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Rampenlicht

Schauriges · Kurzgeschichten
Als er in die Tiefgarage einfuhr, ohne nachzudenken das Seitenfenster herunterfuhr, den Knopf des Kartenautomaten betätigte, die Parkkarte entgegen nahm und bis zum Erreichen des Parkplatzes zwischen seinen Lippen einklemmte, galt seine Aufmerksamkeit seiner Vorbereitung.
‚Gefährliches Vorbereiten, ’dachte er, als er das Abblendlicht ausschaltete, die Parkkarte in sein Portemonnaie legte und die Wagentür öffnete.
‚Du bekämst nicht einmal mit, wenn du einen Pudel überrollen würdest.’
Schnell hatte er sich im Dämmerlicht orientiert, die Leuchte mit dem Symbol des Treppenhauses in der Nähe des Bezahlautomaten gefunden. Den unangenehmen Geruch von Autoabgasen zwar wahrnehmend, aber ihm keine Beachtung schenkend, schickte er seine Gedanken wieder auf die vorbereitende Reise.
In seinem Kopf entstanden Bilder: marmorner Saal, nicht enden wollende Säulen stützen eine Decke, geschmückt mit Fresken, riesige Fensteröffnungen locken wärmende Sonnenstrahlen bis weit in den Saal hinein.
In seinem Bauch gesellten sich die Gefühle dazu: der Stolz eines Imperators, die Stärke eines Tyrannen, die Sicherheit eines Feldherren, die Angst eines Mannes, der Intrige und Meuchelmord erwartet.
Vor seinem geistigen Auge betrat er erhobenen Hauptes den großen Saal, schaute sich souverän im Rund der Anwesenden um, als er seine Füße in rascher Folge immer nur mit den Ballen auf die Kanten der Stufen aus der Tiefgarage setze.
Das helle Sonnenlicht, das sich in einigen Pfützen auf dem Theatervorplatz spiegelte, blendete ihn ein wenig nach Verlassen der dämmrigen Garage, versetzte ihn durch sein warmes Streicheln über nackte Haut wieder in den Licht durchwirkten Saal in Italien.
Sein Blick haftete wie magisch angezogen an der imposanten Fassade der Staatsoper. Ihr Anblick, ihre Ausstrahlung holte ihn in die Realität zurück.
In seinem Kopf entstanden Bilder: Reihe um Reihe gepolsterter Stühle im Saal, Logenplätze hinter Balustraden, die hölzerne Spielfläche großer und kleiner Akteure, schwerer, immer leicht muffig riechender Vorhang, Schiebekulissen, auf ihre Einsätze wartend.
In seinem Bauch gesellten sich die Gefühle dazu: der Stolz des berühmten Schauspielers, die Stärke des Begeisterers, die Sicherheit des Profis, die Angst eines Mannes, der einen Neuanfang starten wollte und auf das Wohlwollen eines Regisseurs angewiesen war.
Ein tiefer Atemzug spannte dezent das Hemd über seiner Brust. Er hob seinen linken Arm, spürte den Stoff seines Sakkos leicht über seinen freien Unterarm gleiten, drehte den Arm, einen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen.
Unaufhaltsam bewegte sich der Sekundenzeiger, streifte den Minutenzeiger, der auf dem Strich, der die 11 anzeigte, festgeklebt schien.
„Auf in die Schlacht.“
Aufmunternd schlug er sich leicht mit der Hand auf den Oberschenkel, setzte sich im gleichen Moment in Bewegung.
Für 19 Uhr hatte der Intendant des Theaters ihn zum Vorsprechen einbestellt.
Backstage sollte er über die Stufen oder alternativ über die Warenrampe das Theater betreten, sich nach Eintreten nach rechts wenden und dort an der Bürotür klopfen.
Über den Theatervorplatz gehend, genoss er die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages in seinem Rücken. Zügigen Schrittes näherte er sich den bereits wachsenden Schatten seitlich des Theaters. Die Rückseite des großen Gebäudes würde sicherlich schon dämmrig sein.
