, dass sie auch überlebt haben.. Nun, sie leben auf der anderen Seite des Waldes. Eine Gemeinschaft von Elben und Wölfen hätte nicht mehr viel Sinn und würde auch nicht lange verweilen, da nun der Faun weg ist, der all unsere Arten zusammengehalten hat. Dafür sind wir einfach zu unterschiedlich.... Wenn sie noch hier leben würden, würden wir nicht alle in unseren kleinen Holzhäusern leben, sondern wahrscheinlich in so riesigen Schlössern wie damals und eigentlich bin ich ziemlich froh darüber, dass dem nicht so ist. Dort wo sie leben sieht es noch so aus... Unglaublich... Wie dem auch sei... Sie sind nicht zu weit weggezogen... Denn falls es mal wieder zu einer Art Krieg kommen sollte, ist es immer gut, alte Verbündete in der Nähe zu haben..“
 
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Kommentare  

Na, das ist ja vielleicht eine Nachricht für Damon. Bin gespannt, wie er sie verkraftet.

doska (04.09.2011)

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