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2 Seiten

Der Ausstieg, alt

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der Ausstieg
Sieben junge Männer grölten durch die Straßen: „Ihr seid so scheiße! Wir sind die Größten“ und rempelten dabei die Leute an. Es war heiß, die Passanten ließen sich im Menschenstrom treiben. Zwei aus der Gruppe betraten einen Supermarkt. Sie waren stiernackig, glattgesichtig und hatten Übergewicht. Die Muskelshirts ließen dicht tätowierte Arme sehen von den Handrücken bis hinauf zu den Schultern, weiterlaufend unter den Shirts bis zu den kahl rasierten Hinterköpfen. Sie traten hart auf in ihren Stiefeln, versorgten sich mit je zwei Bierkästen, schrieen durch den Laden: „Ihr seid so scheiße!“ und erschreckten Verkäufer und Kunden. Vor einer älteren Frau baute sich einer auf und knallte ihr ein: „Buh!“ ins Gesicht, dass sie zu Tode erschrocken erstarrte. Niemand reagierte. Die Verkäuferinnen taten so, als hörten sie nichts und kassierten weiter, ganz auf Deeskalation getrimmt. Die Kunden schwiegen auch, ebenfalls bemüht, sich nicht provozieren zu lassen. Überraschenderweise zahlten die Männer brav ihre Bierkisten und verschwanden zu den Kumpanen. Ein hörbares Aufatmen ging durch den Laden.
Draußen zogen die beiden grinsend je eine Flasche Wodka aus ihren Taschen. Die hatten sie geklaut. Dann beschloss die Bande, zur alten Brücke zu gehen, die eine Nebenstraße über den noch jungen Fluss führte. Zwei schwere Pfeiler standen im Wasser und wurden von Strudeln und Wirbeln umspült.
„Kommt, wir springen!“ rief der Anführer, Oskar mit Namen, und zog sich Stiefel und Jeans aus. „Bist du verrückt, das ist viel zu gefährlich!“ warnte einer. „Das Wasser ist nicht tief genug!“
Oskar lachte: „Seid ihr Feiglinge?“ kletterte auf die Brüstung und stürzte sich mit einer Arschbombe ins Wasser. Es spritzte gewaltig, sogar bis zu ihnen hinauf. Unten tauchte Oskar auf, schüttelte sich prustend und schrie nach oben:
„Das ist geil! Los, wer traut sich?“
Keiner kam so recht aus der Deckung. Sie drucksten alle herum. „Hey, ihr Schlappschwänze! Ihr habt's doch gesehen! Ist völlig ungefährlich. Der erste, der sich traut, darf meine Braut bumsen!“
Der Jüngste kicherte. Er war ein mageres Bürschchen mit Sommersprossen. Auf dem Schulhof hatten sie ihn angesprochen, hatten ihm eine Musik CD geschenkt, die hatte ihm gefallen. Er war neugierig geworden und nun war er hier. Es war auf jeden Fall besser als zuhause, wo niemand auf ihn wartete.
Der neben ihm haute ihm auf die Schulter.
„Na Kleiner, wär’ das nichts für dich?“
„Das ist nichts für Babys. Der muss erst noch wachsen!“ sagte sein Nachbar. Die anderen lachten und sahen einander an.
„Zieh mal deine Hose runter und zeig, was du hast!“ rief ein Langer und griff nach den Boxershorts des Kleinen. Dem wurde mulmig.
Ungeduldig rief Oskar: „Was ist denn da oben? Kommt ihr jetzt?“
Da fiel’s ihnen wieder ein. Mit der Braut des Anführers bumsen? Hey, warum nicht? Der Preis lohnte sich. Die Mutigsten schwangen sich schon über die Brüstung, standen auf einem schmalen Sims, hielten sich rückwärts fest und sahen in die Tiefe. Ein vorbeifahrender Autofahrer hielt bei der Gruppe an.
„Was macht ihr denn da? Seid ihr lebensmüde?“
„Ach, halt's Maul! Hau ab!“ beschieden sie ihm grob.
Kopfschüttelnd trat der Fahrer auf das Gaspedal und verschwand. Es war, als hätte es nur dieser Warnung bedurft, um den Damm der Ängstlichkeit zu durchbrechen. Keiner wollte dem anderen nachstehen, keiner wie ein Feigling aussehen. Sie waren harte Männer, furchtlos und risikobereit. Einer von untersetzter Gestalt, schon jenseits der Brüstung, ließ los und stieß sich ab. Im Sprung ging er in die Hocke, juchzte laut und landete mit einer gewaltigen Fontäne in der weiß aufspritzenden Gischt.
„Hey, Alter“, schrie er Oskar entgegen „Ich krieg deine Braut!“ und lachend begannen sie, sich gegenseitig unter Wasser zu drücken.
Nun wollte sich keiner mehr eine Blöße geben und nacheinander sprangen sie. Es begann, ihnen Spaß zu machen. Sie sprangen in die Strudel, schwammen ans Ufer, kletterten durch niederes Buschwerk zurück auf die Brücke und sprangen wieder. Dazwischen flossen das mitgebrachte Bier und etliche Kurze durch ihre Gurgeln und alle grölten: „Wir sind die Größten!“ und „Deutschland den Deutschen!
 
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Kommentare  

Der erste Teil deiner Story gefällt mir schon mal sehr gut. Einfach typisch das Ganze. Wer hat das nicht schon so oder ähnlich erlebt. Ein aktuelles Thema.

Marco Polo (15.02.2012)

ja, Ihr habt völlig Recht, der zweite Teil der Geschichte
wird von Eurer automatischen Texteinfügemaschine nicht
angenommen. Dies ist schon der zweite Versuch. Ich
werde jetzt den zweiten Teil als eigene Story
veröffentlichen. Also, bitte nicht irritiert sein.

Renate


Renate Neff (15.02.2012)

Hmm...geschrieben ist ganz gut, aber sag mal, wo ist denn das Ende, denn irgendwie scheint es mir, als wär dieses verlustig gegangen.

Liebe Grüße


Tis-Anariel (15.02.2012)

Ich stimme Michael zu. Man kann sie nicht bremsen und komischerweise leid tun sie einem auch noch, z. B. wenn sie so einen gefährlichen Unsinn machen, wie du ihn beschrieben hast.

Evi Apfel (15.02.2012)

Deine eindrucksvolle Geschichte hat nachhaltig bewiesen, dass viele Passanten wegschauen, wenn Gefahr auf andere Menschen lauert.
Zivilcourage ist gefragter denn je, aber die meisten haben nicht den Mut, um in derart Gefahr heraufbeschwörenden Situationen beherzt einschreiten zu können. Ehrlich muss ich mir (leider) eingestehen, dass es mir ebenso ergeht.
LG. Michael


Michael Brushwood (15.02.2012)

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