Trotzdem erkannte er sofort die metallene Warenrampe am hintersten Ende der Gebäuderückseite. Die Eingangsstufen in deren Nähe erwartend, den vorrückenden Sekundenzeiger erinnernd, beschleunigte er seinen Schritt, ging zügig an geparkten Lieferwagen mit der Aufschrift „Staatstheater“ vorbei.
Nochmals rief er sich die Szene aus Shakespeares „Julius Caesar“ in Erinnerung, die er vorzutragen hatte.
Wieder stand er stolz, stark, sicher im marmornen Saal, wieder kroch die Angst in seine Glieder. Wissend, dass eine Intrige geschmiedet wurde, ahnend, dass aus dem Hinterhalt Gefahr drohte, durchschritt er den Saal, wachsame Blicke auf alle Anwesenden.
Plötzlich spürte er einen brennenden Schmerz in seiner rechten Seite.
Er wollte herumfahren, der Ursache auf den Grund, dem Urheber in die Augen zu sehen.
Ein starker Arm legte sich von hinten um seine Brust, fesselte ihn in seiner Haltung.
Der Schmerz, ein wenig gelindert, schrie erneut auf, als das Messer mit heftigem Ruck aus seiner Seite gezogen und ein wenig versetzt wieder in seine rechte Seite gestoßen wurde.
Er wollte schreien, doch lähmten Schreck und Überraschung sein Tun.
Wieder wurde das Messer aus seinem Leib gezogen. Warm und klebrig floss das Blut über seine Haut, hinterließ den warmen Geruch von Kupfer.
Stich folgte auf Stich.
Schmerz und Blutverlust forderten ihren Tribut. Er wurde nicht mehr von seinem Angreifer fest gehalten, er lehnte sich an ihn. Der Arm verhinderte nicht mehr eine Flucht, er hielt ihn aufrecht.
Aufrecht, die folgenden Messerstiche zu empfangen.
Ob es wirklich 23 sein werden?
Der Stolz des Imperators, der Stolz des berühmten Schauspielers ließen Demut nicht zu.
Die Stärke des Tyrannen, die Stärke des Begeisterers ließen Schwäche nicht zu.
Die Sicherheit eines Feldherrn, die Sicherheit eines Profis ließen Ohnmacht nicht zu.
In seinen Ohren hörte er sein Blut rauschen, mit jedem Herzschlag weniger. Über seine Haut spürte er sein Blut fließen, mit jedem Messerstich mehr. Seine Beine versagten ihren Dienst, knickten immer wieder ein, konnten sein Gewicht nicht mehr tragen.
Schließlich ließ der Angreifer von ihm ab.
In seinem Arm wandte er sich schwerfällig um, die berühmten Worte in das vertrautes Gesicht zu hauchen.
„Auch du, oh Brutus!?“
Er hörte den anderen etwas sagen, sank aber in eine alles verhüllende Ohnmacht, ehe die Worte wahrgenommen werden konnte.
Als er mit flackernden Augenlidern erwachte, gewahr er über sich die metallene Warenrampe. Eine helle Lampe über der Hintertür warf verwirrende Schatten in sein Blickfeld, schickte Lichtfinger durch die Rippenstruktur der Rampe, die auf seiner blutgetränkten Kleidung Kreise und Ringe zeichneten.
Müde, verblutend, sterbend schloss er die Augen.
„Du kannst mich nennen, wie du willst, aber meine Rolle wirst du niemals einnehmen, du versoffenes Stück Schauspielerscheiße.“
Plötzlich erschienen die verirrten Wortfetzen des Angreifers wie Leuchtfeuer
hinter geschlossenen Lidern. Überrascht riss er die Augen auf, schaute die Unterseite der Rampe an, betrachtet das Lichtspiel.
„Im Rampenlicht zu sterben, habe ich mir immer anders vorgestellt!“
 
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Kommentare  

Bleibt durch die surrealen Gedankengänge des Protagonisten bis zum Ende undurchsichtig und spannend, den Schlußsatz find ich sehr gut.
lg
Christian


Chrstian Hoja (19.12.2007)

Hihi angel,
soll keiner behaupten, Schreiben und Lesen sei anspruchlos

Shan


Shannon O'Hara (12.04.2007)

Oo wie gemein... und zuerst verwirrend... gefällt mir ganz gut... muss noch mal drüber nachdenken;)
lg darkangel


darkangel (12.04.2007)

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